TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/28 97/18/0663

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Veröffentlicht am 28.05.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1997/II/215 §1 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der J, vertreten durch Mag. Christian Ebmer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Blumauerstraße 3-5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. November 1997, Zl. St 356/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 5. November 1997 wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 338/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 25. Jänner 1996 aus Slowenien unter Umgehung der Grenzkontrolle und "ohne jegliche fremdenrechtliche Bewilligung", die sie zur Einreise nach Österreich berechtigt hätte, in das Bundesgebiet gelangt. Der Asylantrag der Beschwerdeführerin sei vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 14. August 1996 abgewiesen worden. Der Beschwerdeführerin sei eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 nicht zugekommen, weil sie nicht direkt aus dem Staat eingereist sei, in dem sie behaupte, Verfolgung befürchten zu müssen; den diesbezüglichen Ausführungen der Erstbehörde habe die Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Es bestünden auch keine "Anhaltspunkte für das Bestehen eines Aufenthaltsrechtes entsprechend § 12 AufG in Verbindung mit der diesbezüglich erlassenen Verordnung der Bundesregierung", ein derartiges Aufenthaltsrecht sei von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet worden.

Die Beschwerdeführerin sei ledig, im Bundesgebiet halte sich lediglich eine Schwester auf, mit der sie jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, weiters gehe die Beschwerdeführerin in Österreich "keiner legalen Erwerbstätigkeit" nach; vor diesem Hintergrund "würde es sich bereits erübrigen, zu erörtern, ob die Ausweisung im Sinn des § 19 FrG dringend geboten" sei, da durch diese Ausweisung "nicht in relevanter Weise" in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen werde. Ungeachtet dessen sei festzuhalten, daß sich die Beschwerdeführerin seit mehr als eineinhalb Jahren unberechtigt in Österreich aufhalte. Diese Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle "einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar", der die öffentliche Ordnung in hohem Maße gefährde; die Ausweisung der Beschwerdeführerin sei demnach zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Das Vorbringen, daß die Beschwerdeführerin die Pflege einer österreichischen Staatsbürgerin gegen Entgelt und Verpflegung übernommen hätte, entbinde sie nicht, ihren Aufenthalt in Österreich entsprechend dem österreichischen Fremdengesetz zu regeln, zumal die Beschwerdeführerin auch nicht behaupte, daß diese entgeltliche Pflege nur von ihr selbst ausgeführt werden könne und weiters der Hinweis der Beschwerdeführerin, daß die von ihr gepflegte Frau "an Depressionen" leide, für sich "noch keine Pflegebedürftigkeit" begründe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch "wegen Arbeitsüberlastung durch Berufungs- und Beschwerdefälle" von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Wenn die Beschwerdeführerin ausführt, daß sie in ihrem Heimatland "in der Zeit des Krieges Folterungen und Mißhandlungen" über sich habe ergehen lassen müssen, sie und ihre Familie "eingeschüchtert und bedroht" worden seien und ihre "Flucht nach Österreich ... jedenfalls auch aus psychischen Gründen erforderlich" gewesen sei, so ist damit für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts gewonnen, weil dieses Vorbringen erstmals in der Beschwerde erstattet wird und es sich dabei somit um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Ungeachtet dessen würde die Beschwerdeführerin aus der mit ihrem Vorbringen implizit ausgesprochenen Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 (iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 299/1996) deshalb keine Aufenthaltsberechtigung ableiten können, weil sie - wie sie in der Beschwerde selbst angibt - "unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Östereich gelangt" sei, sich demnach der Grenzkontrolle nicht im Sinn des § 1 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 gestellt hat und ihr somit im Sinn des § 1 Abs. 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 kein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt.

Die Beschwerde läßt die Auffassung der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte und daher in ihrem Fall die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben sei, im übrigen unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Beurteilung kein Einwand.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 19 FrG. Es sei der Beschwerdeführerin in Österreich in kurzer Zeit gelungen, Anschluß und Freunde zu finden, sie sei insbesondere von der von ihr gepflegten Frau "herzlichst aufgenommen worden". Weiters sei sie in ständigem Kontakt mit ihrer an einem näher genannten Ort in Österreich lebenden Schwester. Ihre Zeit in Österreich sei mit der Pflege der besagten Frau ausgefüllt, von der sie Unterkunft und Verpflegung sowie einen näher genannten Geldbetrag monatlich zur Verfügung gestellt erhalte. Die Beschwerdeführerin sei somit in Österreich "vollkommen sozial integriert". Die Ausweisung würde daher "in gravierendem Ausmaß" in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingreifen, zumal der Kontakt zu ihren in Österreich gewonnenen Freunden abbrechen würde und sie auch ihre Schwester nicht mehr treffen könnte; auch sei nicht auszuschließen, daß ohne ihre Pflege die besagte Frau in ein Pflegeheim eingewiesen werden müßte. Aufgrund der "privaten und freundschaftlichen Bindung" zu dieser Frau sei eine "effiziente Pflege" nur durch die Beschwerdeführerin möglich, die Pflege durch eine andere Person könnte keinesfalls "das gewünschte Ergebnis" bringen. Die Beschwerdeführerin sei unbescholten, sie verfüge über ein "wenn auch geringes" Einkommen sowie eine gesicherte Unterkunft, beziehe keinerlei "Unterstützung vom Staat" und es bestünde nicht die Gefahr, daß sie in finanzieller Hinsicht dem Staat zur Last fiele. Vor diesem Hintergrund könne die Tatsache allein, daß sie sich in Österreich illegal aufhalte, nicht als Gefährdung der öffentlichen Ordnung in "hohem Maße" angesehen werden.

Eine Rückkehr nach Bosnien hätte für die Beschwerdeführerin eine äußerst "ungewisse Zukunft" zur Folge und würde sie ständig an die (in Punkt II.1. wiedergegebenen) "Vorkommnisse im Krieg" erinnern.

Schließlich dürfte auch im Sinne des § 37 Abs. 2 des "mit 1.1.1998 in Kraft tretenden FrG 1997" die vorliegende Ausweisung nicht angeordnet werden.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren zur Gänze unberechtigten Aufenthalt erheblich beeinträchtigt. Demgegenüber treten die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich in den Hintergrund, erreichen doch die gesamte Dauer ihres Aufenthaltes von lediglich etwa 23 Monaten und eine daraus (allenfalls) abzuleitende Integration nicht ein Ausmaß, das diesen Interessen ein erhebliches Gewicht verleihen könnte. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt - auch keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, daß die angesprochene Pflege nur von ihr erbracht werden könnte; bei dem Vorbringen, daß nur durch die Beschwerdeführerin eine "effiziente Pflege" möglich sei und die Pflege durch eine andere Person "keinesfalls das gewünschte Ergebnis bringen" würde, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Das Vorbringen, sie sei unbescholten und habe sich in Österreich nichts zuschulden kommen lassen, kann nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausschlagen, weil diese Umstände weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge haben (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 95/18/0451); aus demselben Grund versagt auch das Vorbringen, daß die Beschwerdeführerin dem Staat in finanzieller Hinsicht nicht zur Last fiele. Mit ihrem Vorbringen betreffend die Lage in ihrem Heimatland verkennt die Beschwerdeführerin, daß mit der Ausweisung kein Ausspruch darüber verbunden ist, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/18/0532, mwH).

Schließlich ist mit der Behauptung, die vorliegende Ausweisung dürfte nach § 37 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 nicht angeordnet werden, für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts gewonnen, weil - wie sie richtig erkennt - diese Bestimmung erst mit dem 1. Jänner 1998 in Kraft getreten ist und daher von der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht anzuwenden war und auch nicht angewendet wurde.

3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen sind auch die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt und den angefochtenen Bescheid daher nicht ausreichend begründet, nicht zielführend.

4. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997180663.X00

Im RIS seit

30.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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