TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/23 97/21/0770

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Veröffentlicht am 23.06.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
B-VG Art8;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §41;
FrG 1993;
VwGG §46 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des AM, (geboren am 25. November 1973), in Leoben, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 14. Juli 1997, Zl. Fr-62/97, betreffend

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 27. Dezember 1996 betreffend Ausweisung und 2. Zurückweisung der Berufung gegen den vorgenannten Bescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 1997 wies die belangte Behörde einerseits den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 71 Abs. 1 AVG ab (Spruchpunkt I.) und andererseits die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Ausweisungsbescheid als verspätet zurück (Spruchpunkt II.).

Spruchpunkt I. begründete die belangte Behörde dahingehend, daß die mangelnden Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten seien, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könne. Weiters gehe aus dem Akteninhalt zweifelsfrei hervor, daß der Beschwerdeführer vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides unter Beiziehung eines Dolmetschers vernommen wurde und er dabei ausreichend Gelegenheit gehabt habe, seine Informationsdefizite auszugleichen. Außerdem seien der Bescheid und auch die Rechtsmittelbelehrung anläßlich der Bescheidübergabe durch einen Dolmetscher übersetzt worden. Der Beschwerdeführer sei zu diesem Zeitpunkt auch nicht psychisch zu sehr belastet gewesen.

Die Zurückweisung der Berufung als verspätet begründete die belangte Behörde damit, daß die Rechtsmittelfrist am 10. Jänner 1997 geendet habe, und der Poststempel auf dem Kuvert, welches die Berufung beinhaltete, vom 27. Jänner 1997 datiere. Daraus ergebe sich, daß die gegenständliche Berufung verspätet eingebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 71 Abs. 1 Z. 1 AVG lautet auszugsweise:

"Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag ... die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft."

Der Beschwerdeführer bringt vor, seinen Wiedereinsetzungsantrag nicht allein auf seine mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache und seine Unkenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften gestützt zu haben. Vielmehr stellten diese Tatsachen in Verbindung mit dem Umstand, daß der Beschwerdeführer während der Rechtsmittelfrist in Schubhaft angehalten worden sei, ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG dar.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Vorauszuschicken ist, daß kein Anspruch eines Fremden auf Erlassung eines Bescheides nach dem Fremdengesetz in einer ihm verständlichen Sprache besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zlen. 98/21/0035, 0036). Weiters stellt die Verhängung der Schubhaft über den Fremden keine taugliche Begründung für einen Wiedereinsetzungsantrag dar (vgl. auch dazu das vorzitierte hg. Erkenntnis). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt nämlich einem in Schubhaft befindlichen Fremden die Dispositionsfähigkeit nicht soweit, daß er allein deswegen zur Wahrung der Rechtsmittelfrist außerstande wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0180). Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, warum es ihm während der Schubhaft unmöglich gewesen wäre, mit einem Dolmetscher bzw. einer Kontaktperson in Verbindung zu treten, um mit deren Hilfe die Berufung rechtzeitig einzubringen. Die verhängte Schubhaft ist - ebenso wie mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum (vgl. den hg. Beschluß vom 26. November 1980, VwSlg. Nr. 10.309/A) - für sich allein kein Grund, der es zuließe, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden zu werten. Auch das Zusammentreffen der vom Beschwerdeführer aufgezeigten Umstände vermag ohne das Hinzutreten eines ihn konkret treffenden Hinderungsgrundes, der über die allgemeine Situation eines in Schubhaft befindlichen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Fremden hinausgeht, die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen.

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge geltend macht, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer selbst bzw. die Flüchtlingsberaterin von Amnesty International, welche als Zeugin beantragt worden sei, zu vernehmen, kann diesem Vorbringen nicht entnommen werden, wie sich die Beweisaufnahme auf die Entscheidung der belangten Behörde hätte auswirken können. Aus der Erhebung einer nicht näher konkretisierten Verfahrensrüge kann mangels Darlegung der Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden.

Soweit der Beschwerdeführer die Zurückweisung der Berufung (Spruchpunkt II.) bekämpft, ist ihm zu erwidern, daß die Behörde ungeachtet des im übrigen gleichzeitig abgewiesenen Wiedereinsetzungsantrages die unbestritten verspätete Berufung zurückzuweisen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, VwSlg. Nr. 12.275/A).

Die Beschwerde war somit insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997210770.X00

Im RIS seit

28.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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