TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/14 98/12/0094

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Veröffentlicht am 14.05.1998
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
63/02 Gehaltsgesetz;
63/06 Dienstrechtsverfahren;

Norm

BO Wr 1994 §8 Abs1;
BO Wr 1994 §9 Abs1;
DVG 1984 §2 Abs6;
GehG 1956 §13a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Thomas Fried, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 11, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 27. März 1998, Zl. MA 2/337/97, betreffend Rückersatz eines Übergenusses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer stand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Wien, das mit 30. Juni 1997 geendet hat. Näherhin war das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 gekündigt worden, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhoben hatte. Mit Berufungsbescheid vom 24. Juni 1997, der am 30. Juni 1997 zugestellt wurde, wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Am 30. Juni 1997 war dem Beschwerdeführer bereits der Bezug für Juli 1997 überwiesen worden.

Mit dem im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren ergangenen erstinstanzlichen Bescheid vom 23. Oktober 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 der Besoldungsordnung 1994 (BO 1994) verpflichtet, die zu Unrecht empfangene Geldleistung in der Höhe von S 13.718,30 binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides der Stadt Wien zu ersetzen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit dem nun angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid vom 23. Oktober 1997 stütze sich in seiner Begründung darauf, daß das Dienstverhältnis zwischen der Landeshauptstadt Wien und dem Beschwerdeführer mit 30. Juni 1997 aufgelöst worden war. Es habe sich ein Übergenuß in der Höhe des zuvor genannten Betrages ergeben, weil dem Beamten die Bezüge im vorhinein flüssig gemacht würden, und der Bezug für Juli 1997 im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses bereits angewiesen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in einem Schreiben vom 11. September 1997 behauptet, den ausbezahlten Betrag bereits gutgläubig verbraucht zu haben. Ein Empfang in gutem Glauben sei jedoch auszuschließen, weil der Berufungsbescheid vom 24. Juni 1997, mit welchem der erstinstanzliche Kündigungsbescheid bestätigt worden sei, am 30. Juni 1997 zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer bringe in seiner Berufung vor, diese Rechtsauffassung der erstinstanzlichen Behörde treffe nicht zu. Er habe nunmehr eine Kopie zweier Kontoauszüge vom 26. Juni 1997 bzw. 1. Juli 1997 vorgelegt, aus denen sich eindeutig ergäbe, daß er die entsprechende Gutschrift bereits am 26. Juni 1997 (Gutschrift "am" (zum) 28. Juni 1997) erhalten und diesen Betrag auch gleich verwendet habe (teilweise habe er Überweisungen getätigt, teilweise habe er am 27. Juni S 10.000,-- bar abgehoben, mit welchem Betrag er verschiedene näher bezeichnete Schulden habe abdecken müssen).

Nach Darstellung der Rechtslage (§§ 6 Abs. 2 erster Satz, 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 BO 1994) führte die belangte Behörde weiter aus, der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, daß sein Dienstverhältnis mit 30. Juni 1997 geendet habe. Ebensowenig habe er den durch die Anweisung des Bezuges für Juli 1997 entstandenen Übergenuß dem Grunde oder der Höhe nach bestritten.

Nach herrschender Judikatur sei davon auszugehen, daß nach den §§ 1437 und 326 ABGB derjenige Empfänger einer Nichtschuld als unredlich anzusehen sei, der wisse oder nach den Umständen wissen habe müssen, daß ihm die Leistung nicht gebühre. Der gute Glaube werde nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit ausgeschlossen, er sei schon dann nicht mehr gegeben, wenn der Empfänger eines unrechtmäßigen Bezuges - nicht nach seiner subjektiven Kenntnis der Rechtsvorschriften, sondern objektiv beurteilt - an der Rechtmäßigkeit der ihm zugegangenen Leistung auch nur Zweifel hätte haben müssen (Hinweis auf die Erkennisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1959, Slg. Nr. 5113/A, und vom 30. Juni 1965, Slg. Nr. 6736/A). Dies sei hier der Fall. Ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Kündigungsbescheides vom 16. Oktober 1996 habe dem Beschwerdeführer klar sein müssen, daß sein Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien nach Erledigung seiner Berufung jederzeit, nämlich mit Zustellung eines abweislichen Berufungsbescheides beendet sein könnte und somit auch sein Anspruch auf Bezüge mit Ablauf des Monats, in dem sein Dienstverhältnis aufgelöst werde, ende. Es habe dem Beschwerdeführer daher klar sein müssen, daß ihm vor dem 1. Juli 1997 sein Gehalt für Juli 1997 "noch nicht sicher sein konnte", weil ihm möglicherweise eine abweisliche Berufungsentscheidung gegen den Kündigungsbescheid noch bis zum 30. Juni 1997 zugestellt werden könnte und er somit keinen Anspruch mehr auf sein Gehalt für Juli 1997 hätte. Damit sei ein gutgläubiger Erwerb eines Entgeltes für Juli 1997 vor Ablauf des 30. Juni 1997 nicht möglich.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen

inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Gesetz über das Besoldungsrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Besoldungsordnung 1994 - BO 1994), LGBl. Nr. 55, in der Fassung LGBl. Nr. 15/1998 anzuwenden (Paragraphenzitate ohne nähere Bezeichnung beziehen sich auf dieses Gesetz).

Gemäß § 3 Abs. 1 gebühren dem Beamten Monatsbezüge.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz endet der Anspruch auf den Monatsbezug mit Ablauf des Monats, in dem der Beamte aus dem Dienstverhältnis ausscheidet.

§ 8 Abs. 1 lautet:

"Der Monatsbezug ist im vorhinein fällig und wird nach Tunlichkeit am Ersten jedes Monats oder, wenn der Monatserste kein Arbeitstag ist, am vorhergehenden Arbeitstag ausgezahlt; eine vorzeitige Auszahlung ist zulässig, wenn sie aus organisatorischen Gründen, die mit der Durchführung der Auszahlung im Zusammenhang stehen, notwendig ist. Die Auszahlung und Ausfolgung der Abrechnungsbelege können im Weg eines Kreditinstitutes erfolgen."

    § 9 lautet auszugsweise:

           "Ersatz zu Unrecht empfangener Leistungen

    § 9. (1) Zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse)

sind, soweit sie nicht im guten Glauben empfangen worden sind, der Stadt Wien zu ersetzen.

(2) Die rückforderbaren Leistungen sind durch Abzug von den nach diesem Gesetz und von den nach der Pensionsordnung 1995, LGBl. für Wien Nr. 67 gebührenden Leistungen hereinzubringen; hiebei können Raten festgesetzt werden. Bei der Festsetzung der Raten ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen billige Rücksicht zu nehmen. Ist die Hereinbringung durch Abzug nicht möglich, so ist der Ersatzpflichtige oder sein gesetzlicher Vertreter zum Ersatz zu verhalten. Leistet der Ersatzpflichtige oder sein gesetzlicher Vertreter nicht Ersatz, so sind die rückforderbaren Leistungen nach dem VVG herinzubringen.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz ist auf Verlangen mit Bescheid festzustellen.

..."

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Auffassung der belangten Behörde sei unzutreffend. Zunächst sei vollkommen unklar, weshalb er unbedingt damit hätte rechnen müssen, daß seine Berufung gegen den Bescheid vom 16. Oktober 1996 keinen Erfolg haben werde; wäre er von der Aussichtslosigkeit seiner Berufung ausgegangen, so hätte er eine solche gar nicht eingebracht. Folge man der Argumentation der belangten Behörde, hätte er sich vor dem 1. Juli 1997 seines Gehaltes für Juli 1997 noch nicht sicher sein können. Wäre ihm der Berufungsbescheid, mit welchem der erstinstanzliche Kündigungsbescheid bestätigt worden sei, nicht am 30. Juni 1997, sondern erst einen Tag später, nämlich am 1. Juli 1997 zugestellt worden, so wäre nach Auffassung der belangten Behörde ein guter Glaube sehr wohl gegeben gewesen. Eine solche Spitzfindigkeit - es gehe somit praktisch nur um einen Tag - könne dem Sinn der Vorschriften, die die Rückerstattung von Leistungen ausschlössen, die im guten Glauben empfangen worden seien, keinesfalls entnommen werden. Vielmehr habe er annehmen müssen, daß, "wenn ich Ende Juni 1997 den Julibezug erhalte, eben eine Entscheidung des Berufungssenates noch nicht vorliege. Es kann ja nicht so sein, daß - wenn, aus welchen Gründen auch immer - eine Zustellung an mich am 30.6.1997 nicht erfolgen hätte können (wenn ich wirklich "schlechtgläubig" gewesen wäre, hätte ich mir den Bescheid ganz einfach erst im Juli 1997 abgeholt), sondern lediglich einen Tag später, dies meinen Anspruch aufrecht erhalten hätte, die tatsächlich erfolgte Zustellung am 30.6.97 diesen Anspruch jedoch zerstören würde".

Dem ist folgendes zu entgegnen:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers macht zunächst deutlich, daß er die Frage des gutgläubigen Empfanges mit der Frage der Gebührlichkeit der streitgegenständlichen Leistung vermengt. Der Bezug für Juli 1997 gebührte nicht (mehr), weil das Dienstverhältnis am 30. Juni 1997 endete. Hätte es hingegen später geendet - ein solcher Fall liegt hier nicht vor -, hätte daher der Bezug für Juli 1997 dem Beschwerdeführer (ohnedies) gebührt, würde sich die Frage eines gutgläubigen Empfanges Ende Juni 1997 gar nicht stellen.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der, soweit hier erheblich, mit § 9 Abs. 1 BO 1994 inhaltsgleichen Bestimmung des § 13a Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 der Empfang im guten Glauben nicht nach den subjektiven Gesetzeskenntnissen des Bediensteten, sondern nach der objektiven Erkennbarkeit zu beurteilen. Die Gutgläubigkeit wird demnach nicht nur durch das Erkennen des Übergenusses bzw. des Irrtums der auszahlenden Stelle oder durch auffallende Sorglosigkeit ausgeschlossen. Entscheidend ist, ob es aufgrund der gegebenen Rechtslage in Verbindung mit dem Sachverhalt möglich und zumutbar gewesen wäre, den Umstand des Vorliegens eines Übergenusses zu erkennen (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 20. April 1989, Slg. Nr. 12904/A, unter Hinweis auf Vorjudikatur). Der Beschwerdefall gibt keinen Anlaß, davon abzugehen.

Der 1. Juli 1997 war ein Dienstag, der 30. Juni 1997 ein Montag. Gemäß § 8 Abs. 1 wäre daher der Monatsbezug für Juli "nach Tunlichkeit" (erst) am 1. Juli 1997 auszuzahlen gewesen, wobei im Beschwerdefall offensichtlich von der in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Ermächtigung einer vorzeitigen Auszahlung Gebrauch gemacht wurde. Die generelle Frage, ob sich ein Beschwerdeführer im Fall einer solchen vorzeitigen Auszahlung überhaupt auf einen gutgläubigen Empfang im Sinne des § 9 Abs. 2 berufen kann, wenn sich rückblickend ergibt, daß der Monatsbezug aufgrund von Umständen, die sich zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Auszahlung und dem im Gesetz vorgesehenen Auszahlungstag (Monatserster, allenfalls auch der vorhergehende Arbeitstag, wenn der Monatserste kein Arbeitstag ist) ereigneten, nicht gebührt, ist im Beschwerdefall nicht zu lösen. Zutreffend ist jedenfalls die Auffassung der belangten Behörde, daß nach den Umständen des Beschwerdefalles ein gutgläubiger Empfang (i.S. des § 9 Abs. 1) der strittigen Leistung vor dem 1. Juli 1997 deshalb zu verneinen ist, weil der Beschwerdeführer nach dem anzulegenden objektiven Maßstab angesichts des schwebenden Kündigungsverfahrens mit der Möglichkeit der Beendigung seines Dienstverhältnisses noch im Monat Juni rechnen mußte. Darauf, ob er seine Berufung als aussichtsreich oder aussichtslos erachtete, kommt es vorliegendenfalls nicht an. Aufgrund dieses objektiven Maßstabes kann er sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, angenommen zu haben, der Umstand der vorzeitigen Zahlung könne nur bedeuten, daß die Beendigung des Dienstverhältnisses jedenfalls nicht mehr im Monat Juni 1997 erfolgen werde. Die vorzeitige Zahlung (bei aufrechtem Dienstverhältnis) begründete auch - anders als in dem mit dem hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1997, Zl. 94/12/0111, abgeschlossenen Verfahren - die Zuständigkeit der Dienstbehörde zur Entscheidung über den Rückforderungsanspruch.

Da schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren - und ohne daß dem Beschwerdeführer weitere Kosten entstünden - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998120094.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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