TE Vwgh Beschluss 2020/2/13 Ra 2019/19/0310

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Veröffentlicht am 13.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des J D, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2019, W168 2185144-1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 8. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, er habe sich bereits im Herkunftsstaat dem Christentum zugewendet und in seinem Geschäft Bücher und CDs mit christlichen Inhalten weitergegeben, weshalb das Geschäft in Brand gesetzt worden sei. In Österreich habe er den Taufunterricht in einer iranisch-christlichen Gemeinde besucht und sei getauft worden.

2 Mit Bescheid vom 4. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, Zeugen zu befragen, die Auskunft über die Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers hätten geben können. Das Bundesverwaltungsgericht hätte im vorliegenden Fall jedenfalls den Pastor der Taufgemeinde des Revisionswerbers zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts, insbesondere zur Frage der Ernsthaftigkeit der Konversion, als Zeugen einvernehmen müssen. 8 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein "ausreichend ermittelter Sachverhalt" vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2019/19/0017; 21.6.2018, Ra 2017/01/0381). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass dem BVwG bei dieser Beurteilung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen wäre. 9 Im vorliegenden Fall beantragte der Revisionswerber weder die Einvernahme des Pastors noch war dieser bei der mündlichen Verhandlung anwesend (vgl. zur beantragten Zeugeneinvernahme VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0426, und zur fallbezogen bejahten Einvernahmepflicht eines bei der Verhandlung anwesenden Kaplans VwGH 23.5.2017, Ra 2017/18/0028; 23.1.2019, Ra 2018/19/0260 bis 0261). Auch andere Zeugen wurden vom Revisionswerber nicht namhaft gemacht.

10 Weiter moniert die Revision, das Bundesverwaltungsgericht hätte sich bei der Beurteilung der inneren Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers mit den vom Revisionswerber vorgelegten Beweismitteln, nämlich dessen Taufschein sowie zwei Empfehlungsschreiben des Pastors auseinandersetzen müssen. 11 Mit diesem Vorbringen richtet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0303, mwN). 12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es den Revisionswerber zu der behaupteten Hinwendung zum Christentum einvernommen hat, ausführlich mit dessen Vorbringen auseinandergesetzt und ist dabei auch auf die durch die Empfehlungsschreiben belegte Teilnahme am Taufunterricht sowie am Gemeindeleben und die durch den Taufschein belegte Taufe in Österreich eingegangen. Das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch mit näherer Begründung zum Ergebnis gekommen, der Revisionswerber habe eine Hinwendung zum Christentum in Afghanistan und eine Konversion aus innerer Überzeugung in Österreich nicht glaubhaft machen können. Die Revision vermag nicht darzulegen, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

13 Soweit die Revision ferner behauptet, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob der Revisionswerber bereits aufgrund des formalen Aktes der Konversion, also unabhängig von seiner inneren Überzeugung, gefährdet wäre, setzt sie sich in Widerspruch zum Akteninhalt. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich mit der Frage auseinander, welchem Personenkreis im Herkunftsstaat die Beschäftigung des Revisionswerbers mit dem christlichen Glauben sowie dessen Taufe bekannt seien, und kam unter Berücksichtigung der Angaben, wonach der Revisionswerber seit geraumer Zeit keinerlei Kontakt zu Personen in Afghanistan habe, zu dem Ergebnis, dass im Herkunftsstaat weder die Beschäftigung mit dem christlichen Glauben noch die Taufe öffentlich bekannt seien. 14 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit des Weiteren vorbringt, dem Bundesverwaltungsgericht sei bei der Beurteilung der Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ein relevanter Verfahrensfehler unterlaufen, indem es unterlassen habe, dabei die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 heranzuziehen, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht in seine Prüfung der Zumutbarkeit der von ihm angenommenen innerstaatlichen Fluchtalternative gerade auch die genannten UNHCR-Richtlinien miteinbezog.

15 Auch das hierzu ergänzende Vorbringen, wonach sich die Auseinandersetzung des Bundesverwaltungsgerichtes mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers, auf deren Grundlage das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu beurteilen sei, als mangelhaft erweise, weil keine Begründung erkennbar sei, weswegen die Angaben des Revisionswerbers zum Fehlen eines familiären Netzwerks am Ort der innerstaatlichen Fluchtalternative und der fehlenden Möglichkeit finanzieller Unterstützung durch seine Familie nicht berücksichtigt worden seien, verfängt nicht. Das Bundesverwaltungsgericht ging - auf der Grundlage näherer Feststellungen - davon aus, dass für den Revisionswerber als jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann die Möglichkeit bestehe, sich in Mazar-e Sharif auch ohne die Unterstützung seiner Familie eine Existenzgrundlage zu sichern. Eine Unvertretbarkeit dieser - für sich allein tragenden - Annahme zeigt die Revision nicht auf (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0408, mwN).

16 Soweit sich die Revision schließlich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0304, mwN). Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe die Einbindung des Revisionswerbers in die Kirchengemeinschaft und das Fehlen familiärer Bindungen in Afghanistan nicht berücksichtigt, nicht auf, dass die Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190310.L00

Im RIS seit

07.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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