TE Vwgh Beschluss 2020/2/13 Ra 2019/01/0488

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Veröffentlicht am 13.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des H N in W, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2019, Zl. W231 2180348-1/15E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. November 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 25. Juli 2019 (dem Revisionswerber am 11. November 2019 zugestellt), wurde die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.

3 Begründend ging das BVwG von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens aus und führte - soweit für die vorliegende Revision relevant und auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, der Revisionswerber sei im Alter von sechs Jahren gemeinsam mit seinen Eltern in den Iran gezogen. Dem Revisionswerber sei eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz nicht möglich, ihm stehe jedoch eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Mazare Sharif, Herat oder Kabul zur Verfügung.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision rügt in ihrer (allein maßgeblichen) Zulässigkeitsbegründung zunächst, das BVwG habe keine aktuellen Länderberichte herangezogen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 13.11.2019, Ra 2019/01/0326, mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht.

8 Die Revision macht zudem geltend, dass sich das BVwG nicht mit der vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) herausgegebenen "Country Guidance: Afghanistan" auseinandergesetzt habe, legt jedoch die Relevanz dieses Verfahrensmangels ebenfalls nicht konkret dar. Soweit diesbezüglich nämlich vorgebracht wird, EASO habe Rückkehrer, die außerhalb Afghanistans geboren wurden oder längere Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, von der Einschätzung des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgenommen, ist dem entgegen zu halten, dass (auch) EASO nicht davon ausgeht, jenen afghanischen Staatsangehörigen, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder für längere Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, wäre die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in ihrem Heimatland schlechthin unzumutbar (vgl. dazu VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0160, Rz 46).

9 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. auch dazu VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0160).

10 Soweit sich die Revision gegen eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul wendet, zeigt sie damit schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, weil das BVwG die bekämpfte Entscheidung alternativ auch auf das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Schutzalternative in Herat oder Mazare Sharif gestützt hat (vgl. zur tragfähigen Alternativbegründung etwa VwGH 13.11.2019, Ra 2019/01/0326, mwN).

11 Soweit sich die Revision gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0445, mwN). Dass das BVwG die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision nicht auf.

12 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang mangelhafte Ermittlungen rügt und geltend macht, das BVwG hätte aufgrund der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit eine neuerliche Verhandlung durchführen müssen, legt sie auch diesbezüglich die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den den Verfahrensausgang nicht ausreichend dar (vgl. dazu VwGH 10.9.2018, Ra 2017/19/0431, mwN). 13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010488.L00

Im RIS seit

06.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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