TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 W151 2226055-1

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

AuslBG §4 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
Richtlinie 2013/33/EU Aufnahme-RL Art. 15

Spruch

W151 2226055-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Kohl, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Sascha ERNSZT als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Michaela Krömer, LL.M., Rechtsanwältin, Riemerplatz 1, 3100 St. Pölten, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG für den Arbeitnehmer XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Oberwart vom 25.09.2019, GZ. XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 04.09.2019 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Arbeitnehmer XXXX (im Folgenden DN) beim Arbeitsmarktservice Oberwart (im Folgenden belangte Behörde oder AMS) für die berufliche Tätigkeit eines Elektroinstallateurs (Lehrling) mit einer Entlohnung laut Kollektivvertrag im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden.

2. Mit Bescheid vom 25.09.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den DN gemäß § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 iVm. § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG ab und begründete dies damit, dass gemäß Erlass vom 12.09.2018 des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Anträge auf Beschäftigungsbewilligung für AsylwerberInnen gemäß § 4 Abs 1. Bzw. Abs. 2 - aufgrund Sicherstellung eines geordneten Asylwesens bzw. gem. § 4 Abs. 3 Z 1 - keine einhellige Befürwortung durch den Regionalbeirat, abzulehnen sind.

Der Beirat der regionalen Geschäftsstelle des AMS Oberwart vom 16.09.2019 habe dem Antrag nicht einhellig zugestimmt.

3. Dagegen erhob die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, die Zustimmung des Regionalbeirates sei gemäß Österreichischer Stellungnahme an die Europäische Kommission gemäß Art. 28 zur Umsetzung der RL 2013/33/EU kein zwingendes Erteilungskriterium. Zudem sei die unmittelbare Anwendung von Art 15 und Art 16 der Aufnahme-RL gegeben.

4. Mit Schreiben vom 03.12.2019 legte das AMS die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 04.09.2019 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den Arbeitnehmer XXXX beim AMS für die berufliche Tätigkeit eines Elektroinstallateurs mit einer Entlohnung laut Kollektivvertrag im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden.

Die belangte Behörde führte ein Ersatzkraftverfahren durch. Es konnte aus Gründen, die nicht die Beschwerdeführerin zu vertreten hatte, keine Ersatzkraft vermittelt werden.

1.2. Der DN ist Staatsbürger von Afghanistan. Über den Antrag des DN auf internationalen Schutz entschied das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland mit Bescheid vom 03.04.2017. Gegen jenen Bescheid des BFA erhob der DN Beschwerde und das Beschwerdeverfahren dazu ist gegenwärtig beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Die Verzögerungen im Asylverfahren sind nicht auf ein Verschulden des DN zurückzuführen.

1.3. Die belangte Behörde wies den beschwerdegegenständlichen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung mangels einhelliger Zustimmung des Regionalbeirates ab.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des AMS zum gegenständlichen Verfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2 Gemäß § 4 Abs 1 Z 1 AuslBG ist einem Arbeitgeber auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und der Ausländer seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht gemäß den § 13 AsylG 2005 verfügt.

3.3 Gemäß § 4 Abs 3 Z 1 AuslBG darf die Beschäftigungsbewilligung dem Arbeitgeber bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß Abs 1 und 2 nur erteilt werden, wenn der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet.

3.4 Gemäß § 1 Z 1 Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV) dürfen über die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 14 Abs 1 AuslBG hinaus Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer erteilt werden, deren Beschäftigung im Hinblick auf ihre fortgeschrittene Integration geboten erscheint.

3.5 Regelungen der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahme-RL):

Gemäß Art 15 Abs 1 Aufnahme-RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann.

3.6 Gemäß Art 15 Abs 2 Aufnahme-RL beschließen die Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird, wobei sie gleichzeitig für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller sorgen. Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten Bürgern der Union, Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen.

3.7 Gemäß Art 15 Abs 3 Aufnahme-RL darf das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden.

3.8 Gemäß Art 28 Abs 1 Aufnahme-RL führen die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrer verfassungsrechtlichen Struktur Mechanismen ein, um eine geeignete Lenkung, Überwachung und Steuerung des Niveaus der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile sicherzustellen.

3.9 Gemäß Art 28 Abs 2 Aufnahme-RL übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unter Verwendung des Vordrucks in Anhang I spätestens am 20. Juli 2016 die entsprechenden Informationen.

3.10 Die Österreichische Stellungnahme an die Europäische Kommission gemäß Art 28 zur Umsetzung der Aufnahme-RL lautet:

"In Entsprechung des Artikels 15 Abs. 1 der Aufnahme-RL haben Asylwerberinnen und Asylwerber Arbeitsmarktzugang im Wege eines Beschäftigungsbewilligungsverfahrens gemäß § 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG). Potentielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben die Beschäftigungsbewilligung vor Arbeitsaufnahme der Asylwerberinnen und Asylwerber einzuholen. Die nach Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU zulässige Arbeitsmarktprüfung erfolgt nach Maßgabe des § 4b AuslBG, wonach Ausländerinnen und Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürgerinnen und -Bürger, Schweizerinnen und Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmerinnen und-arbeitnehmer oder Ausländerinnen und Ausländer mit unbeschränkten Arbeitsmarktzugang Vorrang einzuräumen ist. Beschäftigungsbewilligungen sind für Asylwerber und Asylwerber zulässig, die seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen sind und einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz haben. Die übrigen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erforderlichen allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG dienen insbesondere der Verhinderung illegaler Beschäftigung und der Sicherung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung unter Einhaltung der geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen."

Im Beschwerdefall erweist sich der bekämpfte Bescheid in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die belangte Behörde begründete die Abweisung des vorliegenden Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen Lehrling damit, dass der Regionalbeirat der Erteilung der Bewilligung nicht einhellig zugestimmt hat. Somit geht die belangte Behörde davon aus, dass die Zulassung von Asylwerbern zum österreichischen Arbeitsmarkt nur unter den im AuslBG normierten Voraussetzungen möglich ist und - unabhängig von der Arbeitsmarktlage und den weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 iVm 1AuslBG - für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung eine der in § 4 Abs. 3 AuslBG normierten Voraussetzungen erfüllt sein muss.

Dem ist jedoch zunächst entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde damit von der in der Stellungnahme an die Europäische Kommission geäußerten Rechtsansicht Österreichs abweicht, der zufolge bei der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber lediglich die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 iVm § 4b AuslBG erfüllt sein müssen.

Darüber hinaus stünde eine derartige Einschränkung der Arbeitsmarktzulassung auf die im § 4 Abs. 3 AuslBG oder in der BHZÜV genannten Personengruppen Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU entgegen, wonach Asylwerbern ein effektiver Arbeitsmarktzugang zu ermöglichen ist.

So ist auch dem Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Richtlinie 2013/33/EU (COM/2008/815/FINAL) zu entnehmen, dass der tatsächliche Zugang von Asylwerbern zu einer Beschäftigung nicht in unangemessener Weise beschränkt werden darf und eine faire Chance auf Zugang zu einer Beschäftigung bestehen muss.

Dies wäre jedoch bei einer Einschränkung auf Asylwerber, die die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 AuslBG oder der BHZÜV erfüllen - also de facto auf Asylwerber, deren Bewilligung vom Regionalbeirat einhellig befürwortet wird (Abs. 3 Z 1) oder die im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 AuslBG beschäftigt werden sollen (Abs. 3 Z 5) - gerade nicht der Fall, zumal damit nur in Einzelfällen eine Beschäftigung ermöglicht würde.

Lehrlinge sind nach österreichischem Recht Arbeitnehmer, auch § 4 Abs. 2 AuslBG sieht eine entsprechende Bestimmung für Lehrlinge vor. Bei diesem System der dualen Ausbildung ist davon auszugehen, dass dieses Teil des Arbeitsmarktes ist und dass Lehrlinge daher (zumindest auch) grundsätzlich unter Art. 15 der Richtlinie 2013/33/EU fallen.

Art. 15 der Richtlinie 2013/33/EU gelangt im Beschwerdefall zur Anwendung, da die zuständige Behörde ihre Asylentscheidung mehr als neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz erlassen hat und das Beschwerdeverfahren bis dato noch nicht abgeschlossen ist. Diese Verzögerung kann nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden.

Dementsprechend steht das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 AuslBG in unmittelbarer Anwendung des Art. 15 Abs. 2 Richtlinie 2013/33/EU der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht entgegen.

Gemäß § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 iVm § 4b AuslBG ist vor der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung eine Arbeitsmarktprüfung (Ersatzkraftstellungsverfahren) durchzuführen. Dies entspricht auch der oben zitierten Stellungnahme Österreichs an die Europäisches Kommission, der zufolge die nach Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU zulässige Arbeitsmarktprüfung nach Maßgabe des § 4b AuslBG erfolgt.

Ein Ersatzkraftverfahren wurde seitens der belangten Behörde durchgeführt. Es konnte aus Gründen, die nicht die Beschwerdeführerin zu vertreten hatte, keine Ersatzkraft vermittelt werden.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung vorliegen, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.

Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).

Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor, da keine Tatsachenfragen aufgeworfen wurden, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vorliegend zu beurteilenden Rechtsfragen fehlt: ob eine Lehre als Beschäftigung im Sinne von Art. 15 der Richtlinie 2013/33/EU und/oder als berufliche Bildung im Sinne von Art. 16 der Richtlinie 2013/33/EU zu qualifizieren ist und ob im Falle der Arbeitsmarktzulassung von Antragstellern iSd Art. 15 der Richtlinie 2013/33/EU mittels Beschäftigungsbewilligung die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 AuslBG erfüllt sein müssen.

Schlagworte

Asylwerber, Beschäftigungsbewilligung, Lehrausbildung,
Regionalbeirat, Revision zulässig, Richtlinie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W151.2226055.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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