TE Vfgh Beschluss 1996/9/24 B4021/95

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Veröffentlicht am 24.09.1996
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83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
UVP-G §3 Abs6
UVP-G §19
VfGG §19 Abs3 Z2 lite

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde des Landes Oberösterreich gegen einen Bescheid des Umweltsenates mangels Legitimation; kein subjektives Recht des Landes zur Teilnahme an einem Verfahren zur Feststellung der Erforderlichkeit eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens nach dem UVP-G; keine Begründung der Parteistellung durch Bescheidzustellung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird keine Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die A.S.A. AG stellte am 20. Dezember 1993 gemäß §29 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. 325/1990, idgF, (AWG), den Antrag an den Landeshauptmann von Oberösterreich als Abfallwirtschaftsbehörde auf Genehmigung zur Errichtung einer Anlage zur Verbrennung gefährlicher Abfälle mit Standort Neukirchen an der Enknach. Am 12. Oktober 1994 wurde ein "technisches Detailprojekt" vorgelegt, das die bisherigen Antragsunterlagen ergänzen sollte. Der darauf folgende Schriftverkehr zwischen der antragstellenden Gesellschaft und der Behörde bezog sich im wesentlichen auf die Frage, ob durch die ergänzenden Antragsunterlagen und den weiteren Eingaben eine wesentliche Änderung des Projektsinhaltes und somit ein neuer Antrag vorliegt.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1995, UR-303704/219-1995, stellte die Oberösterreichische Landesregierung gemäß §3 Abs6 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, BGBl. 697/1993, (UVP-G), fest, daß von einem Antragszeitpunkt nach dem 31. Dezember 1994 auszugehen ist und für diese Anlage eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G durchzuführen ist.

Der Umweltsenat hat in der Folge mit Bescheid vom 13. November 1995, US-01/1995/2, als im Instanzenzug übergeordnete Behörde der Berufung der A.S.A. AG gegen den Feststellungsbescheid der Oberösterreichischen Landesregierung unter Annahme eines vor dem 31. Dezember 1994 liegenden Antragszeitpunktes Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos behoben.

2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde behauptet das beschwerdeführende Land Oberösterreich die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil "aufgrund der Wirkung des angefochtenen Bescheides (es) nicht möglich (ist), ein von Gesetzes wegen erforderliches Verfahren nach dem UVP-G durchzuführen".

Zwar habe die Oberösterreichische Landesregierung als belangte Behörde im Verfahren vor dem Umweltsenat keine Parteistellung, da der Umweltsenat sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist, daraus folge, daß die Landesregierung als Organpartei im Verfahren vor dem Umweltsenat keine subjektiven Rechte wahrnehmen kann. Damit scheide - wie die Oberösterreichische Landesregierung darlegt - aber auch eine Bescheidbeschwerde durch die Landesregierung selbst aus.

Es sei aber auf Grund des "Eingriffes in die Vollzugskompetenz des Landes augenscheinlich", daß das Land Oberösterreich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten betroffen und im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde. Da ihr die in Beschwerde gezogene Entscheidung zugestellt worden sei, sei "das Land Oberösterreich als Bescheidadressat anzusehen und damit auch die Beschwerdelegitimation gegeben".

Zudem erachtet sich das Land Oberösterreich im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt, da der Umweltsenat in einem wichtigen Punkt ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen habe.

2. Der Umweltsenat hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die Beschwerdelegitimation des Landes Oberösterreich bezweifelt. Eine Gebietskörperschaft habe "in Ausübung des ihr durch die Kompetenzverteilung der Verfassung übertragenen Kompetenzbereichs - mangels spezieller Anordnung durch die Verfassung selbst -" keine subjektiven Rechte.

Desweiteren tritt der Umweltsenat den Behauptungen des Landes Oberösterreich bezüglich der behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte entgegen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beschwerdelegitimation nur dann gegeben, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Parteien verletzt worden sein kann, wenn mithin die bescheidmäßige Anordnung oder Feststellung die subjektive Rechtssphäre berühren, der Bescheid also subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (s. zB VfSlg. 7226/1973 mwH). Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon ausgesprochen hat (VfSlg. 5358/1966, 8746/1980), hat die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte zwingend die Parteistellung im Verwaltungsverfahren zur Folge, oder - anders gesagt - es kann die für die Beschwerdeberechtigung maßgebende Möglichkeit, durch den Bescheid in der Rechtssphäre verletzt zu werden, nur bei Personen vorliegen, denen an der im konkreten Verwaltungsverfahren behandelten Sache die Stellung einer Partei zugekommen ist.

Davon ausgehend setzt die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde voraus, daß dem beschwerdeführenden Land Oberösterreich ein subjektives Recht auf rechtmäßige Entscheidung in einem Verfahren zur Feststellung der Erforderlichkeit eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens gemäß §3 Abs6 UVP-G zukommt. Wie die Vorschrift des §19 UVP-G im Verein mit §3 Abs6 UVP-G zeigt, besitzen eine entsprechende Parteistellung nur der Projektwerber, eine etwaige, hier nicht in Betracht kommende (vgl. §§2 Abs1 UVP-G) "mitwirkende Behörde", der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Dem Land Oberösterreich ist sohin durch das UVP-G kein subjektives Recht zur Teilnahme am Verfahren nach §3 Abs6 UVP-G und damit auch keine Beschwerdelegitimation eingeräumt.

Weiters hält der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung (VfSlg. 177/1923, Anhang Nr. 18/1952) fest, daß das Beschwerderecht nach Art144 B-VG lediglich der der Verwaltungsbehörde gegenüberstehenden Partei, nicht aber einer Unterbehörde gegenüber dem Bescheid einer ihr instanzenmäßig vorgesetzten Behörde zusteht. Auch aus der rechtlich begründeten Entscheidungskompetenz der Oberösterreichischen Landesregierung gemäß §39 Abs1 UVP-G ist kein subjektives Recht (geschweige denn eines des Landes Oberösterreich) ableitbar.

Die für das Land Oberösterreich beschwerdeführende Landesregierung kann die behauptete Parteistellung ferner auch nicht aus der Zustellung des bekämpften Bescheides ableiten. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet nämlich die Zustellung eines Bescheides allein - mangels eines subjektiven Rechts - noch keine Parteistellung (vgl. etwa VwGH 12.10.1995, 94/06/0254).

2. Dem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war keine Folge zu geben, da nach Art144 Abs3 B-VG eine solche Abtretung nur in den hier nicht gegebenen Fällen der Ablehnung der Behandlung oder der Abweisung der Beschwerde in Betracht kommt.

3. Diese Entscheidung konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG getroffen werden.

Schlagworte

Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, VfGH / Legitimation, Verwaltungsverfahren, Parteistellung, Parteistellung Umweltschutz, Zustellung, Rechte subjektive

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B4021.1995

Dokumentnummer

JFT_10039076_95B04021_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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