TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 G305 2190748-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2190746-1/13E

G305 2190748-1/13E

G305 2190742-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX (BF1), des XXXX, geb. XXXX (BF2), und der XXXX, geb. am XXXX (BF3), alle StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Oberösterreich, vom XXXX02.2018, Zl. XXXX (BF1), XXXX, (BF2), XXXX (BF3), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden: so oder kurz: bfP oder Beschwerdeführer) sind Staatsangehörige der Republik Irak und stellten sie am XXXX06.2015, nachdem sie zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt desselben Jahres ohne Mitnahme eines - in allen Fällen angeblich verloren gegangenen Reisepasses - (sohin illegal) ins Bundesgebiet eingereist waren, einen Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX06.2015 fand jeweils eine Erstbefragung der BF vor Organen der LPD Niederösterreich statt.

Alle drei Beschwerdeführer brachten als Fluchtgrund vor, aus dem Irak ausgereist zu sein, weil sie mit dem Tod bedroht worden seien. Der Vater des BF1 und des BF2 bzw. der Ehegatte der BF3 sei im Jahr 2005 getötet worden [BF1, BF2 und BF3 in Niederschrift über die Erstbefragung vom 18.06.2015, S. 5, jeweils Pkt. 11.].

2. Am 28.09.2017 wurden der BF1 und der BF2, und am 03.10.2017 die BF3, es handelt sich dabei um die Mutter des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers, von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge ihrer Einvernahme vor dem BFA nahmen alle drei Beschwerdeführer auf einen Drohbrief vom 10.03.2015 Bezug, der fluchtauslösend gewesen sei.

3. Mit Bescheiden vom XXXX02.2018, Zl. XXXX (BF1), XXXX, (BF2), XXXX (BF3), wurden die auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom XXXX06.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen die zuvor näher bezeichneten Bescheide der belangten Behörde erhoben die bfP fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und verbanden ihre Beschwerden mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und mit dem Antrag, dass ihrer Beschwerde Folge gegeben und ihnen der Status eines/einer Asylberechtigten in eventu der Status eines/einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden möge. In eventu möge die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und ihnen eine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden. In eventu mögen die in Beschwerde gezogenen Bescheide zur Verfahrensergänzung und Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen werden.

5. Am 29.03.2018 wurden die Beschwerdeschriften und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Im Rahmen einer am 29.05.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden die bfP im Beisein ihres Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die im Spruch genannten Beschwerdeführer (XXXX, geb. XXXX (BF1), XXXX, geb. XXXX (BF2) und XXXX, geb. XXXX (BF3)) sind in XXXX geboren, haben dort die Schule besucht und dort bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat Irak gelebt und sind sämtlich Staatsangehörige der Republik Irak.

Die Beschwerdeführer gehören allesamt der muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung an.

Sie gehören der Ethnie der Araber an und ist ihre Muttersprache arabisch.

Sie sind miteinander verwandt. Beim BF1 und beim BF2 handelt es sich um die erwachsenen Söhne der BF3. Erstere waren bereits volljährig, als sie zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt ohne Mitnahme eines angeblich auf der Reise verlustig gegangenen Reisepasses, sohin illegal, die Grenze ins Bundesgebiet überquerten.

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Die bfP sind zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im April 2015 aus dem Irak mit dem Flugzeug in die Türkei ausgereist, wo sie sich nach eigenen Angaben ca. zwei Monate lang aufhielten. In der Folge sind sie schlepperunterstützt nach Österreich gelangt, wo sie zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 ankamen. Die Einreise ins Bundesgebiet erfolgte ohne Mitnahme eines Reisedokuments, sohin illegal [BF1, BF2 und BF3 in Niederschrift der KPD Niederösterreich vom 18.06.2015, S. 4, jew. Pkt. 9.9]. Gegenüber den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde erklärten sie diesen Umstand damit, dass sie den Reisepass unterwegs verloren hätten. Anlässlich ihr Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht gaben die bfP an, dass sie ihre Reisepässe noch in der Türkei zerstört hätten. Als der Schlepper ihre Reisepässe verlangte, hätten sie diese nicht überreicht, sondern durch Zerreissen zerstört [PV des BF1, des BF2 und der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 10].

Am XXXX06.2015 stellten die BF in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien:

Bei den drei Beschwerdeführern handelt es sich um eine Mutter (BF3) und ihre beiden erwachsenen Söhne (BF1 und BF2). Keiner von ihnen hat in Österreich Familienangehörige. Die familiären Anknüpfungspunkte der bfP befinden sich jedoch im Herkunftsstaat.

Demnach hat der BF1, der im Herkunftsstaat den Beruf eines XXXX erlernt und in der Folge mit seinem Vater in der XXXX arbeitete, eine Ehegattin und zwei minderjährige Kinder, die am XXXX geborene XXXX und die am XXXX geborene XXXX, die allesamt in XXXX leben. Die ältere Tochter des BF1 besucht die Grundschule und die jüngere den Kindergarten. Die Familie des BF1 lebt beim Vater der Ehegattin im Bezirk XXXX. Die Ehegattin des BF1 kann es sich leisten, keiner Berufstätigkeit nachzugehen. Für ihren Unterhalt sorgt ihr eigener Vater, der als XXXX erwerbstätig ist [PV des BF1 in Verhandlungsschrift vom 29.05.2019, S. 8 Mitte und PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 7].

Der BF2 hat nach Ablegung der Matura ebenfalls im Geschäft des Vaters gearbeitet. Insgesamt war er 16 Jahre lang im Geschäft seines Vaters tätig. Auch war er parallel dazu in der XXXX und im XXXX tätig [PV des BF2 in Verhandlungsschrift vom 29.05.2019, S. 8 unten]. Von 2013 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat war er im Rang eines XXXX (sohin eines kleinen Soldaten) für den XXXX tätig. Der BF2 ist unverheiratet und kinderlos.

Die BF3 besuchte im Irak die Grund- und die Mittelschule, dies bis zur dritten Schulstufe. Anschließend besuchte sie eine Hauswirtschaftsschule und erlernte den Beruf einer XXXX. Bis zu ihrer Heirat arbeitete sie im erlernten Beruf und wurde ihr nach der Heirat, am XXXX, die weitere Ausübung des Berufs vom Ehegatten untersagt. Er sorgte für ihren Unterhalt. Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX starb der Ehegatte der BF3 und ist sie seither verwitwet [PV der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 9f]. Ihr Ehegatte ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2005 an einer unbekannten Ursache gestorben [BF3 in Erstbefragungsprotokoll vom 18.06.2015, S. 3]. Im Herkunftsstaat leben noch ihre Schwester XXXX, sowie die Brüder XXXX, XXXX und XXXX. Im Herkunftsstaat lebt weiter eine Tochter der BF3, XXXX; sie ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie bei der Familie ihres Ehegatten im Bezirk XXXX. Die Tochter hat drei Kinder, XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX und XXXX, geb. am XXXX eines nicht festgestellten Jahres. Alle Kinder besuchen die Schule. Der Ehegatte der Tochter der BF3 arbeitet mit seinem Vater in einem von diesem betriebenen Geschäft und kommt dieser für den Unterhalt der Familie der Tochter der BF3 auf [BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 7].

Der BF1 hat mit seiner Ehegattin, manchmal auch mit seiner im Herkunftsstaat aufhältigen Schwester übers Internet Kontakt. Auch der BF2 hat mit seiner Schwester und mit im Herkunftsstaat aufhältigen Freunden Kontakt. Die BF3 steht ebenfalls mit ihrer in XXXX lebenden Tochter in Kontakt [PV des BF1, des BF2 und der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 11].

Der BF1 und der BF2 konnten vor ihrer Ausreise ihren Lebens- bzw. Familienunterhalt in ihrem Herkunftsstaat über diverse Erwerbstätigkeiten bestreiten; nach eigenen Angaben des BF1 ging es seiner Familie vor der Ausreise aus dem Herkunftsstaat wirtschaftlich gut [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 8 oben].

Die bfP lebten bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat in dem im Bezirk XXXX gelegenen Einfamilienhaus [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 16 oben].

In Österreich leben alle drei Beschwerdeführer von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die BF3 ist gesundheitlich beeinträchtigt. Sie hat nach dem Tod ihres Mannes im Irak einen Schlaganfall erlitten, wurde danach in einem Spital mit Spritzen versorgt und von einem Facharzt für Innere Medizin in XXXX ärztlich betreut bzw. mit Medikamenten gegen den Bluthochdruck versorgt. Vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat erkundigte sich die BF3 beim behandelnden Arzt danach, ob dieser die Ausreise befürworte. Der die BF3 in XXXX behandelnde Arzt hielt ihre Reise nach Österreich für zumutbar.

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Niemand von den bfP war je Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates. Niemand von ihnen hatte ein Problem mit der Polizei, den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates [PV des BF1, des BF2 und der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 10 oben].

Die bfP sind nicht wegen der Tätigkeit des BF2 als XXXX und seiner angeblichen Beteiligung an verdeckten Ermittlungen ins Visier des IS geraten. Auch ist der BF2 wegen seiner angeblichen Beteiligung an verdeckten Ermittlungen nicht ins Visier des IS geraten.

Der BF2 hatte während seines Aufenthalts im Irak weder mit der Al Kaida noch mit dem IS Probleme [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 25.09.2019, S. 25 oben].

Die bfP verließen den Herkunftsstaat wegen der allgemeinen Lage vor Ort [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 14 Mitte].

Das Fluchtvorbringen der BF, nach Erhalt eines Drohbriefes vom 10.03.2015 und weiteren Bedrohungen bzw. Vorfällen aus dem Irak ausgereist zu sein, erweist sich als unglaubwürdig.

Festgestellt wird, dass die BF aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der BF im Bundesgebiet:

Die BF1 und BF2 haben in Österreich nachweislich im Juli 2017 an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen, Deutschkurse besucht, im März 2017 Sprachzertifikate A1 erworben, und sind sie ehrenamtlicher Tätigkeit nachgegangen.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Sicherheitslage Bagdad

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS-Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Umgelegt auf die Größe der Stadt sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

Quellen:

? Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded

In Iraq June 2017,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (4.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded

In September 2017 In Iraq,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and-549-wounded-in-september.html , Zugriff 1.11.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad-while.html , Zugriff 30.10.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (9.10.2018): Security In Iraq Oct 1-7, 2018,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-1-7-2018.html, Zugriff 1.11.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-22-28-2018.html, Zugriff 1.11.2018

? OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 31.10.2018UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018,

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8500:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-january-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?

?

option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july 2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

? USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html , Zugriff 31.10.2018

2.2. Medizinische Versorgung

Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Quellen:

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag,

https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767, Zugriff 20.11.2018

-

IOM - International Organization for Migration (13.6.2018):

Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

2.3. Bewegungsfreiheit

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an (USDOS 20.4.2018). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 1.2018).

In Bagdad selbst sollen seit Dezember 2017 hingegen 305 Checkpoints und Straßensperren entfernt worden sein. Über tausend Straßen sind in Bagdad seit dem offiziellen Sieg über den IS wieder geöffnet worden (AAA 8.8.2018; vgl. AAA 29.1.2018, Iraqi News 29.1.2018).

Quellen:

? AAA - Asharq Al-Awsat (29.1.2018): Iraq Reopens 600 Main Streets, Lifts 281 Security Checkpoints in Baghdad, https://aawsat.com/english/home/article/1158316/iraq-reopens-600-main-streets-lifts-281-security-checkpoints-baghdad, Zugriff 5.10.2018

? AAA - Asharq Al-Awsat (8.8.2018): Removal of Roadblocks in Iraq's Capital Oils Traffic and Trade, https://aawsat.com/english/home/article/1356981/removal-roadblocks-iraqs-capital-oils-traffic-and-trade, Zugriff 5.10.2018

? FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 29.10.2018

? Iraqi News (29.1.2018): Iraq plans to remove 300 checkpoints, erect security fence in Baghdad, https://www.iraqinews.com/iraq-war/iraq-uncovers-plan-remove-300-checkpoints-set-security-fence-around-baghdad/, Zugriff 5.10.2018

? USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018

2.4. Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 12.2.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zu den Personen der BF und ihrer individuellen Situation

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum), Staats- und Religionszugehörigkeit, sowie zur Muttersprache der BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Zur individuellen Situation der BF:

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der BF beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Dass der BF1 und der BF2 ihren Lebens- bzw. den Familienunterhalt im Irak aus diversen Erwerbstätigkeiten bestreiten konnten, konnte aufgrund ihrer Angaben in der mündlichen Verhandlung, denen die belangte Behörde nicht entgegengetreten ist, festgestellt werden [PV des BF1 und des BF2 in der Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 8f].

Die Konstatierung, dass die BF3 vor ihrer Heirat eine XXXX absolvierte und auch im erlernten Beruf arbeitete, gründet auf ihren diesbezüglichen Angaben vor dem BFA [BF3 in Niederschrift des BFA vom 03.10.2017, S. 4]. Diese Angaben wiederholte sie auch anlässlich ihrer PV vor dem Bundesverwaltungsgericht [PV der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 9 Mitte].

Die zum Gesundheitszustand der BF3 getroffenen Feststellungen, die in ihrem Herkunftsstaat nach dem Tod ihres Mannes einen Schlaganfall erlitten haben und danach in Bagdad ärztlich betreut worden sein soll und - ebenso wie nunmehr gegen Bluthochdruck auch in Österreich - medikamentös versorgt wurde, wobei der sie behandelnde Internist die Reise der BF auch für zumutbar gehalten hat, beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen der BF3 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung [PV der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 4f].

Ein Nachweis für eine gesundheitliche Beeinträchtigung der BF1 und BF2 wurde nicht vorgelegt. Beide - der BF1 und der BF2 - haben zudem in der mündlichen Verhandlung die Frage, ob sie an chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen leiden, ausdrücklich "verneint" [PV des BF1 und des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 4].

2.3. Zur Ausreise, Reise und Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und der darauffolgenden Asylantragstellung im Bundesgebiet:

Die Konstatierungen, dass die bfP zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im April 2015 den Herkunftsstaat legal verließen, zunächst in die Türkei geflogen, sich dort ca. zwei Monate lang aufgehalten haben, und von dort schlepperunterstützt weitergereist und im Juni 2015 ohne Reisedokument, sohin illegal ins österreichische Bundesgebiet eingereist sind, beruht auf den diesbezüglich Angaben der bfP in ihrer Erstbefragung [BF1, BF2 und BF3 in Niederschrift über Erstbefragung, jeweils S. 4].

Bezüglich des Grundes für die illegale Einreise ins Bundesgebiet verstrickten sich die bfP in erhebliche Widersprüche. So hatten sie anlässlich ihrer Erstbefragung durch die Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde noch übereinstimmend angegeben, dass sie Reisepass "unterwegs verloren" hätten [vgl. BF1 in Niederschrift über die Erstbefragung vom 18.06.2015, S. 3]. Niemand sprach jedoch davon, dass sie den Reisepass vernichtet hätten. Anlässlich ihrer stattgehabten PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gaben die bfP übereinstimmend an, dass sie den Reisepass durch Zerreissen zerstört hätten, um das Reisedokument nicht dem Schlepper übergeben zu müssen [PV des BF1, des BF2 und der BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 10 Mitte].

Die Konstatierung, dass die bfP am XXXX06.2015 einen Asylantrag stellten, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.4. Zum Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien:

Das Fluchtvorbringen der bfP, dass ein sie gerichteter Drohbrief, den sie am 10.03.2015 erhalten hätten, sowie weitere Bedrohungen und ein angeblich stattgehabter Angriff auf ihre Person in XXXX den Anlass für ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat gebildet hätten, erscheint dem erkennenden Verwaltungsgericht nicht glaubhaft.

So hatte der BF2, der am 10.03.2015 den besagten Drohbrief vorgefunden und den Vorfall bei der Polizei angezeigt haben soll, in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.09.2017, als er dazu aufgefordert, "detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß" die Gründe, warum er sein Heimatland verlassen habe, bekanntzugeben, kurzangehalten und forsch angegeben:

"Ich und meine Familie wurden vom IS bedroht. Das war am 10.03.2015. Um 07:00 Uhr in der Früh. Brauchen Sie noch etwas?"

Weiter befragt, ob es noch etwas gebe, gab der BF2 an:

"Das ist mein Fluchtgrund, und ich habe am selben Tag eine Anzeige aufgegeben."

Die ihm danach gestellte Frage, ob er "noch weitere Fluchtgründe" habe, verneinte der BF2 ausdrücklich.

Erst dann, nach Schilderung, wie er am 10.03.2015 den Drohbrief vor der Türe gefunden habe, folgten Angaben zu weiteren Bedrohungssituationen vor seiner Ausreise - vor einem Gerichtsgebäude, vor welchem auf die bfP "intensiv geschossen worden" sei [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 6], gefolgt von einer angeblichen Bedrohung des BF2, auf den einmal geschossen worden sei [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 7], und von einem Drohanruf, den der BF2 erhalten haben will, und worin alle drei beschwerdeführenden Parteien bedroht worden sein sollen [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 8].

Nachdem er angegeben hatte, dass sein Vater im Jahr 2005 getötet worden sei, beantwortete der BF2 die Frage nach weiteren Drohungen ausdrücklich mit "nein". In der Folge gab er erst auf die Frage, ob ihm etwas Anderes passiert wäre, an, dass auf ihn einmal geschossen worden sei. Als er mit der Frage "sonst noch etwas" konfrontiert wurde, gab er einsilbig an, dass er "ein paar Tage nach diesem Vorfall" einen Drohbrief erhalten hätte. Damit setzte er sich jedoch in Widerspruch zu seinen vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben, denenzufolge er zuerst das Drohschreiben erhalten haben soll und die bfP erst im Anschluss Opfer eines Schussattentats vor dem Gerichtsgebäude geworden sein sollen [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 26f]. Zwar sprach der BF2 vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht noch davon, dass danach noch ein weiteres Schussattentat auf ihn verübt worden wäre, als er den Stützpunkt verließ, um nach XXXX zurückzukehren. Von einem weiteren Angriff auf ihn, der sich vor dem Erhalt des Drohschreibens ereignet haben soll, berichtete er vor dem Bundesverwaltungsgericht nichts. Hinsichtlich des zweiten Angriffs auf ihn blieb der BF2 sehr unbestimmt. Auch lässt der Umstand, dass er sich an das Datum des Angriffs und die genauen Einzelheiten daran, nicht zu erinnern vermochte, diesen zweiten Angriff unglaubwürdig erscheinen [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 31]. Bezeichnend ist auch, dass der Bruder des BF2, der BF1, zu diesem Angriff keine Angaben machen konnte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 31 Mitte].

An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn sein Bruder, der vor dem BFA an demselben Tag wie der BF2, niederschriftlich einvernommen wurde, nach Aufforderung zu einer detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe selbstständig von sich aus von einem Drohbrief vom 10.03.2015, von einem angeblichen Vorfall vor einem Gerichtsgebäude am 15.03.2015, anlässlich dessen auf die bfP geschossen worden sein soll, sowie von einem weiteren Vorfall, bei welchem der BF2 zu töten versucht worden sei, und einen Drohanruf beim BF2 berichtete [BF1 in Niederschrift des BFA vom 28.09.2017, S. 6], ist diesbezüglich von bloß einstudierten Vorfällen auszugehen, wären diese vom BF1 gleich zu Beginn erwähnten Vorfälle, wenn diese tatsächlich stattgefunden hätten, auch vom BF2 gleich anfangs aufgefordert zu einer detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe vorgebracht worden, und waren die im Laufe des Verfahrens näheren Angaben der bfP zu den behaupteten weiteren Vorfällen außerdem widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.

Zur vorgebrachten Bedrohung mittels Drohbriefs wurde unter anderem eine "Anzeige" von der zuständigen Polizeidirektion vom 10.03.2015 und eine Niederschrift des zuständigen irakischen Gerichts vom 15.03.2015 über die Einvernahme des BF2 - jeweils in arabischer Sprache vorgelegt:

? In der deutschen Übersetzung der in der arabischen Sprache vorgelegten "Anzeige" vom 10.03.2015 steht Folgendes (Name des BF2 durch "BF2" ersetzt):

"Am 10.03.2015 um 07:00 Uhr in der Früh hat er vor seiner Haustür einen Drohbrief, gesendet vom Islamischen Staat im Irak und Al Sham, gefunden.

Provinz XXXX (...). In diesem Drohbrief wird er und seine ganze Familie bedroht, dass sie alle geköpft werden. Da er zur Volksgruppe der Schiiten gehört und im Stadtteil (...) wohnt, wo am meisten Bewohner Sunniten sind, und Mitarbeiter XXXX ist, wird er bedroht. Die, die ihn bedrohen, sind dieselben Leute, die seinen Vater ermordet haben. Der Name seines Vaters ist (...) und er wurde am (...).05.2005 umgebracht. Der BF2 zeigt den Islamischen Staat an und die anderen bewaffneten Gruppierungen, die direkt und indirekt für die Organisation Islamischer Staat arbeiten und alle anderen Gruppierungen, die den Terrorismus unterstützen (...)."

? In der deutschen Übersetzung der in arabischer Sprache vorgelegten Niederschrift eines irakischen Gerichts vom 15.03.2015 steht, bezogen auf die angebliche Anzeigenerstattung durch den BF2, Folgendes:

"Der Antragsteller hat sich am XXXX03.2015 dazu verpflichtet, alles wahrheitsgemäß zu erzählen. Er gibt an, dass er am 01.03.2015 um 7:00 Uhr in der Früh vor seiner Haustüre einen Drohbrief gefunden hat. Er stellte fest, dass dieser von einer Terrorgruppe, die ihn und seine Familien bedrohten, stammte. Außerdem legte er eine Anzeige beim Polizeiposten (...) vor. In dieser handelt es sich um den Mord seines Vaters, der am (...).08.2005 passierte.

Da die zwei Volksgruppen verfeindet sind und er in einem sunnitischen Gebiet wohnt, sowie im XXXXarbeitet, wird der Antragsteller bedroht. Der Hauptgrund, wieso er jetzt bedroht wird,

ist die Ermordung im Stadt (......) seines Vaters. Er glaubt, dass

sich die Täter hinter anderen Namen und Gruppen verstecken können.

Er sagt: "Ich zeige diese Gruppierungen aufgrund ihrer terroristischen Tätigkeiten an und möchte, dass sie vor das Gericht gestellt werden." (...)."

Aus dem Inhalt dieser Unterlagen ist aufgefallen, dass in diesen jeweils ein anderes Datum des Drohbriefs aufscheint, laut Unterlage vom 10.03.2015 - gleichlautend mit den Angaben der bfP - "10.03.2015", laut Unterlage vom 15.03.2015 jedoch "01.03.2015".

Eine nähere Beschäftigung mit der zur Vorlage gebrachten Kopie des Drohbriefes zeigt, dass sie lediglich an eine Person adressiert war. Die im Drohbrief - als Adressat - angegebene Person stimmt mit dem Namen keines der Beschwerdeführer überein. Weitere Ungereimtheiten treten zu Tage, wenn man sich mit dem Vater des BF1 und des BF2 auseinandersetzt. Es wird im Schreiben zwar auf einen Vater des Adressaten Bezug genommen. Dieser im Folgenden wörtlich wiedergegebene Absatz ist derart unbestimmt, dass keine Schlüsse auf den Vater des BF1, des BF2 und des Ehegatten der BF3 gezogen werden kann:

"[...] Du brauchst Dir keine Gedanken über deinen verdammten, ermordeten Vater machen und sollst nicht glauben, dass du vor unserer Strafe davonlaufen kannst, solange du einer von den XXXX bist. [...]"

Wenn die Terroristen den BF2 bzw. die Familie der bfP tatsächlich gekannt hätten, hätten sie auch nähere Angaben zur Ermordung des Vaters gemacht. Als Absender scheint der "Islamische Staat im Irak" auf. Der Vater des BF1 und des BF2 bzw. der Ehegatte der BF3 soll nach den übereinstimmenden Angaben der bfP zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2005 gestorben sein. Zur genauen Todesursache machten die bfP nirgendwo eine konkrete Angabe. Dass und aus welchen Gründen er ermordet worden wäre, vermochten sie mit ihren unbestimmt gehaltenen Angaben nicht glaubhaft machen. Selbst bei Wahrunterstellung, dass der Vater im Jahr 2005 ermordet worden wäre, lässt sich kein Bezug zu den Verfassern des Drohschreibens als angebliche Mörder herstellen. Im Jahr 2005 existierte nämlich die im Schreiben als Verfasser angegebene Organisation nicht. Abgesehen davon wird kein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Todes des Vaters des BF1 und des BF2 im Jahr 2005 und der angeblichen Bedrohung der bfP mittels Drohbriefs im Jahr 2015, welche, wie der BF2 laut vorgelegter Unterlage im Zuge seiner Anzeige am 10.03.2015 bekannt gegeben haben soll, von denselben Personen, die angeblich seinen Vater getötet hätten, ausgegangen sein soll, gesehen, liegen zwischen dem Tod des Vaters der BF1 und BF2 bis zur angeblichen Bedrohung im Jahr 2015 doch rund zehn Jahre, und konnten die bfP nicht glaubhaft machen, dass der Vater der BF1 und BF2 eine angesehene Persönlichkeit war, die Jahre nach seinem Tod und Rückkehr der BF in ihr Haus im Jahr 2015 eine abermalige Bedrohungssituation auslösen hätte können. So hatte der BF1 insbesondere vor dem BFA vorgebracht, dass der Vater ein beliebter Schiit gewesen sei und er deshalb, weil er allen Menschen geholfen habe, getötet worden sei [BF1 in Niederschrift vor dem BFA vom 28.09.2017, S. 6]. An einer anderen Stelle heißt es, dass sein Vater ein Geschäft betrieben hätte. Davon, dass er politisch tätig gewesen sei, wurde nicht berichtet.

Auch die Bezugnahme im Drohschreiben auf eine Tätigkeit des Adressaten beim "XXXX" vermag keinen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des BF2 herzustellen. Zwar hatte der BF2 vor der belangten Behörde angegeben, dass er beim XXXX tätig gewesen sei. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er anlässlich seiner PV an, dass er nicht beim XXXX war, sondern dass er beim XXXX gewesen sei [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 23 unten]. Das ist allerdings ein gravierender Unterschied, der den Verfassern des Drohschreibens, die ja selbst einer paramilitärischen Organisation angehört haben sollen, geläufig sein musste; somit ergibt sich daraus, dass sich das Drohschreiben gar nicht auf den BF2 und dessen enge Verwandten bezogen haben kann.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht versuchte der BF2 als (weiteren) Grund für das Drohschreiben den Umstand zu führen, dass er als Schiit in einem mehrheitlich von Sunniten bewohnten Stadtteil Bagdads leben würde. In diese Richtung lässt sich dem Drohschreiben allerdings kein Hinweis entnehmen.

Auch ist den bfP eine Glaubhaftmachung nicht gelungen, dass die Verfasser des Drohschreibens hinter dem angeblichen, gegen sie gerichtet gewesenen Attentat vor dem Gerichtsgebäude und hinter einem weiteren Attentat auf den BF2, als dieser an einem nicht feststellbaren Zeitpunkt den Stützpunkt verließ, gestanden hätten.

Die BF3 gab, befragt, warum ihr Ehegatte getötet worden sei, an:

Weil er ein bekannter Schiit ist und er hat armen Familien im Stadtteil geholfen. Weil er Schiit ist, haben sie ihn getötet. In unserem Stadtteil leben überwiegend Sunniten." [BF3 in Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 6]

Der BF2 erklärte vor dem BFA:

"Nach erfolgter Übersetzung gebe ich an, dass auf dem Drohbrief am Anfang eine Sure aus dem Koran stand. Mein Vater war eine bekannte Person. Wenn die bekannten Personen getötet werden, hat es mehr Gewicht als wenn eine normale Person von der Straße getötet wird."

[BF2 in Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10]

Bezüglich des Beschwerdevorbringens, der Vater der BF1 und BF2 sei ein bekannter Schiit gewesen, der (nicht, wie vom BF1 vor dem BFA angeführt, "allen Menschen", oder von der BF3 vor dem BFA angeführt, "armen Familie im Stadtteil", sondern) "armen sunnitischen Familien" geholfen hat, liegt ein gesteigertes Vorbringen vor.

Dass der Vater der BF1 und BF2, der laut ihren Angaben vor seinem Tod ein eigenes Geschäft betrieben hatte, eine für Terroristen wichtige Person gewesen sei, dass die bfP rund zehn Jahre nach dessen Tod auch einer Bedrohungssituation ausgesetzt worden wären, konnten die BF jedenfalls nicht glaubhaft machen.

Dass die bfP nach dem Tod ihres Vaters Angst vor Terroristen gehabt hätten, vermichten sie nicht glaubhaft zu machen, berichtete der BF2 in der mündlichen Verhandlung doch davon, dass der BF1 und der BF2 nach dem Tod ihres Vaters noch versucht, dessen nur "ca. 20-30 km" von ihrem Haus entferntes Geschäft weiter zu führen. Nachdem alle in ihrem Haus deponierten Verkaufsprodukte geraubt worden sei sollen und die Terroristen in ihrem Haus ein Büro eingerichtet haben sollen [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 9.], ist eine derartige Vorgehensweise der Brüder, sich nach dem Tod ihres Vaters - offenbar furchtlos - im nur "ca. 20-30 km" von ihrem Haus entfernten Geschäft aufgehalten zu haben, bei tatsächlicher Furcht vor den Terroristen nicht nachvollziehbar.

Außerdem gab der BF1 vor dem BFA an, dass sie (der BF1 und der BF2) nach dem Tod ihres Vaters "immer Terroristen angezeigt" hätten. Auch dieses Vorbringen über eine direkte Vorgehensweise gegen Terroristen spricht gegen eine tatsächliche Furcht vor ihnen, ist doch davon auszugehen, dass sie sich bei wirklicher Furcht nicht getraut hätten, gegen diese vorzugehen, dies auch vor dem Hintergrund des Vorbringens des BF2 vor dem BFA, "die Täter wussten ganz genau wo wir sind und wo sie uns finden; sie beobachteten uns bei jedem Schritt und dieses Terrornetz hat überall ihre Leute" [BF2 in Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 8], mit welchem Vorbringen der BF2 offenbar nur eine für sie ausweglose Bedrohungssituation unterstreichen wollte.

Befragt, wie er dies meine, bedroht worden zu sein, weil sie "immer Terroristen angezeigt" hätten, gab der BF1 an:

"Durch den Job meines Bruders, weil er beim XXXX war." [BF2 in Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 8]

Da der BF2 jedoch nicht bereits gleich nach dem Tod seines Vaters - im Jahr 2005-, sondern laut seinen Angaben vor dem BFA erst "ab Dezember 2013" [BF2 in Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 3], laut seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung seit 2013 an [BF2 in VH-Niederschrift, S. 9] beim XXXX gearbeitet haben soll, war dieses Vorbringen bereits von vornherein unglaubwürdig.

Die bfP konnten jedenfalls keinen Zusammenhang zwischen dem Tod des Vaters des BF1 und des BF2 und der rund zehn Jahre später erfolgten Bedrohung der bfP glaubhaft machen, ebenso wenig einen Zusammenhang mit der angeblichen Tätigkeit des BF2 beim XXXX, im Zuge dessen er in seinem Stadtviertel Informationen über Terroristen bzw. den IS sammeln habe müssen:

Als Grund dafür, warum der Drohbrief namentlich an den BF2 gerichtet war, gab dieser an, er habe "bei der XXXX" gearbeitet [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 6]. Dass der BF2 eine höherrangige Stellung XXXX innegehabt habe und deswegen gerade der BF2 von Terroristen bedroht worden sei, konnte er jedenfalls nicht glaubhaft machen, sprach er vor dem BFA doch davon, in seinem Stadtviertel Informationen über die Terroristen bzw. den IS sammeln müssen zu haben, jedoch auch davon, bei dieser Aufgabe "gruppenweise" unterwegs gewesen zu sein [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 7]. Diese Angaben zu seinem innegehabten XXXX relativierte er durch seine Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht. Hier gab er an, dass er im Rang eines XXXX gewesen wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 24 Mitte]. Das entspricht auch beim irakischen Militär einem niedrigen militärischen Rang.

Nach seinen Angaben konnte er bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit für Terroristen bzw. den IS zudem gar nicht erkennbar gewesen sein. So berichtete er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausdrücklich davon, sie seien mit "zivilen Autos", die "mit Kameras bestückt waren" unterwegs gewesen sei, wobei "die Aufnahmen online an den Stützpunkt" übertragen würden [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 23]. Sohin gab es keinen Anhaltspunkt dafür, dass er bei den investigativen Operationen, denen er beigewohnt haben will, erkannt hätte werden können. Er hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass die investigativen Ermittlungen verdeckt ausgeführt worden seien [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 23 unten]. Aus dem Fluchtvorbringen des BF2 lässt sich kein Anhaltspunkt entnehmen, warum gerade er von den Terroristen bedroht werden hätte sollen, wo er doch nicht erkannt hätte werden können. Es erscheint auch nicht nachvollziehbar und glaubwürdig, dass jemand, der für den XXXX tätig war und verdeckte Ermittlungen geführt hatte, Dritte, darunter die eigene Familie, über seine Tätigkeit informiert hielt. Eine derartige Praktik würde jeden, selbst wenn er für einen westlichen Nachrichtendienst in einem demokratischen Land tätig ist, gefährden. Zudem vermittelte der BF2 dem Gericht nicht den Eindruck, dass er sich während seines Aufenthaltes im Herkunftsstaat selbst gefährdet hätte.

Bezeichnend ist, dass auch der BF1 keinen Zusammenhang zwischen dem besagten Drohbrief und der Tätigkeit seines Bruders herstellen konnte:

Der BF1 brachte vor, sie (die bfP) hätten im Zusammenhang mit der Tätigkeit seines Bruders beim XXXX nach dem Tod ihres Vaters 2005 öfters Anzeigen gegen Terroristen erstattet, sei es doch Aufgabe seines Bruders gewesen, nach den Tätern zu forschen und Informationen über Terroristen weiterzugeben. Nachgefragt, "d.h. Sie haben öfters Anzeigen gegen Terroristen gemacht", erklärte der BF1:

"Ja, wir wollen das für unsere Heimat und Leute machen". [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 8]

Warum der BF1 zusammen mit dem BF2 gegen ausgeforschte Terroristen Anzeige erstattet haben soll, ist außerdem nicht nachvollziehbar, soll doch nur der BF2 beim XXXX gearbeitet haben und seiner Dienststelle ausgekundschaftete Informationen zu Terroristen weitergegeben haben.

Der BF1 gab nur mutmaßend an, es könnte einen Zusammenhang des besagten Drohbriefs mit der Tätigkeit seines Bruders beim XXXX geben, ohne dass er diese Mutmaßung näher zu begründen vermochte.

Nachdem der BF1 davon berichtet hatte, im Zusammenhang mit der Arbeit seines Bruders öfter Anzeigen gegen Terroristen gemacht zu haben, wurde ihm vorgehalten "das hat aber nichts mit dem Drohbrief zu tun", woraufhin der BF1 zugab "nein", und zusammenhanglos, bruchstückhaft hinzufügte "wir bekamen den Drohbrief und wir gingen zur Polizei" [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 8].

Es wurden keine konkreten Angaben zum angeblichen Täterkreis, sondern bloß mutmaßende Angaben in den Raum gestellt, dass der Tod des Vaters des BF1 und des BF2 aus 2005 bzw. die Tätigkeit des BF2 beim XXXX hinter der Bedrohung stecke.

Wie die Echtheit eines von Terroristen verfassten Drohbriefs festgestellt werden kann, ist außerdem nicht nachvollziehbar, könnte ein solches Drohschreiben doch von jedermann verfasst worden sein. Für die Feststellung der Echtheit eines Drohbriefs bzw. der damit zusammenhängenden Bedrohung wird nur ein den Drohbrief untermauerndes glaubwürdiges Vorbringen über die Bedrohung für maßgeblich gehalten.

Ein Widerspruch bezüglich des besagten Drohbriefs findet sich jedenfalls darin, dass der BF2 vor dem BFA ausdrücklich davon sprach, nur sein Name sei in diesem Brief ausdrücklich angeführt und die übrigen BF nur als Bruder und Mutter erwähnt worden [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 6], während sein Bruder, der BF1, in der mündlichen Verhandlung widersprüchlich dazu angab, alle drei BF seien im Drohbrief namentlich erwähnt worden [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 29.05.2019, S. 15].

Auf dem vorgelegten von der arabischen in die deutsche Sprache übersetzten Drohbrief, in welchem steht, "dein Schicksal und jenes deiner Mutter und Bruder wird die Schlachtung mit unscharfen Messern sein; wir werden dich in den Müll der Schiiten werfen, also wehe euch, wir werden kommen", findet sich jedenfalls nur ein Name. Es handelt sich jedoch nicht einmal um jenen des BF2. Die Namen des BF1 und der BF3 sind entgegen den Angaben des BF1 im Drohschreiben nicht enthalten.

Gegen ein angebliches Bedrohungsszenario spricht auch, dass sich der BF1 und der BF2 im Frühjahr 2015 wieder in dem im Herkunftsstaat situierten Familienhaus, das von den "Terroristen" okkupiert worden sein soll, ansiedeln wollten. Allerdings fällt dabei ins Auge, dass sich die bfP hinsichtlich des Zeitpunkts, wann sie nach dem Tod ihres Vaters bzw. Ehegatten in ihr Haus zurückgekehrt sind, bevor sie den Drohbrief erhalten haben sollen, widersprachen. So hatte der BF1 vor dem BFA doch angegeben, sie seien nach dem Tod des Vaters "Anfang 2015" in ihr Haus zurückgekehrt [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 7], während er in der mündlichen Verhandlung angab, sie wären "im März 2015" zu ihrem Haus zurückgekehrt [BF1 in VH-Niederschrift, S. 14], und der BF2 in der mündlichen Verhandlung davon sprach, die Rückkehr in ihr Haus habe "Ende Februar, Anfang März 2015" stattgefunden [BF2 in VH-Niederschrift, S. 25].

Aufgrund von Widersprüchen und Ungereimtheiten rund um den angeblich erhaltenen Drohbrief am 10.03.2015 war nicht glaubwürdig, dass die BF im Irak tatsächlich durch einen solchen bedroht wurden.

Auch war das weitere Fluchtvorbringen der BF nicht glaubwürdig:

Bezüglich des behaupteten - weiteren - Vorfalls am 15.03.2015 vor einem Gerichtsgebäude, vor welchem die bfP im Auto beschossen worden sein sollen, verstrickten sie sich insofern in Widerspruch, als der BF1 vor dem BFA vorbrachte, sie seien, als sie "aus dem Gericht heraus kamen und auf dem Weg zu Freunden", bei denen sie gewohnt hätten, unterwegs gewesen seien, beschossen worden [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 7], der BF2 vor dem BFA hingegen angab, sie hätten ihre Mutter zu Freunden bringen wollen, um ihre "Wege zur Polizei und zum Gericht machen" zu können, als sie beschossen worden seien [BF2 in VH-Niederschrift, S. 27].

Der BF2 leugnete in der mündlichen Verhandlung später seine vormalige Angabe, die Mutter zu Freunden bringen haben zu wollen, um "die Wege zur Polizei und zum Gericht erledigen" zu können, und versuchte glaubhaft zu machen, gesagt zu haben, seine Mutter, nachdem er das Gericht verlassen habe, zu Freunden bringen wollen zu haben.

Davon, dass die BF3 bei diesem Vorfall ohnmächtig geworden sei, wie diese in der mündlichen Verhandlung angab [BF3 in VH-Niederschrift, S. 32], hat der BF1 vor dem BFA zudem nichts erwähnt, im Gegenteil, sprach dieser doch davon, als auf sie geschossen worden sei, versuchten "wir" und demnach alle drei Beschwerdeführer zu flüchten [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 6]. Dies wäre bei einer angeblichen Ohnmacht der Mutter nicht gelungen.

Bezüglich des Vorfalls vor dem Gerichtsgebäude, bei welchem die bfP im Auto beschossen worden sein sollen, hat sich der BF2 zudem auch insofern widersprochen, als er vor dem BFA ausdrücklich angeben konnte, es sei aus einem Meter-Entfernung mit "Clock-Pistolen" auf sie geschossen worden, während er in der mündlichen Verhandlung diese Angaben zu widerlegen suchte, indem er angab, mit Pistolen der Marke Glock sei auf ihn und seinen Vater im Jahr 2005 geschossen worden, mit welchen Waffen am 15.03.2015 auf sie geschossen worden sei, könne er jedoch nicht angeben. Der BF2 gab diesbezüglich an:

"Eigentlich werden Glocks gerne verwendet. Aber ich habe es nicht gesehen, weil das Fahrzeug, von dem die Schüsse abgegeben wurden, habe ich nicht gesehen." [BF2 in VH-Niederschrift, S. 29]

Mit diesem Vorbringen hat sich der BF2 jedoch nicht nur hinsichtlich der Waffen, mit denen auf sie geschossen worden sei, sondern auch hinsichtlich des Autos, von dem aus auf sie geschossen worden sei, widersprochen, gab er doch vor dem BFA an, die Schüsse seien von den beiden Beifahrern im Auto abgegeben worden [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 6], während er seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge das Fahrzeug, von dem die Schüsse abgegeben worden seien, gar nicht gesehen haben will [BF1 in VH-Niederschrift, S. 29].

Auch bezüglich des behaupteten darauffolgenden Vorfalls, bei welchem der BF2 beschossen worden sein soll, widersprachen sich die bfP. So brachte der BF1 vor dem BFA diesbezüglich vor, es sei versucht worden, seinen Bruder, den BF2, als dieser von der Arbeit nachhause gefahren sei, zu töten [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 6], während der BF2 laut seinen eigenen Angaben vor dem BFA, als er beschossen worden sei, bei seiner Arbeit von einem in ein anderes Lager unterwegs gewesen sein soll [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 7].

Bezüglich der behaupteten nächsten Bedrohungssituation wird darauf hingewiesen, dass während laut Angaben des BF1 vor dem BFA auf das Haus der BF "Drohungen" geschrieben gewesen sein sollen [BF1 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 6], laut Angaben des BF2 vor dem BFA auf ihrem Haus nur "geschrieben" gewesen sei, dass sie "gesucht werden" [BF2 in Niederschrift über seine Einvernahme vor BFA, S. 7].

Der BF2 brachte vor dem BFA dann vor:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten