TE Bvwg Beschluss 2019/8/26 W104 2222513-1

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Veröffentlicht am 26.08.2019
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Entscheidungsdatum

26.08.2019

Norm

AVG §32 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8i
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz 2
VwGVG §31 Abs1
ZustG §17 Abs2
ZustG §26 Abs1

Spruch

W104 2222513-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Baumgartner über die Beschwerde von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 9.1.2019, AZ II/4-DZ/18-11703877010, nach Beschwerdevorentscheidung vom 21.5.2019, AZ 19166DZ/I/1/1/Ho, betreffend Direktzahlungen 2018:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin stellte einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2018. Mit dem angefochtenen Bescheid gewährte die Behörde Direktzahlungen in Höhe von EUR 1.948,46, wobei begründend auf das Ergebnis einer Vor-Ort-Kontrolle auf der Alm mit der BNr.

XXXX verwiesen wurde, bei der weniger Almfläche vorgefunden worden sei als beantragt und aufgrund der Differenzfläche von 1,9351 Hektar eine Flächenabweichung von 21,2873% entstehe, was eine Kürzung nach sich ziehe. Dieser Bescheid wurde am 9.1.2019 per Post ohne Zustellnachweis verschickt.

2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin per E-Mail am 11.3.2019 Beschwerde und machte geltend, sie sei bloße Auftreiberin auf diese Alm. Sie habe sich vor Beginn der Alpung des gegenständlichen Antragsjahres über das Ausmaß der Almfutterfläche ausreichend informiert und es lägen auch keine sonstigen Umstände vor, die für sie Zweifel an den fachlichen Angaben wecken hätten müssen. Sie habe daher von der Zuverlässigkeit des Antragsstellers ausgehen können und somit die zumutbare Sorgfalt gewahrt. Sanktionen seien somit nicht gerechtfertigt und Sie bitte, diese aufzuheben.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.5.2019 wies die AMA diese Beschwerde mit der Begründung zurück, die Beschwerde sei verspätet. Mit Vorlageantrag vom 23.5.2019 machte die Beschwerdeführerin geltend, aufgrund der massiven Schneefälle im Jänner 2019 und den daraus resultierenden Straßensperren aufgrund zahlreicher umgestürzter Bäume sowie der großen Lawinengefahr (Stufe 4) sei ihr Hof 10 Tage (bis inkl. 18. Jänner 2019) nicht erreichbar gewesen. Dadurch sei es scheinbar zu Unregelmäßigkeiten bei der Post gekommen, weshalb sie den Bescheid erst am 11. Februar 2019 zugestellt bekommen habe.

4. Bei Vorlage der Akten nahm die AMA dahingehend Stellung, dass in der vorliegenden Sache aus Sicht der AMA ein Anwendungsfall des § 28

(3) VwGVG vorliege. Die Beschwerde sei mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.05.2019 als verspätet zurückgewiesen worden, da auf das Parteiengehör der AMA vom 19.03.2019 keine Stellungnahme eingelangt sei, welche das in der Beschwerde angeführte späte Zustelldatum erklärte. Hätte die Beschwerdeführerin bereits im Rahmen der Beantwortung des Parteiengehörs auf die außergewöhnliche Schneesituation (Straßensperren in Radstadt wurden der AMA bekannt, nachdem Parteiengehör bereits ergangen war) im Jänner 2019 hingewiesen, wäre das späte Zustelldatum seitens der AMA anerkannt worden. Die Aktenlage habe sich dahingehend geändert, dass die eingereichte Erklärung gem. §8i MOG seitens der AMA zu einer stattgebenden Beurteilung der Beschwerde führen würde, wäre die AMA noch zuständig. Eine Entscheidung durch die AMA selbst würde zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin stellte einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2018. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 11.2.2019 zugestellt, die Beschwerde wurde am 11.3.2019 online erhoben.

Die Beschwerdeführerin hat eine Erklärung nach § 8i MOG 2007 eingebracht, die von der Behörde noch nicht gewürdigt wurde.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt, insbesondere aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag, und wurde von keiner Partei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anwendbare Rechtsvorschriften:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (MRK), noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389, entgegenstehen.

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG beträgt vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung (§ 7 Abs. 4 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG).

Bei der Berechnung von nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden diese mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats (§ 32 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG).

Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2 Zustellgesetz) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird (§ 26 Abs. 1 Zustellgesetz).

3.2. Zur Verspätung:

Die Frist beginnt dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung. Die Zustellung ist laut - glaubwürdigen - Angaben der Beschwerdeführerin am 11.2.2019 erfolgt.

Die vierwöchige Beschwerdefrist ist nach den oben angeführten Rechtsvorschriften eine nach Wochen bestimmte Frist, die gemäß mit Ablauf des Tages der letzten Woche endet, der durch seine Bezeichnung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat (VwGH 19.11.2015, 2015/11/0094). Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid hat am 11.2.2019 begonnen und nach vier Wochen - im vorliegenden Fall somit am 11.3.2019 - geendet und die Beschwerde wurde an diesem Tag elektronisch Tag bei der Behörde erhoben. Sie war somit rechtzeitig und zulässig, die Zurückweisung durch die Beschwerdevorentscheidung hätte nicht erfolgen dürfen.

3.3. Inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist in diesem Fall grundsätzlich inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen, wobei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, ohne dass diese explizit behoben werden muss (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Gemäß § 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) kann das Verwaltungsgericht dann, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat, statt selbst in der Sache zu entscheiden, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

§ 8i Marktordnungsgesetz 2007 lautet:

"Regelung für Auftreiber auf gemeinschaftlich genutzte Futterflächen

§ 8i. (1) Betriebsinhabern, die auf gemeinschaftlich genutzte Almen und Weiden Tiere auftreiben, wird die beihilfefähige Fläche entsprechend dem Anteil der von ihnen jeweils aufgetriebenen Tiere zugerechnet. Gemäß Art. 73 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor, ABl. Nr. L 316 vom 30.11.2009 S. 1, finden Kürzungen und Ausschlüsse keine Anwendung, wenn für den auftreibenden Betriebsinhaber keine Umstände erkennbar waren, die ihn an der Zuverlässigkeit des Antragstellers der Alm- oder Weidefutterflächen zweifeln lassen hätten können."

Die Beschwerdeführerin behauptet nun die Anwendbarkeit dieser Bestimmung. Das Vorliegen der Voraussetzungen für deren Anwendbarkeit wurde von der Behörde nicht geprüft. Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde jedoch, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt hinsichtlich der zuzuteilenden Zahlungsansprüche somit ermitteln müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 3ff).

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zu Spruchteil B:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die unter 3.2. und 3.3. angeführte Rechtsprechung des VwGH).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, beihilfefähige Fläche, Beihilfefähigkeit,
Berechnung, Beschwerdevorentscheidung, Direktzahlung,
Ermittlungspflicht, Flächenabweichung, Frist, Kassation, Kontrolle,
Kürzung, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Mehrfachantrag-Flächen, Prämienfähigkeit,
Prämiengewährung, Rechtzeitigkeit, verspätete Beschwerde,
Verspätung, Vorlageantrag, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2222513.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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