TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/8 W279 2223862-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2019
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Entscheidungsdatum

08.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W279 2223862-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX .1968, StA. Ukraine, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, stellte am XXXX .07.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zu Protokoll, dass er sich bereits von 2001 bis 2008 in Österreich aufgehalten habe und vor 11 Jahren einen negativen Asylbescheid erhalten habe. Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er eine Ladung zur Untersuchungskommission der Wehrdienstbehörde erhalten habe und für tauglich qualifiziert worden sei, obwohl er bereits über 50 sei. Da im Osten nach wie vor Kriegszustand vorherrsche, könnten in der Ukraine auch ältere Personen bis zum sechzigsten Lebensjahr einberufen werden. Da er sich bereits einer Augenoperation unterzogen habe und deswegen schlecht sehe, wolle er nicht vom Militär rekrutiert werden. Bei einer Rückkehr würde er zum Militär eingezogen werden und in das Kriegsgebiet entsandt werden.

2. Am XXXX 07.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab im Zuge dessen zu Protokoll, dass er im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt habe. Er habe keine identitätsbezeugenden Dokumente oder Beweismittel, die er in Vorlage bringen könnte. Auf Aufforderung, seine Aufenthaltsorte von 2008 bis zur neuerlichen Einreise in Österreich anzugeben, brachte der BF vor, dass er bis zu Ausreise 2019 in seinem Elternhaus gewohnt habe. Seine Stiefmutter sei nach wie vor in diesem Haus wohnhaft. Auf Aufforderung, seine Reisebewegungen zu schildern, gab der BF an, dass er mit einem Bus in die Slowakei gefahren sei und einen Freund um Rat bezüglich seiner Einberufung gefragt habe. Der Freund habe ihm empfohlen, eine Anzeige einzubringen und unter Verwendung seines Reisepasses auszureisen. Die Frage, ob er in der Ukraine den Grundwehrdienst geleistet habe, wurde vom BF verneint. Für einen Ersatzdienst sei er ebenfalls nicht herangezogen worden, da er an einer pädagogischen Universität studiert habe. Befragt, ob er den Grundwehrdienst nachholen habe müssen, nachdem er sein Studium beendet habe, entgegnete der BF, dass er nach Abschluss seines Studiums nicht mehr bestellt worden sei, da sein Vater alles für ihn geregelt habe. Zur Frage, wie sein Vater das für ihn erledigt habe, erwiderte der BF, dass zu Beginn des russisch-ukrainischen Krieges Schmiergeld bezahlt habe. Im Jahr 2015 habe er jedoch freiwillig einrücken wollen, was jedoch abgelehnt worden sei. Aufgrund einer Augenkrankheit habe er am rechten Auge nichts sehen können, was jedoch durch eine Operation behoben worden sei. Nach der Operation habe er seinen Einberufungsbefehl erhalten. Die Frage, ob er vor diesem Reisepass bereits einen anderen Pass erhalten habe, wurde vom BF verneint. Auf Aufforderung, die Operation zu beschreiben, welche er im Jahr 2019 zur Wiederherstellung seines Augenlichtes gehabt habe, erklärte der BF, dass er einen Augenkristall in sein Auge eingesetzt bekommen habe. Laut Einberufungsbefehl, den er vom Postboten erhalten habe, hätte er sofort zur Einrückung erscheinen müssen. Auf Vorhalt, dass postalische Einberufungsbefehle laut ukrainischen Recht nichtig seien, erwiderte der BF, dass er das Einschreiben persönlich erhalten habe und es üblich sei, auf diese Weise Post zugestellt zu bekommen. Befragt, wann er bei der Stellungskommission vorstellig geworden sei, erklärte der BF, dass dies nach ca. einem oder zwei Tagen erfolgt sei. Zum weiteren Vorhalt, dass man aufgrund des kurzen zeitlichen Abstandes eine genaue Angabe erwarten könne, gab der BF an, dass er dazu keine konkreten Angaben machen könne. Auf Aufforderung, näher zu schildern, was bei der Stellungkommission geschehen sei, führte der BF aus, dass er zu medizinischen Untersuchungen geschickt worden sei und im Zuge dessen untersucht worden sei. In weiterer Folge sei er als tauglich qualifiziert worden, weswegen er die Stellungskommission verlassen habe. Zur Frage, wie er als Zivilist die Kaserne einfach verlassen habe können, ohne angehalten zu werden, entgegnete der BF, dass dort viele Menschen ein-und ausgehen würden. Er habe seinen Passagierschein beim Verlassen des Gebäudes einfach zurückgelassen. Auf die weitere Frage, weshalb die Einrückung ein Problem für ihn darstelle, obwohl er 2015 bereits freiwillig einrücken habe wollen, erwiderte der BF, dass er ursprünglich patriotische Motive für einen Einsatz gehabt habe, nachdem jedoch Machenschaften im Krieg enthüllt worden seien, habe er die wahren Absichten für die Kriegsführung erkannt. Auf die Frage, wer zur Zeit der ukrainische Präsident sei, erklärte der BF, dass es sich um Selenskyi handle. Befragt, wie er aus der Ukraine ausgereist sei, gab der BF an, dass er legal mit dem Bus aus der Ukraine ausgereist sei. Auf Vorhalt, dass laut Länderberichten zur Ukraine sowohl die Armee als auch das Innenministerium Zugriff auf Daten der Personen hätten, welche sich der Einberufung entzogen hätten, weshalb eine weitere Einberufung fällig werde und befragt, wie es ihm möglich gewesen sei, legal auszureisen, brachte der BF vor, dass er nicht wisse, welche Informationen bei den Behörden aufliegen würden. Er habe die Ukraine einfach verlassen. Die Frage, ob man ihm den Ort der Stellung gesagt habe, in welcher Einheit er wann einrücken müsse, wurde vom BF verneint. Befragt, wann und durch wen es zur Beschlagnahme des Anteiles seines Hauses gekommen sei, replizierte der BF, dass sich dieser Vorfall im Jahr 2019 ereignet habe und vom Arbeitgeber, bei dem er 2008 gearbeitet habe, ausgegangen sei. Auf Vorhalt, dass Privatpersonen in der Ukraine nichts beschlagnahmen könnten, erwiderte der BF, dass es sich bei seinem Arbeitgeber um einen wohlhabenden Großbauern handle. Zu weiteren Frage, ob die Polizei oder diese Person als Privatperson das Haus beschlagnahmt habe, gab der BF an, dass sein ehemaliger Arbeitgeber Käufer gefunden habe und das Haus verkauft worden sei. Auf Aufforderung, den Sachverhalt betreffend sein Elternhaus zu beschreiben, führte der BF aus, dass er bei einer namentlich genannten Person gearbeitet habe und aufgrund der Schwere dieser Tätigkeit infolge eines Arbeitsunfalles invalide geworden sei. Sein Arbeitgeber habe ihm über einen Polizisten ausgerichtet, ihn nicht anzuzeigen und habe ihm versprochen, eine bestimmte Summe Bargeld als Entschädigung auszuzahlen. In weiterer Folge sei ihm der versprochene Betrag jedoch nicht ausgezahlt worden, woraufhin der BF den Fall bei der Staatsanwaltschaft angezeigt habe. Nachdem die Staatsanwältin dem BF nach einer Unterredung mit seinem ehemaligen Arbeitsgeber erklärt habe, dass es für einen Arbeitsunfall keine Zeugen gebe, habe der BF anschließend das Fahrzeug seines ehemaligen Arbeitsgebers demoliert. Der Vorfall habe sich im Sommer 2010 ereignet und dem BF sei für die geschilderte Sachbeschädigung eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 Dollar auferlegt worden. Der Sicherheitschef seines ehemaligen Arbeitgebers habe von ihm in regelmäßigen Abständen Geld verlangt. Nach dem Tod seines Vaters habe der BF sein Erbe angetreten, woraufhin er von dem besagten Sicherheitschef erneut mit einem Käufer besucht worden sei. Befragt, wieso er in den neun Jahren niemals ausgereist sei, obwohl eine kriminelle Organisation von ihm Geld gefordert habe und ihm die Sicherheitsbehörden nicht geholfen hätten, brachte der BF vor, dass er gezwungen gewesen sei, den genannten Personen eine Zahlung zu leisten. Auf Nachfrage, weshalb er nicht ausgereist sei, erklärte der BF, dass er nur seinen Vater gehabt habe, seine Stiefmutter sei im Gegensatz dazu seine Feindin gewesen.

Zu den Lebensumständen in Österreich befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er Leistungen aus der Grundversorgung beziehe und 2005 in einer Brauerei gearbeitet habe. Ansonsten sei er Mitglied der Zeugen Jehovas geworden. In der Ukraine habe er keine familiären Anknüpfungspunkte mehr.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist und wurde weiters unter gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) Dem BF wurde aufgetragen, ab 23.07.2019 in einem namentlich bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.)

Festgehalten wurde, dass der BF insgesamt zwei Fluchtgründe vorgebracht habe. Einerseits eine Einberufung zum Wehdienst im Sinne einer Mobilisierungswelle, welcher er nicht folgen wolle und andererseits eine finanzielle Ausbeutung und Verfolgung durch eine kriminelle Organisation. Sein erstes Vorbringen konstituiere keinesfalls einen Fluchtgrund. Die Einberufung zum Wehrdienst im Sinne der Mobilisierungswelle betreffe den BF persönlich nicht aufgrund persönlicher Eigenschaften im Sinne der GFK. Eine Einberufung auf Basis einer solchen Eigenschaft habe der BF auch nicht angegeben. Des Weiteren habe der BF in seiner Einvernahme angegeben, dass er seit seinem letzten Aufenthalt in Österreich im Jahr 2008 den Zeugen Jehovas angehöre, weshalb er eine Verrichtung des Wehrdienstes ohne negative Folgen aus Gewissensgründen ablehnen könne. Fest stehe, dass dem Vorbringen des BF schon a priori wenig bis keine Glaubhaftigkeit zukomme, da er es in seiner Erstbefragung nicht erwähnt habe, in seiner Einvernahme erst nach den Fragen zu seinem eigentlich angegebenen Fluchtgrund angegeben habe und darüber hinaus seine diesbezüglichen Angaben keinerlei Berührungspunkte zu seinem Erstvorbringen aufweisen würden. Aufgrund dessen sei es nach allgemeiner Logik nicht erklärbar, wie es sich dabei um eine tatsächlich vorliegende Bedrohungslage handeln könne. Vielmehr gehe das Bundesamt davon aus, dass er jenes Vorbringen lediglich angegeben habe, da ihm bewusstgeworden sei, dass sein Erstvorbringen völlig ins Leere gehe. Selbst wenn man seine Angaben einer Glaubwürdigkeitsprüfung unterziehe, könne kein glaubhafter Kern erkannt werden, da sein Zweitvorbringen dermaßen viele Logiklücken habe, dass feststehe, dass es sich dabei um bloße Fiktion handle. Bei Wahrheitsunterstellung begehe der BF selbst innerhalb kurzer Zeit selbst zwei strafbare Handlungen, welche die Basis für sein Zweitvorbringen darstellen würden, was schon einmal nicht für eine schutzwürdige Verfolgungslage spreche. Weshalb der BF neun Jahre nicht die Flucht ergriffen habe, obwohl die Ukraine ihm gegenüber nicht schutzfähig oder schutzwillig gewesen sei, habe er nicht logisch nachvollziehbar erklären können. Der BF habe ebensowenig erklären können, wie es seinem früheren Arbeitgeber möglich gewesen sei, sein geerbtes und eingetragenes Vermögen zu verkaufen. Bei Wahrheitsunterstellung wäre zudem anzunehmen, dass mit dem Verkauf seines Erbes die Schuld des BF getilgt wäre und die vermeintliche Bedrohungslage beendet wäre. Besonders werde darauf hingewiesen, dass er innerhalb der Erzählens seines Zweitvorbringens niemals ein konkretes, fluchtauslösendes Ereignis angegeben habe. Zusammenfassend stelle das Bundesamt fest, dass seinem Erstvorbringen keine Asylrelevanz und seinem Zweitvorbringen keine Glaubhaftigkeit zukomme.

Gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 25.09.2019 fristgerecht Beschwerde. Im Wesentlichen wurde nach Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensganges und seiner Fluchtgründe moniert, dass der BF bereits von 2001 bis 2008 im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei und ausgezeichnet Deutsch spreche. Er leide an Hepatitis B und C. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig. Sie würden zwar allgemeine Aussagen über die Ukraine treffen, würden sich jedoch kaum mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. So habe die Behörde unterlassen, ausreichend aktuelle Berichte zur Frage der Zwangsarbeit heranzuziehen. Weiters hätte die Behörde vor dem Hintergrund ihrer eigenen Länderfeststellungen, wonach Wehrdienstverweigerung bzw. Mobilisierungsentziehung mit bis zu drei bzw. fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sei, konkretere Feststellungen zu den Haftbedingungen in der Ukraine treffen müssen. Die belangte Behörde habe den Antrag des BF abgewiesen, weil sie ihn als unglaubwürdig erachte. Diese Feststellung basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung sowie einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens habe das BFA jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen. Die Beweiswürdigung sei insofern unschlüssig und damit mangelhaft, als die Behörde dem BF vorhalte, dass er als Zeuge Jehovas ohnehin vom Wehrdienst befreit sei, ohne sich genauer mit seinem Glauben auseinanderzusetzen. Tatsächlich bekenne sich der BF zwar zum Glauben der Zeugen Jehovas, sei jedoch nicht formell beigetreten, weshalb er nicht von der Wehrpflicht befreit wäre. Entgegen der rechtlichen Beurteilung der Behörde wäre der BF von unverhältnismäßig strenger Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung betroffen, da ihm eine bis zu fünfjährige Gefängnisstrafe drohe. Die Haft-und besonders Untersuchungshaftbedingungen seien wie sich aus den oben zitierten Berichten ergebe derart, dass bei drohender Inhaftierung von einer drohenden Art. 3 EMRK Verletzung auszugehen sei. Eine interne Fluchtalternative bestehe für den BF nicht, da er staatliche Verfolgung befürchte bzw. die Behörden aufgrund des Einflusses seines Arbeitsgebers nicht schutzwillig sei. Aus diesem Grund könne der BF nicht den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nehmen. Der Spruchpunkt I sei aufgrund erheblicher Verfahrensfehler und einer unrichtigen Rechtsanwendung erlassen worden und sei damit unzulässig. Der angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde verkannt habe, dass durch eine Rückkehrentscheidung des BF in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK verletzt werde. Die belangte Behörde habe eine mangelhafte Interessensabwägung vorgenommen und sei daher zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass die Verhängung einer Rückkehrentscheidung zulässig wäre. So habe die Behörde die Deutschkenntnisse des BF sowie dessen Hepatitis-Erkrankung nicht ausreichend gewürdigt. Der Beschwerde wurde ein Laborbefund vom XXXX .07.2019 angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist ukrainischer Staatsangehöriger, der ukrainischen Volksgruppe und dem Glauben der Zeugen Jehovas zugehörig. Er reiste unter Verwendung eines ukrainischen Reisepasses ins Bundesgebiet ein und stellte am XXXX .07.2019 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm in der Ukraine eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht. Er hat niemals Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt.

Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Der BF hat ferner nicht glaubhaft gemacht, dass er im Falle seiner Rückkehr in seinem Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Der BF hatte eine Augenoperation und es wurden eine Hepatitis B sowie eine Hepatitis C Erkrankung diagnostiziert.

Die beim Beschwerdeführer vorliegenden Krankheitsbilder sind in der Ukraine ebenfalls einer Behandlung zugänglich, die von ihm benötigten Medikamente sind im Herkunftsstaat weitgehend verfügbar. Es bestehen keine substantiierten Anhaltspunkte dahingehend, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Umstände im Herkunftsstaat keinen Zugang zur benötigten Behandlung hätte.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Der unbescholtene Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig und bestreitet seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat keine familiären Bezugspersonen im Bundesgebiet und hat - auch unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen - keine maßgeblichen Integrationsbemühungen an den Tag gelegt. Er hat sich kaum Deutschkenntnisse angeeignet und sich nicht in die österreichische Gesellschaft integriert.

Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 23.07.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Die Partei "Sluha Narodu" (Diener des Volkes) von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die ukrainische Parlamentswahl vom 21.07.19 gewonnen. Noch liegt das amtliche Endergebnis nicht vor, aber nach Auszählung von etwa 70% der Stimmen steht fest, dass die Partei auf rund 42,7% kommt. Es folgen die russlandfreundliche Oppositionsplattform mit etwa 13%, die Partei "Europäische Solidarität" des früheren Präsidenten Petro Poroschenko mit etwa 8,4%, die Vaterlandspartei der Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko mit 7,4% und die Partei "Holos" (Stimme) des Rocksängers Swiatoslaw Wakartschuk mit 6,2%. Dies sind die fünf Parteien, die die 5%-Hürde überwinden konnten. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

Zusammen mit den gewonnenen Sitzen aus den Direktwahlkreisen kommt Selenskyjs Partei auf knapp 250 der insgesamt 450 Sitze im Parlament. Das gute Ergebnis über die Parteiliste war vorausgesagt worden, jedoch überrascht der Gewinn von mehr als 120 Direktmandaten, da die Kandidaten durchwegs Polit-Neulinge sind und über keinerlei Erfahrung im Parlament verfügen. Die enorme Wählerzustimmung für Selenskyjs Partei bedeutet, dass das erste Mal in der Ukraine eine politische Kraft die absolute Mehrheit der Sitze in der Rada erreicht hat. Damit entfallen die komplizierten Koalitionsverhandlungen, mit denen im Vorfeld der Wahl viele Experten gerechnet hatten. Offenbar wurde auch Selenskyj selbst davon überrascht, denn noch am Wahlabend hatte er Wakartschuks "Holos", auch diese eine erst vor kurzem gegründete Partei mit ausschließlich politisch unerfahrenen Kandidaten und radikaler Antikorruptions-Agenda, Koalitionsverhandlungen angeboten. Dies dürfte nun unnötig geworden sein (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (22.7.2019): Briefing Notes, per E-Mail

-

DS - Der Standard (22.7.2019): Diener des Volkes werden Kiew regieren,

https://www.derstandard.at/story/2000106566433/diener-des-volkes-werden-kiew-regieren, Zugriff 23.7.2019

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

In der Rada sind derzeit folgende Fraktionen und Gruppen vertreten:

Partei

Sitze

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

135

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

38

Selbsthilfe (Samopomitsch)

25

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

21

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

60

(AA 20.5.2019)

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

-

CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-

DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine,

https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

-

KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair,

https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019

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Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

-

UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

-

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On Disbanding Ukrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbanding-ukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019

3. Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten "Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj,

https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

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SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin ein Problem. Einige Richter behaupteten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte erhielten Berichten zufolge Bestechungsgelder. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte Gerichte und mangelnde Möglichkeiten Urteile durchzusetzen (USDOS 13.3.2019).

Die ukrainische Justizreform trat im September 2016 in Kraft, der langjährige Prozess der Implementierung der Reform dauert weiter an. Bereits 2014 startete ein umfangreicher Erneuerungsprozess mit der Annahme eines Lustrationsgesetzes, das u.a. die Entlassung aller Gerichtspräsidenten sowie die Erneuerung der Selbstverwaltungsorgane der Richterschaft vorsah. Eine im Februar 2015 angenommenen Gesetzesänderung zur "Sicherstellung des Rechtes auf ein faires Verfahren" sieht auch eine Erneuerung der gesamten Richterschaft anhand einer individuellen qualitativen Überprüfung ("re-attestation") aller Richter vor, die jedoch von der Zivilgesellschaft als teils unzureichend kritisiert wurde. Bislang wurden laut Informationen von ukrainischen Zivilgesellschaftsvertretern rund 2.000 der insgesamt 8.000 in der Ukraine tätigen Richter diesem Prozess unterzogen, wobei rund 10% entweder von selbst zurücktraten oder bei der Prozedur durchfielen. Ein wesentliches Element der Justizreform ist auch der vollständig neu gegründete Oberste Gerichtshof, der am 15. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Allgemein ist der umfassende Erneuerungsprozess der Richterschaft jedoch weiterhin in Gange und schreitet nur langsam voran. Die daraus resultierende häufige Unterbesetzung der Gerichte führt teilweise zu Verfahrensverzögerungen. Von internationaler Seite wurde die Annahme der weitreichenden Justizreform weitgehend begrüßt (ÖB 2.2019).

2014 wurde auch eine umfassende Reform der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt. In erster Linie ging es dabei auch darum, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Institution wieder herzustellen, weshalb ein großer Teil dieser Reform auch eine Erneuerung des Personals vorsieht. Im Juli 2015 begann die vierstufige Aufnahmeprozedur für neue Mitarbeiter. Durchgesetzt haben sich in erster Linie jedoch Kandidaten, die bereits in der Generalstaatsanwaltschaft Erfahrung gesammelt hatten. Weiters wurde der Generalstaatsanwaltschaft ihre Funktion als allgemeine Aufsichtsbehörde mit der Justizreform 2016 auf Verfassungsebene entzogen, was jedoch noch nicht einfach gesetzlich umgesetzt wurde. Jedenfalls wurde in einer ersten Phase die Struktur der Staatsanwaltschaft verschlankt, indem über 600 Bezirksstaatsanwaltschaften auf 178 reduziert wurden. 2017 wurde mit dem Staatsanwaltschaftsrat ("council of prosecutors") ein neues Selbstverwaltungsorgan der Staatsanwaltschaft geschaffen. Es gab bereits erste Disziplinarstrafen und Entlassungen, Untersuchungen gegen die Führungsebene der Staatsanwaltschaft wurden jedoch vorerst vermieden. Auch eine spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wurde geschaffen. Diese Reformen wurden vor allem wegen der mangelnden personellen Erneuerung der Staatsanwaltschaft kritisiert. Auch erhöhte die Reform die Belastung der Ankläger, die im Durchschnitt rund je 100 Strafverfahren gleichzeitig bearbeiten, was zu einer Senkung der Effektivität der Institution beiträgt. Allgemein bleibt aber, trotz einer signifikanten Reduktion der Zahl der Staatsanwälte, diese im europäischen Vergleich enorm hoch, jedoch ineffizient auf die zentrale, regionale und lokale Ebene verteilt (ÖB 2.2019).

Nachdem unter Präsident Janukowitsch die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats eingemahnte Verfassungsreform jahrelang hinausgezögert wurde, wurde von Präsident Poroschenko durch seinen im Juli 2014 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung der ukrainischen Verfassung ein neuer Impuls gesetzt. Die darin vorgesehenen Schritte zu dezentraleren Strukturen mit erweiterten Kompetenzen der gewählten Gemeinde- und Bezirksräte, nicht zuletzt im Hinblick auf die Verteilung und Verwaltung öffentlicher Mittel, dem Ausbau der regionalen Selbstverwaltung und der erstmaligen Verankerung des Prinzips der Subsidiarität, wurden von der Venedig-Kommission begrüßt. Jedoch gibt es für die Annahme der Verfassungsreform in zweiter Lesung derzeit keine Mehrheit im Parlament. Vor allem die verfassungsrechtliche Absicherung der im Rahmen des Minsk-Prozesses zur Beilegung des Konflikts in der Ostukraine festgelegten Dezentralisierung steht unter starker Kritik einiger Parteien, weil diese eine "Ermächtigungsklausel" zur Schaffung eines Gesetzes über den Sonderstatus des Donbasss enthält. In der Praxis wurden jedoch bereits Erfolge bei der finanziellen Dezentralisierung erzielt, sowie zahlreiche Gemeinden zusammengelegt, die dadurch mit mehr finanziellen Mittel ausgestattet sind und effizienter arbeiten können. Ohne eine verfassungsmäßige Absicherung der Dezentralisierungsreform bleibt diese jedoch vorerst weiterhin unvollendet (ÖB 2.2019).

Die jüngsten Reforminitiativen bleiben hinter den Erwartungen zurück, werden aber fortgesetzt (FH 4.2.2019).

Quellen:

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

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ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

5. Wehrdienst und Rekrutierungen

Die Wehrpflichtigen in der Ukraine werden folgendermaßen unterteilt:

* Stellungspflichtige (Pre-conscripts)

* Wehrpflichtige (Conscripts)

* aktive Soldaten

* zum Wehrdienst verpflichtete Personen (persons liable for military service) - sie haben bereits den Grundwehrdienst geleitet und können nötigenfalls wieder temporär mobilisiert werden

* Reservisten - zum Wehrdienst verpflichtete Personen, die freiwillig regelmäßige Waffenübungen absolvieren.

(BFA/OFPRA 5.2017)

Die Pflicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes besteht für Männer im Alter zwischen 20 und 27 Jahren. Er dauert grundsätzlich eineinhalb Jahre, für Wehrpflichtige mit Hochschulqualifikation (Magister) 12 Monate. Am 01.05.2014 wurde die früher beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht widerrufen. Danach erfolgten insgesamt sechs Mobilisierungswellen, die hauptsächlich Reservisten, aber auch Grundwehrdienstleistende (letztere zu einer sechsmonatigen Ausbildung) erfassten. Merkmale wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung spielen bei der Heranziehung keine Rolle. Wehrpflichtige werden nur auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses des Ministerkabinetts und in festgelegten Zeiträumen und Anzahl einberufen. So gab es 2018 zwei Einberufungszeiträume, April/Mai und Oktober/Dezember, in denen insgesamt 18.000 Wehrpflichtige einberufen wurden. Davon haben ca. 9.000 Soldaten ihren Wehrdienst in den Streitkräften abgeleistet. Wehrpflichtige wurden nur bis Mitte November 2016 und ausschließlich auf freiwilliger Basis nach der sechsmonatigen Grundausbildung in der Ostukraine eingesetzt; seither geschieht dies nicht mehr. Wehrpflichtige müssen einen Wohnortwechsel binnen einer Woche anzuzeigen. Sollte künftig eine Vollmobilisierung erfolgen, wäre ein Wohnortwechsel durch die Wehrüberwachungsbehörde vorab zu genehmigen. Klagen von Vertretern der ungarischen und rumänischen Minderheit, diese Gruppen würden überproportional zum Wehrdienst herangezogen, sind mittlerweile entkräftet und werden nicht mehr wiederholt. Zwangsarbeit und Zwangsrekrutierungen finden staatlicherseits nicht statt (AA 22.2.2019).

Binnenvertriebene (IDPs) sind grundsätzlich wehrpflichtig, sie stellen für das Verteidigungsministerium aber keine Priorität dar, nicht zuletzt wegen etwaiger Sicherheitsbedenken (Gegenspionage) (BFA/OFPRA 5.2017).

An den Wehrpflichtigen ergeht in der Praxis ein Einberufungsbescheid des regional zuständigen Militärkommissariats postalisch oder durch persönliche Zustellung (BFA/OFPRA 5.2017). Gesetzlich vorgesehen ist eigentlich eine persönliche Zustellung, weswegen postalisch zugestellte Bescheide Quellen zufolge ungültig seien (Lifos 15.7.2016).

Binnenvertriebene (IDPs) sind ebenso wehrpflichtig, sie stellen für das Verteidigungsministerium aber keine Priorität dar, nicht zuletzt wegen etwaiger Sicherheitsbedenken (Gegenspionage) (BFA/OFPRA 5.2017).

Frauen mit militärisch nutzbaren Spezialkenntnissen und körperlicher Eignung (und geeigneter familiärer Situation) gelten ebenso als zum Wehrdienst verpflichtete Personen. Im Kriegsfall können sie einberufen werden. In Friedenszeiten können sie freiwillig aktiven oder Reservedienst leisten (BFA/OFPRA 5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

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BFA/OFPRA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Office français de protection des réfugiés et apatrides (5.2017): Fact Finding Mission Report Ukraine- Lifos - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (schwedische Herkunftslandinformationseinheit) (15.7.2016): Temarapport: Ukraina. Militärtjänstgöring, mobilisering och desertering, https://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentAttachmentId=43632, Zugriff 23.5.2019

5.1. Wehrersatzdienst

Das Gesetz über den Ersatzdienst vom 12.12.1991 (Nr. 1975-XII) regelt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und die Möglichkeit, den Ersatzdienst unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abzuleisten. Spätestens zwei Monate vor dem Einberufungstermin muss der Wehrpflichtige bei der für den jeweiligen Wohnort zuständigen Behörde einen begründeten Antrag einreichen. Als Grund ist nur die religiöse Überzeugung bei entsprechender Zugehörigkeit zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft zulässig (AA 22.2.2019), und zwar:

1. Adventists-Reformists

2. Seventh Day Adventists

3. Evangelical Christians

4. Evangelical Christians-Baptists

5. "The Penitents" - the Slavic Church of the Holy Ghost

6. Jehovah's Witnesses

7. Charismatic Christian Churches (and churches assimilated to them according to registered statutes)

8. Union of Christians of the Evangelical Faith - Pentecostals (and churches

assimilated to them according to registered statutes)

9. Christians of Evangelical Faith;

10. Society for Krishna Consciousness

(BFA/OFPRA 5.2017)

Bei Kriegs- oder Ausnah

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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