TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 W137 2136714-1

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Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §34
VwGVG §35

Spruch

W137 2136710-1/3E

W137 2136712-1/3E

W137 2136714-1/3E

W137 2136715-1/3E

W137 2136716-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , 2.)

XXXX , 3.) XXXX , 4.) XXXX , 5.) XXXX , alle StA Armenien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Anwendung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form von Festnahme am 22.08.2016 und Anhaltung infolge der Festnahme bis 22.08.2016 (betreffend 2.) und 24.08.2016 (betreffend 1., 3., 4., 5.) zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden jeweils gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Kostenersatz werden gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Die Beschwerdeführer haben gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von jeweils 426,20 Euro (gesamt 2.131 Euro) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Erstbeschwerdeführer reiste gemeinsam mit der schwangeren Zweitbeschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge in das Bundesgebiet ein. Sie stellten erstmals am 30.11.2009 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im weiteren Verfahrensverlauf wurde der erste gemeinsame Sohn (Drittbeschwerdeführer) in Österreich geboren.

2. Die Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes (BAA) vom 21.04.2010 abgewiesen und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt.

3. Gegen diese Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 05.05.2010 durch die rechtsfreundlichen Vertreter innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

4. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 27.09.2010 wurden die Beschwerden gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.

5. In der Folge stellten die Beschwerdeführer in Frankreich unter anderem Namen erneut Anträge auf internationalen Schutz und wurde in Frankreich ein weiteres gemeinsames Kind (Viertbeschwerdeführer) geboren.

6. Am 20.07.2011 wurden die Beschwerdeführer gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Dublin II VO von Frankreich nach Österreich überstellt.

7. Am 21.7.2011 stellten die Beschwerdeführer beim BAA (erneute) Anträge auf internationalen Schutz. Dabei gaben sie erneut andere Namen als zuvor im Erstverfahren sowie im Verfahren in Frankreich an.

8. Diese Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des BAA vom 01.09.2011 abgewiesen und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt.

9. Gegen diese Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 15.09.2011 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben, welche mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.01.2012, gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG abgewiesen wurden.

10. Am 19.04.2012 stellten die Beschwerdeführer neuerlich Asylfolgeanträge.

11. Mit Bescheiden des BAA vom 14.06.2012 wurden diese Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

12. Gegen diese Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 27.06.2012 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

13. Die diesbezüglichen Beschwerden wurden gemäß §§ 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idgF mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 24.09.2012 als unbegründet abgewiesen.

14. Am 01.10.2012 stellten die vier Beschwerdeführer beim BAA ihre vierten respektive dritten Anträge auf internationalen Schutz.

15. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 07.03.2013 wurden diese Anträge abermals wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 AsylG 2005, BGBl I Nr.100/2005 idgF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen und die Durchführung der Ausweisung gemäß § 10 Absatz 3 AsylG bis 18.07.2013 aufgeschoben (Spruchpunkt II).

16. Am 07.06.2013 stellten die erwachsenen Beschwerdeführer ihren nunmehr fünften Antrag auf internationalen Schutz. Für die minderjährigen - nach der Geburt der Fünftbeschwerdeführerin nunmehr drei - Kinder wurden ebenfalls (neuerliche) Anträge auf internationalen Schutz eingebracht.

17. Auch diese Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des BAA vom 10.12.2013 abgewiesen und es wurde erneut die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt.

18. Gegen diese Bescheide wurden wiederum Beschwerden eingebracht, welche mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2014 in Bezug auf die Spruchpunkte I und II der angefochtenen Bescheide jeweils abgewiesen wurden. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung aus formellen Gründen an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

19. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 25.02.2014 wurden die Beschwerdeführer unter Hinweis auf den bisherigen Verfahrenshergang aufgefordert, einen umfassenden Fragenkatalog zum Privat- und Familienleben in Österreich zu beantworten. Gleichzeitig wurden sie darauf hingewiesen, dass Bescheide auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erlassen werden, soweit es die Stellungnahme nicht anders erfordere.

20. Im Rahmen einer Stellungnahme legten die Beschwerdeführer medizinische Unterlagen vor, woraus sich ergibt, dass sich der Erstbeschwerdeführer aufgrund von Verschlechterungen des Hörvermögens sowie aufgrund einer diagnostizierten Otosklerose einer Operation unterzogen habe, indem links eine Stapesplastik durchgeführt worden sei. Der operative und postoperative Verlauf habe sich komplikationslos dargestellt und sei der Erstbeschwerdeführer am 19.3.2014 im guten Allgemeinzustand entlassen worden.

21. In Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin wurde mit Schreiben vom 09.04.2014 dargelegt, dass sie an einer Depression und an einer Angststörung leide und eine entsprechende Medikation verschrieben worden sei. Medizinische Bescheinigungen über den weiteren Verlauf, insbesondere verordnete dauerhafte Medikationen und den Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus, wurden nicht vorgelegt.

22. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.05.2014 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG abgewiesen. Gemäß § 10 Abs 2 AsylG, 9 BFA-VG, 52 Abs. 1 Z 1 FPG wurde zudem eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Armenien zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

23. Gegen diese Bescheiden wurde mit Schreiben vom 06.06.2014 fristgerecht Beschwerden erhoben.

24. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2014, Zahlen L515 2008770-1/5E, L515 2008769-1/5E, L515 2008766-1/4E, L515 2008767-1/4E, L515 2008768-1/4E wurden die Beschwerden gemäß §§ 55, 57 AsylG, §§ 9, 10 BFA-VG, §§ 46, 52 Abs 1 und 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

25. Die Beschwerdeführer kamen ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nicht nach und stellten am 10.07.2014 weitere Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Diese wurden mit Bescheiden des BFA vom 17.02.2016 als unzulässig zurückgewiesen.

26. Die dagegen erhobenen Beschwerden vom 08.03.2016 wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2016, Zahlen L515 1413366-5/2E, L515 1413373-5/2E, L515 1413372-5/2E, L515 1421443-4/2E, L515 2000015-2/2E, als unbegründet abgewiesen.

27. Am 21.04.2016 wurden die Beschwerdeführer zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

28. Am 18.08.2016 erteilte das BFA einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer.

Ebenfalls am 18.08.2016 erteilte das BFA einen Abschiebeauftrag gegen die Beschwerdeführer zur Außerlandesbringung am 24.08.2016 auf dem Luftweg. Darin wurde die Einlieferung in eine Familienunterkunft bis spätestens 23.08.2016 angeordnet.

29. Die Beschwerdeführer wurden am 22.08.2016 festgenommen und - abgesehen von der Zweitbeschwerdeführerin - in die Familienunterkunft eingeliefert. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in ein Krankenhaus gebracht, da sie über gesundheitliche Probleme klagte. Ihre Festnahme wurde noch am selben Tag aufgehoben. Der Erstbeschwerdeführer verweigerte die Unterschrift am Infoblatt über die bevorstehende Abschiebung.

30. Gemäß § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG wurde am 22.08.2016 ein neuerlicher Festnahmeauftrag betreffend die Zweitbeschwerdeführerin erlassen.

31. Am 24.08.2016 stellten die Beschwerdeführer erneut Anträge auf internationalen Schutz. Diesen Anträgen kam aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung keine aufschiebende Wirkung und kein faktischer Abschiebeschutz zu.

32. Am 24.08.2016 erfolgte die (problemlose) Überstellung des Erstbeschwerdeführers und der drei Minderjährigen nach Armenien auf dem Luftweg.

33. Am 25.08.2016 wurde ein neuerlicher Festnahmeauftrag zur Sicherung der Abschiebung betreffend die Zweitbeschwerdeführerin erlassen.

34. Am 25.08.2016 wurde die Zweitbeschwerdeführerin aus dem Krankenhaus entlassen, gemäß § 34 Abs. 3 BFA-VG festgenommen und aufgrund von Bauchschmerzen erneut in ein Krankenhaus verbracht. In weiterer Folge wurde sie in das Polizeianhaltezentrum Graz überstellt.

35. Am 26.08.2016 wurde der Beschwerdeführerin 2 das Informationsblatt über die bevorstehende Abschiebung übergeben.

36. Am 27.08.2016 erfolgte die (problemlose) Überstellung der Zweitbeschwerdeführerin nach Armenien auf dem Luftweg.

37. Mit Schriftsatz vom 07.10.2016 wurde gegen die Festnahmen (ausschließlich) am 22.08.2016, die darauf gestützte Anhaltung sowie die Abschiebungen Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Familie in den frühen Morgenstunden des 22.08.2016 von mehreren Polizisten überrascht worden sei und die minderjährigen Beschwerdeführer ohne die gesetzliche Vertreterin - die ausschließlich die Mutter sei - in der Familienunterkunft angehalten worden seien, was nicht zulässig sei. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes sei der Vater nicht gesetzlicher Vertreter. Die Trennung von der Mutter bedeute eine unverhältnismäßige, unzumutbare und unnötige Härte.

Beantragt werde wurde, a) die Festnahmen für rechtswidrig zu erklären; b) die auf basis der Festnahmen vollzogene Anhaltung für rechtswidrig zu erklären; c) ein Ersatz der Verfahrenskosten.

38. Mit Schreiben vom 10.10.2016 wurde seitens des BFA eine umfangreiche Stellungnahme übermittelt. Zum Vorwurf der rechtswidrigen getrennten Anhaltung wurde auf § 10 Abs. 2 BFA-VG verwiesen, wonach jeder Elternteil bei begleiteten (unehelichen) Minderjährigen gesetzlicher Vertreter sei. Dies sei lediglich dann nicht einschlägig, wenn es widerstreitende Erklärungen der Eltern gebe.

Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde; die Feststellung, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Festnahme und die getrennten Abschiebungen rechtlich korrekt durchgeführt worden sind; sowie die Beschwerdeführer zum Ersatz der angeführten Kosten zu verpflichten.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführer sind armenische Staatsbürger und gehören der jesidischen Minderheit an. Sie verfügen über kein Aufenthaltsrecht in Österreich.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Lebensgefährten und leibliche Eltern der minderjährigen Beschwerdeführer (Drittbeschwerdeführer, Viertbeschwerdeführer, Fünftbeschwerdeführerin).

Nachdem die erwachsenen Beschwerdeführer 2009 ins Bundesgebiet einreisten, stellten sie erfolglos für sich - und in weiterer Folge auch für ihre Kinder - mehrere Anträge auf internationalen Schutz:

30.11.2009 (Beschwerdeführer 1 und 2), 21.07.2011 (Beschwerdeführer 1 bis 4), 19.04.2012 (Beschwerdeführer 1 bis 4), 01.10.2012 (Beschwerdeführer 1 bis 4) und 07.06.2013 (Beschwerdeführer 1 bis 5).

Die letzten von allen Beschwerdeführern vor dem 22.08.2016 gestellten Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des BAA vom 10.12.2013 abgewiesen und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2014 in Bezug auf die Spruchpunkte I und II der angefochtenen Bescheide abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.05.2014 wurden die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Armenien zulässig ist. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2014 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführer sind dieser Verpflichtung nie nachgekommen und haben insbesondere auch nie um Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr nach Armenien ersucht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnissen vom 15.03.2017, Zahlen L523 2008770-2/10E, L523 21386802-1/10E, L523 2008766-2/9E, L523 2008767-2/10E sowie L523 2008768-2/10E, die Beschwerden gegen die Abschiebungen vom 24.08.2016 beziehungsweise 27.08.2016 abgewiesen.

Zum Zeitpunkt der Festnahme der lagen diese betreffend rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidungen vor. Die Festnahme erfolgte gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG. Grundlegende Rechte der Kinder wurden durch die Festnahme und weitere Anhaltung nicht verletzt. Sie waren stets in Begleitung und Obhut eines zu ihrer Vertretung befugten Elternteils.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zu den Zahlen 830759709/161162513 (BF 1), 830758807/14792721 (BF 2), 830758905/14792730 (BF3), 830759009/14792748 (BF4) und 830759107/14792756 (BF5) samt den Aktenteilen betreffend Festnahme und Abschiebung der Beschwerdeführer sowie den entsprechenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts (insbesondere auch zu den asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren). Die Feststellungen zum Verfahren betreffend internationalen Schutz in Österreich sind unstrittig. Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführer nach rechtskräftigem Abschluss des letzten Verfahrens Österreich nie verlassen haben und auch nie um Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr ersucht haben. Die Festnahmeaufträge sind unstrittig. Aus der Aktenlage ist auch zweifelsfrei ersichtlich, dass im Asylverfahren keine Befassung der Höchstgerichte erfolgt ist. Bemühungen hinsichtlich einer freiwilligen Rückkehr wurden nie behauptet.

1.2. Unstrittig ist die gemeinsame Anhaltung der minderjährigen Beschwerdeführer mit dem Vater in einer Familienunterkunft. Dies ist überdies auch den Akten zu entnehmen.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung vom 22.08.2016, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. In § 34 BFA-VG finden sich die Voraussetzungen für die Anordnung der Festnahme eines Fremden. Gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG kann ein Festnahmeauftrag erlassen werden, wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll. Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG sind Fremde, gegen die (beispielsweise) eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt und die dieser nicht zeitgerecht nachgekommen sind, abzuschieben.

Diese Voraussetzungen lagen im gegenständlichen Fall zum Zeitpunkt der Festnahme vor. Gegen die Beschwerdeführer bestand eine (seit August 2014) rechtskräftige Rückkehrentscheidung, die auch durchsetzbar war. Die Beschwerdeführer kamen ihren diesbezüglichen (unbestrittenen) Ausreiseverpflichtungen jedoch nicht nach, sondern setzten vielmehr ihren Aufenthalt in Österreich fort. Zudem waren diese Entscheidungen auch durchführbar - was letztlich durch die problemlosen Durchführungen der Abschiebungen belegt ist.

In der Beschwerde werden diesbezüglich auch keine Hinweise auf eine Änderung der Gesetzeslage oder Judikatur angeführt. Es steht vielmehr (unstrittig) fest, dass die Beschwerdeführer ihren Ausreiseverpflichtungen nie nachgekommen sind.

2.4. Festzuhalten ist, dass hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin die Festnahme bereits am 22.08.2016 wieder aufgehoben worden ist. Die Festnahme am 25.08.2016 wurde hingegen nicht bekämpft, weshalb diese auch nicht Thema der gegenständlichen Entscheidung ist.

2.5. Die behauptete Rechtswidrigkeit der Festnahme am 22.08.2016 aus anderen Gründen wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar begründet - insbesondere wird nicht vorgebracht, dass die Festnahme auf einer falschen rechtlichen Grundlage angeordnet worden wäre. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG zur Erlassung eines Festnahmeauftrags und damit zur Vollziehung der Festnahme waren zum Zeitpunkt der Festnahme (22.08.2016) vielmehr unstrittig gegeben. Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

2.6. Hinsichtlich der Argumentation bezüglich der Anhaltung des Erstbeschwerdeführers und seiner minderjährigen Kinder (Drittbeschwerdeführer, Viertbeschwerdeführer, Fünftbeschwerdeführer) in der gegenständlichen Beschwerde ist festzuhalten, dass nach § 10 BFA-VG in Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht jeder Elternteil für sich zur Vertretung des Kindes befugt ist. Die Vertretung für das uneheliche Kind kommt der Mutter alleine nur bei widerstreitenden Erklärungen der Elternteile zu, soweit nicht der Vater alleine mit der Obsorge betraut ist. Widerstreitenden Erklärungen der Elternteile wurden jedoch nicht geltend gemacht, weshalb der Erstbeschwerdeführer/Vater zur Vertretung seiner Kinder stets befugt war. Die minderjährigen Beschwerdeführer sind somit in der Familienunterkunft durchgehend in Anwesenheit eines vertretungsbefugten Elternteils angehalten worden. Dass dieser nicht "gesetzlicher Vertreter" im Sinne des ABGB ist, erweist sich vor diesem Hintergrund als unerheblich.

Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass eine Beaufsichtigung der Kinder durch die Mutter bereits angesichts deren Verbringung in ein Krankenhaus (aufgrund behaupteter, medizinisch nicht verifizierbarer Atemnot, Schmerzen, etc.) völlig unabhängig von der Verbringung der Kinder in eine Familienunterkunft im relevanten Zeitraum jedenfalls ausgeschlossen gewesen wäre.

2.7. Die Beschwerden gegen die Festnahmen waren daher als unbegründet abzuweisen.

2.8. Da sich die Festnahmen im gegenständlichen Fall als rechtmäßig erwiesen haben, erweisen sich auch die ihnen folgenden Anhaltungen (auf Basis der Festnahme) als rechtmäßig - zumal die diesbezüglich gesetzlich zulässige Maximaldauer deutlich nicht erreicht worden ist. Im Übrigen findet sich auch in den Beschwerden kein Hinweis, warum die der Festnahme folgenden Anhaltungen aus anderen Gründen rechtswidrig sein hätte sollen.

3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt.

Für die Klärung von Rechtsfragen ist eine Verhandlung grundsätzlich nicht erforderlich.

4. Kostenersatz

4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Dies ist im gegenständlichen Fall jedoch nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung, Anhaltung, Familienverfahren, Festnahme,
Festnahmeauftrag, gesetzlicher Vertreter, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2136714.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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