TE Vwgh Erkenntnis 2020/2/26 Ra 2019/17/0098

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §58 Abs2
AVG §60
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VStG §24
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des G P in N, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichte s Burgenland vom 28. Jänner 2019, E 018/07/2018.008/008, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses der Beschwerde gegen den Tatvorwurf im Spruch des Straferkenntnisses, wonach mit dem als "Cash-Center"- Gerät bezeichneten Glücksspielgerät verbotene Ausspielungen durchgeführt wurden, Folge gegeben und der diesbezügliche Spruchpunkt 4. sowie die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe behoben wurde, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 13. März 2018 wurden dem Revisionswerber als Betreiber eines näher bezeichneten Lokals vier Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) mit drei Glücksspielgeräten und einem sogenannten "Cash-Center"-Gerät zur Last gelegt. Er habe verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht, indem er den Betrieb näher bezeichneter Geräte in den Räumlichkeiten des Lokals im Tatzeitraum gegen Entgelt geduldet habe. Über ihn wurden vier Geldstrafen (sowie vier Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und ihm gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben. 2 Das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) gab der vom Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Spruchpunkt I. bezüglich der vierten Übertretung ("Cash-Center"-Gerät) Folge und behob das Straferkenntnis in diesem Punkt. Weiters gab es der Beschwerde gegen die Spruchpunkte 1. bis 3. des Straferkenntnisses (Übertretungen mit den drei Glücksspielgeräten) insoweit Folge, als es den Spruch dahingehend modifizierte, dass es nach der Bezeichnung des Lokales die Adresse desselben einfügte. Neben weiteren - hier nicht maßgeblichen - Veränderungen des Spruches setzte das LVwG die Geldstrafen (sowie die Ersatzfreiheitsstrafen) jeweils pro Gerät herab. Außerdem ergänzte es die Strafsanktionsnorm mit "§ 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, erster Strafsatz, Glücksspielgesetz (GSpG)". Im Übrigen wies das LVwG die Beschwerde als unbegründet ab. Mit Spruchpunkt II. setzte das LVwG den Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde herab und sprach aus, dass kein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu leisten sei. Unter einem wurde die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt. 3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 973/2019-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 4 In der Folge erhob der Revisionswerber eine außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Liegen - wie im vorliegenden Fall etwa hinsichtlich der Bestrafung wegen des unternehmerisch Zugänglichmachens dreier Geräte sowie der Behebung des Spruchpunktes 4. des Straferkenntnisses ("Cash-Center"-Gerät) - in der angefochtenen Entscheidung trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. dazu etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2017/17/0968, mwN). 9 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ausschließlich gegen die Bestätigung des bekämpften Straferkenntnisses hinsichtlich der Bestrafung betreffend dreier Geräte. Hinsichtlich der Behebung des Spruchpunktes 4. des Straferkenntnisses mit dem angefochtenen Erkenntnis (Spruchpunkt I.) findet sich kein Zulässigkeitsvorbringen.

10 Da diesbezüglich kein Vorbringen erstattet und somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, war die Revision - soweit sie sich mangels Einschränkung auch gegen die Behebung des Spruchpunktes 4. des genannten Straferkenntnisses richtet - aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es eines Mängelbehebungsauftrages bedurft hätte (vgl. VwGH 21.2.2018, Ra 2018/17/0012, mwN).

11 2.2. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision u.a. vor, er habe den Tatbestand des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nicht erfüllt, weil er nicht Inhaber jenes Lagerraumes sei, in dem die Geräte von einer bestimmten Gesellschaft betrieben worden seien. Er habe diesen Lagerraum nämlich an diese Gesellschaft vermietet, wobei es auf die faktischen Gegebenheiten ankomme. Das LVwG habe keine Feststellungen zur Frage getroffen, wem die Gewahrsame über den Lagerraum zugekommen sei, weshalb eine rechtliche Beurteilung nicht möglich sei. Im Übrigen habe er in diesem Zusammenhang auch einen Beweisantrag gestellt, dem das LVwG ohne Begründung nicht nachgekommen sei.

12 Aufgrund dieses Vorbringens erweist sich die Revision als

zulässig.

Sie ist auch begründet.

13 Das unternehmerisch Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung iSd. dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht eine Person, die etwa ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirt die Aufstellung eines solchen Glücksspielgerätes durch einen Dritten duldet, weil er dafür eine Miete erhält oder sich zumindest durch das Vorhandensein dieses Gerätes in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2016/17/0273, mwN).

14 Ein unternehmerisches Zugänglichmachen liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes also gerade dann vor, wenn ein Teil der Räumlichkeiten "als Aufstellfläche für Glücksspielgeräte" vermietet war (vgl. dazu VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0193; 21.2.2019, Ra 2018/09/0196; 25.9.2018, Ra 2017/17/0920). Dabei ist es jedoch wesentlich, dass die Person, die für das unternehmerische Zugänglichmachen bestraft wird, jenen Raum, in dem die Geräte aufgefunden wurden, zumindest "mitbetrieben" hat (vgl. dazu VwGH 26.6.2019, Ra 2019/17/0059, Rn. 9).

15 Zur Beurteilung, ob eine Person das Tatbild des unternehmerisch Zugänglichmachens verwirklicht hat, sind somit Feststellungen erforderlich, die es ermöglichen zu prüfen, ob diese Person die Geräte in ihrer Gewahrsame hat.

16 Im vorliegenden Fall hat das LVwG festgestellt, dass der Revisionswerber ein Cafe betreibe; die Geräte seien in einem "Lagerraum" vorgefunden worden. Dieser Raum sei über das Lokal zugänglich. Aus den Feststellungen folgt jedoch weiters, dass diese Tür am Kontrolltag versperrt gewesen sei und dass das die Kontrolle durchführende Organ der Finanzpolizei den Lagerraum gerade nicht durch diese - versperrte - Tür betreten habe, sondern von "draußen", sodass es zu diesem "Lagerraum" zumindest zwei Zugänge geben dürfte (zur Wesentlichkeit solcher Feststellungen für die Beurteilung, ob eine Person das dritte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfüllt hat, vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/09/0061, wo es lediglich einen Zugang gab). Das LVwG stellte überdies fest, dass der Lagerraum vermietet war.

17 Diese Feststellungen des LVwG vermögen die darauf gründende rechtliche Beurteilung, dass der Revisionswerber die vorgefundenen Geräte zugänglich gemacht hat, nicht zu tragen, weil auf der Basis der erwähnten Feststellungen nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Revisionswerber noch die Gewahrsame über den vermieteten Raum gehabt haben sollte.

18 Dazu kommt, dass sich das LVwG mit dem vom Revisionswerber gestellten Beweisantrag zur Einvernahme seiner Ehefrau, zum Beweis der Unmöglichkeit des Betretens dieses Lagerraumes, nicht auseinander gesetzt hat. Der Revisionswerber hatte jedoch bereits in der Beschwerde vorgebracht, er habe den Raum vermietet und gerade keine verbotenen Ausspielungen "in den eigenen Räumlichkeiten" geduldet.

19 Das Verwaltungsgericht darf sich gemäß ständiger hg. Rechtsprechung über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Nach ständiger hg. Judikatur ist dem AVG (vgl. zur Anwendbarkeit im vorliegenden Fall § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 45 Abs. 2 AVG) eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. VwGH 14.4.2016, Ra 2014/02/0068).

Letzteres ist im vorliegenden Fall angesichts der verschiedenen Zugänge und der versperrten Tür im Lokal des Revisionswerbers nicht offensichtlich, weil die Frage zu klären war, ob der Revisionswerber die Gewahrsame über den vermieteten Raum hatte. Das LVwG war bei Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen

des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG gehalten, dem Beweisantrag nachzukommen, um Feststellungen treffen zu können, die eine rechtliche Beurteilung, ob der Revisionswerber die Geräte in einem ihm zurechenbaren Raum zugänglich gemacht hat, überhaupt erst ermöglichen.

20 2.3. Da diese Ermittlungen und darauf gegründete Feststellungen - offensichtlich aufgrund einer unzutreffenden Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes - unterblieben sind, war das angefochtene Erkenntnis, soweit es das Straferkenntnis hinsichtlich der Übertretungen mit den drei Glücksspielgeräten bestätigte, einschließlich des Ausspruches über den Beitrag zu den Verfahrenskosten (Spruchpunkt II.) wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

21 Es ist dem LVwG im fortzusetzenden Verfahren nicht verwehrt, zu prüfen, ob der Revisionswerber ein anderes Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht hat, sofern ihm alle hiefür notwendigen Sachverhaltselemente innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgehalten worden sind (vgl. zum unternehmerisch Beteiligen an verbotenen Ausspielungen durch Vermietung eines Raumes (§ 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG):

VwGH 15.12.2017, Ra 2017/17/0012). "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist nämlich die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226). 22 2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. 23 2.5. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 26. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170098.L00

Im RIS seit

19.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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