TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/6 VGW-123/072/16412/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2020
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Entscheidungsdatum

06.02.2020

Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

WVRG 2014 §26 Abs1
BVergG 2018 §20
BVergG 2018 §249 Abs2 Z3
BVergG 2018 §249 Abs2 Z4
BVergG 2018 §254 Abs2
BVergG 2018 §254 Abs5 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag.a Mandl als Vorsitzende, die Richterin Dr.in Lettner und den Richter Dr. Oppel über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte OG, auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung betreffend das Vergabeverfahren der Stadt Wien – MA 31 Wiener Wasser, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, mit der Bezeichnung "B., C., D., E. - Wasserrohrauswechslungen", Aktenzahl: MA 31-…/18, durch Verkündung

zu Recht e r k a n n t :

I.     Der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 13.12.2019 wird abgewiesen.

II.    Die Antragstellerin hat die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen.

III.   Die ordentliche Revision ist zulässig.

       

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Stadt Wien – MA 31 (in der Folge: Antragsgegnerin) führt ein offenes Verfahren im Unterschwellenbereich zur Vergabe eines Bauauftrages betreffend die Auswechslung von Wasserrohren in Wien, B., C., D. und E.. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens erfolgte am 26.9.2019. Der Zuschlag soll an das billigste Gebot erfolgen.

Die A. GmbH (in der Folge: Antragstellerin) hat ein Angebot abgegeben. Mit Ausscheidensentscheidung vom 13.12.2019 wurde ihr Angebot ausgeschieden. Das Ausscheiden wurde zunächst damit begründet, dass die Antragstellerin ein unvollständiges Angebot gelegt habe. So wiesen die als Angebotsbestandteil angeforderten Kalkulationsunterlagen, insbesondere die Kalkulationsblätter K4, K3 Regielohn und die wesentlichen Positionen der K7-Blätter unbehebbare Mängel auf. Laut den Ausschreibungsunterlagen Punkt 6.3. WD 307 könnten Kalkulationsunterlagen nachgefordert werden, wenn deren Vorlage nicht bereits in der Ausschreibung bedungen war. Die Antragstellerin habe daher ein unvollständiges Angebot gelegt, das gemäß § 302 Abs. 1 Z 5 BVergG zwingend auszuscheiden sei.

Weiters lägen schwere berufliche Verfehlungen und wettbewerbswidrige Absprachen der Antragstellerin vor. Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Angebotsprüfung nachweislich festgestellt, dass betrügerische Materialabrechnungen sowie für die Auftraggeber nachteilige bzw. wettbewerbswidrige Absprachen zwischen F. G., DI H. (für K. GmbH) u.a., die gegen die guten Sitten verstießen und darauf abzielten, den Wettbewerb zu verzerren, vorlägen. Zudem sei die Antragsgegnerin im Zuge der Durchführung der Aufträge ganz bewusst über die tatsächlich zur Leistungserbringung herangezogene Antragstellerin getäuscht worden. Anzuführen sei der systematische Einsatz anderer Unternehmen zur Legung abgesprochener und von F. G. oder seinem Vater, L. G., kalkulierter Schein- bzw. Deckangebote. Im Auftragsfall sollte die Antragstellerin alle vertragsgegenständlichen Leistungen erbringen.

Dies sei der Antragstellerin mit Schreiben vom 12.11.2019 vorgehalten worden.

Zu der dazu am 5.12.2019 abgegebenen Stellungnahme der Antragstellerin sei festzuhalten, dass die MA 31 ihre Feststellungen ausschließlich auf die dem o.a. Vorhalt beigelegten Unterlagen stütze, die keine Sachverhaltsdarstellung der Stadt Wien umfassten. Zur vorgelegten Bestätigung der BWB sei darauf zu verweisen, dass die Materialien zum BVergG 2018 zum Verständnis des Begriffes „nachteilige Abreden“ insbesondere auf Art. 101 AEUV verwiesen. Damit beabsichtige der Gesetzgeber allerdings keine Einschränkung der Ausscheidensmöglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers. Auch eine Abrede, die nicht geeignet sei, den Binnenmarkt zu beeinträchtigen, könne ein gesamtes Vergabeverfahren konterkarieren und mit dem vergaberechtlichen Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs unvereinbar sein.

Die in einem anderen Vergabeverfahren vorgelegte Bestätigung der M. GmbH halte bloß fest, dass sie beim konkreten Bauvorhaben weder finanziell geschädigt worden sei, noch ein Schaden durch die Antragstellerin verursacht worden sei. Die versuchte betrügerische Materialabrechnung habe in dieser Konstellation wohl zu keinem Schaden geführt, weil im Zuge der (im Zeitpunkt der strafrechtlichen Feststellung noch nicht erfolgten) Schlussrechnung die der M. GmbH bekannten Nachteile ausgeglichen werden können.

Die Antragsgegnerin habe vergaberechtskonform die ihr vorliegenden Informationen geprüft und sachlich begründete Feststellungen getroffen.

Die von der Antragstellerin behaupteten Selbstreinigungsmaßnahmen seien aus der Sicht der Antragsgegnerin unzureichend. Die Antragstellerin habe nicht alle in § 254 Abs. 2 BVergG kumulativ angeordneten Maßnahmen ergriffen bzw. diese Verpflichtungen nicht in einem den Umständen entsprechenden Ausmaß erfüllt. Es sei bis dato kein Schadensausgleich erfolgt. Weder die Ermittlungsbehörden im Strafverfahren noch die Auftraggeberin seien bei der Klärung der maßgeblichen Tatsachen unterstützt worden. Dazu wäre ein vollumfängliches Geständnis bzw. die Offenlegung näherer Umstände der betroffenen Abrede gegenüber der Auftraggeberin erforderlich gewesen. Dies habe nicht stattgefunden.

Die Antragstellerin sei nicht im Detail auf die Vorhalte der Antragsgegnerin eingegangen und habe nicht erklärt, wie die vorgelegten Abrechnungen mit der K. GmbH bzw. der M. GmbH zustande gekommen seien. Sie habe sich nicht zu den sichergestellten E-Mails an Konkurrenten mit der Bitte um Erstellung vorkalkulierter Angebote geäußert. Es seien nur Pauschalerklärungen abgegeben und die Vorhalte der Antragsgegnerin unsubstantiiert bestritten worden. Auch die personellen Maßnahmen seien nach Ansicht der Antragsgegnerin nicht geeignet, die erneute Begehung von Verfehlungen zu verhindern.

Die Stellungnahme vom 5.12.2019 habe somit die nachweislichen Feststellungen der Antragsgegnerin nicht entkräften können. Es seien weiters von der Antragstellerin keine ausreichenden selbstreinigenden Maßnahmen gemäß §§ 254 Abs. 1 ff BVergG dargelegt worden. Die Antragsgegnerin gehe weiterhin davon aus, dass F. G. an wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sei und andere Unternehmen zur Legung vorkalkulierter Schein- und Deckangebote bestimmt habe, um im Zuschlagsfall die Leistungserbringung zu übernehmen, ohne nach außen in Erscheinung zu treten. Im Übrigen habe er die dargelegte betrügerische Materialabrechnung im Namen der Antragstellerin vorgenommen.

Die Antragstellerin sei daher gemäß § 302 Abs. 1 Z 2 und 5 iVm § 249 Abs. 2 Z3 und 4 BVergG 2018 zwingend auszuscheiden gewesen.

Diese Entscheidung ficht die Antragstellerin mit dem gegenständlichen Nachprüfungsantrag an. Der Antrag wurde am 23.12.2019 gestellt und ist daher rechtzeitig.

Die Antragstellerin hat eine Pauschalgebühr in der Höhe von 3.121,-- Euro entrichtet. Sie hat dargelegt, in welcher Höhe ihr durch die angefochtene Entscheidung der Antragsgegnerin ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Zum Interesse am Vertragsabschluss hat sie auf das von ihr abgegebene Angebot verwiesen.

Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag vorgebracht, dass dem Angebot gemäß dem Angebotsformblatt SR 75, Seite 3, folgende Unterlagen anzuschließen gewesen seien:

Das Leistungsverzeichnis, der Datenbestand nach ÖNORM, Kalkulationsangaben (K3 Kalkulationsformblatt nach ÖNORM B 2061, K4 Kalkulationsformblatt nach ÖNORM B 2061), eine Verpflichtungserklärung zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, Angaben über die zur Leistungserbringung erforderlichen Befugnisse, Antrag auf Genehmigung eines Subunternehmers und Erklärung des Subunternehmers, Eignungsnachweise und Festlegungen für die Abgabe elektronischer Angebote.

Die Antragstellerin habe aufgrund der Bekanntmachung fristgerecht ein vollständiges Angebot gelegt. Mit dem Angebot sei nachweislich das K3-Kalkulationsblatt bereits vorgelegt worden. Dies sei im Protokoll über die Angebotsöffnung (Seite 3) festgehalten worden.

Mit Schreiben vom 12.11.2019 sei die Antragstellerin zur Nachreichung von Eignungsnachweisen aufgefordert worden. Sie sei nicht aufgefordert worden, weitere Kalkulationsblätter beizubringen. Es seien der Antragstellerin weiters wettbewerbswidrige Absprachen und berufliche Verfehlungen zur Stellungnahme vorgehalten worden. Die Antragstellerin sei der Aufforderung zur Nachreichung fristgerecht und vollständig nachgekommen.

Dennoch sei die Ausscheidensentscheidung vom 13.12.2019 ergangen, die sich im Wesentlichen auf zwei Ausscheidensgründe stütze, nämlich auf die angebliche Unvollständigkeit des Angebots der Antragstellerin und auf wettbewerbswidrige Absprachen und schwere berufliche Verfehlungen unter Mitwirkung des Geschäftsführers der Antragstellerin.

Die Antragstellerin habe fristgerecht ein vollständiges Angebot gelegt; im Zuge der Angebotsprüfung hätte sie zur Nachreichung von weiteren Kalkulationsblättern aufgefordert werden müssen. Dies sei nicht erfolgt, weil die Antragsgegnerin davon ausgegangen sei, dass es sich um einen unbehebbaren Mangel handle. Die Nichtabgabe von Kalkulationsblättern sei jedoch nach herrschender Lehre und Rechtsprechung als behebbarer Mangel zu qualifizieren. Da die Kalkulationsblätter die Kalkulation eines Bieters nur veranschaulichen würden, könnte eine Nachreichung die Kalkulation und damit die Wettbewerbsstellung des Bieters nicht verändern. Das Fehlen von Kalkulationsblättern sei in der Ausschreibung nicht als Grund für ein sofortiges Ausscheiden festgelegt. Wäre dies der Fall, so wäre dies unzulässig, da der Auftraggeber nicht behebbare in unbehebbare Mängel umdeuten dürfe.

Das Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin wegen Fehlen der Kalkulationsblätter sei daher rechtswidrig.

Zur Behauptung wettbewerbswidriger Absprachen sei darauf hinzuweisen, dass die Bundeswettbewerbsbehörde Ermittlungen durchgeführt hätte. Im Ergebnis hätten sich die Verdachtsmomente nicht erhärtet. Die Ermittlungen seien nicht fortgesetzt worden. Die von der Antragsgegnerin als Ausscheidensgrund herangezogenen Behauptungen seien daher nicht nachweislich festgestellt. Sie könnten einen Ausschluss nicht rechtfertigen.

Mit der Behauptung schwerer beruflicher Verfehlungen beziehe sich die Antragsgegnerin auf ein laufendes Ermittlungsverfahren der WKSta zur Geschäftszahl …, das aufgrund einer Sachverhaltsdarstellung der Antragsgegnerin vor mehr als 5 Jahren eingeleitet worden sei. Die behaupteten Verdachtsmomente seien für eine Anklageerhebung nicht ausreichend gewesen, weshalb bis dato lediglich Einstellungen gegen einzelne Beschuldigte, wie z.B. die Mehrheitsgesellschafterin der Antragstellerin, Frau N. G., erfolgt seien. Im Hinblick darauf sei davon auszugehen, dass die Behauptungen der Antragsgegnerin nicht zuträfen.

Unabhängig davon sehe das BVergG keine generelle oder unbefristete Vergabesperre vor. Der Ausschluss aus dem Vergabeverfahren sei gemäß § 249 BVergG bereits verfristet. Da die gesetzlich vorgesehen Höchstdauer von drei Jahren ab dem betreffenden Ereignis gegenständlich bereits überschritten sei, sei auch eine Selbstreinigung nicht notwendig. Als relevanter Zeitpunkt gelte die Wahrnehmung des betreffenden Ereignisses durch die Auftraggeberin. Im vorliegenden Fall beziehe sich die Antragsgegnerin auf Ereignisse, die ihr seit weit mehr als drei Jahren bekannt seien. So habe sie mit Schriftsatz vom 19.8.2014 den Privatbeteiligtenanschluss erklärt, was die konkrete Darlegung ihrer Ansprüche voraussetze.

Hinsichtlich der von der Antragsgegnerin behaupteten schweren beruflichen Verfehlungen sei daher Verfristung eingetreten.

Auch habe die Antragstellerin zielführende Selbstreinigungsmaßnahmen getroffen. Die von der Antragsgegnerin geforderte Ablegung eines Geständnisses, der Schadensausgleich bzw. die Offenlegung getroffener Abreden sei dafür nicht erforderlich und auch der Antragstellerin nicht zumutbar, zumal bis dato nur Ermittlungen geführt würden. Es gelte daher die Unschuldsvermutung. Die Antragstellerin könne nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten, zumal auch eine Einstellung oder ein Freispruch noch möglich sei. Die Beweislast liege bei der Anklagebehörde.

Beantragt werde daher die Nichtigerklärung der angefochtenen Ausscheidensentscheidung, die Gewährung von Akteneinsicht in den Vergabeakt, die Ausnahme der Teile des Vergabeaktes von der Akteneinsicht durch andere Parteien, die sich auf das Angebot der Antragstellerin beziehen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und den Ersatz der von der Antragstellerin entrichteten Pauschalgebühr.

Der Nachprüfungsantrag wurde der Antragsgegnerin zur Kenntnis gebracht. Sie legte in der Folge den Vergabeakt vor und gab mit Schriftsatz vom 13.1.2020 eine Stellungnahme ab, in der sie zunächst darlegt, es handle sich gegenständlich um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich (offenes Verfahren) zur Vergabe der o.a. Bauleistungen.

Weiters führt die Antragsgegnerin zur Argumentation der Antragstellerin betreffend die Nachreichung von Kalkulationsblättern aus, dass Mängel immer dann als unbehebbar anzusehen seien, wenn deren Behebung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung des Bieters führen könne. Eine solche Verbesserung könne auch dann eintreten, wenn dem Bieter durch die Möglichkeit der Verbesserung ein längerer Zeitraum für die Ausarbeitung seines Angebots zur Verfügung steht. Im vorliegenden Fall seien die nicht vorgelegten Kalkulationsblätter für die Angebotsbewertung zwar nicht direkt relevant, es wäre jedoch bei einer Behebung des Mangels zu der o.a. Verbesserung der Wettbewerbsposition der Antragstellerin gekommen.

Weiters sei die Vorlage der Kalkulationsblätter mit dem Angebot bereits in der Ausschreibung festgelegt worden. Die Nachreichung zwingend vorzulegender Unterlagen sei jedoch unzulässig. Zulässig wären höchstens Erläuterungen gewesen, die die bereits vorgelegten Informationen plausibilisiert hätten.

Auch sei auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (z.B. 2007/04/0218) zu verweisen, wonach die Neukalkulation eines Kalkulationsblattes unzulässig sei. Dies gelte auch, wenn sich der Gesamtpreis nicht ändere. Nichts anderes könne im vorliegenden Fall gelten, in dem mehrere als Teil des Angebots angeforderte Kalkulationsblätter gefehlt hätten, zumal eine nachträgliche Kalkulation jedenfalls unzulässig sei. Schließlich würden die Kalkulationsblätter als Grundlage für allfällige zukünftige Abrechnungen von Nachtragsforderungen dienen, die im Leistungsverzeichnis nicht abgebildet seien.

Das Nichtvorlegen der in der Ausschreibung geforderten Kalkulationsblätter stelle daher einen unbehebbaren Mangel dar, der zum Ausscheiden des Angebotes führen müsse.

Diese Verpflichtung stehe auch Punkt 6.3 der WD 307 nicht entgegen, in dem geregelt sei, dass Kalkulationsunterlagen von der Antragsgegnerin im Rahmen der Preisprüfung nachgefordert werden könnten, wenn deren Vorlage nicht bereits in der Ausschreibung bedungen gewesen sei. Vielmehr ergebe sich aus dieser bestandsfesten Festlegung im Umkehrschluss, dass die Antragsgegnerin Kalkulationsblätter, die bereits Teil des Angebotes sein hätten müssen, nicht nachfordern dürfe. Schließlich dürfe die Unzulässigkeit der Behebung eines unbehebbaren Mangels nicht im Wege der vertieften Angebotsprüfung umgangen werden.

Ergänzend werde festgehalten, dass im vorliegenden Fall keine vertiefende Angebotsprüfung stattgefunden habe. Punkt 6.3 der WD 307 führe daher gegenständlich nicht unmittelbar zum Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin. Diese Bestimmung sei nur der Vollständigkeit halber in die Ausscheidensentscheidung aufgenommen worden.

Zu den Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) sei festzuhalten, dass diese mit Schreiben vom 19.4.2018 mitgeteilt habe, dass aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Ermittlungshandlungen derzeit keine Antragstellung vor dem Kartellgericht beabsichtigt sei. Damit habe die Behörde keine inhaltliche Sachverhaltsbewertung vorgenommen, sondern über ihre weitere Vorgangsweise informiert. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass nach der auf den gegenständlichen Sachverhalt (Auftragsvergabe des KAV bzw. der Krankenanstalt P. für Fliesenleger-, Estrich-, Baumeister- und Steinmetzarbeiten in der Krankenanstalt P. in den Jahren 2011 bis 2013) anwendbare Rechtslage wettbewerbsbeschränkende Absprachen innerhalb einer Marktanteilsschwelle von 5% (österreichweit) bzw. 25% (regional) als Bagatellkartelle zulässig gewesen seien. Sachverhalte in diesem Rahmen seien daher nicht vom Kartellgericht zu ahnden gewesen.

Die Antragsgegnerin habe sich im Rahmen ihres Vorhalts nicht auf Feststellungen der BWB gestützt, sondern die ihr vorliegenden Informationen aus dem Strafverfahren zu GZ … selbst beurteilt und auf dieser Grundlage selbst wettbewerbswidrige Absprachen und schwere berufliche Verfehlungen nachweislich festgestellt, soweit ihr dies im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen möglich war. Eine restlose Aufklärung werde auch vom Verwaltungsgerichtshof bzw. EuGH im Hinblick auf die fehlenden Ermittlungsmöglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers nicht gefordert (VwGH Ra 2016/04/0140).

Die Antragstellerin habe im Rahmen ihrer Stellungnahme bzw. ihres Nachprüfungsantrags weder Unterlagen vorgelegt noch Vorbringen erstattet, um die Feststellungen der Antragsgegnerin zu entkräften.

Der von der Antragstellerin angestellte Schluss, dass die Dauer des Ermittlungsverfahrens am Zutreffen der Vorwürfe zweifeln lasse, sei unzulässig. Vielmehr sei davon auszugehen, dass dort, wo sich Verdachtsmomente nicht erhärten würden, eine schnelle Einstellung des Verfahrens erfolge. Gegenständlich sei davon auszugehen, dass es zu einer Anklage gegen die Antragstellerin und einen ihrer Geschäftsführer kommen werde.

Zur Frage, welcher Zeitpunkt maßgeblich sei, habe die Antragsgegnerin bereits im Vorhalt vom 12.11.2019 ausgeführt. Jedenfalls sei jede Verfehlung und jede Absprache getrennt zu beurteilen, da einem Bieter nicht aus einer laufenden Tatbegehung Vorteile erwachsen dürften. Der Verweis auf den Privatbeteiligtenanschluss der Stadt Wien – Wiener Wohnen vom 19.8.2014 sei verfehlt, da zu diesem Zeitpunkt die nunmehr vorgehaltenen Fakten noch nicht aktenkundig gewesen seien. Vergaberechtlich relevant sei vielmehr jener Zeitpunkt, zu dem der Antragsgegnerin ausreichende Informationen vorgelegen seien, um von einer nachweislichen Feststellung ausgehen zu dürfen.

Der Abschlussbericht des BAK stelle eine Art Entscheidung der zur Sachverhaltsfeststellung zuständigen Behörde dar. Er sei daher für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes relevant. Jedenfalls seien seit der Wahrnehmung der wesentlichen Fakten durch die Antragsgegnerin noch keine drei Jahre vergangen.

Die von der Antragstellerin geltend gemachten Selbstreinigungsmaßnahmen seien von der Antragsgegnerin begründet als unzureichend beurteilt worden. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Schulungen und Fortbildungen seien nicht geeignet, um weitere Verfehlungen zu verhindern. Die Antragsgegnerin habe in ihrem Vorhalt ausgeführt, dass der Austausch des Geschäftsführers in besonders gelagerten Fällen nicht ausreiche. Die Antragstellerin habe dazu keine Stellungnahme abgegeben.

Auch der in § 254 Abs. 2 BVergG 2018 geforderte Schadensausgleich habe nicht stattgefunden. Dabei komme es laut der Erläuternden Bemerkungen zum BVergG 2018 nicht darauf an, ob dieser Schaden bereits Gegenstand einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung war. Wenn die Schadenshöhe auch noch gerichtlich geklärt werden müsse, wäre zu einer effektiven Selbstreinigung zumindest die Anerkennung dieser Ansprüche dem Grunde nach erforderlich. Auch sei Herr F. G. der kumulativen Voraussetzung zur Selbstreinigung, wonach eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden zu erfolgen habe, nicht nachgekommen. Vielmehr habe er im genannten Strafverfahren weitgehend von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht.

Zum Vorbringen der Antragstellerin betreffend die Unschuldsvermutung sei festzuhalten, dass zwischen dem Strafverfahren und dem Vergabeverfahren zu unterscheiden sei. Die Unschuldsvermutung schließe zwar jegliche Vorverurteilung aus, schütze den Beschuldigten jedoch nicht vor wirtschaftlichen Nachteilen.

Beantragt werde daher die Ab- bzw. Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie die Ab- bzw. Zurückweisung des Antrags auf Ersatz der Pauschalgebühr.

Auf Ersuchen des Verwaltungsgerichts Wien hat die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption mit Schreiben vom 24.1.2020 mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin und Herrn F. G. noch nicht abgeschlossen ist.

Mit Schriftsatz vom 4.2.2020 replizierte die Antragstellerin auf die o.a. Stellungnahme der Antragsgegnerin und führte zunächst zum Vorwurf des unvollständigen Angebots wegen fehlender Kalkulationsformblätter unter Zitierung einschlägiger Judikatur zusammengefasst aus, dass das Fehlen von K-Blättern keinen unbehebbaren Mangel darstelle. Vielmehr sei der Angebotspreis bereits im Angebot festgelegt. Die K-Blätter lägen zwingend bereits zum Zeitpunkt der Angebotslegung vor, weshalb dem Bieter auch kein längerer Zeitraum zur Ausarbeitung seines Angebots zur Verfügung stünde. Eine Besserstellung des Bieters durch Nachreichung der für die Berechnung dieses Preises angefertigten K-Blätter scheide daher aus. Ein Ausscheiden des Bieters ohne Aufforderung zur Nachreichung sei daher unzulässig.

Die Antragsgegnerin hätte in der Ausschreibung keine ausdrückliche Festlegung getroffen, wonach ein Angebot auszuscheiden sei, wenn die K-Blätter nicht gleichzeitig mit dem Angebot vorgelegt würden. Dieses Erfordernis komme u.a. in der Entscheidung des EuGH vom 10.10.2013, Rs C-336/12 – Manova zum Ausdruck, wonach ein Ausscheiden nur dann zulässig sei, wenn dies in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich festgehalten sei. Ein bloßer Umkehrschluss aus festgelegten Bestimmungen reiche dafür nicht aus.

Die Sorge der Antragsgegnerin, mit der Nachreichung der K-Blätter könne eine nachträgliche Änderung von Angebotspreisen einhergehen, sei daher unbegründet. Die Antragstellerin habe ihr Angebot mittels eines Berechnungsprogrammes erstellt. Die Preisanteile Lohn und Sonstiges seien ausschreibungskonform mit dem Angebot offengelegt worden. Das Leistungsverzeichnis sei in allen Positionen vollständig ausgefüllt. Die Ausscheidensentscheidung sei daher, soweit sie mit dem Fehlen von K-Blättern begründet sei, rechtswidrig erfolgt.

Zu den Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) führt die Antragstellerin aus, dass die Antragsgegnerin ihre Behauptung, die Einstellung der Ermittlungen sei nur erfolgt, weil ein Bagatellkartell vorgelegen sei, nur behauptet, aber nicht nachgewiesen habe. Die Einstellung sei vielmehr deshalb erfolgt, weil kein Anhaltspunkt für ein wettbewerbswidriges Verhalten festgestellt werden hätte können, wie eine Nachfrage bei der BWB ergeben habe. Damit stehe abschließend fest, dass die Ermittlungen der BWB für ein weitergehendes Verfahren nicht ausgereicht hätten. Eine eigenständige Beurteilung der Fakten durch die Antragsgegnerin, die diesem Ergebnis zuwiderlaufe, sei unzulässig.

Zum Zeitraum des behaupteten Verhaltens gemäß § 249 Abs. 2 Z 3 und 4 BVergG 2018 werde auf die Stellungnahme der Antragstellerin an die Antragsgegnerin vom 5.12.2019 verwiesen. Die Antragsgegnerin habe auf ihre eigene Sachverhaltsfeststellung an die ermittelnde Staatsanwaltschaft verwiesen, aufgrund deren es zu einem bis dato bereits sechs Jahre dauernden Ermittlungsverfahren gekommen sei. Es sei jedoch noch keine Anklage erhoben worden und keine Entscheidung über die Anklagepunkte ergangen. Die Antragstellerin gelte daher weiterhin als unbescholten. Es stehe nach wie vor lediglich ein unbewiesener Verdacht der Antragsgegnerin im Raum, weshalb die Voraussetzungen für die oa. Ausschlussgründe nicht erfüllt seien.

Im Weiteren wiederholt die Antragstellerin im Wesentlichen ihr bereits bisher erstattetes Vorbringen zum Zeitpunkt der Kenntnis der Antragsgegnerin von den verfahrensgegenständlichen Vorwürfen, wobei sie betont, dass jegliche Kenntnis (z.B. durch Akteneinsicht etc.) der Stadt Wien als Auftraggeberin zuzurechnen sei, da die einzelnen Dienststellen keine eigene Rechtspersönlichkeit besäßen.

Insbesondere sei die Behauptung, die Stadt Wien hätte erst durch den Anlassbericht vom 16.8.2017 von Zahlungsflüssen zwischen der Antragstellerin und der K. erfahren, unrichtig, da diese Informationen bereits im Zwischenbericht vom 4.2.2016 enthalten gewesen seien. Die Dreijahresfrist sei daher bezüglich dieses Tatbestandes bereits abgelaufen.

Der Abschlussbericht des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung stelle keine Feststellung oder Entscheidung einer Behörde dar, sondern sei lediglich eine im Gesetz vorgesehene Zusammenfassung des Ermittlungsergebnisses für die Staatsanwaltschaft, damit diese ihre weitere Vorgangsweise festlegen könne. Es werde beantragt, das Gericht möge feststellen, wann und mit welchem Ergebnis die Ermittlungen abgeschlossen würden.

Verwiesen werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Zahl 2007/04/0234, wonach der Verdacht oder eine strafrechtliche Anzeige nicht ausreichend seien, um eine schwere berufliche Verfehlung eines Bieters nachzuweisen. Im Hinblick auf die Unschuldsvermutung bedürfe es einer Verurteilung bzw. die Auftraggeberin müsse in objektivierbarer und nachvollziehbarer Weise zur vollen Überzeugung der Schuldhaftigkeit und Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Bieters gelangen. Die Beweislast treffe dabei die Auftraggeberin. Vorliegend verweise die Antragsgegnerin jedoch lediglich auf die Ermittlungsergebnisse des BAK, die bis dato zu keiner Anklageerhebung geführt hätten.

Abschließend verweist die Antragstellerin auf die von ihr gesetzten Selbstreinigungsmaßnahmen und legt zwei Schreiben an die „Auftraggeberin“, Magistratsdirektion – Stadtbaudirektion, vom 21.10.2019 und vom 29.1.2020 vor, in denen sie um Bekanntgabe des behaupteten Schadens ersucht bzw. mitteilt, dass sie „jeden durch eine Verfehlung oder Straftat der A. GmbH verursachten Schaden, den ein Gericht rechtskräftig feststellt“ zahlen werde sowie sich zu einem Ausgleich dessen verpflichte.

Die Antragstellerin arbeite durch die beteiligten Personen mit den ermittelnden Behörden zusammen. Sie sei seit 22.12.2019 zusätzlich noch ISO 19600 (Einsatz von Compliance Management Systemen) und ISO 37100 (Anti-Korruption-Management System) zertifiziert. Damit sei ein hochwertiges Berichts- und Kontrollwesen geschaffen worden, das von unabhängiger Seite regelmäßig auf Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften geprüft werde. Die Antragstellerin habe damit vorsorglich sämtliche Möglichkeiten der Selbstreinigung ergriffen.

Mit Schriftsatz vom 5.2.2020 gab die Antragsgegnerin eine Stellungnahme zur Replik der Antragstellerin ab, in der sie zu den Kalkulationsblättern ergänzt, dass sowohl das Auspreisen des Leistungsverzeichnisses als auch die Ermittlung des Angebotspreises faktisch auch ohne die Erstellung von Kalkulationsblättern möglich sei. In der Praxis würden daher nur die wichtigsten K-Blätter tatsächlich mit dem Angebot erstellt und vorgelegt.

Dieser Vorgang sei für manche Bieter zu zeitaufwendig, weshalb von einem Wettbewerbsvorteil für die Antragstellerin aufgrund der Zeitersparnis durch die Unterlassung der Vorlage aller K-Blätter auszugehen sei. Dabei sei nicht auf den Kalkulationsvorgang bei der Antragstellerin, sondern bei den anderen Bietern abzustellen; wenn sie mehr Zeit benötigen würden, sei eine Nachforderung unzulässig, unabhängig davon, ob die Antragstellerin die K-Blätter mittels Mausklick ausdrucken könne.

Es sei weiters nicht objektiv nachprüfbar, ob K-Blätter vor Ende der Angebotsfrist erstellt worden seien. Die Antragstellerin habe dies für ihren Fall auch nicht bewiesen. Eine Ergänzung sei nur in dem Fall zulässig, dass Dokumente bereits vorgelegt worden seien.

Zu Punkt 6.3. der WD 307 sei festzuhalten, dass die Antragsgegnerin von keinem Bieter fehlende Kalkulationsblätter nachfordern dürfe. Daran sei jedoch nicht zwangsläufig das Ausscheiden des Bieters geknüpft, da auch die Möglichkeit bestehe, dass der Bieter die K-Blätter von sich aus nachreiche.

Zum Vorwurf der schweren beruflichen Verfehlungen stütze die Antragsgegnerin ihre Feststellungen nicht auf eine eigene Sachverhaltsdarstellung. Die Antragsgegnerin habe die Aussage des Herrn DI H. nicht als ausreichenden objektiven Nachweis erachtet, zumal dieser als Beschuldigter ausgesagt hätte und nicht unter Wahrheitspflicht gestanden sei. Die Antragsgegnerin hätte die Feststellung wettbewerbswidriger Absprachen mit der Sichtung der sichergestellten Buchhaltungsunterlagen, die auch die 5% Aufschlag für die K.-gesellschaft m.b.H. bzw. E-Mails der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Übermittlung vorkalkulierter Angebote und der Bitte um Übertragung auf eigenes Briefpapier beinhaltet hätten, als erbracht erachtet. Erst durch die Zusammenschau mehrerer Informationsquellen (Buchhaltungsunterlagen, Vergabeunterlagen des KAR, Abschlussbericht des BAK) hätten zu diesem übereinstimmenden Ergebnis geführt.

Abschließend hält die Antragsgegnerin fest, dass die Stadt Wien im Strafverfahren bereits in mehreren Schriftsätzen Schadenssummen bekanntgegeben hätte. Die Antragstellerin kennt damit zumindest ungefähr die Schadenshöhe und hätte diese anerkennen und begleichen können. Eine nochmalige Offenlegung habe sich erübrigt.

Aufgrund des Nachprüfungsantrags wurde am 6.2.2020 eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien durchgeführt. Die Verhandlung hatte folgenden Verlauf:

„Die Berichterin fasst den Verhandlungsgegenstand zusammen. Insbesondere wird festgehalten, dass aus dem Vorverfahren … die Stellungnahme der WKStA vom 24.07.2019 in den gegenständlichen Akt in Kopie aufgenommen wurde. Diese Stellungnahme ist den Parteien aus dem Vorverfahren bekannt. Vom Gericht wurde weiters im gegenständlichen Verfahren eine Stellungnahme der WKStA zum Verfahrensstand eingeholt. Mit Schreiben vom 24.01.2020 wurde mitgeteilt, dass sich das Verfahren noch im selben Stand befindet wie im Vorverfahren.

Der AST wird die Stellungnahme der AG vom 05.02.2020 in Kopie übergeben.

Die AG bestätigt, dass in den Ausschreibungsunterlagen folgende Festlegungen zur Verpflichtung der Vorlage von K – Blättern enthalten sind:

- SR 75 (K 3 und K 4 – Blätter, wenn nichts anderes festgelegt wird)

- „Baubeschreibung Erd- und Baumeisterarbeiten (K 3, K 3 – Regielohnpreise und in den wesentlichen Positionen K 7 – Blätter).

Die AST hat K 3 – Blätter vorgelegt (mit dem Angebot). Es ist keine Aufforderung zur Nachreichung von K – Blättern durch die AG erfolgt.

Die AST und die AG verweisen zu diesem Themenkreis auf ihr schriftliches Vorbringen.

Zum Themenkreis „wettbewerbswidrige Absprachen“ verweist die AST auf ihr schriftliches Vorbringen und fasst zusammen, dass aus den dort näher dargelegten Gründen Verjährung eingetreten sei.

Die AG bringt dazu vor, dass (sie) ihre Feststellungen nicht nur auf der Grundlage der Beschuldigtenvernehmung des Hr. Dipl.-Ing. H. getroffen habe. Vielmehr habe sie auch die Buchhaltungsunterlagen der AST, die im Strafverfahren sichergestellt worden seien, dafür herangezogen. Diese Unterlagen hätten hinsichtlich des oben angeführten Vorwurfes mit den der AG bekannten Daten übereingestimmt.

Auf die Frage, wie die AG von den Vorwürfen gegen die AST Kenntnis erlangt habe, teilt diese mit, dass die Vertreterin der AG im gegenständlichen Verfahren Wiener Wohnen im Strafverfahren gegen die AST vertreten habe. Die Stadt Wien habe regelmäßig Aktenabschriften aus diesem Strafverfahren beantragt und erhalten. Da sich die Vorwürfe zunächst im Zusammenhang mit einem Privatbeteiligtenanschluss von Wiener Wohnen im Strafverfahren gegen die AST ergeben haben, wurde zunächst dort klar, dass andere Magistratsdienststellen Vergabeverfahren führen, in denen die AST als Bieterin auftrat. Im Zuge dieses Strafverfahrens erfolgten Kontoöffnungen bei der AST. Diese ergaben die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der AST und der Stadt Wien.

In der Folge wurden diese Dienststellen bei einer Besprechung über die Verdachtsmomente gegen die AST informiert und es wurde beschlossen, dass dort, wo die AST in Vergabeverfahren als Bieterin auftritt, eine genaue Prüfung der Zuverlässigkeit der AST erfolgen soll.

Auf die Frage, aus welchen Gründen die AG der Aufforderung vom 12.11.2019 diverse Kopien aus dem Strafakt angeschlossen hat (insbesondere die Abschlussberichte des BAK vom 05.07.2016, 27.04.2018 und 22.11.2017, sowie die Beschuldigtenvernehmung des Hr. Dipl.-Ing. H.) teilt diese mit: Die AG hat der AST mit dieser Aufforderung die Möglichkeit geben wollen, alle Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen, auf die sich die Überzeugung der AG stützt, dass die AST nicht zuverlässig ist. Sie wollte ihr auch die Möglichkeit geben, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Die AG hat die Beschuldigtenvernehmung nicht als ausreichend erachtet, da es möglich ist, dass ein Beschuldigter nicht wahrheitsgemäß aussagt. Die Abschlussberichte des BAK waren für die AG eine Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse, die die vom BAK festgestellten Tatsachen enthielten. Weiters sind dort die diesen Feststellungen zu Grunde liegenden Beweise ersichtlich, die der Stadt Wien aus den Aktenabschriften bekannt sind. Die AG hat diese Berichte daher als „Sachverhaltsfeststellungen“ angesehen, die der StA als Entscheidungsgrundlage für ihr weiteres Vorgehen dienen sollten.

Die zeitlich früher entstandenen Aktenstücke wurde der AST, soweit relevant, ebenfalls zur Kenntnis gebracht, damit diese den Entscheidungsprozess der AG nachvollziehen kann.

Die AG verweist auch auf ON 401 (aus dem Strafakt), wo Buchhaltungsunterlagen der AST enthalten sind, die auf die Absprachen in vorangegangenen Aufträgen hinweisen. Mit diesen Unterlagen erlangte die AG Kenntnis von den entsprechenden Verdachtsmomenten. Diese Aktenabschrift kam der AG am 12.09.2017 zu.

Die AST entgegnet, dass die Buchhaltungsunterlagen der AST bereits vor 2016 sichergestellt worden seien. (Die Hausdurchsuchung, bei der die elektronischen Unterlagen der AST sichergestellt worden seien, habe am 23.10.2014 stattgefunden.) Die Stadt Wien habe aufgrund wiederholter Akteneinsichten bereits vor dem von der AG genannten Zeitpunkt und zwar bereits mehr als 3 Jahre vor der Ausscheidensentscheidung Kenntnis davon gehabt.

Weiters habe sich die AST bis zum Jahr 2019 bei der Stadt Wien um Aufträge bemüht und Aufträge erhalten. Sie sei in diesen Vergabeverfahren von der Stadt Wien geprüft worden und positiv bewertet worden. Erst ab 2019 seien die ersten Malversationen aufgetreten.

Zu ON 401 werde festgehalten, dass die dort enthaltenen Informationen bereits lange zuvor im Strafakt vorhanden gewesen seien. Bei dieser Unterlage handle es sich lediglich um eine berichtmäßige Zusammenfassung dieser Informationen.

Die AG bringt dazu ergänzend vor, dass im Zuge einer Hausdurchsuchung bzw. bei Beschlagnahme von Unterlagen ein Sicherstellungsprotokoll angefertigt werde, in dem alle beschlagnahmten Unterlagen angeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt besteht jedoch noch keinerlei Kenntnis über Inhalt oder Relevanz dieser Unterlagen. Die Unterlagen werden in der Folge von den Ermittlungsbehörden geprüft. Soweit relevant werden sie dem entsprechendem Bericht an die StA angeschlossen. Ein Privatbeteiligter erlangt erst mit Vorlage dieses Berichtes bzw. Akteneinsicht Kenntnis vom Inhalt der relevanten Unterlagen. Im Hinblick darauf sei der Zeitpunkt der Hausdurchsuchung für Feststellungen der AG nicht relevant.

Die AST bringt ergänzend vor, dass sie bis ins Jahr 2019 für die Stadt Wien Aufträge erbracht hätte. Als Beweis dafür verweise sie auf eine Zeugeneinvernahme von Hr. R. (24.08.2015) in seiner Funktion als interner Revisor von Wiener Wohnen. Dieses Vorbringen sei deswegen relevant, weil daraus hervorgehe dass nicht alle Dienststellen der Stadt Wien den gleichen Informationsstand gehabt hätten. Verwiesen werde auch auf die Angaben der AG, dass sie erst im Zuge der Besprechung vom 23.11.2018 vollinhaltlich von den gegen die AST bestehenden Vorwürfen erfahren habe.

Die AG bringt abschließend vor, dass eine allfällige Beauftragung der AST durch die Stadt Wien nach Einleitung der Ermittlungen im Strafverfahren bzw. nach Kenntniserlangung einzelner Dienststellen der Stadt Wien nichts darüber aussage, ob im vorliegenden Vergabeverfahren die Zu(ver)lässigkeit der AST vorgelegen sei und die Ausscheidensentscheidung daher unrechtmäßig gewesen sei.

(…)

Die AG teilt auf Befragen mit, dass der Vorwurf, wonach die AST Materialeinkäufe falsch abgerechnet und die Differenz aufgrund ursprünglich nicht ausgewiesener Rabatte einbehalten habe, aus Aufträgen stamme, bei denen M. Aufraggeberin gewesen sei. Die Stadt Wien habe von diesen Vorwürfen im Zuge der Akteneinsicht in den Strafakt erfahren.

Zu diesem Vorwurf habe die AG doppelte Rechnungen mit bzw. ohne Rabatt, die ihr im Zuge der Akteneinsicht bekannt geworden sind, sowie den Abschlussbericht des BAK vom 05.07.2016 der Aufforderung zur Stellungnahme vom 12.11.2019 angeschlossen.

Die AST bringt dazu vor, dass diese Vorwürfe bereits Gegenstand des 8. Anlassberichtes vom 19.06.2015 gewesen seien. Die Stadt Wien habe davon im Wege der Akteneinsicht am 03.07.2015 erfahren. (ON 145 und 146). Die AST legt dazu die sonstige Folgeeingabe vom 03.07.2015 (Antrag auf Aktenabschrift) und den 8. Anlassbericht vom 19.06.2015 vor (Beil. ./1 und ./2).

Nach Einsichtnahme in die oben angeführten Unterlagen führt die AG aus, dass in diesem Anlassbericht hinsichtlich der M. Aufträge lediglich auf die bestehenden Verdachtsmomente hingewiesen und ein Bericht in Aussicht gestellt werde.

Die AST bringt ergänzend vor, dass die Geschäftsführerin der M. im Strafverfahren am 18.02.2015 als Zeugin ausgesagt habe. Weiters liege eine Bestätigung vom 04.06.2019 vor, wonach die M. beim Bauvorhaben Wien, S.-gasse durch die AST bzw. ihren Geschäftsführer nicht geschädigt worden sei (Beil. ./3).

Die AG gibt dazu an, dass zum Zeitpunkt des Ermittlungsergebnisses betreffend den Verdacht der falschen Abrechnungen die Schlussrechnung für den oben angeführten Auftrag noch nicht erfolgt sei. Allfällige Fehlverrechnungen seien bei der Schlussabrechnung berücksichtigt worden.

Zum Themenbereich „Selbstreinigung“ verweisen die AST und die AG auf ihr schriftliches Vorbringen. Die AG bringt ergänzend vor, dass ihr lediglich die formale Bestellung des 2. Geschäftsführers vorliege. Sie habe keine Informationen darüber, inwiefern dieser tatsächlich als Geschäftsführer tätig sei.

Der ASTV erläutert auf Frage aus dem Senat, Hr. F. G. habe sich aus seiner früheren Position als alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer zurückgezogen, um sich verstärkt innerbetrieblichen Aufgaben zu widmen. Gegenüber der Stadt Wien trete er als Geschäftsführer nach außen nicht mehr in Erscheinung und sei auch sonst nur mehr zur gemeinsamen Vertretung mit dem 2. handelsrechtlichen Geschäftsführer berechtigt.“

Mit Schriftsatz vom 7.2.2020 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Langausfertigung des bereits in der Verhandlung verkündeten Erkenntnisses.

Aufgrund des Inhalts des Vergabeaktes, der Schriftsätze, die der jeweils anderen Partei zur Kenntnis gebracht wurden, und der mündlichen Verhandlung steht über die bereits weiter oben getroffenen Feststellungen hinaus folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Antragsgegnerin ist öffentliche Sektorenauftraggeberin gemäß § 168 iVm § 171 BVergG 2018. Mit dem Antrag wird eine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 2 Z 15 lit. a sublit. aa BVergG 2018 bekämpft. Die Beibringung der Pauschalgebühren ist nachgewiesen. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Vertragsabschluss und den allenfalls drohenden Schaden bei Nichterlangung des gegenständlichen Auftrages plausibel dargelegt.

Die Antragstellerin hat ein Angebot gelegt. Dieses Angebot wurde mit Ausscheidensentscheidung der Antragsgegnerin vom 13.12.2019, die der Antragstellerin am selben Tag zugestellt wurde, ausgeschieden. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Ausscheidensgründe wurden bereits oben dargestellt. Der Nachprüfungsantrag ist rechtzeitig.

In der SR 75 wird festgehalten, dass die K3 und K4 Blätter dem Angebot anzuschließenden sind, wenn nicht anderes festgelegt wird. In der „Baubeschreibung Erd- und Baumeisterarbeiten“ (Seite 1, Ordner 1/3) ist festgelegt, dass dem Angebot Kalkulationsblätter (K3, K3-Regielohnpreise und (in) den wesentlichen Positionen K7-Blätter) beizulegen sind.

In den Allgemeinen Teilnahmebestimmungen der Stadt Wien für Vergabeverfahren WD 307, die laut Ausschreibungsunterlagen bei der Angebotslegung zu berücksichtigen sind, ist in Punkt 6.3. festgelegt:

„6.3 Prüfung der Preisangemessenheit

Zur Überprüfung der Preisangemessenheit behält sich die AG das Recht vor, in die Kalkulation des Angebots Einsicht zu nehmen bzw. Kalkulationsunterlagen und Erläuterungen, sofern deren Vorlage nicht bereits in der Ausschreibung bedungen war, nachzufordern. Die TN verpflichten sich mit der Abgabe des Angebotes einer derartigen Aufforderung umgehend nachzukommen. Dabei ist jedenfalls bei Vergabeverfahren über Bauleistungen die ÖNORM B 2061 zu beachten. Die Kalkulationsunterlagen sind in Form der Kalkulationsformblätter gemäß ÖNORM B 2061 oder in Form von gleichwertigen Unterlagen vorzulegen.“

Die Antragstellerin hat mit ihrem Angebot ein K3- Blatt vorgelegt. Dies ist auch im Angebotsöffnungsprotokoll dokumentiert. Eine Nachforderung von Kalkulationsblättern durch die Antragsgegnerin ist nicht erfolgt.

Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.11.2019 über die von ihr in Aussicht genommen Ausscheidensgründe der sitten- und wettbewerbswidrigen Absprachen bzw. der schweren beruflichen Verfehlungen detailliert in Kenntnis gesetzt. Sie hat die Antragstellerin weiters aufgefordert, zusätzlich zur bereits vorgelegten Eigenerklärung als Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit die in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Strafregisterbescheinigung, eine Abfrage aus der Insolvenzdatei und die letztgültige Rückstandsbescheinigung gemäß § 229a der Bundesabgabenordnung vorzulegen. Dieses Schreiben ist im vorgelegten Vergabeakt (Ordner 2) enthalten.

Zum Vorwurf der sitten- und wettbewerbswidrigen Absprachen hat die Antragsgegnerin auf das Strafverfahren zur Zahl … und die dort sichergestellten Daten und Unterlagen sowie die Aussagen der Zeugen und Beschuldigten hingewiesen. Darauf stützt die Antragsgegnerin die Feststellung, dass die Antragstellerin sich in vorangegangenen Vergabeverfahren betreffend Aufträge der Stadt Wien - Wiener Wohnen (WRW) und der Krankenanstalt P. (KAR) rechtswidrig verhalten habe. Insbesondere habe die Antragstellerin bzw. deren Geschäftsführer, Herr F. G., systematisch gegen die Grundsätze des fairen Wettbewerbs verstoßende Absprachen zum Nachteil der Antragsgegnerin getroffen.

Es sei mit anderen Bauunternehmen vereinbart worden, dass sich diese zum Schein an Vergabeverfahren beteiligen würden, die Leistungen im Auftragsfall jedoch von der Antragstellerin erbracht würden. Den Scheinbietern sei dafür ein Verwaltungsaufwand von 5% der Auftragssumme zugesagt worden. Laut Feststellungen des BAK hätten solche Absprachen in mehr als 30 Vergabeverfahren stattgefunden. Die Angebote der Scheinanbieter seien in diesen Fällen von Herrn F. G. oder seinem Vater, Herrn L. G., kalkuliert worden.

Als Beweis werde auf die Abschlussberichte zu o.a. Geschäftszahl und insbesondere auf die Beschuldigtenvernehmung des Herrn DI H., Geschäftsführer der K.-GmbH (K.) verwiesen. Dieser habe ausgesagt, dass er im Jahr 2011 die wie oben berechneten Angebote auf seine Formulare übertragen, gestempelt und unterzeichnet habe. Sodann habe er sie bei der KAR eingereicht oder Herrn F. G. übergeben. Die K. sei jedoch nie von der KAR beauftragt worden bzw. habe dort Arbeiten durchgeführt.

Im Jahr 2013 habe Herr F. G. von Herrn DI H. Rechnungen für die KAR verlangt. In der Folge habe dieser 10 Rechnungen im Namen der K. übermittelt, ohne dass dieses Unternehmen je für die KAR gearbeitet habe. Für den Verwaltungsaufwand sei eine Abgeltung von 5% der Rechnungssumme vereinbart worden.

In der Buchhaltung der A. seien die entsprechenden Rechnungen an die K., wie aus der Beilage ersichtlich, die auch die vereinbarten 5% enthalten hätten, sichergestellt worden. Im Strafverfahren sei festgestellt worden, dass alle im Vergabeverfahren „T., Reparatur und Ergänzungsarbeiten … 2013“ gelegten Angebote von Herrn L. G. bzw. Herrn F. G. erstellt worden seien. Entsprechende E-Mails des Herrn F. G. mit fertig kalkulierten Angeboten an einen Mitarbeiter eines der Bieter in diesem Vergabeverfahren mit dem Ersuchen, ein Angebot im Namen dieses Unternehmens zu erstellen, seien ebenfalls sichergestellt worden. Diese Unterlagen würden in der Beilage vorgelegt.

Zum Vorwurf der schweren beruflichen Verfehlungen führt die Antragsgegnerin aus, dass die Antragstellerin im Zeitraum von 2013 bis 2015 von der M. GmbH mit Umbau bzw. Fassadenarbeiten in Wien, S.-gasse beauftragt worden sei. Im Zuge dieser Leistungserbringung habe Herr F. G. gemeinsam mit dem Zuständigen für die ÖBA Materialrechnungen ohne Rabatt zur Verrechnung vorgelegt. Nachträglich seien diese storniert und mit einem Großkundenrabatt neu ausgestellt worden. Vereinbart sei jedoch die Abrechnung der tatsächlichen Materialpreisen gewesen. Diesbezüglich würden die Kopie des Angebots an die M. GmbH samt Rechnungen, Stornos und Gutschriften der V. GmbH an die A. sowie der Abschlussbericht des BAK mit der Zeugenaussage des Zuständigen für die ÖBA vorgelegt.

Betreffend den Zeitrahmen sei festzuhalten, dass die Antragsgegnerin erstmals in einer Besprechung vom 23.11.2018 Kenntnis vom laufenden Strafverfahren erlangt habe. Sämtliche Absprachen bzw. Verfehlungen seien erst nach und nach im Zuge der Ermittlungen der Strafbehörden offenbar geworden.

Eine im vergaberechtlichen Sinn ausreichend objektivierte Feststellung sei erst nach Vorliegen der entsprechenden Unterlagen gegeben, so z.B. der sichergestellten Rechnungen der Antragstellerin an die K.. WRW habe eine diesbezügliche Aktenabschrift beantragt und am 12.9.2017 bekommen. Erst ab diesem Zeitpunkt seien WRW demnach diese Unterlagen vorgelegen. Hingewiesen werde auch auf das Vorverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien …, in dem die Ausscheidensentscheidung zu einem anderen Vergabeverfahren durch die Antragsgegnerin vom Verwaltungsgericht Wien bestätigt worden sei.

Abschließend fasste die Antragsgegnerin die oben näher ausgeführten Vorwürfe gegenüber der Antragstellerin zusammen und führte aus, dass das Angebot der Antragstellerin aus diesen Gründen auszuscheiden sei. Die Antragstellerin werde zur Stellungnahme binnen der angegebenen Frist aufgefordert. Die Antragsgegnerin wies weiters darauf hin, dass das Unterlassen der Nachreichung der geforderten Unterlagen zum Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin führen würde.

Diesem Schreiben sind insbesondere folgende Unterlagen in Kopie angeschlossen und wurden der Antragstellerin mitübermittelt:

?    Der Abschlussbericht des BAK vom 22.11.2017 betreffend das Strafverfahren …, hinsichtlich des Verdachtes gemäß §§ 146ff bzw. 153, 12 StGB u.a. gegen die Antragstellerin bzw. deren Geschäftsführer, Herrn F. G. u.a.. In diesem Bericht wird u.a. der Verdacht dargestellt, dass Herr F. G. in den Jahren 2011 bis 2013 als Geschäftsführer der Antragstellerin in Vergabeverfahren der Krankenanstalt P. (KAR) andere Bieter veranlasst hat, von ihm bzw. seinem Vater, Herrn L. G., kalkulierte Angebote auf deren Briefpapier und unter deren Namen einzureichen, um von der Antragstellerin tatsächlich erbrachte Leistungen, für die Vergabeverfahren durchgeführt worden war, nachträglich zu rechtfertigen. Weiters wird der Verdacht dargestellt, dass aus dem gleichen Grund von diesen Bietern auf Veranlassung des Herrn F. G. Rechnungen für Arbeiten gelegt worden seien, die nicht von deren Unternehmen sondern von der Antragstellerin erbracht worden waren. Bei der damaligen Auftraggeberin entstand laut diesem Bericht durch diese Vorgangsweise der dort näher ausgeführte Schaden. Der Bericht verweist als Beweis für diese Verdachtsmomente u.a. auf die Beschuldigtenvernehmung des Herrn DI H., Geschäftsführer der K.-gesellschaft m.b.H. Aus dem Bericht des BAK geht auch hervor, dass Herr F. G. anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung am 20.9.2016 von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht hat.

?    Das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung des Herrn H. durch das BAK vom 21.12.2015. In dieser Beschuldigtenvernehmung (Vorwurf: Wettbewerbsbeschränkende Absprachen) hat Herr DI H. angegeben, dass er im Jahr 2011 von Herrn F. G. ersucht worden sei, Deckungsangebote für Aufträge in der KAR abzugeben, und zwar mit von diesem errechneten Leistungsverzeichnissen. Er habe die Angaben des Herrn F. G. auf seine Formulare übertragen und die Angebote entweder an die KAR gesendet oder Herrn G. übergeben. Er habe für die KAR mit seinem Unternehmen nie Aufträge ausgeführt. Von Jänner 2013 bis Mai 2013 habe er für Herrn G. auf dessen Ersuchen Rechnungen über Arbeiten ausgestellt, die sein Unternehmen nicht erbracht hatte. Er verwendete die von Herrn G. zur Verfügung gestellten Formulare. Für beide Tätigkeiten habe er ein Entgelt erhalten.

?    Das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung des Herrn H. durch die WKStA vom 20.6.2017, in dem Herr DI H. angab, seine o.a. Aussage sei richtig und nähere Ausführungen zu dem ihm vorgeworfenen Sachverhalt machte.

?    Der Abschlussbericht des BAK vom 27.4.2018, in dem die 14 Faktenkreise zu Ermittlungen hinsichtlich diverser strafrechtlicher Vorwürfe im Zusammenhang mit Auftragsvergaben (Zeitraum Juni 2014 bis April 2018) dargestellt werden. Zu jedem Faktenkreis sind die Beschuldigten, die Bestimmungen der StPO, deren Verletzung vorgeworfen wird, eine Kurzzusammenfassung des Sachverhalts und die bisher bereits ergangenen Berichte aufgeführt. Zum Faktenkreis II wird ausgeführt, dass u.a. gegen Herrn F. G. der Verdacht des schweren gewerbsmäßigen Betruges als Beteiligter bestehe, da dieser Scheinrechnungen ausstellte bzw. zur Verfügung stellte bzw. derartige Handlungen durch Herrn L. G. ermöglichte. Zum Faktenkreis V werden unter Verweis u.a, auf den oben dargestellten Schlussbericht vom 22.11.2017 Beweismittel aufgezählt, die bei Herrn L. G. bei einer Hausdurchsuchung gefunden und sichergestellt wurden. Darunter sind u.a. Angebote von diversen Firmen, die direkt an den KAV gerichtet waren.

?    Ein E-Mail mit der Bezeichnung „Anbot Q.“ von der E-Mailadresse der Antragstellerin an Herrn U. W. vom 27.1.2013 mit dem Inhalt:

„Hallo U.! Bitte um Angebot X.. Preise auf Blatt Raster Seite 2. Bitte Datum 8.1.2013 belassen. Wenn du’s fertig hast, hol ich’s ab. Danke, mit freundlichen Grüßen, G. F.“

Diesem E-Mail ist eine Datei „X.“ angeschlossen.

?    Eine Kostenzusammenstellung der X., KA P., vom 8.1.2013 über diverse Arbeiten.

?    Ein E-Mail mit der Bezeichnung Anbot Q. von der E-Mailadresse der Antragstellerin an Herrn U. W. vom 27.1.2013 mit dem Inhalt:

„Hallo U.! Bitte um Angebot Y.. Preise auf Blatt Raster Seite 2. Bitte Datum 10.1.2013 belassen. Wenn du’s fertig hast, hol ich’s ab. Danke, mit freundlichen Grüßen, G. F.“

Diesem E-Mail ist eine Datei „Y.“ angeschlossen.

?    Eine Kostenzusammenstellung der Y., KA P., vom 10.1.2013 über diverse Arbeiten.

?    Der Abschlussbericht des BAK vom 5.7.2016, in dem die Ermittlungsergebnisse betreffend den Vorwurf an den Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn F. G., er habe in einer Reihe von Fällen bei der Materialbeschaffung in einem Auftrag der M. GmbH Falschabrechnungen vorgenommen und durch nachträglich einbehaltene Rabatte die damalige Auftraggeberin geschädigt samt den diesem Bericht zu Grunde liegenden Zeugenaussagen.

?    Rechnungen der V. GmbH an die Antragstellerin über den Einkauf von Baummaterialien im Jahr 2014 jeweils in zwei Ausfertigungen (einmal ohne Rabatte und einmal mit Rabatten).

Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin daraufhin das Schreiben vom 5.12.2019 übermittelt, mit dem sie Strafregisterbescheinigungen der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn F. G. und Herrn Z., eine Abfrage aus der Insolvenzdatei, Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes, der MA 6 und der Sozialversicherung, eine ANKÖ Führungsbestätigung der Antragstellerin, einen Nachweis einer Compliance-Schulung und Nachweise als TÜV-zertifizierte Compliance-Beauftragte für diverse Mitarbeiter der Antragstellerin vorgelegt haben.

Zu den Vorwürfen der sitten- und wettbewerbswidrigen Absprachen führte die Antragstellerin aus, dass die Antragsgegnerin sich lediglich auf Tatsachen stütze, die sie selbst den Ermittlungsbehörden zur Anzeige gebracht hätte. Rechtskräftige Feststellungen zu diesen Vorwürfen lägen nicht vor. Es handle sich dabei um nicht als nachweisliche Feststellungen einer schweren beruflichen Verfehlung geeignete Verdachtsmomente.

Die Stadt Wien habe bereits zum Zeitpunkt der Einbringung des Privatbeteiligtenanschlusses am 19.8.2014 über ausreichend Informationen zum gegenständlichen Sachverhalt verfügt, um diese Verfahrenshandlung in zulässiger Weise durchführen zu können. Dieses Wissen müsse sich die Antragstellerin, die eine Magistratsabteilung der Stadt Wien ohne eigene Rechtspersönlichkeit sei, anrechnen lassen. Auch treffe die Behauptung, die Stadt Wien habe erst mit 23.11.2018 von dem behaupteten Sachverhalt Kenntnis erlangt, nicht zu. Damit sei jedoch die Frist von drei Jahren ab dem betreffenden Ereignis abgelaufen, zumal als relevanter Zeitpunkt nach den Materialien zum BVergG 2018 die Wahrnehmung durch die Auftraggeberin gelte.

Im Übrigen habe die Bundeswettbewerbsbehörde nach einer kurzen Ermittlungstätigkeit das Verfahren gegen die Antragstellerin nicht fortgesetzt. Somit seien die Vorwürfe der Antragsgegnerin wegen angeblichem wettbewerbswidrigem Verhalten als unrichtig zu qualifizieren.

Zum Vorwurf der schweren beruflichen Verfehlungen behaupte die Antragsgegnerin, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin der M. GmbH bewusst nicht erbrachte Leistungen abgerechnet hätte. Dies werde entschieden zurückgewiesen. Der Stadt Wien sei eine Erklärung der M. GmbH vorgelegt worden, wonach dieser Vorwurf entkräftet sei. Auch hier würden unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt.

Herr L. G. sei für die Antragstellerin nicht tätig, insbesondere sei er nicht faktischer Geschäftsführer der Antragstellerin.

Unabhängig vom o.a. Vorbringen gegen die Vorwürfe der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin vorbeugende Maßnahmen gesetzt, die künftige Rechtsverletzungen verhindern und weitere ungerechtfertigte Behauptungen hintanhalten sollten.

Zum Schadensausgleich gemäß § 254 Abs. 2 Z 1 BVergG 2018 sei festzuhalten, dass bis dato kein Schadenersatz gefordert worden sei. Ein zivilrechtlicher Anspruch sei gegen die Antragstellerin nicht geltend gemacht worden.

Da gegen die Antragstellerin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, sei diese ex lege zur Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden verpflichtet. Hier sei insbesondere die Mitwirkung der Frau N. G., die Hauptgesellschafterin sei, zu nennen. Auf dieser Grundlage sei das Ermittlungsverfahren gegen sie eingestellt worden. Auch der Geschäftsführer der Antragstellerin sei nachweislich um vollständige Aufklärung bemüht. Diese umfasse z.B. die Mitarbeit bei Hausdurchsuchungen, die umfangreichen Aussagen vor den Ermittlungsbehörden und die Aufklärung im Wege von Schriftsätzen im Verfahren zur Zahl ….

Die Antragstellerin habe weiters effektive Maßnahmen im Sinne des § 254 Abs. 2 Z 3 BVergG 2018 gesetzt, indem die Herren F. G., Ing. Ab. und Ac. eine Schulung zum „Kartellrecht Compliance Training“ absolviert hätten. Weiters sei Herr Z. als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer neben Herrn F. G. als gemeinsam vertretungsbefugtem Geschäftsführer bestellt worden. Damit sei ein verantwortungsvolles Vier-Augen-Prinzip geschaffen worden. Die Geschäftsführer seien in Vergaberecht und Zivilrecht geschult worden. Die Antragstellerin weise auch drei TÜV-zertifizierte Compliance Beauftragte auf.

Als technische Maßnahme zur Vermeidung unrichtiger Rechnungsausstellungen erfolge die Abrechnung mittels einer Software, die die vertraglich vereinbarten Massen, die der Auftraggeber vorgebe, mit der Abrechnung vergleiche und bei Abweichungen eine Warnung generiere. Überdies sei vertraglich vereinbart, dass lediglich gemeinsam kollaudierte Mengen zur Abrechnung gelangten.

Damit habe die Antragstellerin alle erdenklichen technischen, organisatorischen, personellen und sonstigen Maßnahmen getroffen, um derartigen Vorwürfen nicht mehr ausgesetzt zu sein. Sie sei dabei auch weit über die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Selbstreinigungsmaßnahmen hinausgegangen.

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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