TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/22 97/17/0439

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Veröffentlicht am 22.06.1998
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Index

14/02 Gerichtsorganisation;
27/04 Sonstige Rechtspflege;

Norm

ASGG §66 Abs1;
ASGG §77 Abs1;
ASGG §79;
ASGG §93;
GEG §1 Z5;
GEG §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, in der Beschwerdesache des Dr. H in G, vertreten durch Dr. T und Dr. C, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. Oktober 1997, Zl. Jv 2.994-3/97, betreffend Berichtigung eines Zahlungsauftrages nach dem GEG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Der Beschwerdeführer führte vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien gegen das Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland, ein Verfahren wegen Insolvenz-Ausfallgeld.

Mit Urteil vom 16. Dezember 1996 sprach das Arbeits- und Sozialgericht dem Kläger mit Rücksicht auf seine Erfolgsquote von 85,78 % gegenüber der beklagten Partei unter Anwendung des § 43 Abs. 1 ZPO Ersatz von 71,56 % der von seinem Vertreter, einem Arbeitnehmer einer gesetzlichen Interessensvertretung, für sich verzeichneten Fahrtkosten von S 1.306,--, also S 934,47, an Kosten zu.

Mit dem Zahlungsauftrag vom 13. Oktober 1997 wurde dem Beschwerdeführer der Ersatz seiner, ihm seinerzeit gemäß § 79 ASGG aus Amtsgeldern vom Rechnungsführer als "Versichertengebühr" überwiesenen Fahrtkosten für die Teilnahme an einer näher genannten Verhandlung in der Höhe von S 632,-- samt der gemäß § 6 Abs. 1 GEG zu entrichtenden Einhebungsgebühr von S 100,--, insgesamt sohin der Betrag von S 732,-- zur Zahlung vorgeschrieben.

1.2. "Aus Anlaß" des dagegen erhobenen Berichtigungsantrages (§ 7 Abs. 1 GEG) änderte die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid den Zahlungsauftrag dahin ab, daß neben der Einhebungsgebühr gemäß § 6 GEG in der Höhe von S 100,-- ein Fahrtkostenersatz gemäß § 2 GEG in der Höhe von S 89,87, insgesamt daher ein Betrag von S 189,87 zur Zahlung vorgeschrieben wurde.

1.3. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Er erachtet sich durch die "rechtswidrige Anwendung der Bestimmungen des § 77 Abs. 1 ASGG, § 79 Abs. 1 ASGG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 GEG (§ 1 Z. 5 GEG) in seinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, seinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in einem sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 65 Abs. 1 Z. 7 ASGG in Verbindung mit § 77 Abs. 1 ASGG ohne Kostentragung bzw. gebührenfrei (mit Ausnahme der Kosten eines Anwalts) durchzusetzen".

1.4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. In dieser beantragt sie erkennbar, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland sei nicht als Träger der Sozialversicherung anzusehen; die Bestimmung des § 93 ASGG sei nicht auf Sozialrechtssachen nach § 65 Abs. 1 Z. 7 ASGG (Ansprüche nach IESG) anzuwenden.

2.0 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und inhaltlich gleich vor dem Verwaltungsgerichtshof läßt sich dahin zusammenfassen, daß in Sozialrechtssachen - worunter gemäß § 65 Abs. 1 Z. 7 ASGG auch das von ihm geführte Verfahren wegen Insolvenz-Ausfallgeld zu zählen sei - aus sozialen Erwägungen besondere Vorschriften über die Kostentragung gelten. Es sei daher die Bestimmung des § 77 Abs. 1 ASGG anzuwenden, wonach der Versicherungsträger die Kosten, die ihm durch das Verfahren erwachsen sind, ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen hat; dies gelte auch für den Ersatz der dem Beschwerdeführer als Partei entstandenen Reisekosten.

2.2. Gemäß § 1 Z. 5 GEG hat das Gericht in bürgerlichen Rechtssachen alle Kosten, die aus Amtsgeldern berichtigt wurden, sofern sie von einer Partei zu ersetzen sind, von Amts wegen einzubringen. Gemäß § 2 Abs. 1 GEG sind diese Kosten dem Bund von der Partei zu ersetzen, die nach den bestehenden Vorschriften hiezu verpflichtet ist. Hiebei ist gemäß § 2 Abs. 1 GEG, wenn über die Kostenersatzpflicht der Parteien schon rechtskräftig entschieden worden ist, von dieser Entscheidung auszugehen. Mangels einer Vorschrift oder Entscheidung sind Beträge von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlaßt haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen worden ist.

Gemäß § 65 Abs. 1 Z. 7 ASGG sind Sozialrechtssachen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld oder einen Vorschuß auf dieses nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, BGBl. Nr. 324/1977.

Die §§ 66 Abs. 1 und 77 Abs. 1 ASGG lauten wie folgt:

"§ 66. (1) Diejenigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, die sich auf Versicherungsträger beziehen, sind auch auf Träger der Sozialhilfe, Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen (§ 10 IESG) und sonstige Entscheidungsträger (§ 22 Abs. 1 Z. 3 bis 8 BPGG) anzuwenden, diejenigen Bestimmungen, die sich auf Versicherte beziehen, auf alle anderen Parteien.

§ 77. (1) Vorbehaltlich des Abs. 3 und des § 79 hat in einer Rechtsstreitigkeit zwischen einem Versicherungsträger und einem Versicherten

1. Der Versicherungsträger die Kosten, die ihm durch das Verfahren erwachsen sind, ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen; das gilt auch für den Ersatz der Gebühren der Zeugen und Sachverständigen sowie den mit Augenschein verbundenen Aufwand;

2. der Versicherte gegenüber dem Versicherungsträger Anspruch auf Ersatz aller seiner sonstigen durch die Prozeßführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Verfahrenskosten

a) - vorbehaltlich des Abs. 2 - nach dem Wert des Ersiegten;

b dem Grunde und der Höhe nach nur nach Billigkeit, wenn er

zur Gänze unterliegt; dabei ist besonders auf die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens sowie auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten Bedacht zu nehmen."

Die hier nicht in Betracht kommenden Abs. 2 und 3 des § 77 behandeln den Kostenersatzanspruch bei Rechtsstreitigkeiten auf Feststellung oder wiederkehrende Leistung bzw. Kostenersatz an den Versicherungsträger bei Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung durch den Versicherten.

§ 79 ASGG regelt unter der Überschrift "Gebührenansprüche von Versicherten" diese wie folgt:

"§ 79. (1) Ein Versicherter hat in sinngemäßer Anwendung der für Zeugen geltenden Bestimmungen des GebAG 1975 Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Kosten und Entschädigung für Zeitversäumnis sowie auf den Entgang an Krankengeld und an Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, wenn er

1.

zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, ohne vorher vom Gericht ausdrücklich die Mitteilung erhalten zu haben, daß sein Erscheinen nach dem Verfahrensstand nicht erforderlich ist,

2.

trotz der Mitteilung nach Z. 1 zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, aber sein Erscheinen doch erforderlich war oder

3.

auf Anordnung des Gerichts anderen Orts erschienen ist.

(2) Über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung nach Abs. 1 Z. 2 hat der Vorsitzende zu entscheiden."

Gemäß § 93 Abs. 1 ASGG sind die bei den ordentlichen Gerichten im Rahmen ihrer Tätigkeit in Verfahren in Sozialrechtssachen erwachsenden Kosten, in denen ein Träger der Sozialversicherung Partei ist, von den Trägern der Sozialversicherung zu tragen; diese Kosten umfassen die den Zeugen, Sachverständigen und Parteien sowie den fachkundigen Laienrichtern zu leistenden Gebühren bzw. Entschädigungen.

Nach § 93 Abs. 2 zweiter Satz ASGG findet das gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, BGBl. Nr. 288, in diesem Zusammenhang keine Anwendung.

2.3. Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die Ansicht der belangten Behörde, daß § 93 ASGG für Verfahren nach § 65 Abs. 1 Z. (6 und) 7 ASGG nicht gelte. Diese Ansicht der belangten Behörde findet jedoch ihre Stütze in der Absicht des Gesetzgebers (vgl. 7 Blg. NR XVI. G.P., 19).

Damit ist für die belangte Behörde nichts gewonnen. Aus der Unanwendbarkeit des § 93 ASGG auf andere Versicherungsträger im Sinne des § 66 Abs. 1 ASGG folgt nämlich nicht, daß der Versicherte die ihm ausbezahlte Gebühr im Sinne des § 79 dem Bund zu erstatten habe.

2.4. Im Beschwerdefall haben die unter der Überschrift "Kostenersatzansprüche" getroffenen Regelungen des § 77 Abs. 1 und § 79 ASGG zur Anwendung zu kommen. Danach ist eine Kostenersatzpflicht des Versicherten hinsichtlich der ihm ausbezahlten Gebühr im Sinne des § 79 ASGG nicht vorgesehen. Vielmehr hat gemäß § 77 Abs. 1 Z. 1 der Versicherungsträger die Kosten, die ihm durch das Verfahren erwachsen sind, ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen. In der gegenständlichen Sozialrechtssache war Versicherungsträger im Sinne des § 66 Abs. 1 ASGG der Bund. Ein Ersatz der Versichertengebühr laut dem in § 77 Abs. 1 ASGG vorbehaltenen § 79 ASGG, die der Bund ausgelegt hat, an diesen kommt daher nicht in Frage und ist auch in § 79 ASGG nicht vorgesehen. Ein Fall des § 77 Abs. 3 ASGG liegt aber - wie bereits erwähnt - nicht vor.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann daher die Kostenentscheidung des Gerichtes nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 zweiter Satz GEG so ausgelegt werden, daß damit auch über die "Versichertengebühren" im Sinne des § 79 Abs. 1 ASGG abgesprochen wurde. Es handelt sich nämlich um der Art nach andere Gebühren, als sie nach der erkennbaren Absicht der Kostenentscheidung des Gerichtes von diesem zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht wurden, nämlich um Fahrtkostenersatz an den Repräsentanten der Interessenvertretung, aber nicht um Kosten nach § 77 Abs. 1 und § 79 ASGG, zumal ein Fall des § 77 Abs. 3 ASGG nicht vorlag, eine Kostenersatzentscheidung also diesbezüglich überhaupt nicht in Betracht gekommen wäre.

Es liegt daher keine Entscheidung über die Kostenersatzpflicht der Parteien im Sinne des § 2 Abs. 1 GEG vor, die im Sinne des zweiten Satzes leg. cit. als Grundlage für die Einbringung der "Versichertengebühr" dienen darf. Damit fehlt aber auch das von § 1 Z. 5 GEG geforderte Merkmal "sofern sie von einer Partei zu ersetzen sind", weil im vorliegenden Fall auch nach dem Gesetz gemäß § 77 Abs. 1 in Verbindung mit § 79 ASGG eine Ersatzpflicht hinsichtlich der "Versichertengebühr" nicht besteht. § 77 Abs. 1 ASGG trifft seine Regelungen nämlich "vorbehaltlich des § 79".

Aus § 79 Abs. 1 ASGG ergibt sich aber der Anspruch des Versicherten auf die dort genannten Gebührenansprüche unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, weshalb er - vom hier nicht verwirklichten Fall des § 77 Abs. 3 ASGG abgesehen - nicht dazu verpflichtet ist, dem Bund diese ihm gesetzmäßig ausbezahlten Gebühren zu ersetzen. Dafür, daß die Auszahlung an den Beschwerdeführer nicht gemäß § 79 Abs. 1 ASGG rechtmäßig erfolgte, bietet sich kein Anhaltspunkt.

2.5. Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997170439.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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