TE Vwgh Erkenntnis 1983/9/20 83/11/0034

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Veröffentlicht am 20.09.1983
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Index

Verwaltungsverfahren - AVG

Norm

AVG §59 Abs1
AVG §63 Abs1
AVG §63 Abs3
AVG §64 Abs2
VwGG §42 Abs2 lita
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Kramer, Dr. Knell und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger, über die Beschwerde des WK in L, vertreten durch Dr. Viktor V. Supplit, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 42, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. Februar 1983, Zl. VerkR-2131/4-1982- I/La, betreffend Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 14. Mai 1982 wurde dem Beschwerdeführer - nachdem dieser gegen den vorangegangenen Mandatsbescheid derselben Behörde vom 2. Oktober 1981 rechtzeitig Vorstellung erhoben hatte - die am 26. März 1975 erteilte Lenkerberechtigung für die Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen. Gleichzeitig wurde gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß auf die Dauer von 36 Monaten ab 5. Mai 1982, das sei bis einschließlich 5. Mai 1985, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung versagt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in der er sich mit Rücksicht auf näher von ihm angeführte Gründe sowohl gegen die Maßnahme der Entziehung der Lenkerberechtigung an sich als auch gegen die festgesetzte Entziehungsdauer wandte und der Antrag gestellt wurde, "den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Führerscheinentzugsverfah ren mangels Rechtsgrundlage einzustellen und mir meinen eingezogenen Führerschein sofort wieder auszuhändigen".

Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1982 gab der - nunmehr anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer dazu eine weitere Stellungnahme ab, in der er unter anderem darauf hinwies, daß zur Begründung mangelnder Verkehrszuverlässigkeit nicht - wie von der Erstbehörde angenommen - der Verdacht einer strafbaren Handlung oder die Erhebung einer Anklage genüge, sondern die "Feststellung einer Straftat" vorliegen müsse. Sollte die belangte Behörde als Berufungsbehörde nicht die Vorgangsweise wählen, daß "sie selbst Vernehmungen über die angeblichen Straftaten des Einschreiters durchführt", so werde beantragt, "daß nunmehr der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung, der im erstinstanzlichen Bescheid ausgesprochen wurde, aufgehoben wird". Abschließend wurde der Antrag gestellt, "die Berufungsbehörde wolle der, Berufung des Einschreiters Folge geben, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufheben, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aufheben und die Rechtssache an die 1. Instanz zurückverweisen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalten, auf den sich die Entziehung gründen sollte, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben. In beiden Fällen wolle der Führerschein zumindest vorläufig wieder ausgefolgt werden."

Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 7. Februar 1983, in dem einleitend festgehalten wurde, daß die Bundespolizeidirektion Linz mit Bescheid vom 14. Mai 1982 dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen habe, daß für die Zeit von 36 Monaten (ab 5. Mai 1982) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, daß einer dagegen erhobenen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei, und daß der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid rechtzeitig Berufung eingebracht "und in weiterer Folge durch seinen Vertreter ... einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung gestellt" habe. Über den Antrag vom 3. Dezember 1982 auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ergehe vom Landeshauptmann von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in zweiter Instanz folgender Spruch: "Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 64 Abs. 2 AVG 1950 wird dem Antrag, der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben." In der Begründung ihres Bescheides setzte sich die belangte Behörde damit auseinander, warum ihrer Meinung nach der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ihrer Begründung nach wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt; die Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde im Wege des Bundesministers für Verkehr vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 64 Abs. 1 AVG 1950 haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Die Behörde kann jedoch zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Die Bundespolizeidirektion Linz hat in ihrem Entziehungsbescheid vom 14. Mai 1982 von der Möglichkeit des § 64 Abs. 2 AVG 1950 - ob zu Recht oder zu Unrecht, kann dahingestellt bleiben - Gebrauch gemacht. Dabei handelt es sich um einen selbständigen Nebenabspruch im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG 1950, der nicht schon dann, wenn in der Hauptsache Berufung erhoben wurde, gleichfalls als angefochten zu gelten hat. Ein Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 setzt zwar eine Entscheidung in der Hauptsache voraus, ist aber nicht zwingend vorgesehen, und stellt daher, weil es die Behörde in diesem Falle nicht bei der gesetzlichen Regelung des § 64 Abs. 1 AVG 1950 belassen will, immer - egal, ob dieser Ausspruch nun schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufgenommen oder mit gesondertem Bescheid getätigt wird - einen verfahrensrechtlichen Schritt der Behörde dar, gegen den mangels einer vom § 63 Abs. 1 AVG 1950 abweichenden Regelung dieselben Rechtsmittel wie gegen die Entscheidung in der Hauptsache zustehen (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1975, Slg. Nr. 8848/A). Erachtet sich eine Partei, gegen die ein Bescheid gerichtet ist, aus den von ihr in der Berufung dargelegten Gründen in der Hauptsache für beschwert, so hat dies nicht automatisch zur Folge, daß damit auch ein allfälliger Ausspruch, mit dem die aufschiebende Wirkung dieser Berufung ausgeschlossen wurde, als bekämpft anzusehen ist, kann doch der Betreffende - trotz seiner Einwände in der Hauptsache - diesen Ausspruch, aus welchen Gründen auch immer, akzeptieren. Ist dieser Ausspruch von der Berufung nicht erfaßt, so kann er auch für die Berufungsbehörde nicht "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 sein. Würde man den gegenteiligen Standpunkt einnehmen, dann müßte die Berufungsbehörde bei jeder Berufung, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, über die Rechtmäßigkeit dieses Nebenabspruches - und zwar, da es ja um eine Maßnahme geht, der nur Rechtswirkung für die Zeit des Berufungsverfahrens zukommt, unverzüglich und vordringlich, ohne Rücksicht auf die Spruchreife in der Hauptsache selbst - entscheiden, obwohl dieser Ausspruch vom Berufungswerber konkret gar nicht beanstandet wurde. Der Umstand, daß in dem Falle, daß der Berufung in der Hauptsache Folge gegeben und der in unterer Instanz ergangene Bescheid behoben wird, auch ein allfälliger Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 - zufolge seines akzessorischen Charakters und seines durch die genannte Bestimmung gegebenen Inhaltes - nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1979, Slg. Nr. 9968/A), ändert nichts daran, daß es sich hiebei nicht um einen Abspruch in der Hauptsache handelt und jener eigens (wenn auch in Verbindung mit der Berufung in der Hauptsache) bekämpft werden muß, um auch darüber rechtmäßig eine meritorische Entscheidung der Berufungsbehörde herbeiführen zu können.

Unterzieht man nun die vom Beschwerdeführer gegen den Entziehungsbescheid vom 14. Mai 1982 eingebrachte Berufung diesbezüglich einer Prüfung, so ergibt sich daraus nicht, daß mit diesem Rechtsmittel auch der Ausspruch der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 bekämpft worden ist. Aus der Berufungserklärung und dem Berufungsantrag ist zwar keine Einschränkung der Berufung zu ersehen, doch stellt die Berufung eine einheitliche Parteienhandlung dar, die gemäß § 63 Abs. 3 AVG 1950 den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und einen "begründeten Berufungsantrag" zu enthalten hat. Berufungserklärung und -antrag lassen erst im Zusammenhalt mit der beigegebenen Begründung erkennen, was die Partei anstrebt und womit sie, auf diesen Zweck hin ausgerichtet, ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1978, Zl. 67/78). Es können daher nicht einzelne Teile der Berufung isoliert betrachtet werden, sondern das jeweilige Rechtsmittel ist in seiner Gesamtheit zur Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob ein Bescheid zur Gänze oder nur hinsichtlich einzelner Teile, die voneinander trennbar sind, und daher in welchem Umfang angefochten erscheint. Der mit 7. Juni 1982 datierte Schriftsatz des Beschwerdeführers, im dem seine Berufung gegen den Bescheid vom 14. Mai 1982 ausgeführt wurde, läßt jedoch keinen Zweifel darüber zu, daß sich dieses Rechtsmittel ausschließlich auf die Hauptsache (Entziehung der Lenkerberechtigung) und nicht auch auf den damit verbundenen Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 bezieht.

Der Beschwerdeführer hat den Ausspruch der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 demnach erstmals in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 3. Dezember 1982 zum Gegenstand einer Beanstandung gemacht. Dies ist aber bereits außerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 und sohin verspätet geschehen. Dem Beschwerdeführer war es auf Grund dieser Bestimmung verwehrt, erst nachträglich im Rahmen des die Hauptsache betreffenden Rechtsmittelverfahrens die Berufung auch auf einen Punkt auszudehnen, der von ihm innerhalb der Berufungsfrist unangefochten geblieben ist.

Daß die belangte Behörde den Antrag vom 3. Dezember 1982 diesbezüglich zufolge seiner Diktion in den maßgeblichen, bei Darstellung des Sachverhaltes oben wiedergegebenen Teilen zu Recht als einen Berufungsantrag, der die Aufhebung des von der Erstbehörde verfügten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung zum Ziele hat, gewertet hat, geht auf Grund der von ihr gebrauchten Formulierungen in bezug auf diesen Antrag bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zwar nicht eindeutig hervor; doch erscheint durch den Hinweis, daß der Bescheid von der belangten Behörde "als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in zweiter Instanz" ergehe, und durch die Zitierung des § 66 Abs. 4 AVG 1950 in diesem Zusammenhang klargestellt, daß die belangte Behörde hiebei als Berufungsbehörde eingeschritten ist, sodaß der Spruch des angefochtenen Bescheides auch nur so verstanden werden kann, daß der Berufung hinsichtlich des Ausspruches der Erstbehörde, es werde einer gegen ihren Bescheid vom 14. Mai 1982 erhobenen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung versagt, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid diesbezüglich bestätigt werde. Die belangte Behörde hat aber übersehen, daß der ihrer Entscheidung zugrundeliegende Berufungsantrag - wie bereits dargelegt wurde - verspätet gestellt worden ist.

Die Berufung wäre daher, soweit sie sich auf den Ausspruch gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 bezog, von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber schon wiederholt ausgesprochen, daß dadurch, daß eine belangte Behörde im Sinne einer Abweisung sachlich über die Berufung abgesprochen hat, statt mit deren Zurückweisung vorzugehen, ein Beschwerdeführer im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte in keinem Recht verletzt wurde, weil sowohl im Falle der Abweisung wie im Falle der Zurückweisung einer Berufung der normative Abspruch, der sich aus dem Bescheid der Erstbehörde ergibt, die für den Beschwerdeführer maßgebende Rechtskraftwirkung entfaltet (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1968, Zl. 201/66, vom 16. September 1970, Zl. 439/70, und vom 27. Februar 1979, Zl. 1597/77). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem der Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 gleichgültig, ob die Berufung von der belangten Behörde zur Unrecht abgewiesen oder zu Recht zurückgewiesen worden wäre, bestehen bleibt.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich durch den angefochtenen Bescheid nicht nur dadurch in einem subjektivöffentlichen Recht verletzt erachtet, "daß im Führerscheinentzugsverfahren bei einer Berufung die aufschiebende Wirkung nur dann aberkannt wird, bzw. diese Aberkennung aufrechterhalten wird, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen", sondern auch dadurch, "daß ihm der Führerschein nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entzogen wird", so muß ihm entgegengehalten werden, daß mit dem angefochtenen Bescheid über die Entziehung seiner Lenkerberechtigung nicht entschieden wurde, sondern eine solche Entscheidung einer weiteren, der Aktenlage nach bisher noch nicht erfolgten Erledigung im Berufungsverfahren vorbehalten ist und daher im vorliegenden Beschwerdefall auf seine Einwände, die die Hauptsache selbst betreffen, nicht eingegangen werden kann.

Die Beschwerde war somit gemäß' § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Soweit Erkenntnisse zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 20. September 1983

Schlagworte

Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und MutwillensstrafenTrennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1983:1983110034.X00

Im RIS seit

02.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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