TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/19 97/05/0234

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Veröffentlicht am 19.05.1998
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Index

L37129 Benützungsabgabe Gebrauchsabgabe Wien;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2;
GewO 1994 §46;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Rainer Kraftfahrzeughandels AG in Wien, vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in Wien III, Salesianergasse 31, gegen den Bescheid des Wiener Gemeinderates vom 25. Juni 1997, Zl. MA 64 - DI 187/97, betreffend Gebrauchserlaubnis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 1997 hat der im Devolutionswege zuständig gewordene Wiener Gemeinderat den zuletzt am 25. Juli 1996 spezifizierten Antrag der Beschwerdeführerin "auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis für die Inanspruchnahme des öffentlichen Grundes und des darüber befindlichen Luftraumes an den im Antrag einzeln angeführten

1.195 Standorten der Zeitungsverkaufseinrichtungen für die Tageszeitung "Der Standard" in den Bezirken 3., 11., 12., 17., 21., 22. und 23. an den Tagen Montag bis Freitag, sofern diese nicht auf einen Feiertag fallen, für die Dauer eines Jahres ab dem Bewilligungszeitpunkt benützen zu dürfen", gemäß § 2 Abs. 2 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966, LGBl. für Wien Nr. 20, abgewiesen. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, die Beschwerdeführerin beabsichtige, an den Werktagen Montag bis Freitag, die "firmeneigene" Werbezeitung "Der Rainer" in insgesamt 1.195 Zeitungstaschen, in denen an Sonntagen die Tageszeitung "Der Standard" angeboten werde, zu vertreiben. Bisher seien Bewilligungen für das Anbringen von Zeitungsverkaufseinrichtungen in Wien nur an Sonn- und Feiertagen, ausnahmsweise auch an Samstagen nach Ladenschluß der üblichen Verkaufsstellen von Tageszeitungen für den Verkauf von Wochenend- und Sonntagsausgaben erteilt worden, um dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung zu entsprechen. Im vorliegenden Fall sei jedoch beabsichtigt, die Werbezeitschrift einer Autofirma während der Woche mittels 1.195 Zeitungstaschen zu vertreiben. Dabei sei grundsätzlich zu bedenken, daß öffentliche Verkehrsflächen primär dem öffentlichen Verkehr und nicht der Ausübung einer Geschäftstätigkeit, für die bereits ausreichende gesetzliche Bestimmungen, insbesondere im Arbeitnehmerschutz- und Betriebsanlagenrecht, bestünden, zur Verfügung stünden. Durch das gegenständliche Vorhaben würden alle diese Vorschriften umgangen, was allein schon die Anzahl (1.195 ) der beantragten Bewilligungen zeige. Das Gebrauchsabgabegesetz sehe dagegen stets Einzelbewilligungen für konkrete individuelle Gebrauchnahmen vor, nicht jedoch eine Vertriebsorganisation zu den üblichen Geschäftszeiten auf öffentlichem Grund im gesamten Stadtgebiet. Durch diese Vorgangsweise würde der öffentliche Raum der Stadt gleichsam in eine Vertriebsstätte der Beschwerdeführerin umfunktioniert werden, was keinesfalls in der Absicht des Gesetzgebers gelegen sei. Da es weiters eine offenkundige Tatsache sei, daß durch die Montage der Zeitungstaschen wochentags im Hinblick auf das wesentlich stärkere Fußgängerverkehrsaufkommen während der Woche mit einer erheblichen Verschlechterung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs zu rechnen und auch eine weitere optische Verdichtung des Stadtbildes mit derartigen Verkaufseinrichtungen problematisch sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung der beantragten Gebrauchserlaubsnis verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 8. Juli 1966 über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür (Gebrauchsabgabegesetz 1966), LGBl. für Wien Nr. 20 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 32/1994, ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn der Gebrauch über die widmungsmäßigen Zwecke dieser Fläche hinausgehen soll.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle gehen die im angeschlossenen Tarif angegebenen Arten des Gebrauches von öffentlichem Gemeindegrund (Abs. 1) über die widmungsmäßigen Zwecke hinaus.

Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. ist die Gebrauchserlaubnis zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.

Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde gehen davon aus, daß für die Anbringung der vom Antrag umfaßten Zeitungsverkaufseinrichtungen auf den von der Beschwerdeführerin genannten Aufstellungsorten eine Gebrauchserlaubnis nach § 1 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 erforderlich ist. Diese Bewilligungspflicht ergibt sich schon aus den im angeschlossenen Tarif zu diesem Gesetz aufgezählten Arten des Gebrauches von öffentlichem Gut.

Aus § 1 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 ergibt sich der Regelungsgegenstand der beantragten Gebrauchserlaubnis (Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient). Der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis, wenn die im Gesetz genannten Versagungsgründe nicht vorliegen. Die belangte Behörde hat die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versagung der Gebrauchserlaubnis auf § 2 Abs. 2 Gebrauchsabgabegesetz 1966 gestützt. Nach dieser Gesetzesstelle ist, wie schon erwähnt, die Gebrauchserlaubnis zu versagen, wenn dem Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, öffentliche Rücksichten entgegenstehen. Wie der dort enthaltenen demonstrativen Aufzählung der öffentlichen Rücksichten zu entnehmen ist, muß es sich hiebei um Umstände und Gründe handeln, die mit dem Gebrauch einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsfläche im Zusammenhang stehen. Eine Gebrauchserlaubnis nach § 1 Abs. 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966 kann jedoch nicht deshalb versagt werden, weil sie allenfalls dem im § 46 der Gewerbeordnung 1996 normierten Grundsatz der Standortgebundenheit der Gewerbeausübung entgegensteht. Ob daher die Beschwerdeführerin bei Aufstellung der hier zu beurteilenden Zeitungsverkaufseinrichtungen und deren Benützung die im Rahmen ihrer Gewerbeausübung zu beachtenden gesetzlichen Vorschriften der Gewerbeordnung, insbesonders des Betriebsanlagenrechtes, und Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes verletzen würde, kann bei Prüfung der Voraussetzung für die Erteilung der Gebrauchserlaubnis nach dem Gebrauchsabgabegesetz 1966 nicht berücksichtigt werden.

Als weitere Gründe für die Versagung der Gebrauchserlaubnis werden im angefochtenen Bescheid die erhebliche Verschlechterung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs und die "optische Verdichtung des Stadtbildes" genannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß die Feststellung des Gesichtspunktes des Stadtbildes Gegenstand des Beweises durch Sachverständige ist. Dem Sachverständigen obliegt es hiebei, aufgrund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Aufgrund des Sachverständigengutachtens hat sodann die Behörde zu entscheiden, ob die beantragte Gebrauchserlaubnis eine diesbezügliche Wirkung entfaltet, oder ob dies nicht der Fall ist (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 19. September 1995, Zl. 94/05/0345, sowie vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0067, u. v.a.). Dies gilt auch für die Annahme des Grundes der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, welche nicht anders zu interpretieren ist als jene in § 82 Abs. 5 StVO (vgl. hiezu das bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften,

3. Auflage, S. 940 f zitierte, hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1980, Zl. 207, 247/80).

Die Voraussetzungen für die Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind für den jeweils im Antrag genannten Standort zu prüfen. Für die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe einen untrennbaren Gesamtantrag für sämtliche aufgezählten 1.195 Standorte gestellt, bietet die Aktenlage keinen Anhaltspunkt. Es ist daher von einer Trennbarkeit des Antrages der Beschwerdeführerin in bezug auf jeden einzelnen beantragten Standort auszugehen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997050234.X00

Im RIS seit

08.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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