TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/17 VGW-031/078/14654/2018

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Veröffentlicht am 17.01.2020
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Entscheidungsdatum

17.01.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49 Abs1
ZustellG §17 Abs1
ZustellG §17 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Marcus Osterauer über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, C.-straße, gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. Oktober 2018, Zl: MA 67-…,

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verwaltungsstrafverfahren und bekämpfter Bescheid

1.1. Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien (in Folge: belangte Behörde) vom 6. August 2018, GZ MA 67-…, wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von 128,00 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 26 Stunden verhängt, da er am 20. Mai 2018 um 14:27 Uhr in Wien, D.-straße am Parkplatz E. 2 das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-3 im Bereich des Vorschriftszeichen „Halten und Parken verboten“ („Behindertenzone“) abgestellt habe, ohne dass im Fahrzeug ein Ausweis gemäß § 29b Abs. 4 StVO 1960 angebracht war, wobei ein berechtigter Fahrzeuglenker am Zufahren zur Behindertenzone gehindert worden sei. Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer an seiner Wohnanschrift Wien, C.-straße nach einem Zustellversuch am 13. August 2018 durch Hinterlegung bei der Postgeschäftsstelle Wien, F.-platz zugestellt, wobei die Sendung erstmals am 14. August 2018 zur Abholung bereitgehalten wurde.

1.2. Am 29. August 2018 langte bei der belangten Behörde ein E-Mail des Beschwerdeführers mit nachstehendem Inhalt ein:

„Ich habe am 4.6.2018 eine Zahlung an die MA 67 geleistet – betrifft diese vielleicht den gegenständlichen Fall? Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, für welchen Sachverhalt die unten genannte Zahlung erfolgt ist.

Auftragstyp Inlandsüberweisung

Auftraggeber/in AT …

B. A.

Betrag 48,00 EUR

Empfänger/in MA 67

IBAN AT73 6000 000 0238 6492

Zahlungsreferenz 010606497331

Verwendungszweck keine Angabe

Durchführungsdatum 04.06.2018

Ihr Schreiben vom 6.8.2018 habe ich urlaubsbedingt erst am 27.8.2018 beheben können und erhebe hiemit für den Fall, dass die obige Zahlung nicht dem gegenständlichen Verfahren zugeordnet werden kann, Einspruch gegen die Strafverfügung.“

1.3. Darauf richtete die belangte Behörde ein mit 10. September 2018 datiertes Schreiben „VORHALT (Verspätete Einbringung eines Rechtsmittels)“ mit folgendem (auszugsweisen) Inhalt an den Beschwerdeführer:

„Bezug nehmend auf Ihr Rechtsmittel gegen die Strafverfügung vom 6.8.2018 betreffend Zahl MA 67-… wird Ihnen vorgehalten, dass dieses nach der Aktenlage als verspätet eingebracht erscheint.

Es fand am 13.8.2018 gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz ein Zustellversuch statt und wurde die Strafverfügung am selben Tag hinterlegt und ab 14.8.2018 zur Abholung bereit gehalten, da Ihnen das Dokument beim Zustellversuch nicht übergeben werden konnte.

§ 17 (3) Zustellgesetz

Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrost wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Ihr Rechtmittel wurde jedoch erst am 28.8.2018, somit nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist mittels E-Mail eingebracht.

Es wird Ihnen Gelegenheit geboten, diesen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen und innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Falls Sie einen Zustellmangel geltend machen, haben Sie innerhalb der gleichen Frist die Möglichkeit, diesen durch Belege (Reiserechnungen, Namhaftmachung von Zeugen, etc.) glaubhaft zu machen.

Sollte innerhalb der genannten Frist keine Stellungnahme erfolgen, müsste Ihr Rechtsmittel wegen Verspätung zurückgewiesen werden.

[…]

Hinweis:

Wie den von Ihnen übermittelten Überweisungsdaten zu entnehmen ist, betrifft die eingewendete Überweisung nicht die gegenständliche Beanstandung. Dies ist auf Grund der angeführten Zahlungsreferenz einwandfrei feststellbar.“

Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer nach einem Zustellversuch am 14. September 2018 durch Hinterlegung beim der Postgeschäftsstelle … Wien zugestellt, wobei die Sendung ab 17. September 2018 zur Abholung bereitgehalten wurde.

1.4. Mit E-Mail vom 7. Oktober 2018 gab der Beschwerdeführer (auf das Wesentlichste zusammengefasst) der belangten Behörde bekannt, dass er infolge urlaubsbedingter Abwesenheit erst am 26. August 2018 an die Abgabestelle zurückgekehrt sei und die zweiwöchige Einspruchsfrist somit erst am 27. August 2018 begonnen habe. Er sei vom 5. August 2018 bis 25. August 2018 in der Steiermark/G. bei Familie H. und das darauffolgende Wochenende bei seiner Lebensgefährtin Fr. K. gewesen.

1.5. Mit dem bekämpften Bescheid vom 11. Oktober 2018, MA 67-…, wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers als verspätet zurück. In der Bescheidbegründung führt die belangte Behörde Folgendes aus:

„Die Strafverfügung wurde nach einem Zustellversuch vom 13.8.2018 am selben Tag bei der Postgeschäftsstelle … Wien hinterlegt (Hinterlegung gem. § 17 Abs. 1 ZustG) und ist ab dem 14.8.2018 zur Abholung bereitgehalten worden, da Ihnen das Schriftstück beim Zustellversuch nicht übergeben werden konnte.

Mit dem Tag der Bereithaltung zur Abholung gilt gemäß § 17 Abs. 3 ZustG eine hinterlegte Sendung als zugestellt, wenn ein Zustellmangel nicht unterlaufen ist und sich nicht ergeben hat, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte.

Die Einspruchsfrist begann daher am 14.8.2018 und endete am 28.8.2018.

Der Einspruch wurde trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung jedoch erst am 28.8.2018 mittels E-Mail, somit nach Ablauf der im § 49 Abs. 1 VStG festgelegten zweiwöchigen Einspruchsfrist eingebracht.

In Ihrer Stellungnahme zum Vorhalt der Verspätung vom 10.9.2018 wurde zwar eine Abwesenheit von der Abgabestelle eingewendet, jedoch wurden trotz ausdrücklicher Aufforderung keine Beweismittel dafür vorgelegt, welche geeignet wären, die behauptete Ortsabwesenheit glaubhaft zu machen.

Hinsichtlich der amtswegig vorzunehmenden Klärung der Frage der Ortsabwesenheit ist die Partei aber verpflichtet, einer Aufforderung zur Mitwirkung an der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts nachzukommen. Mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel kann das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan werden.

Kommt der Einspruchswerber, wie im gegenständlichen Fall, trotz Aufforderung durch die Behörde seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, so kann die Behörde von der Ortsanwesenheit des Einspruchswerbers zum fraglichen Zeitpunkt ausgehen.

Eine Abwesenheit von der Abgabestelle wurde gegenständlich nicht glaubhaft gemacht.

Dass ein Zustellmangel unterlaufen ist und Sie nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnten, war somit nicht anzunehmen.

Bemerkt wird, dass es sich bei der Einspruchsfrist um eine gesetzliche Frist handelt, die von der Behörde nicht erstreckt werden darf.

Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruches rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen und kann aus diesem Grund auch nicht auf allfällige diesbezügliche Einwände eingegangen werden.

Der Einspruch war daher als verspätet zurückzuweisen.“

2. Beschwerde und Beschwerdeverfahren

2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er (auf das Wesentlichste zusammengefasst) ausführt, dass er seine Ortsabwesenheit nicht nur behauptet habe, sondern dargelegt habe, wo er gewesen sei, was durch Einsichtnahme in das Melderegister leicht überprüft werden könne.

2.2. Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Aktes dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.

2.3. Am 20. August 2019 und am 1. Oktober 2019 fanden vor dem Verwaltungsgericht Wien öffentliche mündliche Verhandlungen statt. In der Verhandlung am 20. August 2019 wurde der Beschwerdeführe einvernommen. Zur Verhandlung am 1. Oktober 2019 entschuldigte sich der Beschwerdeführer mit Krankheit. Der vom Beschwerdeführer übermittelten Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 1. Oktober 2019 lässt sich als Grund der Arbeitsunfähigkeit lediglich „Krankheit“ entnehmen; Bettruhe wurde nicht verordnet.

3. Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung

3.1. Der Beschwerdeführer befand sich vom 6. August 2018 bis zum 24. August 2018 durchgehend in G. in der Steiermark, wo er in Gästehaus H. Quartier nahm und eine L.-schule besuchte. Der Beschwerdeführer kehrte am 24. August 2018 nach Wien zurück, und zwar zunächst in die Wohnung seiner Lebensgefährtin und dann am Abend des 26. August 2018 in seine Wohnung.

3.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage des Beschwerdeführers und der vorgelegten Rechnung der L.-schule G. GmbH, aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer am 6. August 2018 eine Gastmitgliedschaft erwarb und ihm am 12. August 2018, am 21. August 2018, am 22. August 2018 und am 23. August 2018 ein L. (Schul-L.) jeweils mit Lehrer in Rechnung gestellt wurden.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben. Der Einspruch ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat. Gemäß § 49 Abs. 2 VStG ist das ordentliche Verfahren einzuleiten, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird.

4.2. Gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle zu hinterlegen, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinn des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinn des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

4.3. Gemäß den Feststellungen war der Beschwerdeführer von 6. August 2018 bis 25. August 2018 von der Abgabestelle in Wien, C.-straße abwesend und kehrte erst am 26. August 2018 – einem Sonntag - an die Abgabestelle zurück. Die Zustellung der Strafverfügung wurde daher frühestens am 27. August 2018 rechtswirksam.

4.4. Die Frist von zwei Wochen gemäß § 49 Abs. 1 VStG zur Erhebung des Einspruchs hat daher frühestens am 27. August 2018 zu laufen begonnen. Die Frist für die Erhebung des Einspruchs endete somit nicht am 28. August 2018 sondern erst am 10. September 2018.

4.5. Damit ist der am 29. August 2018 per E-Mail bei der belangten Behörde eingelangte Einspruch des Beschwerdeführers jedoch rechtzeitig. In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass der Einspruch des Beschwerdeführers trotz der beigefügten Besingung, dass dieser für den Fall erhoben wird, dass die von ihm am 4. Juni 2018 geleistete Zahlung nicht das gegenständliche Verfahren betrifft, rechtswirksam ist, da durch diese Bedingung weder die Rechtssicherheit noch der gesetzliche Gang des Verfahrens beeinträchtigt wurde, der Einspruch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entspricht und – wie das Schreiben der belangten Behörde vom 10. September 2018 (Verspätungsvorhalt) zeigt – der Eintritt der Bedingung der Behörde ohne zusätzlichen Ermittlungsaufwand und ohne Verfahrensverzögerung bekannt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63 Rz 89 mwN). Die Zurückweisung des Einspruchs durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Unrecht. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der bekämpfte Zurückweisungsbescheid zu beheben.

4.6. Der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, dass sich den vom Beschwerdeführer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsmeldung ein konkreter Grund, der den Beschwerdeführe an der Teilnahme an der Verhandlung gehindert hätte, nicht entnehmen lässt, da der Grund für die Arbeitsunfähigkeit mit „Krankheit“ nicht so weit spezifiziert ist, dass dem Verwaltungsgericht eine Überprüfung der Triftigkeit des geltend gemachten Hinderungsgrundes möglich ist und sich ihr auch eine ärztlicherseits verordnete Bettruhe nicht entnehmen lässt (VwGH 15. Dezember 2016, Ra 2016/02/0242).

Zum Ausspruch über die Nichtzulässigkeit der ordentlichen Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall war auszusprechen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Strafverfügung; Einspruch; Rechtzeitigkeit; Zustellung; Abwesenheit von der Abgabestelle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.078.14654.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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