TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/18 VGW-031/024/14023/2019

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49 Abs1
VStG §49 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien e r k e n n t durch seine Richterin Dr. Fekete-Wimmer über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 9. Oktober 2019, Zl. …, mit welchem dem Einspruch vom 8. September 2019 gegen die Strafverfügung teilweise Folge gegeben und die Geldstrafe neu bemessen wurde

zu Recht:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist für den Beschwerdeführer gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten grundsätzlich unzulässig. Im Übrigen ist gegen dieses Erkenntnis für alle Verfahrensparteien gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers vom 8. September 2019 gegen die Strafverfügung vom 28. August 2019 insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe mit € 70,— bzw. die für den Fall der Uneinbringlichkeit verhängte Ersatzfreiheitsstrafe mit 1 Tag und 8 Stunden neu bemessen wurde. Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, dass sich der Einspruch des Beschwerdeführers lediglich gegen das Ausmaß der verhängten Geldstrafe richte.

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde vom 18. Oktober 2019, mit welcher der Beschwerdeführer eine weitere Reduktion der Strafhöhe beantragt.

3. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien, hg. einlangend am 4. November 2019, samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vor.

II.      Sachverhalt

1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Mit Strafverfügung vom 28. August 2019 wurde dem Beschwerdeführer eine Übertretung des § 38 Abs. 5 StVO iVm § 38 Abs. 1 lit. a StVO zur Last gelegt und über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von € 140,— und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Tagen und 16 Stunden verhängt.

Dagegen richtet sich der fristgerecht eingebrachte Einspruch des Beschwerdeführers vom 8. September 2019, in welchem u.a. vorgebracht wird:

„In Ihrem Schreiben scheint es zu sein, dass ich als Lenker nicht bei Rotlicht angehalten habe und trotzdem weitergefahren bin.

Seit ich meinem Führerschein besitze, mache ich mein Bestens sehr Vorsichtig und aufmerksam zu fahren und Fehler von anderen zu korrigieren.

Ich nehme die Verantwortung wenn es aus der Kamera so ersichtlich ist.

Ich muss auch dazufügen, dass ich es sicher nicht mit Absicht überfahren habe.

Der Grund zu meinem Verhalten kann nur sein, da ich im Mai-Juli von der Pollenallergie leide weswegen ich öfters nießen muss und zum teil auch Augen-Juckreiz habe und es durchaus möglich ist, dass ich den Roten Ampel mit weniger als eine Sekunde verpasst habe, sprich ich dachte aufgrund der Allergie dass ich noch während es Orange war gefahren bin.

Ich wollte deshalb fragen ob man diesmal hier entgegenkommen kann die Strafe zu löschen oder die Summe zu reduzieren“.

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde explizit davon aus, dass sich der Einspruch vom 8. September 2019 ausschließlich gegen die Höhe der mit der Strafverfügung verhängten Strafe richte.

2. Diese Feststellungen ergeben sich aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Strafverfügung vom 28. August 2019, zum Einspruch vom 8. September 2019 sowie zum angefochtenen Straferkenntnis ergeben sich aus den entsprechenden im verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Dokumenten und werden im Übrigen auch nicht bestritten.

III.     Rechtliche Beurteilung

1. Der hier maßgebliche § 49 VStG idF BGBl. 57/2018 lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) […]“

2. Gemäß § 49 Abs. 2 VStG hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, darüber zu entscheiden. Bei der Beurteilung des Umfangs eines Einspruches ist der Umstand maßgebend, ob „ausdrücklich nur“ das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten wird. Im Zweifel hat die Behörde davon auszugehen, dass sich der Einspruch gegen die gesamte Strafverfügung richtet (vgl. VwGH 23.3.2016, Ra 2015/02/0247, mwN).

Für die Beurteilung der Frage, ob im gegen eine Strafverfügung gerichteten Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, kommt es auf den Inhalt dieses Einspruches in seiner Gesamtheit an. Maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte auch den Schuldspruch bekämpft hat (vgl. VwGH 24.10.2002, 99/15/0172).

Aus dem objektiven Erklärungswert des Einspruches vom 8. September 2019 lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten hat. Vielmehr kann dem Ansuchen „die Strafe zu löschen“ und dem Vorbringen des vermeintlichen Entschuldigungsgrundes der Allergie eine Bekämpfung des Schuldspruchs entnommen werden und geht aus der Begründung des Einspruchs zudem hervor, dass der Beschwerdeführer die Vorwerfbarkeit der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung bestreitet.

Ob das nicht ausdrücklich gegen die Strafbemessung gerichtete Vorbringen des Schuldspruches erfolgversprechend ist oder nicht, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung (vgl. VwGH 20.11.1991, Zl. 91/02/0086).

Die Strafverfügung wurde somit nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach bekämpft.

§ 49 Abs. 2 vierter Satz VStG sieht vor, dass durch den Einspruch gegen eine Strafverfügung, wenn dieser rechtzeitig eingebracht wurde und darin nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft tritt (vgl. VwGH 3.5.2017, Ro 2016/03/0027).

Aufgrund des rechtzeitig und dem Grunde nach erhobenen Einspruches des Beschwerdeführers ist die Strafverfügung außer Kraft getreten. Von der belangten Behörde hätte in der Folge das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden müssen.

Indem die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass mit dem Einspruch vom 8. September 2019 nur das Strafmaß bekämpft wurde, sie aus diesem Grund das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren nicht eingeleitet und in der Folge mit Straferkenntnis vom 9. Oktober 2019 nur über die Strafhöhe, nicht aber über die Übertretungen dem Grunde nach, abgesprochen hat, hat sie ihre Entscheidungspflicht verletzt. Der Beschwerdeführer wurde – aufgrund der unrechtmäßigen Verweigerung der Einleitung des ordentlichen Verfahrens durch die belangte Behörde – in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung eines ordentlichen Verfahrens gemäß § 49 Abs. 2 VStG sowie in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. VfSlg. 8775/1980).

Wertet die belangte Behörde den Einspruch des Beschuldigten fälschlicherweise als „lediglich gegen das Ausmaß der verhängten Strafe“ und verweigert sie dadurch eine ihr zukommende Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch dem Grunde nach, so ist das Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. VwGH 15.5.1991, 91/02/0002).

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Sache des Verfahrens die Angelegenheit, die den Gegenstand des Verfahrens bzw. den Inhalt des Spruches des Bescheides der belangten Behörde gebildet hat (im Fall einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfasste Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist). Das Verwaltungsgericht darf demnach nicht über anderes entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz war (VwGH 23.12.1991, Zl. 88/17/0010, 1.12.1992, Zl. 92/11/0202, 8.9.1994, Zl. 94/18/0013; diese Judikatur hat auch im Anwendungsbereich des § 27 VwGVG 2014 weiterhin Gültigkeit (vgl. VwGH 27.10.2014, Ra 2014/02/0053).

Gem. § 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in Verwaltungsstrafverfahren „in der Sache“ zu entscheiden. Sache dieses Verfahrens war die Berechtigung der belangten Behörde, dem vermeintlich nur gegen die Höhe der Strafe erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers stattzugeben. Da der belangten Behörde aufgrund des vollen Einspruches des Beschwerdeführers eine solche Zuständigkeit jedoch nicht zukam, war der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben.

4. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde im Übrigen auch von keiner Verfahrenspartei beantragt.

5. Die Unzulässigkeit einer Revision durch den Beschwerdeführer resultiert daraus, dass für die angelastete Verwaltungsübertretung gemäß eine Geldstrafe von bis zu € 726,— und keine primäre Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und keine über € 400,— hinausgehende Geldstrafe verhängt wurde, sodass eine Revisionserhebung in Ansehung des § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig ist.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Strafverfügung; Einspruch; objektiver Erklärungswert

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.024.14023.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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