TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/2 VGW-001/069/13708/2019

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Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §54a Abs1
VStG §54a Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag.a Hillisch über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 32, vom 18.09.2019, Identifikationsmerkmal: …, mit welchem das Ansuchen auf Aufschub des Strafvollzuges abgewiesen wurde, nach durchgeführter mündlicher Beschwerdeverhandlung zu Recht:

I.     Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch wie folgt lautet:

       „1. Die Anträge auf Aufschub des Strafvollzugs zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen bzw. auf Aufschub des Strafvollzugs zum Zweck des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests betreffend die mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. März 2017, Zl. …, verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden werden zurückgewiesen.

       2. Der Antrag auf Aufschub des Strafvollzugs aus wichtigem Grund gemäß § 54a Abs. 1 VStG betreffend die mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. März 2017, Zl. …, verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden wird abgewiesen.“

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Angefochtener Bescheid, Beschwerde und Verfahrensgang

1.       Der angefochtene Bescheid des Magistrats der Stadt Wien hat folgenden Spruch:

„Mit Schreiben vom 20.08.2019 haben Sie bei uns einen Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges für die in der Beilage angeführten Rückstände an Verwaltungsstrafen zu dem oben angeführten Gesamtbetrag eingebracht.

Ihr Ansuchen auf Aufschub des Strafvollzuges wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 54b des Verwaltungsstrafgesetzes“

Im beigelegten Rückstandsausweis vom 18. September 2019 werden folgende Rückstände ausgewiesen:

„Abg/Kto.Nr Protokoll- Bescheid- Rechtskraft  Straf-   Zwangs-

                  zahl          datum:  seit:  betrag verfahrens-

                                                                                           gebühren

unbekannte Protokollzahl : BH C. 13…72

13/…72   BH C.  20.12.16 27.12.16  2000,00 0,00

unbekannte Protokollzahl : BH C. 13…30

13/…30   BH C.  15.12.15  20.03.17  1000,00 0,00

  105,00

unbekannte Protokollzahl : BH C. 13…72

13/…60   BH C.  18.05.17 24.05.17  2000,00 0,00

  337,80

                                                               Gesamt:  5647,80“

2.       In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 12. September 2019, Rs. C-64/18, Maksimovic, vor, eine Regelung wie § 52 Abs. 2 GSpG, die die Verhängung von Geldstrafen vorsehe, die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürften, für jeden Glücksspielautomaten kumulativ und ohne Beschränkung verhängt würden und die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt würden, stehe nicht in angemessenem Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße. Da die Regelung des § 52 Abs. 2 GSpG der Regelung des § 28 Abs. 1 AuslBG nachgebildet sei, seien auch die Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes unionsrechtswidrig und hätten daher unangewendet zu bleiben. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12. September 2019 würde einen „wichtigen Grund“ iSd § 54a Abs. 1 VStG darstellen. Das Unionsrecht komme schon dann zur Anwendung, wenn an der bestraften Dienstleistung ein „gesichertes grenzüberschreitendes Interesse“ bestehe.

3.       Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien unter Anschluss des verwaltungsbehördlichen Akts vor.

4.       Am 15. November 2019 fand am Verwaltungsgericht Wien eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt.

II. Feststellungen

1.       Über den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft C. vom 15. Dezember 2015, Zl. …, wegen der unternehmerischen Beteiligung der in Österreich ansässigen D. GmbH an verbotenen Ausspielungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 4. Tatbild GSpG eine Geldstrafe von € 3.000,–, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 17 Stunden, verhängt.

2.       Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde bestätigte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 8. März 2017, Zl. …, den Schuldspruch des Straferkenntnisses mit der Maßgabe, dass der erste Satz wie folgt formuliert werde: „Sie haben es […] als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der D. GmbH (ehemals B. GmbH) zu verantworten, dass sich dieses Unternehmen […] unternehmerisch beteiligt hat, indem es ein für die Durchführung von Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen geeignetes Glücksspielgerät gegen Entgelt zur Verfügung gestellt hat und dadurch selbständig und nachhaltig eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen entfaltet hat, weshalb es als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG zu bestrafen ist. […]“

Hinsichtlich der Strafhöhe wurde der Beschwerde insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe auf € 1.000,– und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt wurde.

Dieses Erkenntnis wurde mit Zustellung an den Beschwerdeführer am 20. März 2017 rechtskräftig.

3.       In dem vom Bezirksgericht E. geführten Exekutionsverfahren gegen den Beschwerdeführer, Zl. …, konnte am 3. Juli 2018 eine Pfändung nicht vollzogen werden, weil keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden wurden. Der Beschwerdeführer gab ein Vermögensverzeichnis ab.

4.       Mit Schreiben vom 15. Juli 2019, Zl. …, übermittelte die Bezirkshauptmannschaft C. hinsichtlich des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. März 2017, Zl. …, eine „Abtretung zum Strafvollzug gemäß § 29a VStG 1991“.

5.       Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 20. August 2019 den Aufschub des Strafvollzugs gemäß § 54 VStG hinsichtlich des Strafbescheids der Bezirkshauptmannschaft C. vom 15. Dezember 2015, Zl. …. Insbesondere beantragte er, den Strafvollzug zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistung aufzuschieben, in eventu den Strafvollzug zum Zweck des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests aufzuschieben, in eventu den Strafvollzug wegen der akuten Gefährdung der Erwerbsmöglichkeiten des Beschwerdeführers für zwölf Monate aufzuschieben.

6.       Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass durch den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe der notwendige Unterhalt des Beschwerdeführers oder der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen gefährdet würde.

III. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden unbedenklichen Verwaltungsakt.

Dass durch den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe der notwendige Unterhalt des Beschwerdeführers oder ihm gegenüber Unterhaltsberechtigter nicht gefährdet wird, ist schon daraus zu folgern, dass dazu keinerlei substantiiertes Vorbringen erstattet wurde bzw. Bescheinigungsmittel vorgelegt oder angeboten wurden. Er hat nicht näher dargelegt, aus welchem Umstand sich eine Unterhaltsgefährdung ergäbe. Zur mündlichen Verhandlung ist der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen und hat sich dadurch einer näheren Erörterung seiner finanziellen und beruflichen Lebensumstände entzogen.

IV. Rechtsgrundlagen

§ 54a Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:

„Aufschub und Unterbrechung des Strafvollzuges

§ 54a. (1) Auf Antrag des Bestraften kann aus wichtigem Grund der Strafvollzug aufgeschoben werden, insbesondere wenn

1. durch den sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe die Erwerbsmöglichkeit des Bestraften oder der notwendige Unterhalt der ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen gefährdet würde oder

2. dringende Angelegenheiten, die Angehörige (§ 36a AVG) betreffen, zu ordnen sind.

(2) Auf Antrag des Bestraften kann aus wichtigem Grund (Abs. 1) auch die Unterbrechung des Vollzuges der Freiheitsstrafe bewilligt werden. Die Zeit der Unterbrechung des Strafvollzuges ist nicht in die Strafzeit einzurechnen.

(3) Der Strafvollzug ist auf Antrag oder von Amts wegen für die Dauer von mindestens sechs Monaten aufzuschieben oder zu unterbrechen, wenn der Bestrafte während der letzten sechs Monate schon ununterbrochen sechs Wochen wegen einer von einer Verwaltungsbehörde verhängten Strafe in Haft war und dem Strafvollzug nicht ausdrücklich zustimmt.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 53b Abs. 2 zweiter Satz vor, darf der Aufschub oder die Unterbrechung des Strafvollzuges nicht bewilligt werden oder ist dessen bzw. deren Bewilligung von Amts wegen zu widerrufen.“

V. Rechtliche Beurteilung

1.       Zum Verfahrensgegenstand

Der Beschwerdeführer hat nur den Haftaufschub hinsichtlich der mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. März 2017, Zl. …, verhängten Strafe (Geldstrafe € 1.000,–, Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) beantragt. Hinsichtlich der weiteren, im Rückstandsausweis vom 18. September 2019 hat der Beschwerdeführer hingegen keinen Haftaufschub beantragt.

Es war daher nur über den Haftaufschub betreffend die mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. März 2017, Zl. …, verhängte Strafe (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) abzusprechen, weswegen der Spruch des angefochtenen Bescheids entsprechend modifiziert wird.

2.       Zu den Anträgen auf Aufschub zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen bzw. zum Vollzug in Form des elektronisch überwachten Hausarrests

2.1.    Das Verwaltungsstrafgesetz enthält keine Rechtsgrundlage für eine Umwandlung der Ersatzfreiheitsstrafe in die Erbringung gemeinnütziger Leistungen bzw. für den Vollzug der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests. Die vom Beschwerdeführer diesbezüglich vorgebrachten gleichheitsrechtlichen Bedenken sind nicht begründet, wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 19.831/2013 erkannt hat.

2.2.    Dem Antrag wurde von der belangten Behörde daher, soweit er auf Aufschub des Strafvollzugs zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen bzw. auf Aufschub des Strafvollzugs zum Zweck des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests gerichtet war, zu Recht nicht gefolgt.

2.3.    Da diese Anträge mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage, darüber inhaltlich abzusprechen, zurück- statt abzuweisen gewesen wären, ist der Spruch entsprechend richtigzustellen.

3.       Zum Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ iSd § 54a Abs. 1 VStG

3.1.    Soweit der Beschwerdeführer seinen Antrag auf eine akute Gefährdung seiner Erwerbsmöglichkeiten stützt, hat er weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konkrete Angaben zu der Art der Gefährdung gemacht bzw. entsprechende Beweismittel angeboten (vgl. VwGH 16.9.2010, 2010/09/0094). Es gibt daher keinen Grund von einer Gefährdung der Erwerbsmöglichkeiten des Beschwerdeführers auszugehen.

3.2.    In § 54a Abs. 1 VStG sind jene wichtigen Gründe, aus welchen der Strafvollzug nach dieser Gesetzesstelle aufgeschoben werden kann, mit dem Wort "insbesondere" nur beispielsweise angeführt. Beispielsweise führt das Gesetz in den Z. 1 und 2 Umstände an, welche die persönliche Lebensführung des Bestraften betreffen. Auf Grund eines Antrages gemäß § 54a Abs. 1 VStG soll daher vor allem vermieden werden, dass durch die Wahl des Zeitpunktes der Vollstreckung der Freiheitsstrafe auf unbillige Weise in die persönliche Lebensführung des Bestraften eingegriffen wird (vgl. VwGH 16.09.2010, 2010/09/0094).

Die für einen Aufschub oder eine Unterbrechung geltend gemachten wichtigen Gründe müssen vom Antragsteller in seinem Antrag konkret dargelegt und durch entsprechende Beweisanbote untermauert werden (VwGH 16.09.2010, 2010/09/0094).

Das VStG sieht beim Vollzug von Freiheitsstrafen (§§ 53 ff. VStG) keine neuerliche Möglichkeit der Abänderung von rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafen vor (vgl. VwGH 11.9.2009, 2009/02/0236).

3.3.    Im Beschwerdeverfahren bringt der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Rs. C-64/18, Maksimovic, erstmals vor, der „wichtige Grund“ bestehe im genannten Urteil und den darin enthaltenen Ausführungen. Aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes sei es notwendig, trotz rechtskräftiger Straferkenntnisse zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens beim Antragsteller einstweilige Anordnungen zu treffen, wofür das Verwaltungsgericht das sachnächste Gericht sei. Die Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes seien unionsrechtswidrig und hätten daher unangewendet zu bleiben. Der Beschwerdeführer beantragt, die Haft „bis zur unionsrechtskonformen Ausgestaltung der Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes“ aufzuschieben.

3.4.    Damit behauptet der Beschwerdeführer jedoch keinen wichtigen Grund im Sinne des § 54a Abs. 1 VStG, sondern die Rechtswidrigkeit des zu vollstreckenden rechtskräftigen Erkenntnisses, welche im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden kann. Der beantragte Aufschub bis zur unionsrechtskonformen Ausgestaltung der Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes kommt schon deshalb nicht in Betracht, da selbst eine spätere Änderung dieser Strafbestimmungen die bereits rechtskräftig verhängte Strafe nicht berühren würde. Auch daraus erhellt jedoch, dass der Beschwerdeführer nicht die Wahl des Zeitpunkts zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, sondern vielmehr neuerlich deren (jedoch bereits rechtskräftige) Verhängung bekämpfen möchte.

3.5.    Auch wenn man davon ausginge, dass im gegenständlichen Fall kein rein innerstaatlicher Sachverhalt vorliegt und das Unionsrecht zur Anwendung kommt, wäre eine Durchbrechung der Rechtskraft des zu vollstreckenden Erkenntnisses wegen einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit der Strafbestimmungen, die dem zu vollstreckenden Erkenntnis zugrunde liegen, nicht unionsrechtlich geboten.

3.6.    Der EuGH hat in einer Reihe von Entscheidungen die Bedeutung der Rechtskraft betont. Entsprechend dem Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt das Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig geworden ist (vgl. das Urteil des EuGH vom 13. Jänner 2004, Rs.  C-453/00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837, Randnr. 24). Der EuGH hat jedoch anerkannt, dass in bestimmten Fällen eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen kann. Im erwähnten Urteil Kühne & Heitz hat er entschieden, dass die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde nach dem in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet ist, ihre Entscheidung jedenfalls dann zu überprüfen und eventuell zurückzunehmen, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind:

1. die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen,

2. die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichtsbestands rechtskräftig geworden,

3. das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Abs. 3 EG erfüllt war,

4. der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt (vgl. auch das Urteil vom 19. September 2006 in den verbundenen Rechtssachen C-392/04 und C-422/04, i-21 Germany und Arcor, Slg. 2006, I-8559, Randnr. 52).

Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach Ausschöpfung des Rechtsweges und nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfrist unanfechtbar gewordene Entscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden. Nach dem Urteil vom 16. März 2006 in der Rechtssache C-234/04, Kapferer, Slg. 2006 I-02585, Randnr. 23, verpflichtet das Unionsrecht ein nationales Gericht nicht, von der Anwendung von Vorschriften des nationalen Verfahrensrechts abzusehen und eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, wenn es sich erweist, dass durch diese Entscheidung das Unionsrecht verletzt wurde (vgl. auch VwGH 21.12.2012, VwSlg. 18547 A/2012).

3.7.    Im Verfahren gemäß § 54a VStG kann die zu vollstreckende Entscheidung nicht zurückgenommen werden, weswegen schon die erste im zitierten EuGH-Urteil vom 13. Jänner 2004, Rs. C-453/00, Kühne & Heitz, genannte Voraussetzung für die vom Beschwerdeführer angestrebte Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund der (vorgebrachten) Unionsrechtswidrigkeit nicht vorliegt. Darüber hinaus betraf das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Rs. C-64/18, Maksimovic, nicht die Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes, sondern die Strafbestimmungen im Hinblick auf die Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften über die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen sowie die Bereithaltung von Lohnunterlagen. Ein vergleichbares Urteil des EuGH zum Glücksspielgesetz liegt nicht vor. Damit ist auch die dritte im EuGH-Urteil vom 13. Jänner 2004, Rs. C-453/00, Kühne & Heitz, genannte Voraussetzung nicht erfüllt.

Das Unionsrecht gebietet es im vorliegenden Fall daher schon aus diesen Gründen nicht, die Unionsrechtskonformität der Strafbestimmungen, die dem rechtskräftigen und zu vollstreckenden Erkenntnis zugrunde liegen, im Vollstreckungsverfahren zu überprüfen.

3.8.    Darüber hinaus ist im Zusammenhang mit dem Vorbringen zum Kumulationsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf Folgendes hinzuweisen: Im gegenständlichen zu vollstreckenden Erkenntnis wurde lediglich eine Strafe von € 1.000,– (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) für die unternehmerische Beteiligung an der Zurverfügungstellung eines Glückspielgerätes verhängt. Das Kumulationsprinzip kam im zu vollstreckenden Erkenntnis daher nicht zur Anwendung; auch sonst liegt keine unverhältnismäßige Bestrafung vor.

4.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht Wien ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Aufschub des Strafvollzugs gemäß § 54a VStG sowie zur Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen nicht abgewichen.

Schlagworte

Aufschub des Strafvollzuges; Erbringung gemeinnütziger Leistungen; elektronisch überwachter Hausarrest; wichtiger Grund; Vollstreckungsverfahren; Rechtskraft; Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.001.069.13708.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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