TE Vwgh Beschluss 2020/2/19 Ra 2019/12/0083

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Veröffentlicht am 19.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z3
VwGG §25a Abs5
VwGG §34 Abs1
VwGG §46 Abs1
VwGG §46 Abs3
VwGVG 2014 §8 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/12/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die außerordentlichen Revisionen der Landespolizeidirektion Kärnten

1. gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Dezember 2019, GZ W129 2184533-1/17E, betreffend Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision, sowie 2. gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2019, GZ W129 2184533-1/14E, betreffend Schadenersatzanspruch gemäß § 18a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (Mitbeteiligter: A J, vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 51/DG), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Das hier angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2019 wurde der revisionswerbenden Amtspartei am 31. Oktober 2019 zugestellt. 2 Am 13. Dezember 2019 langte dagegen beim Verwaltungsgerichtshof die außerordentliche Revision der Landespolizeidirektion Kärnten ein. Mit Telefonat vom selben Tag wurde die Landespolizeidirektion Kärnten informiert, dass die Revision beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen wäre. 3 Am 13. Dezember 2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht die mittels E-Mail erhobene außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis vom 29. Oktober 2019 ein. Am 18. Dezember 2019 wurde die an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete außerordentliche Revision postalisch aufgegeben.

4 Am 20. Dezember 2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist ein.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Dezember 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag ab. Es führte aus, das Erkenntnis vom 29. Oktober 2019 sei der Landespolizeidirektion Kärnten am 31. Oktober 2019 rechtswirksam zugestellt worden. Die sechswöchige Frist habe mit Ablauf des 12. November 2019 (richtig: 12. Dezember 2019) geendet. Maßgebend sei, dass die Landespolizeidirektion Kärnten bei der Einbringung der fristgebundenen Revision ihre Sorgfaltspflicht verletzt habe (Hinweis auf VwGH 17.6.2015, Ra 2015/02/0092 und 29.5.2015, Ra 2015/08/0013). Die Wiedereinsetzungswerberin habe vorgebracht, dass die versehentliche Übermittlung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof dadurch erklärbar sei, dass die Mitarbeiterin bereits mehrere Revisionsbeantwortungen versandt habe, welche jedoch direkt beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen gewesen seien. Wohl aus diesem Grund sei auch das Kuvert der außerordentlichen Revision direkt an den Verwaltungsgerichtshof adressiert worden. Da es sich hierbei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handle, lägen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor.

6 Entgegen diesen Ausführungen stelle die Abfertigung von Poststücken einen für einen geordneten Kanzleibetrieb elementaren Vorgang dar. Die Revisionswerberin habe gegen die ihr obliegende Sorgfaltspflicht verstoßen, wenn sie weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen habe, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet seien bzw. geeignet seien - wie im vorliegenden Fall der Kuvertierung - zu belegen, wie ein Poststück zur Post gegeben worden sei. Auf Grund des fehlenden Kontrollsystems könne im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden. Somit habe vorliegendenfalls weder nachvollziehbar aufgezeigt werden können, dass die Revisionswerberin durch ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis gehindert gewesen sei, die gegenständliche Frist zur Einbringung einer Revision zu wahren, noch dass der Revisionswerberin wegen der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder lediglich ein minderer Grad des Versehens anzulasten sei.

7 Die Landespolizeidirektion Kärnten erhob gegen diesen Beschluss außerordentliche Revision. In deren Zulässigkeitsbegründung wird ausgeführt, die vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs beträfen ausschließlich Rechtsanwaltskanzleien bzw. Rechtsanwälte. Das Bundesverwaltungsgericht übersehe, dass es sich bei der Revisionswerberin nicht um einen Rechtsanwalt, sondern um eine Behörde handle. Der Aufgabenbereich der Mitarbeiter einer Behörde sei in der Organisations- und Geschäftseinteilung vorgegeben. Daher könne der für eine Rechtsanwaltskanzlei bzw. einen Rechtsanwalt geforderte Sorgfaltsmaßstab nicht automatisch auf eine Behörde bzw. deren Mitarbeiter übertragen werden. 8 Ferner komme das Bundesverwaltungsgericht - ohne entsprechende Erhebungen zu tätigen - zu dem Schluss, dass ein unzulängliches Kontrollsystem vorliege. Entgegen dieser Ansicht liege hier kein unzulängliches Kontrollsystem vor, da die Frist tatsächlich eingehalten worden sei und nur durch einen Fehler (Einlegen in das falsche Kuvert), der bei einer Überprüfung auch nicht habe auffallen können, die Revision versehentlich an den Verwaltungsgerichtshof verschickt worden sei und es so zu einer Überschreitung der Einbringungsfrist beim Bundesverwaltungsgericht gekommen sei. Ganz im Gegenteil habe das Kontrollsystem einwandfrei funktioniert, da die Finalisierung innerhalb offener Frist erfolgt sei. Sowohl der Postversand als auch der Adressat seien kontrolliert worden und habe das Versehen auch von einem noch so sorgfältigen Mitarbeiter gar nicht festgestellt werden können.

9 Damit wird die Zulässigkeit der Revision gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Dezember 2019 nicht aufgezeigt.

10 Behörden haben dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung einer Rechtssache möglich ist. Diese Pflicht gilt auch für die Wahrung der Frist zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH 25.4.2019, Ra 2019/07/0035). Zu derartigen organisatorischen Vorkehrungen gehört auch ein Kontrollsystem, das gewährleistet, dass Revisionen rechtzeitig beim Verwaltungsgericht (s. § 25a Abs. 5 VwGG) eingebracht werden. Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2018/14/0003, sowie 19.6.2018, Ra 2017/20/0521, jeweils mwN). 11 Rein mechanische Vorgänge, wie etwa das Kuvertieren oder die Postaufgabe, kann der Vertreter bzw. die Behörde der alleinigen Erledigung der Kanzlei überlassen. Fehler durch zuverlässige Kanzleikräfte im rein manipulativen Bereich können zur Wiedereinsetzung führen. Allerdings muss ein Kontrollsystem bestehen, solche Fehler zu verhindern (vgl. VwGH 25.7.2019, Ra 2017/22/0161, mwN). Selbst bei rein manipulativen Tätigkeiten der Kanzlei wäre daher ein geeignetes Kontrollsystem einzurichten, um Fristversäumnisse zu verhindern. Im hier vorliegenden Fall, in dem der Schriftsatz der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2019 nicht an das Bundesverwaltungsgericht, sondern an den Verwaltungsgerichtshof adressiert war, wäre es daher zunächst erforderlich gewesen, die mit der Versendung beauftragte Mitarbeiterin über die richtige Adressierung des Kuverts an das Bundesverwaltungsgericht zu belehren und sodann auch ein Kontrollsystem einzurichten, das eine Fristversäumnis durch Einbringung der außerordentlichen Revision bei der falschen Stelle zu verhindern geeignet gewesen wäre, um das Vorliegen eines den minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschuldens auszuschließen. Eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde in der Zulässigkeitsbegründung der Revision somit nicht aufgezeigt.

12 Die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2019, die erst nach Ablauf der Revisionsfrist beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, erweist sich daher als verspätet und war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 19. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019120083.L00

Im RIS seit

06.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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