TE Vwgh Beschluss 2020/2/25 Ra 2019/03/0154

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E15101000
E6J
40/01 Verwaltungsverfahren
93 Eisenbahn

Norm

AVG §8
EURallg
SeilbG 2003 §17
SeilbG 2003 §18
SeilbG 2003 §21
SeilbG 2003 §31
SeilbG 2003 §40
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2
62013CJ0570 Gruber VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der K L in W, vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2019, W219 2215591-1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Seilbahngesetz 2003 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie; nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Schreiben an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) vom 17. Jänner 2019 stellte die Revisionswerberin den Antrag, ihr eine Abschrift sämtlicher Akten, die sich auf näher bezeichnete Konzessionsansuchen betreffend ein Seilbahnprojekt auf den Kberg beziehen, zur Verfügung zu stellen.

2        Begründend führte die Revisionswerberin aus, ihr sei bekannt, dass „Konzessionsanträge für die Errichtung und den Betrieb einer Seilbahn auf den Kberg“ vorlägen. Es sei nach ihrem Wissensstand eine Trasse von Sdorf auf den Kberg geplant. Im Bereich von Sdorf solle ein großer Parkplatz entstehen, weswegen die Befürchtung bestehe, dass es in diesem Feinstaubsanierungsgebiet zu massiven weiteren Schadstoffbelastungen komme. Die aktuelle Entwicklung erachte (u.a.) die Revisionswerberin als äußerst umweltgefährlich und fühle sich im Recht auf Gesundheit gefährdet bzw. habe ein massives Interesse daran zu wissen, welche Gesundheitsbelastungen auf sie zukämen.

3        Mit Bescheid vom 23. Jänner 2019 wies das BMVIT den Antrag der Revisionswerberin mangels Parteistellung zurück.

4        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5        Begründend führte das BVwG aus, dass SeilbG 2003 verlange für den Bau (und Betrieb) öffentlicher Seilbahnen eine Konzession und darüber hinaus insbesondere eine Baugenehmigung. § 40 SeilbG 2003 definiere als „Parteien“ den Bauwerber, die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften und die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasserberechtigten und die Bergwerksberechtigten. Im vorliegenden Fall erübrige es sich, Feststellungen dahin zu treffen, ob der Revisionswerberin die Eigenschaft einer Eigentümerin einer betroffenen Liegenschaft im Sinne des § 40 SeilbG 2003 zukomme. Die Norm regle nämlich nur die Parteistellung im seilbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren; im vorgeschalteten Konzessionsverfahren komme den Grundeigentümern und Anrainern hingegen keine Parteistellung zu (Hinweis auf VwGH 21.10.2011, 2009/03/0009). Wenn die Revisionswerberin argumentiere, ihr müsse in unionsrechtskonformer Auslegung des SeilbG 2003 schon im Konzessionsverfahren Parteistellung gewährt werden, um auf diesem Wege als „betroffene Bürgerin“ die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) geltend machen zu können, sei ihr zu entgegnen, dass sie ihre diesbezüglichen Rechte auch im Verfahren betreffend die seilbahnrechtliche Baugenehmigung geltend machen könne. Die Gewährung von Akteneinsicht bzw. von Parteistellung bereits in einem dem Baubewilligungsverfahren vorgeschalteten seilbahnrechtlichen Konzessionsverfahren sei hingegen nicht geboten.

6        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, für das gegenständliche Seilbahnprojekt müsse eine UVP durchgeführt werden. Das vom BVwG zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.10.2011, 2009/03/0009), aus dem sich ergebe, dass den „Nachbarn“ keine Parteistellung im seilbahnrechtlichen Konzessionsverfahren zukomme, sei vor Inkrafttreten der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) ergangen und habe somit die umfassenden sich aus der UVP-Richtlinie ergebenden Rechte der Nachbarn nicht berücksichtigt. Die Revisionswerberin gehe davon aus, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Berücksichtigung der gravierenden Reichweite und Wirkung der UVP-Richtlinie als überholt zu betrachten sei, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege. Die Zurückweisung des Antrags der Revisionswerberin verstoße, wie das Urteil des EuGH im Fall Gruber zeige, gegen Art. 11 UVP-Richtlinie, weil die Revisionswerberin als Nachbarin im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 durch die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens aufgrund der zu erwartenden Belastungen gefährdet werden könnte und im Hinblick darauf zur „betroffenen Öffentlichkeit“ im Sinne der UVP-Richtlinie gehöre. Das SeilbG 2003 widerspreche auch der SUP-Richtlinie, die eine zwingende Öffentlichkeitsbeteiligung bereits in der Screening-Phase für eine mögliche SUP-Pflicht vorsehe.

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

8        Das Genehmigungsverfahren für öffentliche Seilbahnen erfolgt nach den Vorgaben des SeilbG 2003 in mehreren Schritten. Erste Voraussetzung für den Bau und Betrieb einer öffentlichen Seilbahn ist eine Konzession, durch deren Erteilung die Gemeinnützigkeit der Seilbahn festgestellt wird (§ 21 SeilbG 2003). Darüber hinaus erfordert die Realisierung eines Seilbahnprojekts - mit Ausnahme genehmigungsfreier Bauvorhaben gemäß § 18 SeilbG 2003 - eine Baugenehmigung und eine Betriebsbewilligung.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben (u.a.) Eigentümer von - vom Seilbahnprojekt - betroffenen Liegenschaften oder an diesen dinglich Berechtigte keine Parteistellung im Konzessionsverfahren. Ihnen kommt aber gemäß § 40 SeilbG 2003 Parteistellung im seilbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren zu (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis VwGH 21.10.2011, 2009/03/0009, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

10       Wenn die Revision vermeint, diese Rechtsprechung sei vor Inkrafttreten der Richtlinie 2011/92/EU am 17. Februar 2012 ergangen und mittlerweile überholt, ist ihr zunächst zu erwidern, dass diese Judikatur vom Verwaltungsgerichtshof auch in jüngerer Zeit aufrecht erhalten wurde (vgl. VwGH 21.1.2019, Ra 2018/03/0018).

11       Die Revision gibt keinen Anlass, diese wohlbegründete Rechtsprechung zu ändern. Dem Urteil des EuGH vom 16. April 2015, Rs C-570/13, Gruber, welches die Revision zum Beleg ihres gegenteiligen Rechtsstandpunktes anführt, wird nämlich auch dadurch entsprochen, dass es Nachbarn, die zur „betroffenen Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie gehören, ermöglicht wird, im Rahmen des (seilbahnrechtlichen) Baugenehmigungsverfahrens das Erfordernis einer UVP geltend zu machen.

12       Der Hinweis der Revision auf die notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung nach der Richtlinie 2001/42/EG (SUP-Richtlinie) erweist sich deshalb als nicht relevant, weil sich die SUP-Richtlinie auf die Ausarbeitung und Annahme von „Plänen und Programmen“ bezieht (vgl. zum Begriffsverständnis von „Pläne und Programme“ etwa EuGH 12.6.2019, Rs C-321/18, Terre wallonne, Rn. 41), während es im gegenständlichen Fall um ein Konzessionsverfahren geht, das nicht in den Anwendungsbereich der SUP-Richtlinie fällt.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62013CJ0570 Gruber VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030154.L00

Im RIS seit

27.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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