TE Vwgh Beschluss 1998/5/25 98/17/0107

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Veröffentlicht am 25.05.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, in der Beschwerdesache der B Aktiengesellschaft, vertreten durch Dr. P und Dr. A, Rechtsanwälte in I, gegen die Erledigung der Bundes-Wertpapieraufsicht vom 18. Februar 1998, betreffend Meldepflicht gemäß § 10 Wertpapieraufsichtsgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen richtete die Bundes-Wertpapieraufsicht am 18. Februar 1998 an die Beschwerdeführerin "z.H. Herrn Mag. EF" eine Erledigung folgenden Inhalts:

"Betreff: Meldepflicht von Wertpapiergeschäften, Ihre Anfrage

vom 3.12.1998

Sehr geehrter Herr Mag. F,

bezugnehmend auf o.a. Anfrage erlauben wir uns Ihnen, nach Einholung einer Rechtsauskunft vom Finanzministerium, wie folgt mitzuteilen: Ihr Institut unterliegt der Meldepflicht gem. § 10 Wertpapieraufsichtsgesetz, BGBl. Nr. 753/1996 i.d.j.g.F., und damit hat eine Meldung an die Bundes-Werpapieraufsicht zu erfolgen, sofern es sich um ein Geschäft mit einem meldepflichtigen Instrument gem. § 4 Wertpapier-Meldeverordnung, BGBl. Nr. 172/1997 i.d.j.g.F., handelt.

Mit freundlichen Grüßen

BUNDES-WERTPAPIERAUFSICHT"

Die Erledigung trägt die Unterschriften einer stellvertretenden Direktorin und einer Abteilungsleiterin der Bundes-Wertpapieraufsicht. Sie langte am 20. Februar 1998 bei der Beschwerdeführerin ein.

Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung der Meldung der durch die Beschwerdeführerin getätigten Geschäfte an die Bundes-Wertpapieraufsicht" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, die von ihr als Bescheid qualifizierte Erledigung aus diesem Grunde aufzuheben.

Die Beschwerdeführerin vertritt aus nachstehenden Gründen die Auffassung, der angefochtenen Erledigung komme Bescheidqualität zu:

"Das Schreiben der Bundes-Wertpapieraufsicht vom 18. Februar 1998 ist als Bescheid zu qualifizieren. Der Bescheid weist einen Spruch auf, in dem gegenüber der Beschwerdeführerin angeordnet wird, daß eine Meldung an die Bundes-Wertpapieraufsicht zu erfolgen hat. Begründet wird dies damit, daß die Beschwerdeführerin der Meldepflicht gemäß § 10 WAG unterliegt. Der Bescheid enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung, die Bezeichnung der Behörde und die Unterschriften der gemäß § 3 Abs. 1 WAG berechtigten Vertretungspersonen.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß der Bescheid normativen Inhalt hat und über die bloße Wiedergabe einer Rechtsansicht oder von Rechtsbelehrungen hinausgeht und somit als verbindliche Erledigung mit einem Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG zu werten ist. Aufgrund dieses Bescheides wird die Beschwerdeführerin verpflichtet, eine Meldung an die Bundes-Wertpapieraufsicht zu erstatten mit der Folge, daß die Beschwerdeführerin gezwungen wird, jene Infrastruktur zu schaffen, die die Meldung ermöglicht. ..."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Voraussetzung für die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde wäre daher jedenfalls, daß der angefochtenen Erledigung vom 18. Februar 1998 Bescheidcharakter zukäme. Unter einem Bescheid wird nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine hoheitliche Willensäußerung eines Verwaltungsträgers (Verwaltungsakt) ganz bestimmter Art verstanden, nämlich eine solche, die entweder den Bestand oder Nichtbestand eines Rechts oder Rechtsverhältnisses feststellt oder ein Recht bzw. ein Rechtsverhältnis begründet, ändert oder aufhebt (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Zum Erfordernis der ausdrücklichen Bezeichnung einer derartigen Erledigung als Bescheid führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluß folgendes aus:

"Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG 1950 gewertet werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seiner bisherigen Judikatur den rechtsverbindlichen Inhalt einer behördlichen Erledigung als für die Bescheidqualität der Erledigung wesentlich gewertet und unter dieser Voraussetzung die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht als wesentlich angesehen. Ergibt sich aus dem Wortlaut der behördlichen Erledigung, insbesondere aus der Verwendung der verba legalia der Verfahrensgesetze und der Verwaltungsvorschriften für jedermann eindeutig, daß ein rechtsverbindlicher Abspruch vorliegt, dann ist ungeachtet des Fehlens der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid ein solcher als gegeben anzunehmen. Der mit der Bestimmung des § 58 Abs. 1 AVG 1950 angestrebte Zweck, nämlich durch die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Betroffenen Klarheit und damit Rechtssicherheit zu schaffen, ist erreicht, wenn die Bestimmung über den Spruch des Bescheides in eindeutiger Form eingehalten und verwirklicht ist.

Die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid ist jedoch nicht in jedem Fall entbehrlich. ... Insbesondere in jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung oder einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG 1950 für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich. ..."

Diese Auffassung vertritt der Verwaltungsgerichtshof seither in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Jänner 1995, Slg. Nr. 14.193/A).

Selbst wenn der Beschwerdeführerin zuzubilligen wäre, daß die Formulierung in der angefochtenen Erledigung, es habe unter näher umschriebenen Voraussetzungen eine Meldung an die Bundes-Wertpapieraufsicht zu erfolgen, für den Charakter der vorliegenden Erledigung als Bescheid sprechen könnte, wäre aufgrund der Formulierung der Erledigung in ihrer Gesamtheit der Bescheidcharakter nicht eindeutig. Für das Vorliegen einer Rechtsbelehrung spricht die in dieser Erledigung gebrauchte Anrede "Sehr geehrter Herr Mag. F" und die abschließenden freundlichen Grüße (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Februar 1992, Zl. 92/12/0025, sowie das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/03/0052) sowie vor allem die Wendung "erlauben wir uns Ihnen ... wie folgt mitzuteilen:" und die Bezugnahme auf eine Anfrage der Beschwerdeführerin. Es kann daher aus dem Gesamtzusammenhang keinesfalls abgeleitet werden, daß die belangte Behörde den Willen hatte, über einen Antrag der Beschwerdeführerin hoheitlich abzusprechen; es spricht aber auch nichts dafür, daß die belangte Behörde die genannte "Anfrage" der Beschwerdeführerin zum Anlaß genommen hätte, von Amts wegen über die Frage der Meldepflicht abzusprechen (vgl. den hg. Beschluß vom 17. Dezember 1985, Zl. 83/05/0055).

Bestehen aber - wie hier - nach Form und Inhalt der in Rede stehenden Erledigung Zweifel an der Bescheidqualität, so gibt das Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung der Erledigung als Bescheid den Ausschlag zugunsten der Verneinung ihres Bescheidcharakters.

Daraus folgt, daß die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Einhaltung der Formvorschriften Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und Rechtsbelehrungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998170107.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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