TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/10 W219 2201133-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2019
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Entscheidungsdatum

10.09.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
TKG 2003 §107
TKG 2003 §107 Abs1
TKG 2003 §107 Abs3
TKG 2003 §109 Abs4 Z8
VStG 1950 §5 Abs1
VStG 1950 §9 Abs1
VStG 1950 §9 Abs7
VwGVG §38
VwGVG §44 Abs3
VwGVG §50 Abs1
VwGVG §52 Abs1
VwGVG §52 Abs2
VwGVG §52 Abs6

Spruch

W2192201133-1/2E

W219 2213960-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Walter TOLAR über die Beschwerde 1. XXXX und 2. XXXX ., beide vertreten durch Rechtsanwalt MMag. Dr. Rainer Beck, Keesgasse 7/pt., 8010 Graz, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Steiermark und Kärnten vom 24.05.2018, BMVIT-636.540/0234-III/FBG/2017, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG iVm § 107 Abs. 1 TKG 2003 iVm § 109 Abs. 4 Z 8 TKG 2003 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 52 Abs. 1, 2 und 6 VwGVG hat der Erstbeschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 220,-- binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu leisten.

III. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 9 Abs. 7 VStG haftet die XXXX ., XXXX , für die dem Erstbeschwerdeführer in Spruchpunkt A) II. auferlegten Kosten des Beschwerdeverfahrens im angeführten Ausmaß zur ungeteilten Hand.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis sprach die belangte Behörde aus, der Erstbeschwerdeführer habe gemäß § 9 VStG als handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitbeschwerdeführenden Partei und damit als zu deren Vertretung nach außen berufene Person Folgendes zu verantworten:

Am 28.11.2017 um 14.15 Uhr sei entgegen § 107 Abs. 1 TKG ausgehend vom Anschluss XXXX , der auf die zweitbeschwerdeführende Partei laute, Frau XXXX (in der Folge: die Anzeigerin) als Mitarbeiterin der XXXX unter dem Teilnehmeranschluss XXXX angerufen worden. Es sei ohne vorherige Einwilligung ein Werbegespräch betreffend eine Anzeigenwerbung in der Broschüre " XXXX " geführt worden. Der Erstbeschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 109 Abs. 4 Z 8 TKG begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Erstbeschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Tage) verhängt. Der Erstbeschwerdeführer habe außerdem als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens € 110,-- zu bezahlen; der zu zahlende Gesamtbetrag betrage daher € 1.210,--. Die belangte Behörde sprach weiters aus, dass die zweitbeschwerdeführende Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Strafe und die Kosten zur ungeteilten Hand hafte.

1.2. In der Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus:

Die Anzeigerin habe mit Schreiben vom 29.11.2017 der belangten Behörde vorgetragen, dass sie den im Spruch näher bezeichneten Anruf betreffend eine Werbung für eine Anzeige in der Broschüre " XXXX " der zweitbeschwerdeführenden Partei trotz wiederholter Untersagung solcher Anrufe erhalten habe. Dem nunmehrigen Erstbeschwerdeführer sei aufgrund mehrerer in den Jahren 2010, 2012, 2013, 2014, 2015 und 2016 gegen ihn wegen Verletzungen des § 107 Abs. 1 TKG rechtskräftig verhängter Verwaltungsstrafen, die auf Eingaben derselben Anzeigerin wie im vorliegenden Verfahren zurückgegangen seien, bekannt gewesen, dass für Werbeanrufe an diese Gesellschaft keine gültige Einwilligung vorliege. Der Erstbeschwerdeführer habe - auch nach Ergehen etwa des Erkenntnisses BVwG 24.06.2015, W120 2017709-1, mit welchem eine Beschwerde gegen eines der früheren Straferkenntnisse in gleichgelagerten Fällen abgewiesen wurde - keine Nachbesserung der Abläufe im Unternehmen durchgeführt, sodass nach wie vor kein wirksames Kontrollsystem im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen des § 107 Abs. 1 TKG vorliege. Dem Erstbeschwerdeführer sei daher zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Hinsichtlich der Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse habe mangels Mitwirkung des Erstbeschwerdeführers eine Einschätzung vorgenommen werden müssen. Die Geldstrafe liege ohnehin im unteren Bereich des bis zu einem Betrag von € 58.000,-- reichenden Strafrahmens. Die Strafe erscheine daher tat- und schuldangemessen und auch bei Vorliegen ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse keinesfalls als überhöht. Erschwerend sei bei der Strafbemessung die einschlägige Vorbelastung zu werten gewesen. Milderungsgründe lägen keine vor.

2.1. Gegen dieses Straferkenntnis wendet sich die vorliegende Beschwerde vom 21.06.2018. Beantragt wird,

"1. das bekämpfte Straferkenntnis vollinhaltlich aufzuheben, und/oder

2. das Vorabentscheidungsverfahren im Hinblick auf die Richtlinienwidrigkeit des § 107 Abs. 1 TKG einzuleiten und/oder

3. die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde 1. Instanz zurückzuverweisen und/oder

4. das Strafverfahren gegen die Beschwerdeführer einzustellen."

Eine mündliche Verhandlung wird nicht beantragt.

2.2. Zur Begründung führt die Beschwerde aus, dass die Tatsache, dass der in Rede stehende Telefonanruf stattgefunden habe, nicht bestritten werde. Jedoch werde darauf hingewiesen, dass die XXXX eine juristische Person und Unternehmer im Sinne des UGB sei. Mit ihr bestehe seit 06.08.2010 eine Geschäftsbeziehung, womit auch die AGB der zweitbeschwerdeführenden Partei gelten würden; seit diesem Zeitpunkt habe XXXX zugestimmt, telefonisch auch für Werbezwecke kontaktiert zu werden. Eine vorherige Zustimmung sei gemäß § 107 Abs. 3 TKG nicht notwendig, da die zweitbeschwerdeführende Partei die Kontaktdaten der XXXX im Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen, nämlich der Bestellung eines Inserates, erhalten habe. Die Telefonnummer sei im Auftragsschreiben der XXXX von dieser selbst als Kontaktmöglichkeit angeführt worden.

Eine Bestrafung auf Grund der behaupteten Verletzung des § 107 Abs. 1 TKG 2003 iVm § 109 Abs. 4 Z 8 TKG 2003 sei auch deshalb nicht geboten, da die herangezogenen Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie widersprächen. Infolge Richtlinienwidrigkeit seien diese nationalen Regelungen letztlich aufzuheben. Es werde beantragt, eine richtlinienkonforme Auslegung vorzunehmen und/oder ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

Die behauptete Richtlinienwidrigkeit begründet die Beschwerde dahingehend, dass es sich beim Adressaten des verfahrensgegenständlichen Anrufs nicht um eine natürliche, sondern um eine juristische Person handle. Wie sich aus den - von der Beschwerde im Einzelnen angeführten - Erwägungsgründen der Datenschutzrichtlinie ergebe, unterscheide diese im Gegensatz zu § 107 Abs. 1 TKG 2003, der undifferenziert von Teilnehmern spreche, zwischen natürlichen und juristischen Personen sowie zwischen privater und nicht-privater Sphäre. Aus dem systematischen Zusammenhang der Erwägungsgründe zeige sich deutlich, dass lediglich bei Eindringen in die Privatsphäre von natürlichen Personen zwecks Direktwerbung die Mitgliedstaaten berechtigt seien, zu verlangen, dass zuvor eine Einwilligung der Empfänger eingeholt werde. Für juristische Personen und Unternehmer seien dagegen lediglich Maßnahmen zu ergreifen, die deren berechtigte Interessen schützen. Das System des opt-out würde eine solche ausreichende Maßnahme darstellen. Aus Sicht der Beschwerde sei es daher nicht geboten und letztlich sogar unzulässig, dass Mitgliedstaaten für juristische Personen derart drastische Einschränkungen wie das in § 107 Abs. 1 TKG 2003 normierte System des opt-in verfügen.

3. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem zugehörigen Verwaltungsakt sowie den Verwaltungsakten betreffend frühere Straferkenntnisse gegen den Erstbeschwerdeführer wegen gleichgelagerter Sachverhalte mit Schriftsatz vom 17.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt am 28.11.2017 handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitbeschwerdeführenden Partei und zu deren selbstständiger Vertretung nach außen befugt. Die Rufnummer XXXX war zum Tatzeitpunkt der zweitbeschwerdeführenden Partei zugewiesen.

Am 28.11.2017 um 14.15 Uhr rief ein/e Mitarbeiter/in der zweitbeschwerdeführenden Partei ausgehend vom Anschluss XXXX den Teilnehmeranschluss XXXX ( XXXX ) an und sprach mit Frau XXXX (Anzeigerin). Es wurde ein Werbegespräch betreffend eine Anzeigenwerbung in der Broschüre " XXXX " der zweitbeschwerdeführenden Partei geführt.

Die Anzeigerin hat seit dem Jahr 2012 den Erstbeschwerdeführer bzw. Mitarbeiter/innen der zweitbeschwerdeführenden Partei mehrfach aufgefordert, die XXXX nicht mehr zu Werbezwecken anzurufen. Insgesamt lag keine Einwilligung der XXXX zu Werbeanrufen des Unternehmens der Beschwerdeführer vor.

Im Unternehmen der zweitbeschwerdeführenden Partei existierte zum Tatzeitpunkt kein wirksames Kontrollsystem, welches sichergestellt hätte, dass Anrufe zu Werbezwecken nur bei Vorliegen einer konkreten und ausdrücklichen vorherigen Einwilligung des angerufenen Teilnehmers erfolgen.

Zahlreiche Beschwerden insbesondere des Erstbeschwerdeführers gegen Straferkenntnisse in Fällen mit gleichgelagertem Sachverhalt wie hier (sogar betreffend Werbeanrufe an dieselbe Gesellschaft) wurden bereits vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen (vgl. ua. BVwG 23.01.2015, W194 2009764-1/2E; 24.06.2015, W120 2017709-1/2E;

15.03.2017, W110 2123418-1/3E; 29.09.2017, W179 2130328-1/7E;

28.03.2018, W157 2180331-12E ua.).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben mittels Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in die ebenfalls vorgelegten Verwaltungsakten betreffend frühere Strafverfahren. Hinsichtlich der zitierten früheren Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts wurde in die jeweiligen Gerichtsakten Einsicht genommen.

Die Feststellung, dass die Anzeigerin den Erstbeschwerdeführer bzw. die Mitarbeiter/innen der zweitbeschwerdeführenden Partei seit dem Jahr 2012 mehrfach darauf hingewiesen hat, dass die XXXX keine Einwilligung zu Werbeanrufen erteilt, ergibt sich aus ihrem glaubhaften und auch in der Beschwerde nicht konkret bestrittenen Vorbringen. Vielmehr beruft sich die Beschwerde lediglich auf das Bestehen einer Geschäftsbeziehung mit der angerufenen XXXX seit 2010 und vertritt die - nicht zutreffende - Rechtsmeinung, eine vorherige Zustimmung zu Werbeanrufen sei gemäß § 107 Abs. 3 TKG nicht notwendig, da die zweitbeschwerdeführende Partei die Kontaktdaten der XXXX einschließlich der angerufenen Telefonnummer im Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen, nämlich der Bestellung eines Inserates, erhalten habe. Dabei übersieht die Beschwerde, dass unter den Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 TKG lediglich unerwünschte elektronische Post iSd § 107 Abs. 2 TKG ohne vorherige Zustimmung erlaubt ist, nicht jedoch die hier in Rede stehenden Werbeanrufe iSd § 107 Abs. 1 TKG (vgl. noch unten die rechtliche Würdigung).

Der Umstand der fehlenden Einwilligung der XXXX zu Werbeanrufen des Unternehmens der Beschwerdeführer wurde weiters bereits in den erwähnten früheren Erkenntnissen des BVwG betreffend gleichgelagerte frühere Verwaltungsstrafverfahren festgestellt.

Die bereits behördlich getätigte und hier bestätigte (Negativ-)Feststellung hinsichtlich eines fehlenden Kontrollsystems im Unternehmen der zweitbeschwerdeführenden Partei gründet darauf, dass sowohl in der Rechtfertigung gegenüber der belangten Behörde vom 19.12.2017 als auch in der Beschwerde lediglich vorgebracht wurde, dass sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens der zweitbeschwerdeführenden Partei die Anweisung hätten, keine Anrufe durchzuführen, die § 107 Abs. 1 TKG 2003 zuwiderlaufen. Weder wurde konkret ausgeführt, auf welche Art die Mitarbeiter diese Anweisung erhalten haben, noch ob das Verhalten der Mitarbeiter diesbezüglich kontrolliert wurde, noch ob eine Sanktionierung bei Zuwiderhandlungen vorgesehen war. Schließlich zeigt das Beschwerdevorbringen, dass auf die früheren Bestrafungen nicht in angemessener Weise reagiert wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Die vorliegend relevanten Regelungen des TKG 2003 lauten:

"Unerbetene Nachrichten

§ 107. (1) Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers sind unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss.

[...]

(2) Die Zusendung einer elektronischen Post - einschließlich SMS - ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt.

(3) Eine vorherige Einwilligung für die Zusendung elektronischer Post gemäß Abs. 2 ist dann nicht notwendig, wenn

1. der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und

2. diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt und

3. der Empfänger klar und deutlich die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und

4. der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die in § 7 Abs. 2 E-Commerce-Gesetz genannte Liste, abgelehnt hat."

"Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 109. [...]

(4) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer

[...]

8. entgegen § 107 Abs. 1 Anrufe zu Werbezwecken tätigt.

[...]"

3.2. Dass der inkriminierte Anruf von Mitarbeitern der zweitbeschwerdeführenden Partei an die XXXX stattfand, ist ebenso unstrittig wie der Umstand, dass bei diesem Gespräch für Anzeigen in einer Broschüre der zweibeschwerdeführenden Partei geworben wurde.

Auch die Feststellung der belangten Behörde, dass keine vorherige Einwilligung der XXXX zu Werbeanrufen vorlag, sondern sogar mehrmals ausdrücklich weitere Anrufe untersagt wurden (vgl. bereits die zahlreichen früheren durch das BVwG bestätigen Straferkenntnisse insbesondere gegen den Erstbeschwerdeführer), hat sich bestätigt. Soweit sich die Beschwerde auf das Bestehen einer Geschäftsbeziehung mit der angerufenen XXXX seit 2010 beruft und die Rechtsmeinung vertritt, eine vorherige Zustimmung zu Werbeanrufen sei gemäß § 107 Abs. 3 TKG nicht notwendig gewesen, da die zweitbeschwerdeführende Partei die Kontaktdaten der XXXX einschließlich der angerufenen Telefonnummer im Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen, nämlich der Bestellung eines Inserates, erhalten habe, übersieht die Beschwerde, dass unter den Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 TKG zwar elektronische Post iSd § 107 Abs. 2 TKG ohne vorherige Zustimmung erlaubt ist, nicht jedoch die hier in Rede stehenden Werbeanrufe iSd § 107 Abs. 1 TKG.

Soweit die Beschwerde vorbringt, der angerufene Teilnehmer sei Unternehmer, weshalb § 107 Abs. 1 TKG 2003 nicht greife, ist auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.05.2017, Ra 2017/03/0041 - welche im Übrigen unter anderem zum Erstbeschwerdeführer, der damals durch denselben Rechtsanwalt wie heute vertreten war, erging - hinzuweisen, wonach das Verbot unerbetener Anrufe nach § 107 Abs 1 TKG 2003 bezüglich der geschützten Teilnehmer keine Unterscheidung hinsichtlich Konsumenten, Unternehmern oder Gewerbetreibenden enthält und diese Regelung auch Teilnehmer schützt, wenn sie offensichtlich Gewerbetreibende sind.

Das Vorbringen der Beschwerde, dass der angerufene Teilnehmer eine juristische Person sei, weshalb § 107 Abs. 1 TKG 2003 nicht greife, geht ebenfalls ins Leere: Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.10.2002, G267/01 ua, VfSlg 16.688/2002, zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung § 101 TKG 1997 (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 idF BGBl. I 188/1999, ausgesprochen wie folgt:

"Der Gesetzgeber ist in sachlicher Weise davon ausgegangen, dass der jeweilige Telekommunikationsteilnehmer Schutz vor unerbetenen Anrufen schlechthin benötigt und dieser durch ein entsprechendes Verbot verwirklichte Schutz nur dort preisgegeben werden kann, wo eine vorhergehende Einwilligung des Werbeadressaten vorliegt. Ein möglicherweise geringeres Schutzbedürfnis juristischer im Vergleich zu natürlichen Personen, von Unternehmen im Vergleich zu Verbrauchern ebenso wie ein differenziertes Schutzbedürfnis nach dem Umfang, dem Zeitpunkt oder dem Gegenstand und Inhalt der Zusendung oder des Anrufs wird sich in der um so leichter zu gewärtigenden Einwilligung des Werbeadressaten zur Benutzung der Telekommunikationsdienste für Werbezwecke niederschlagen."

Dass eine juristische Person ohne vorherige Einwilligung oder nach dem rechtlich zum gleichen Ergebnis führenden Widerruf der Einwilligung zu Werbezwecken angerufen werden darf, ist aus § 107 TKG 2003 (ebenso wie aus der Vorgängerbestimmung) also nicht ableitbar.

Die behauptete Unionsrechtswidrigkeit infolge mangelnder Konformität des § 107 Abs. 1 TKG 2003 mit der Datenschutzrichtlinie liegt aus folgenden Gründen nicht vor:

Die Beschwerde bringt vor, dass das in § 107 Abs. 1 TKG 2003 normierte System des opt-in vor dem Hintergrund der Datenschutzrichtlinie, die - wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen ergebe - zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheide, für juristische Personen eine unzulässige Einschränkung sei. Der Schutz der nicht-privaten Sphäre juristischer Personen sei von der Richtlinie nicht beabsichtigt.

Im Beschwerdefall ist ein unerbetener Anruf zu Werbezwecken - und damit eine unerbetene Nachricht im Sinne des Art. 13 Abs. 5 der Datenschutzrichtlinie - bei einer juristischen Person zu beurteilen.

Während Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie, der für Teilnehmer gilt, die natürliche Personen sind, die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, zwischen opt-in- und opt-out-System zu wählen, ist in Art. 13 Abs. 5 Datenschutzrichtlinie nur vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten außerdem sicherzustellen haben, dass "die berechtigten Interessen anderer Teilnehmer als natürlicher Personen in Bezug auf unerbetene Nachrichten ausreichend geschützt werden". Eine konkrete Vorgabe, wie die Schutzmaßnahmen ausgestaltet zu sein haben, ist in dieser Bestimmung nicht enthalten.

Für das Bundesverwaltungsgericht stellt die Nichtvornahme einer Differenzierung zwischen natürlicher und juristischer Person in § 107 Abs. 1 TKG 2003 daher keinen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 5 Datenschutzrichtlinie dar, da die Richtlinie - anders als betreffend natürliche Personen in Art. 13 Abs. 3 - betreffend juristische Personen keinerlei Vorgaben macht, welche Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen in Bezug auf unerbetenen Nachrichten in Frage kommen. Maßstab ist hier nur der "ausreichende" Schutz, das heißt, die Datenschutzrichtlinie verbietet es den Mitgliedstaaten insbesondere nicht, auch in diesem Zusammenhang auf das das opt-in-System zurückzugreifen (dass das opt-in System ausreichenden Schutz gewährt, wird von den Beschwerdeführern nicht bezweifelt). Es ist daher entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht unionsrechtswidrig, wenn der österreichische Gesetzgeber bei Regelung des Verbotes der Direktwerbung ohne vorherige Zustimmung der kontaktierten Person nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen als Adressaten der Telefonwerbung differenziert hat, weil die Datenschutzrichtlinie für den Schutz der berechtigten Interessen juristischer Personen vor unerbetenen Anrufen einen Spielraum einräumt, der es den Mitgliedstaaten auch ermöglicht, das opt-in-System vorzuschreiben (so bereits etwa BVwG 28.03.2018, W157 2180331-1 ua.).

Der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt anzusehen.

3.3. Was die subjektive Tatseite betrifft, ist festzuhalten, dass das Ermittlungsverfahren erwiesen hat, dass im Unternehmen der zweitbeschwerdeführenden Partei zum Tatzeitpunkt kein Kontrollsystem bestand, das vollständig gewährleistete, dass nur an Telefonnummern von Personen, die dem Erhalt von Werbeanrufen zugestimmt haben, solche Anrufe erfolgten; insbesondere gewährleisteten die Abläufe bei der zweitbeschwerdeführenden Partei nicht einmal, dass die zahlreichen Hinweise im Zusammenhang mit früheren Verwaltungsstrafverfahren, dass keine weiteren Werbeanrufe an die XXXX erwünscht seien, zu einem Unterbleiben weiterer solcher Anrufe führten.

Somit ist erwiesen, dass im Tatzeitpunkt im Unternehmen der zweitbeschwerdeführenden Partei nicht jene Maßnahmen getroffen waren, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift mit gutem Grund erwarten ließen, sodass kein entschuldigendes Kontrollsystem (vgl. etwa VwGH 25.07.2013, 2012/07/0079) existierte.

Wegen Vorliegens von Fahrlässigkeit ist daher die subjektive Tatseite erfüllt.

Der Erstbeschwerdeführer ist für die vorgeworfene Tathandlung, die im Namen der zweitbeschwerdeführenden Partei erfolgte, im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG als zur Vertretung nach außen Berufener strafrechtlich verantwortlich.

3.4. Es war nicht gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG mit Einstellung des Verfahrens oder bloßer Ermahnung vorzugehen:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. ua. VwGH 23.06.2010, 2009/06/0129, zu § 21 Abs. 1 VStG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013; nach VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0079, steht der Übertragung der zu dem in § 21 Abs. 1 VStG in dieser Fassung enthaltenen Terminus des "geringfügigen Verschuldens" ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG idF der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 enthaltenen gleichlautenden Terminus nichts entgegen).

Im vorliegenden Fall bleibt das tatbildmäßige Verhalten nicht hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurück. Vielmehr hat der Erstbeschwerdeführer zu verantworten, dass ein unerbetener Werbeanruf an eine Person erging, die bereits mehrmals zuvor auf ähnliche Anrufe hin ihre mangelnde Einwilligung zu Werbeanrufen ausgedrückt hatte, ohne dass darauf angemessen reagiert wurde. Das entspricht jedenfalls dem in § 107 Abs. 1 TKG 2003 typisierten Unrechts- und Schuldgehalt.

3.5. Die Beschwerde tritt den oben in Pkt. I.1.2. wiedergegebenen Erwägungen der belangten Behörde betreffend die Bemessung der Strafe nicht entgegen. Der Erstbeschwerdeführer hat weiters nach wie vor keine Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen und zu seinen Sorgepflichten gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich vor diesem Hintergrund den Überlegungen der belangten Behörde (die früheren Übertretungen wurden erschwerend, kein Umstand mildernd berücksichtigt) an und kann - in Bindung an § 42 VwGVG (Verbot der Verhängung einer höheren Strafe) - jedenfalls keine Überschreitung des tat- und schuldangemessenen Maßes der Strafe feststellen. Vor diesem Hintergrund wird dem Beschwerdeführer die bereits von der belangten Behörde verhängte Strafe zugemessen.

3.6. Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen (Spruchpunkt I.).

Die Entscheidung über den Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens gründet sich auf § 52 Abs. 1, 2 und 6 VwGVG (Spruchpunkt II.), die Anordnung der Haftung der zweitbeschwerdeführenden Partei auf § 38 VwGVG iVm § 9 Abs. 7 VStG (Spruchpunkt III.).

Gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden: Keine Partei hat die Durchführung einer Verhandlung beantragt. Zudem wurde der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt - soweit rechtserheblich - in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten. Vielmehr wurde nur die unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG idF BGBl. I Nr. 164/2013 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig.

Im Beschwerdefall liegt keiner der vorgenannten Fälle vor. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. insbesondere VwGH 10.05.2017, Ra 2017/03/0041; zu den Anforderungen an ein entschuldigendes Kontrollsystem vgl. etwa VwGH 25.07.2013, 2012/07/0079); auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

Belästigung, Direktwerbung, Einwilligung des Empfängers,
Erkundigungspflicht, Fahrlässigkeit, Geldstrafe, Kontrollsystem,
Kostentragung, Solidarhaftung, Sorgfaltspflicht, Ungehorsamsdelikt,
Verfahrenskosten, Verschulden, Verwaltungsstrafe,
Verwaltungsstrafverfahren, Verwaltungsübertretung, vorherige
Einwilligung, Werbeanruf, Werbung, zumutbare Sorgfalt,
Zustimmungserfordernis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W219.2201133.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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