TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/27 LVwG-AV-15/001-2020

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

BAO §4 Abs1
BAO §93
BAO §279

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerden der 1) B GmbH, ***, ***, sowie von 2) Herrn A und 3) Frau C, beide ***, ***, vom 21. September 2019, gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 16. August 2019, Zl. ***, mit dem in Spruchpunkt II. eine Berufung der Beschwerdeführer vom 18. Februar 2019 gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Jänner 2019, Zl. ***, betreffend Vorschreibung einer Stellplatz-Ausgleichsabgabe, als unzulässig zurückgewiesen (B GmbH) bzw. als unbegründet abgewiesen worden war, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerden werden gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1. Sachverhalt:

1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:

1.1.1.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2019 erstattete die D GmbH eine Bauanzeige betreffend die beabsichtigte Änderung des Verwendungszweckes für das Objekt ***, ***. Geändert wurde der Verwendungszweck der ursprünglichen Wohnung *** dahingehend, als diese zu einer Facharztordination umgewandelt werden sollte. In dieser Anzeige wird hinsichtlich der Schaffung von Stellplätzen wortwörtlich ausgeführt:

„Die für dieses Vorhaben gemäß 5 11 Abs. 1 Z. 17 NÖ BTV 2014 erforderlichen Stellplätze können nicht auf der Liegenschaft *** geschaffen werden. Die auf diesem Bauplatz bereits errichtete Garage schöpft nämlich die aufgrund der Platzverhältnisse mögliche Anzahl an Stellplätzen voll aus. Es ist daher gemäß § 63 Abs. 6 NÖ BO 2014 zulässig, die zusätzlichen Stellplätze auf unserem Grundstück zu schaffen, da dieses unmittelbar an die Liegenschaft *** grenzt. Wir verfügen über die baubehördliche Bewilligung für die Schaffung von 212 Stellplätzen, wodurch die Anzahl der für unser Bauvorhaben auf der Liegenschaft *** erforderlichen Pflichtstellplätze um 58 überschritten wird. Daher ist es zulässig, diese Stellplätze für andere Bauvorhaben zur Verfügung zu stellen. “

1.1.2.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 26. Juli 2018, Zl. ***, wurde u.a. gegenüber 1) der B GmbH sowie 2) Herrn A und 3) Frau C ausgesprochen, dass aufgrund der Bauanzeige vom 22. Juni 2018 gemäß § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 ein zusätzlicher Bedarf von 2 Stellplätzen für das Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG *** (Anschrift: ***, ***) festgestellt wird. Begründend wird ausgeführt, dass mit der Bauanzeige vom 22. Juni 2018 die Änderung des Verwendungszweckes einer Wohnung von insgesamt 106,76 m² in eine Ordination angezeigt worden sei. Durch die Veränderung des Verwendungszweckes werde folgender Stellplatzbedarf festgehalten:

ALT:

Wohnhaus 17 Wohnungen    26 Stellplätze

NEU:

Wohnhaus 16 Wohnungen    24 Stellplätze

Ordination 106,76 m² / 30 m²

(1 Stellplatz pro 30 m²)     3.56 Stellplätze

27,56 - 26 = 1,56      27,56 Stellplätze

Dies ergebe einen Fehlbedarf von   2 Stellplätzen.

Dieser Bescheid erwuchs gegenüber den Beschwerdeführern in Rechtskraft (vgl. dazu das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes NÖ zu
LVwG-AV-20/001-2020).

1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:

1.2.1.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Jänner 2019, Zl. ***, wurde u.a. Herrn A und Frau C in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer der Liegenschaft mit der Anschrift ***, ***, gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe für 2 Stellplätze in der Höhe von € 18.700,- vorgeschrieben. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass durch den Bescheid des Bürgermeisters vom 26. Juli 2018, Zl. ***, ein zusätzlicher Stellplatzbedarf von 2 Stellplätzen ermittelt worden sei. Die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe sei in der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 13. Dezember 2012 mit € 9.350,- festgelegt worden. Für die nicht herstellbaren Stellplätze sei somit gemäß § 41 Abs. iVm § 63 NÖ Bauordnung 2014 eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe in der Höhe von € 18.700,- vorzuschreiben.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass gegenüber der B GmbH kein Abgabenbescheid erlassen worden ist und diese auch nicht Adressatin des Abgabenbescheides vom 17. Jänner 2019, Zl. ***, ist.

1.2.2.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2019 erhoben die drei genannten Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung gegen den Abgabenbescheid vom 17. Jänner 2019 und begründeten diesen damit, dass die Schaffung der Stellplätze auf der Liegenschaft *** nicht möglich gewesen sei. Daher seien die zusätzlichen Stellplätze auf dem Grundstück des Projektes der D GmbH geschaffen worden, da dort mehr als die Pflichtstellplätze vorhanden wären. Diese Vorgangsweise sei zulässig, da die Bauwerberin, die das Projekt bezüglich des *** verfolge und die Bauanzeige eingebracht habe, Eigentümerin des Grundstucks mit den beiden Stellplätzen sei und dieses in einer Wegentfernung von weniger als 300 m vom Baugrundstück entfernt liege. Der Bescheid des Bürgermeisters vom 26. Juli 2018 sei nicht allen Miteigentümern zugestellt worden, sodass er nicht rechtskräftig geworden sein könne. Die Beschwerdeführer hätten erst jetzt aufgrund des Bescheides vom 17. Jänner 2019 von diesem Bescheid vom 26. Juli 2018 erfahren. Auch gebe es infolge der Möglichkeiten auf dem Nachbargrundstück keinen zusätzlichen Stellplatzbedarf. Somit werde die ersatzlose Aufhebung des Abgabenbescheides vom 17. Jänner 2019 und des Bescheides vom 26. Juli 2018 beantragt.

1.2.3.

Der Stadtrat der Stadtgemeinde *** wies in Spruchpunkt II. des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides vom 16. August 2019, Zl. ***, die Berufung der B Gmbh gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Jänner 2019, Zl. ***, als unzulässig zurück, während die Berufungen von A und C als unbegründet abgewiesen wurden. Begründend wurde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass sich die Berufung der B GmbH als unzulässig erweise, da sie nicht Bescheidadressatin des Abgabenbescheides vom 17. Jänner 2019,
AZ. *** gewesen sei. Dagegen sei die Berufung von A und C zulässig, aber unbegründet, da gemäß § 63 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 eine Abstellanlage zwar - wenn technisch nicht möglich, wirtschaftlich unzumutbar oder verboten - auf einem anderen Grundstück hergestellt werden dürfe, jedoch müsse dieses Grundstück in einer Wegentfernung von grundsätzlich maximal 300 Metern liegen und seine Verwendung für die Anlage muss grundbücherlich sichergestellt sein, außer es steht im Eigentum des Verpflichteten. Die anzeigende D GmbH befinde sich nicht unter den Eigentümern der Liegenschaft ***, ***. Gemäß § 63 Abs. 6 NÖ Bauordnung 2014 müsse die Verwendung der PKW-Abstellanlage grundsätzlich grundbücherlich sichergestellt sein. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides über die Feststellung des Stellplatzbedarfes am 26. Juli 2018 sei eine grundbücherliche Sicherstellung auf den Liegenschaften der D GmbH zugunsten zumindest eines der Miteigentümer der Liegenschaft *** nicht vorhanden. Abgabenschuldner gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 seien die Eigentümer der Liegenschaft ***, *** zum Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld. Die Berufung von A und C gehe also insofern ins Leere, als die Voraussetzungen zur Schaffung der erforderlichen 2 PKW-Stellplätze infolge Änderung des Verwendungszweckes im Sinne des § 63 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 2014 auf einem anderen Grundstück als dem gegenständlichen Baugrundstück nicht gegeben seien. Darüber hinaus hätte die Frage der Schaffung der PKW-Stellplätze auf einem anderen Grundstück als dem Baugrundstück im Verfahren zur Feststellung des Stellplatzbedarfes erörtert werden müssen.

1.3. Beschwerdeverfahren:

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. September 2019 rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und führte begründend im Wesentlichen aus, dass sie Miteigentümer der Liegenschaft ***, ***, wären. Dabei handle es sich um ein Projekt der B GmbH, die in der Verwertung mit der Eigentümerin des Nachbargrundstücks *** kooperiere. Diese, die D GmbH, habe am 22. Juni 2018 eine Bauanzeige betreffend die Änderung des Verwendungszwecks einer Wohnung im Haus *** eingebracht. Diese Bauanzeige sei von der Baubehörde zur Kenntnis genommen worden. Mit Bescheid vom 26. Juli 2018 habe die Baubehörde erster Instanz festgestellt, dass auf der Liegenschaft der *** ein zusätzlicher Bedarf von zwei Stellplätzen bestehe. Dieser Bescheid sei nach ihrem Wissenstand nicht allen Eigentümern der Liegenschaft *** zugestellt worden. Er sei nach ihren Unterlagen lediglich Herrn A zugekommen, nicht aber Frau C und der B GmbH. Die Vorschreibung der SteIIpIatz-Ausgleichsabgabe sei somit zu Unrecht erfolgt.

1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2019 legte die Stadtgemeinde *** die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.

1.5. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten

a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;

b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. …

2.2. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. Nr. 52/2017:

Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge und Fahrräder

§ 41. (1) Ist die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge nicht möglich, dann hat der Eigentümer des Bauwerks oder des Grundstücks für die nach § 63 Abs. 7 festgestellte Anzahl von Stellplätzen eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, außer das Vorhaben liegt in einer Zone, für die eine Verordnung nach § 63 Abs. 8 erlassen wurde.

(2) Eine Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge hat der Eigentümer eines Bauwerks auch dann zu entrichten, wenn er verpflichtet war, Stellplätze für Kraftfahrzeuge herzustellen, diese jedoch ersatzlos aufgelassen wurden und eine Neuherstellung nicht mehr möglich ist (§ 15 Abs. 1 Z 1 lit. c).

(3) Die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge ist vom Gemeinderat mit einer Verordnung tarifmäßig auf Grund der durchschnittlichen Grundbeschaffungs- und Baukosten für einen Abstellplatz von 30 m2 Nutzfläche festzusetzen. …

(6) Die Stellplatz-Ausgleichsabgaben sind ausschließliche Gemeindeabgaben im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Ihr Ertrag darf nur für die Finanzierung von öffentlichen Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge und Fahrräder oder für Zuschüsse zu den Betriebskosten des öffentlichen Personen-Nahverkehrs verwendet werden.

Herstellung von Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge sowie Ein- und Ausfahrten

§ 63. (1) Wird ein Bauwerk gemäß Z 1 bis 7 errichtet, vergrößert oder dessen Verwendungszweck geändert oder die Anzahl von Wohnungen erhöht, sind dem voraussichtlichen Bedarf entsprechend Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge herzustellen. Die Mindestanzahl der Stellplätze ist mit Verordnung der Landesregierung festzulegen: …

Bei Änderungen des Verwendungszwecks von Gebäuden ist eine bereits anlässlich früherer Vorhaben erfüllte Stellplatzverpflichtung zu berücksichtigen.

(5) Die Abstellanlagen sind grundsätzlich auf dem Baugrundstück herzustellen.

(6) Ist die Herstellung oder Vergrößerung einer Abstellanlage mit der erforderlichen Anzahl von Stellplätzen nach Abs. 1 auf dem Baugrundstück

- technisch nicht möglich,

- wirtschaftlich unzumutbar oder

- verboten (Bebauungsplan),

darf die Anlage auf einem anderen Grundstück hergestellt werden. Dieses Grundstück muss

- in einer Wegentfernung bis zu 300 m liegen und

- seine Verwendung für die Anlage grundbücherlich sichergestellt sein, wenn dieses Grundstück nicht im Eigentum des Verpflichteten steht.

In begründeten Einzelfällen darf die Wegentfernung auf bis zu 600 m erweitert werden.

(7) Wenn auch das nicht möglich ist, ist in der Baubewilligung für das Vorhaben die erforderliche und nicht herstellbare Anzahl der Stellplätze festzustellen. Die Baubehörde nach § 2 Abs. 1 hat diese Feststellung in einem eigenen Bescheid vorzunehmen, wenn

- sie für die Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig ist oder

- eine Maßnahme nach § 15 Abs. 1 Z 1 lit. a gesetzt wird oder

- die Pflichtstellplätze abgeändert oder ersatzlos aufgelassen werden (§ 15 Abs. 1 Z 1 lit. c).

In diesen Fällen ist nach Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 Abs. 1 die Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Abs. 1 vorzuschreiben.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1. Zur Beschwerde der B GmbH:

3.1.1.1.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Diese Änderungsbefugnis („nach jeder Richtung“) ist durch die Sache begrenzt (vgl. Ritz, BAO 5, § 279, Rz. 10). "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 2009/15/0152, VwGH 2010/16/0032 und VwGH 2012/15/0161).

3.1.1.2.

Auf Grund einer gegen die Zurückweisung erhobenen Berufung darf die Berufungsbehörde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides (VwGH 2009/22/0080), nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden (VwGH 93/10/0165, VwGH 2008/03/0129 und VwGH 2008/21/0302). „Sache“ iSd § 66 Abs. 4 AVG ist allein die Frage, ob die Unterbehörde zu Recht eine Sachentscheidung über das Anbringen verweigert hat (VwGH 81/06/0127, VwGH 2004/06/0084 und VwGH 2008/04/0217).

Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für Bescheidbeschwerden an die Verwaltungsgerichte, und zwar selbst dann, wenn diese – wie das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO – zur Entscheidung „in der Sache selbst“ über die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid befugt sind.

Es war und ist der Rechtsmittelbehörde nämlich deshalb verwehrt, über den Rahmen der bloßen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Formalentscheidung der Vorinstanz hinaus mit einer Entscheidung über den Gegenstand des Verfahrens vorzugehen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen würde (vgl. VwGH 2012/11/0013, VwGH 2004/21/0014, VwGH 2002/12/0232 und VwGH 94/18/1046).

Dem Verwaltungsgericht ist es nicht möglich, eine Entscheidung in der Sache unter Umgehung der zuständigen Behörde zu treffen (vgl. VwGH Ra 2014/07/0002).

3.1.1.3.

Im gegenständlichen Fall hat die – im zweigliedrigen Instanzenzug im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde – zuständige Berufungsbehörde die Berufung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Dem Landesverwaltungsgericht ist es verwehrt, über den Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisungsentscheidung hinaus mit einer Entscheidung über den Gegenstand des Verfahrens vorzugehen, d.h. eine Sachentscheidung über den Erstantrag durch das Landesverwaltungsgericht kommt in diesem Verfahren nicht in Betracht.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens („Sache“) ist somit im konkreten Fall ausgehend vom Spruch des angefochtenen Berufungsbescheides nur die Frage, ob die vorgenommene Zurückweisung der Berufung vom 18. Februar 2019 zu Recht erfolgte. Das Landesverwaltungsgericht ist lediglich befugt, darüber zu entscheiden, ob die durch die belangte Behörde ausgesprochene Zurückweisung der Berufung rechtmäßig war.

Die Zurückweisung einer Berufung gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO, auf welchen sich der Spruch des angefochtenen Bescheides stützt, kommt bei einer unzulässigen Ergreifung eines Rechtsmittels in Betracht.

3.1.1.4.

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid unter anderem im Spruch die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Aus der Nennung des Adressaten im Spruch eines Bescheides ergibt sich das Leistungsgebot. Somit darf nur von demjenigen die Erbringung einer Leistung verlangt werden, an den der Bescheid gerichtet ist (vgl. VwGH 2010/17/0043).

Gegenüber der B GmbH wurde nun weder ein Abgabenbescheid erlassen oder zugestellt, noch war die B GmbH im Bescheid vom 17. Jänner 2019 als Bescheidadressatin erwähnt.

Die Zurückweisung der Berufung der B GmbH vom 18. Februar 2019 mit dem nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid vom 16. August 2019 erweist sich somit als rechtsrichtig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.2. Zu den Beschwerden von A und C:

3.1.2.1.

Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.

Der Abgabentatbestand für die Stellplatz-Ausgleichsabgabe ist erst mit dem Abspruch der Baubehörde im Baubewilligungsbescheid bzw. im Bescheid über die Anzahl der zu errichtenden bzw. der fehlenden Stellplätze verwirklicht (zur vergleichbaren Rechtslage nach der Wiener Bauordnung etwa VwGH 2009/17/0264 oder VwGH 2011/17/0172 zur NÖ Bauordnung 1996).

3.1.2.2.

Gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 hat der Eigentümer des Bauwerks oder des Grundstücks für die nach § 63 Abs. 7 festgestellte Anzahl von Stellplätzen eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, wenn die Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge nicht möglich ist. Gemäß § 41 Abs. 3 leg.cit. ist die Höhe der Stellplatz-Ausgleichsabgabe für Kraftfahrzeuge vom Gemeinderat mit einer Verordnung tarifmäßig auf Grund der durchschnittlichen Grundbeschaffungs- und Baukosten für einen Abstellplatz von 30 m² Nutzfläche festzusetzen. Diese Festsetzung ist mit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 13. Dezember 2012 erfolgt. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Die Erlassung des Abgabenbescheides vom 19. Februar 2019 auf Basis der vorgenannten Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 13. Dezember 2012 erfolgte somit grundsätzlich zu Recht.

3.1.2.3.

Wie § 63 Abs. 7 NÖ Bauordnung 2014 zeigt, hat bei Anzeige einer Verwendungsänderung eine entsprechende Feststellung über die erforderliche und nicht herstellbare Anzahl der Stellplätze in einem eigenen Bescheid zu erfolgen, wenn die Pflichtstellplätze abgeändert werden. In diesen Fällen ist nach Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 Abs. 1 die Stellplatz-Ausgleichsabgabe gemäß § 41 Abs. 1 vorzuschreiben (vgl. VwGH 2003/17/0217).

Im vorliegenden Fall wurde mit der Anzeige der Verwendungsänderung (Ordination statt Wohnung) vom 22. Juni 2018 eine Feststellung über die Änderung der Zahl der Pflichtstellplätze notwendig. Demgemäß hat der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** dann den Bescheid vom 26. Juli 2018 erlassen, der den Beschwerdeführen auch nachweislich zugestellt worden ist (neben den anderen Miteigentümern). Da dieser Bescheid weder von den Beschwerdeführern noch von anderen Miteigentümern bekämpft wurde, ist er in Rechtskraft erwachsen.

Daraus folgt, dass der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** in der Folge den im Instanzenzug bekämpften Abgabenbescheid vom 17. Jänner 2019 erlassen durfte, da der Abgabentatbestand bereits verwirklicht worden war und der Bescheid vom 26. Juli 2018 in Rechtskraft erwachsen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Stellplatz-Ausgleichsabgabe; Verfahrensrecht; Beschwerde; Prüfungsumfang; Bescheidadressat;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.15.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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