TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/30 I413 2144674-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2019
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Entscheidungsdatum

30.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I413 2144674-1/20E

I413 2144675-1/19E

I413 2144671-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerden von

1. XXXX (BF1), geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingshilfe GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom XXXX,

2. XXXX (BF2), geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingshilfe GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom XXXX,

3. mj. XXXX (BF3), geb. XXXX, StA Irak, vertreten durch ihre Mutter,

XXXX (BF2), diese vertreten durch Volkshilfe Flüchtlingsdienst- und MigrantInnenbetreuung GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der volljährige Erstbeschwerdeführer (in weiterer Folge BF1) und die volljährige Zweitbeschwerdeführerin (in weiterer Folge BF2) sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen und in Österreich geborenen Drittbeschwerdeführerin (BF3). Es handelt sich somit um ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005.

1. Der BF1 und die BF2 stellten jeweils am 02.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Ersteinvernahme vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.11.2015 gab der BF1, befragt zu seinen Fluchtgründen, im Wesentlichen an, dass sein Bruder nach einer Oberschenkeloperation verstorben sei und der BF1 nach diesem Vorfall den zuständigen Arzt angezeigt habe. Die Behörden haben den Arzt nicht zur Rechenschaft gezogen, weil dieser der "PUK"-Partei angehöre und diese Partei sehr mächtig sei. Der Arzt habe vom BF1, seiner Frau - also der BF2 - und auch von der Familie des BF1 verlangt, dass die die Anzeige zurückziehen. Das haben sie jedoch nicht getan und seien sie daraufhin bedroht worden. Die Werkstatt des BF1 sei zerstört und somit seine Existenz gefährdet worden. Der BF1 sei auch telefonisch mit dem Tod bedroht worden. Daraufhin sei er mit seiner Frau zu deren Familie geflohen und haben sie in weiterer Folge das Land verlassen.

Die BF2 gab bei der Ersteinvernahme am 03.11.2015 in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des BF1 an, dass der BF1 aufgrund des Tod seines Bruders nach einer Oberschenkeloperation den behandelnden Arzt verklagt habe. Anders als der BF1 gab sie weiters an, dass dieser Arzt mit einer Gegenklage reagiert habe und der BF1 festgenommen worden und vom Arzt bedroht worden sei. Wie der BF1 gab auch die BF2 an, dass sie zu ihren Eltern gezogen und danach geflohen seien.

2. Am 02.09.2016 kam die gemeinsame Tochter des BF1 und der BF2, Lina ALI, in Österreich zur Welt und wurde am 12.09.2016 ein Antrag auf Familienverfahren gestellt, wobei ausgeführt wurde, dass das Kind keine eigenen Fluchtgründe habe, sondern sich auf die Gründe der Eltern stützt.

3. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahm vor der belangten Behörde am 02.11.2016 gab der BF1, erneut befragt zu seinen Fluchtgründen, zusammengefasst an, dass sein Bruder nach einer Operation am Oberschenkel Schmerzen bekommen und erbrochen habe, woraufhin der BF1 mit ihm ins Krankenhaus gefahren so, wo der Bruder eine Spritze bekommen habe. Da es dem Bruder des BF1 nicht bessergegangen sei, sei der BF1 nochmal mit ihm ins Krankenhaus gefahren wo er verstorben sei; dies sei am 25.05.2014 gewesen. Es habe sich aufgrund einer Obduktion herausgestellt, dass der Bruder des BF1 aufgrund der ihm verabreichten Spritze verstorben sei. Daher habe der BF1 den behandelnden Arzt angezeigt. Dies habe sich herumgesprochen und seien die Medien aufgetaucht, der BF1 habe den Medien alles erzählt. Dr. XXXX, der behandelnde Arzt, habe den BF1 bedroht, dass er die Anzeige zurückziehen solle; er habe keine Chance gegen ihn, da er ein großer Funktionär der PUK Partei sei. Nachdem der BF1 nicht aufgegeben habe, sei er vom Arzt angezeigt und daraufhin festgenommen worden und für fünf Tage im Gefängnis gewesen. Der BF1 sei wieder freigekommen, weil man nichts gegen ihn in der Hand gehabt habe. Der betreffende Arzt sei zum BF1 in die Werkstatt gekommen und habe wieder gedroht und die Werkstatt zerstört. Die Drohungen seien weitergegangen und habe der BF1 den Arzt ein weiteres Mal angezeigt, doch sei nichts passiert, da der Arzt ein hochrangiger Funktionär sei. Der BF1 sei auch von den Leuten des Arztes entführt worden; nach vielen Beleidigungen und Drohungen mit dem Tod sei er wieder freigelassen worden. Der Arzt habe auch begonnen, die Frau des BF1, also die BF2, zu bedrohen. So habe der Arzt die BF2 an ihrem Arbeitsplatz aufgesucht, woraufhin sie für zwei Monaten in eine andere Stadt zu ihren Eltern gezogen sei. Nachdem sie wieder zurückgekommen sei, habe der Arzt sie erneut bedroht. Aufgrund dieser Drohungen habe die BF2 aufgehört zu arbeiten und haben der BF1 und die BF2 das Land verlassen.

Die BF2 wurde ebenfalls am 02.11.2016 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei sie angab, keine eigenen Fluchtgründe zu haben, sondern sich auf die Fluchtgründe ihres Mannes, dem BF1, zu beziehen; dies gelte auch für ihre Tochter. Sie gibt im Wesentlichen ident zum Fluchtvorbringen des BF1 an, dass der Bruder des BF1 nach Verabreichung einer Spritze verstorben sei; im Gegensatz zum BF1 führt sie als Todestag jedoch den 25.05.2014 an.

4. Mit Schreiben vom 14.11.2016, bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt, erstatteten die Beschwerdeführer eine Stellungnahme betreffend der auf die in der Einvernahme vom 02.11.2016 verwiesenen Länderfeststellungen.

5. Mit den angefochtenen jeweils gleichlautenden Bescheiden vom XXXX (betreffend BF1), XXXX (betreffend BF2) und XXXX (betreffend BF3), wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak, Autonome Kurdenzone des Nordirak, ab (Spruchpunkt II.) und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Teil). Weiters wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III., zweiter Teil) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak, Autonome Kurdenzone des Nordirak, zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

6. Gegen die Bescheide richtigen sich die fristgerecht erhobenen vollumfänglichen Beschwerden vom 05.01.2017, mit welcher Rechtswidrigkeit moniert und beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, in der die Beschwerdeführer die Fluchtgründe umfassend und glaubwürdig darlegen können; den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten zuerkennen; ihnen in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; in eventu die Rückkehrentscheidung als unzulässig aufheben und ihnen einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen.

7. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 11.01.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L507 abgenommen und der Gerichtsabteilung I413 neu zugewiesen.

8. Mit dem am 13.01.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz legte die belangte Behörde die Beschwerden der BF1, BF2 und BF3 sowie die Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vor.

9. Mit Vollmachtsbekanntgabe vom 26.04.2018 gaben die Beschwerdeführer bekannt, dass sie Mag.a Nadja XXXX mit ihrer Rechtsvertretung beauftragt haben.

10. Mit Schreiben vom 26.02.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 28.02.2019, gab die bis dahin rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführer die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt.

11. Am 16.05.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF1 und die BF2 als Partei sowie die Zeugin Brigitte SCHUCKERT einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der volljährige BF1 und die volljährige BF2 sind verheiratet und stellten nach legaler Ausreise aus dem Irak und illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 02.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die mj. BF3 wurde am 02.09.2016 in Österreich geboren und ist das gemeinsame Kind des BF1 und der BF2.

Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, bekennen sich zum moslemisch-sunnitischen Glauben und gehören der kurdischen Volksgruppe an.

Keiner der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft.

Ihre Identitäten stehen fest.

Alle drei Beschwerdeführer sind gesund. Sowohl der BF1 als auch die BF2 sind arbeitsfähig. Sie sind der mj. BF3 gegenüber sorgepflichtig.

Der BF1 und die BF 2 halten sich sei (mindestens) 02.11.2015 im Bundesgebiet auf. Die mj. BF3 wurde in Österreich geboren.

Der BF1 hat im Irak sechs Jahre lang die Grundschule besucht und war anschließend KFZ-Mechaniker selbständig. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung im Irak hat er eine Chance, auch hinkünftig am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die BF2 hat im Irak zwölf Jahre lang die Schule besucht und nach der Matura zwei Jahre ein Diplomstudium mit Schwerpunkt Management absolviert. Danach war sie in der Finanzdirektion in der Abteilung Finanzen tätig. Aufgrund ihrer Ausbildung und Arbeitserfahrung hat sie eine Chance, auch in Zukunft am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die Familie des BF1, bestehend aus seinen Eltern und zwei Schwestern, lebt noch im Irak. Auch die Familie der BF2, bestehend aus ihrer Mutter, einer Schwester und vier Brüdern, lebt noch im Irak. Die Beschwerdeführer pflegen regelmäßigen Kontakt mit ihren Familien. Aufgrund des nach wie vor bestehenden guten Kontaktes zu ihren Familien, können der BF1, die BF2 und die mj. BF3 im Falle ihrer Rückkehr mit familiärer Unterstützung in Bezug auf Wohnen und materielle Hilfe und Unterstützung bis zu einer vollständigen Reintegration in den irakischen Arbeitsmarkt rechnen.

In Österreich verfügen die Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Weder die BF 1 noch der BF 2 gehen in Österreich einer regelmäßigen Beschäftigung nach. Alle drei Beschwerdeführer beziehen Leistungen von der staatlichen Grundversorgung und sind somit nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF1 und die BF2 sind für die mj. BF3 sorgepflichtig. Sie kommen dieser Sorgepflicht in Österreich aufgrund des Bezuges der Grundversorgung durch die BF3 nicht nach.

Aufgrund der beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten des BF1 und der BF2 und ihrer Chance, Arbeit zu finden. Aufgrund ihrer beruflichen Ausbildungen und Erfahrungen und den damit verbundenen Chancen, am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen, sowie aufgrund ihres familiären Rückhalts im Herkunftsstaat wird es dem BF1 und der BF2 möglich sein, ihren Sorgepflichten gegenüber der mj. BF3 im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nachkommen.

Die mj. BF3 hat zudem die Möglichkeit, im Irak eine Schul- und Berufsausbildung zu erhalten, die es ihr ermöglichen wird, selbsterhaltungsfähig zu werden.

Der BF1 hat sowohl am Werte- und Orientierungskurs als auch an dem Tandem-Projekt "Handwerk - Hand in Hand" teilgenommen. Er hat ehrenamtliche Tätigkeiten in einer Pfarre durchgeführt. Er hat die Deutsch-Sprachprüfung auf Niveau A1 absolviert, doch ist eine Unterhaltung auf Deutsch kaum möglich.

Die BF2 hat die Deutsch-Sprachprüfung auf Niveau B1 absolviert; weiters hat sie am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen.

Der BF1 und die BF2 haben am Workshop "Hilfe im Notfall" sowie an Info-Modulen der Stadt Wien, wie etwa dem Modul "Zusammen leben" teilgenommen.

Darüber hinaus weisen die Beschwerdeführer in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Die mj. BF3 besucht seit Jänner 2019 den Kindergarten. Mit dem Alter von noch nicht einmal drei Jahren befindet sich die mj. BF3 in einem anpassungsfähigen Alter, im Falle einer Rückkehr in den Irak dort kulturelle und sprachliche Bindungen zu entwickeln und dort eine Schulausbildung zu absolvieren.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF1 im Irak aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wird oder ihm eine Verfolgung aus vorgenannten Gründen im Irak ernstlich droht.

Die BF2 wurde im Irak weder aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt, noch droht ihr ernstlich eine Verfolgung aus vorgenannten Gründen.

Die BF2 und mj. BF3 bringen keine eigenen Fluchtgründe vor, sondern beziehen sich auf den Fluchtgrund des BF1.

Der BF1 und die BF2 verließen den Irak aus rein wirtschaftlichen Gründen.

Im Falle einer Rückkehr in den Irak droht den Beschwerdeführern kein reales Risiko Opfer der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung, der Todesstrafe zu werden oder mit ihrem Leben aufgrund eines bewaffneten innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikts im Herkunftsstaat ernstlich bedroht zu werden.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

1.3.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den IS. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert, wenn auch IS Kämpfer in manchen ländlichen Gebieten weiterhin aktiv sind (CRS 01.10.2018, MIGRI 06.02.2018).

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 06.02.2018). Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018). Im zweiten Quartal 2018 sind aus der Provinz Al-Basrah keine Todesopfer gemeldet (ACCORD 05.09.2018).

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage im südlichen Teil des Iraks ist als stabil anzusehen. Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018). In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018). Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Die Zahl der Angriffe auf Personen ist seit 2016 jedoch kontinuierlich gesunken und hat 2018 einen historischen Tiefstand von durchschnittlich 1,1 Vorfällen pro Tag erreicht (vgl OFPRA 10.11.2017; vgl Joel Wing 08.07.2017, Joel Wing 04.10.2017, Joel Wing 03.07.2018). Aus den Länderberichten ergeben sich keine Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation und auch keine HInweise in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (1.11.2018): Irak:

Reisewarnung,https://www.auswaertiges-amt.de/de/iraksicherheit/202738. Zugriff 1.11.2018

ACCORD (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus ACLED, https:// www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930 1536217374 2018a2iraa-de.pdf. Zugriff 29.10.2018

AI - Amnesty International (7.9.2018): Iraq: Effective Investigations needed into deaths of protesters in Basra, https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1490552018ENGLISH.PDF. Zugriff 02.11.2018

Al Jazeera (16.7.2018): Death toll rises in southern Iraq protests, https://www.aljazeera.com/news/2018/07/death-toll-rises-southern-iraq-protests-180716181812482.html, Zugriff 2.11.2018

Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/. Zugriff 30.10.2018

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018

CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat general aux refugies et aux apatrides (28.2.2018): IRAK: Situation securitaire dans le sud de l'Irak, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi focus irak situation securitaire dans le sud de lirak 20180228.pdf, Zugriff 1.11.2018

CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf. Zugriff 29.10.2018

ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS's Second Resurgence,

https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html. Zugriff 30.10.2018

Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?,

https://iamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/. Zugriff 30.10.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded In Iraq June 2017,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (04.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded

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Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-statereturns-to-baghdad-while.htm l , Zugriff 30.10.2018

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Joel Wing - Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018,

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OFPRA - Office Francais de Protection des Refugies et Apatrides (10.11.2017): The Security Situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.p df, Zugriff 31.10.2018UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=8500:un-casualtv-figures-for-iraq-for-the-month-of-januarv-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuildingin.html, Zugriff 30.10.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-statereturns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (5.9.2018): Basra Explodes In Rage and Riots Over Water Crisis,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/09/basra-explodes-in-rage-and-riots-over.html. Zugriff 2.11.2018

Landinfo - The Norwegian COI Centre (31.5.2018): Irak:

Sikkerhetssituasjonen i S0r-Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434620/1226_1528700530_irak-temanotat-sikkerhetssituasjonen-i-syarirak-hrn-31052018.pdf.

Zugriff 1.11.2018

Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals

In Salahaddin, Then Take Over,

http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 31.10.2018

USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.htm l , Zugriff 31.10.2018

WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comebackin-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf story.html?noredirect=on&utm term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018.

1.3.2. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte "Ehrenmorde"; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf "Geständnissen" basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).

Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018

AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1425073.html, Zugriff 28.10.2018

USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018.

1.3.3. Berufsgruppen und andere soziale Gruppen

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sind besonders gefährdet. Auch werden Mitarbeiter der Ministerien, sowie Mitglieder der Provinzregierungen regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.2.2018). Extremisten und bewaffnete Gruppen verübten Angriffe auf Künstler, Poeten, Schriftsteller und Musiker (USDOS 3.3. 2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf.

Zugriff 19.7.2018

AIO - An international organization (12.6.2017): Gesprächsprotokoll per Email,

http://www.ecoi.net/file_upload/432_1189068774_2007-08-unhcr-iraq.pdf, (letzter Zugriff am 12.10.2018)

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html. Zugriff 25.10.2018 USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (8.2007): UNHCR-s Eligibility Guidelines for Assessing the Internationale Needs of Iraqi Asylum-seekers, http://www.refworld/org/pdfid/46deb05557.pdf, (letzter Zugriff am 12.10.2018).

1.3.4. Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft im Irak:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert, Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft werden häufig zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen. Weder seitens des irakischen Staates noch von Milizen der PMU liegt jedoch keine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft vor. Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Irak und sind in Gesellschaft und in der Politik vertreten und treten auch zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 auch sunnitische Parteien an.

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht. Es gibt nach wie vor Regionen, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber gibt es auch in dem von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Iraks sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges Nebeneinander von Sunniten und Schiiten.

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak.

https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf.

Zugriff 19.7.2018 - USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq. https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html. Zugriff 17.8.2018

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Zugriff am 16.10.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018

Institute of war, Final 2014 Iraqi National Elections Results by Major Political Groups (19.05.2014), http://iswiraq.blogspot.co.at/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html#!/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html (Zugriff am 16.10.2018)

Rudaw, Kurdish, Sunni MPs boycott Iraqi parliament session over budget dispute, 01.03.2018,

http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/03012018 (Zugriff am 17.10.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Zugriff am 17.10.2018)

WING, Joel, Musings on Iraq, 649 Deaths, 275 Wounded Feb 2018 In Iraq (UPDATED), 03.03.2018 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/ mwN (letzter Zugriff am 17.10.2018).

1.3.5. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative für arabische Sunniten im Irak:

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens eines Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden, sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden, da die Regionen fürchten, dass sich IS-Kämpfer unter den Schutzsuchenden befinden.

Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person. Eine ID-Karte ist in fast allen Regionen von Nöten, doch besteht nicht in jeder Region die Notwendigkeit eines Bürgen.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (letzter Zugriff am 18.10.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018).

1.3.6. Zur Lage in der autonomen Region Kurdistan werden darüber hinaus folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quellen getroffen:

Die Spannungen zwischen der Zentralregierung in BAGDAD und der Kurdischen Regionalregierung (KRG) nehmen zu. Durch die Kürzung des Budgets für Kurdistan und die Aufrechterhaltung der Flugsperre, verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation massiv, sodass die KRG Schulen schließen musste und Beamtengehälter nicht auszahlen konnte. Der Unmut innerhalb der kurdisch-irakischen Bevölkerung ist groß. Weiter beeinträchtigt wurde das kurdische Budget durch den Wegfall der amerikanischen Subventionen für die Peschmerga.

(Quelle: IFK, Fact Sheet Irak Nr. 67)

Informationen zur Frage, ob Rückkehrer aus dem Ausland behördlichen Schikanen oder anderen Diskriminierungen ausgesetzt sind, sind nicht auffindbar.

In einer Grundsatzerklärung des Außenamtes der Kurdischen Regionalregierung zu internationalen Beziehungen vom Mai 2017 wird erwähnt, dass die Regierung der Region Kurdistan die Kurden, die im Ausland leben und zu einer Rückkehr bereit seien, zu dieser Rückkehr ermuntern würde, um sich am Wiederaufbau der Region zu beteiligen. Es sei bekannt, dass viele der Kurden, die nach Europa gegangen seien, alles verloren hätten, um ein neues Leben zu beginnen. Es handle sich nach Auffassung der Kurdischen Regionalregierung um eine humanitäre Angelegenheit, weshalb sie die Aufnahmeländer darum bitte, das Leiden der Kurden in Betracht zu ziehen, bevor man zu politischen Richtlinien übergehe, die sich auf das Leben von Asylsuchenden auswirken könnten. Die Bewohner der Region Kurdistan seien jedoch unabhängig der Interessen der Länder, die Kurden aufgenommen hätten und deren Entscheidungen im Hinblick auf Einwanderungsgesetze, dazu bereit, alles zu geben, um Personen, deren Rückkehr in die Region Kurdistan erzwungen worden sei, zu helfen.

Quelle: Außenamt der Kurdischen Regionalregierung, 8. Mai 2017

Das US-amerikanische Außenministerium schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom März 2017 (Berichtszeitraum 2016), dass das Höchstkomitee der Kurdischen Regionalregierung zur Evaluierung und Beantwortung internationaler Berichte sich mit den gegen die Peschmerga gerichteten Vorwürfen von Misshandlungen vor allem von Binnenflüchtlingen befasst und die Peschmerga daraufhin in öffentlichen Berichten und Stellungnahmen entlastet habe. Regierungsangestellte, Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Peschmerga sowie Milizen hätten faktisch straffrei handeln können. In einigen Haftanstalten der Region Kurdistan seien Berichten zufolge unter bestimmten Voraussetzungen missbräuchliche Verhörmethoden angewandt worden. Darunter seien Haftanstalten der für die innere Sicherheit verantwortlichen ASAYISH-Kräfte und der Geheimdienste der beiden größten politischen Parteien, dem zur KDP [Demokratische Partei Kurdistans] gehörenden Parastin und dem Zanyari der PUK [Patriotische Union Kurdistans]. Laut Berichten der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak hätten 70 Häftlinge während Besuchen in Haftanstalten vom Jänner 2015 bis Juni 2016 angegeben, während ihrer Verhöre Folter bzw. anderen Misshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Laut Angaben örtlicher NGOs und dem Leiter des parlamentarischen Menschenrechtskomitees der Autonomen Region Kurdistan (ARK) seien manche Personen in Haftanstalten der ASAYISH mehr als 6 Monate ohne Anklage festgehalten worden. Laut NGO- und Presseberichten hätten die Polizei und interne Sicherheitskräfte der ARK Demonstranten und Aktivisten, die der kurdischen Regionalregierung gegenüber kritisch gewesen seien, festgenommen und mehrere Tage lang festgehalten. Im Dezember 2016 seien beispielsweise 13 Lehrer in SULEYMANIYA im Vorfeld einer Demonstration wegen nicht ausbezahlten Löhnen im öffentlichen Sektor verhaftet worden. Örtliche NGOs hätten über ein Gefühl der Straffreiheit unter Mitgliedern der kurdischen Sicherheitskräfte berichtet, so habe es örtlichen Menschenrechtsbeobachtern zufolge Vorwürfe von Vergewaltigung und Totschlag gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte gegeben.

Der Sicherheitsdienst ASAYISH und andere kurdische Sicherheitskräfte nahmen Tausende Menschen wegen Terrorverdachts fest, vor allem sunnitische arabische Männer und Jugendliche. Die Behörden verstießen in mehrfacher Weise gegen deren Recht auf ein faires Verfahren, u. a. indem sie die Überstellung der Inhaftierten an die Justizbehörden extrem verschleppten und ihnen über lange Zeiträume keinen Zugang zu ihren Familienangehörigen gewährten. Im Oktober 2016 gaben die Behörden der Regionalregierung bekannt, dass der allgemeine Sicherheitsdienst ASAYISH GHISHTI und die ASAYISH-Abteilung in ERBIL seit Anfang des Jahres 2801 Terrorverdächtige festgenommen hätten.

Gerichte in der teilautonomen Region Kurdistan verhängten weiterhin Todesurteile für terroristische Straftaten. 2016 gab es jedoch keine Hinrichtungen

Quelle: ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum

Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak:

Menschenrechtslage in der Autonomen Region Kurdistan: Lage von Kurden sunnitischen Glaubens; behördliche Schikanen oder andere Diskriminierungen für Rückkehrer aus dem Ausland vom 10.05.2017 [letzter Zugriff: 29.07.2019]

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Menschenrechtslage in der Autonomen Region Kurdistan: Lage von Kurden sunnitischen Glaubens; behördliche Schikanen oder andere Diskriminierungen für Rückkehrer aus dem Ausland vom 10.05.2017 [letzter Zugriff:

29.07.2019]

1.3.7. Kinder

Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen (AA 12.2.2018). Laut UNICEF machten Kinder im August 2017 fast die Hälfte der damals drei Millionen durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus (USDOS 20.4.2018).

Art 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 12.2.2018). Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie (USDOS 20.4.2018).

Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weit verbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im IS-Gebiet geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten (USDOS 20.4.2018).

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt (AA 12.2.2018). Über ein Viertel aller Kinder im Irak lebt in Armut. Dabei waren, über die letzten Jahrzehnte, Kinder im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten am stärksten betroffen (UN News 19.1.2018; vgl. UNICEF 31.1.2017). Armut wirkt sich nicht nur negativ auf die Bildung, sondern auch auf die Gesundheit von Kindern aus (UNICEF 31.1.2017). 22,6 Prozent der Kinder im Irak sind unterernährt (AA 12.2.2018). Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sind physisch unterentwickelt bzw. im Wachstum zurückgeblieben (UNICEF 31.1.2017).

Gewalt gegen Kinder bleibt ein großes Problem. Im Jahr 2011 waren 46 Prozent der Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren familiärer Gewalt ausgesetzt (USDOS 20.4.2018). Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter (Al Monitor 2.5.2017). Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen (USDOS 28.6.2018). Auch Kinderprostitution ist ein Problem. Da die Strafmündigkeit im Irak in den Gebieten unter der Verwaltung der Zentralregierung neun Jahre beträgt und in der Autonomen Region Kurdistan elf, behandeln die Behörden sexuell ausgebeutete Kinder oft wie Kriminelle und nicht wie Opfer. Strafen für die kommerzielle Ausbeutung von Kindern reichen von Bußgeldern und Freiheitsstrafen bis hin zur Todesstrafe. Es lagen jedoch keine Informationen darüber vor, mit welcher Wirksamkeit der Staat diese Strafen durchsetzt (USDOS 20.4.2018).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden. Trotzdem gibt es im ganzen Land Fälle von Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen. Es gibt dokumentierte Fälle von durch den Konflikt intern vertriebenen Kindern, die gezwungen wurden Kinderarbeit zu leisten. Versuche der Regierung Kinderarbeit z.B. durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf

-Al Monitor (2.5.2017): How can Iraq address child abuse, torture?, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/05/child-abuse-iraq-domestic-violence.html, Zugriff 20.9.2018

-UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (16.5.2018): Children and armed conflict, https://www.ecoi.net/en/file/local/1436649/1930_1530169188_n1815109.pdf, Zugriff 18.7.2018

-UN News - United Nations News (19.1.2018): One in four Iraqi children impacted by conflict, poverty; education key for lasting peace - UNICEF, https://news.un.org/en/story/2018/01/1000811, Zugriff 20.9.2018

-UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (31.1.2017): Child Poverty in Iraq: An Analysis of Child Poverty Trends and Policy Recommendations for the National Poverty Reduction Strategy 2017-202,

https://reliefweb.int/report/iraq/child-poverty-iraq-analysis-child-poverty-trends-and-policy-recommendations-national, Zugriff 20.9.2018

-USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 5.9.2018

-USDOS - United States Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Iraq, https://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/countries/2018/282675.htm, Zugriff 14.9.2018, Zugriff 5.9.2018

1.3.8. Behandlung nach Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen un

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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