TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/26 93/14/0233

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Veröffentlicht am 26.05.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §184 Abs1;
BAO §303 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, Südtiroler-Platz 8/IV, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 9. November 1993, Zl 30.919-3/93, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1986 und Umsatzsteuer 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betrieb bis 1989 als Inhaberin einer Gastgewerbekonzession ein "Alpenhotel" und war gemäß § 125 Abs 1 BAO verpflichtet, den Gewinn aus dieser gewerblichen Tätigkeit gemäß § 4 Abs 1 EStG zu ermitteln.

Da die Beschwerdeführerin für 1986 keine Abgabenerklärungen einreichte, schätzte das Finanzamt ua die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer gemäß § 184 BAO. Ausgehend vom erklärten Gesamtumsatz des Jahres 1985 (rund S 3,800.000,--) setzte das Finanzamt unter Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlages von 10 % einen Gesamtumsatz von S 4,200.000,-- an, teilte diesen - ebenfalls in Anlehnung an 1985 - in mit 20 % (S 600.000,--) und 10 % (S 3,600.000,--) zu versteuernde Umsätze auf und zog von der sich daraus ergebenden Umsatzsteuer (S 480.000,--) S 400.000,-- an Vorsteuer (Vorsteuer des Jahres 1985 rund S 382.000,--) ab und gelangte damit zu einer Zahllast von S 80.000,--. Der so erstellte Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde - festgehalten in der gemäß § 149 Abs 1 BAO aufgenommenen Niederschrift über die Schlußbesprechung - festgestellt, daß sich die Pensionserlöse anhand der vorgelegten Ausgangsrechnungen - andere Unterlagen hätten nicht vorgelegt werden können - mit lediglich rund S 2,076.000,-- netto errechneten. Dadurch ergebe sich, daß die ursprüngliche Umsatzschätzung überhöht gewesen sei, weshalb sie vom Prüfer im Vergleich zu den Jahren 1985 und 1987 und den für 1986 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen auf Basis der ermittelten Pensionserlöse einschließlich eines Säumniszuschlages von 10 % wie folgt neu geschätzt wurden:

Ermittelte Pensionserlöse 10 % lt. AR    2,076.000

sonstige Erlöse 10 % lt. UVA 1-12/86       782.000

Zwischensumme                            2,858.000

10 % Sicherheitszuschlag                   285.000

Umsätze 10 % gerundet                    3,140.000

Erlöse 20 % lt. UVA 1-12/86                400.000

10 % Sicherheitszuschlag                    40.000

Umsätze 20 %                               440.000

Umsatzsteuer                                            402.000

abziehbare Vorsteuern lt. UVA 1-12/86      189.000

geschätzte Vorsteuern (keine Belege vorgelegt)          170.000

Zahllast laut BP                                        232.000

Das Finanzamt nahm das Umsatzsteuerverfahren 1986 wieder auf und erließ einen der Schätzung des Prüfers folgenden neuen Sachbescheid.

In einer dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin einerseits gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens und gegen den neuen Sachbescheid. Hinsichtlich der Feststellung des Prüfers, daß die Pensionserlöse 1986 rund S 2,076.000,-- betragen hätten, sei kein Wiederaufnahmegrund für die Umsatzsteuer 1986 zu erblicken, da dies "keine neue Tatsache darstellt, die zu einem anders lautenden Ergebnis geführt hätte". Die Beschwerdeführerin sei ihrer Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahr 1986 laufend nachgekommen und die darin erklärten Umsätze in Höhe von gerundet S 3,252.000,-- netto entsprächen dem Ergebnis der Betriebsprüfung von gerundet S 3,258.000,-- (jeweils ohne Sicherheitszuschlag). Daraus ergebe sich, daß anläßlich der ursprünglichen Schätzung dem Finanzamt diese Bemessungsgrundlagen bereits bekannt gewesen seien und durch die Betriebsprüfung keine anderen als diese Werte hervorgekommen seien. Hinsichtlich der Sachbescheide wurde vorgebracht, daß ein Sicherheitszuschlag ausgehend vom gesamten 10 %igen Umsatz als nicht gerechtfertigt erscheine, da in den "festgestellten Umsätzen keine Unsicherheit mehr" zu erblicken sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die belangte Behörde hielt dem Berufungsvorbringen betreffend das Fehlen eines Wiederaufnahmegrundes entgegen, die Beschwerdeführerin übersehe, dem Finanzamt das Nichtvorliegen einer Buchhaltung für 1986 erst im Zuge der Betriebsprüfung bekannt geworden sei. Auch sei erstmals hervorgekommen, daß Aufzeichnungen, zu deren Führung die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen sei, nicht geführt worden seien. Auch das Vorbringen, der Prüfer habe sich bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ausschließlich auf Umstände gestützt, die dem Finanzamt bereits mit den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen mitgeteilt worden seien, treffe nicht zu, da die abziehbare Vorsteuer vom Prüfer wegen fehlender Rechnungen ebenfalls im Schätzungsweg und abweichend von den Umsatzsteuervoranmeldungen (mit S 170.000,-- statt S 189.000,--) ermittelt worden sei. Im Hinblick auf die dem angefochtenen Bescheid anhaftende, nicht bloß geringfügige Rechtswidrigkeit "(siehe unten Punkt 2.)" sei durch die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens von dem durch § 303 Abs 4 BAO eingeräumten Ermessen nach Ansicht des Senates im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht worden. Unter Punkt

"2. Ermittlung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen" begründete die belangte Behörde die Schätzungsberechtigung und die Schätzungsmethode sowie die Sicherheitszuschläge von 10 %.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde rügt die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens, daß sich die belangte Behörde wie auch die Unterbehörde darüber "ausschweigen", welche Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien. Im Hinblick darauf, daß keinerlei neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, sei nicht einmal ersichtlich, welcher der drei Tatbestände des § 303 Abs 4 BAO angewendet worden sei.

Diese Rüge ist nicht berechtigt. Bereits das Finanzamt hat in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die darüber aufgenommene Niederschrift und den Prüfungsbericht verwiesen. Der Niederschrift über die Schlußbesprechung sind ua folgende Feststellungen zu entnehmen: "Von der Steuerpflichtigen konnten für das Kalenderjahr 1986 außer den vorgelegten Ausgangsrechnungen für die Pensionserlöse keinerlei Unterlagen vorgelegt werden." - ".... geschätzte Vorsteuern (keinerlei Belege vorgelegt)".

Auf dem Boden eben dieser Feststellungen hat die belangte Behörde ausgeführt, dem Finanzamt sei das Nichtvorliegen einer Buchhaltung für 1986 erst im Zuge der Betriebsprüfung (im Jahre 1992) bekannt geworden; insbesondere bezog sich die belangte Behörde auf das Fehlen von Rechnungen (angefochtener Bescheid S 6, zweiter Absatz: ".... wegen fehlender Rechnungen").

Die belangte Behörde hat sich somit hinsichtlich der Wiederaufnahmegründe nicht "ausgeschwiegen". Vielmehr hat sie die anläßlich der Erlassung des Bescheides des Finanzamtes vom 8. August 1988 (ursprüngliche Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 1986) noch nicht bekannte, nach § 184 BAO relevante (negative) Tatsache herangezogen, daß die von der Beschwerdeführerin an Organe der Finanzverwaltung vorzulegenden Geschäftsunterlagen gar nicht zur Verfügung gestanden sind. Es war nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde diesen Umstand als neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs 4 BAO beurteilte.

Die belangte Behörde hat auch die Auswirkungen der Kenntnis dieses neu hervorgekommenen Umstandes insofern beziffert, als der der Erstbehörde ursprünglich nicht bekannte Umstand des Fehlens maßgeblicher Geschäftsunterlagen zur Schätzung der Vorsteuer statt mit S 189.000,-- nur mit S 170.000,-- geführt habe.

Auf dem Boden der Schätzungsberechtigung ist auch die Anwendung eines Sicherheitszuschlages nicht als rechtswidrig zu erkennen, wie die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Beschwerde auch selbst einräumt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1993140233.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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