TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/1 96/09/0325

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Veröffentlicht am 01.07.1998
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

HDG 1994 §2 Abs4;
HDG 1994 §6 Abs1 Z2;
HDG 1994 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Dietmar D in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl,

Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Disziplinarvorgesetzten (Kommandant des Österreichischen UN-Bataillons AUSCON/UNFICYP) vom 12. September 1996, Zl. 1900-3170/01/CYP-96, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße nach dem HDG 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistete als Wachtmeister außerordentlichen Präsenzdienst bei der zweiten Kompanie des Österreichischen UN-Bataillons AUSCON/UNFICYP in Zypern. Er war am 26. Juli 1996 am Observation Post "OP" UN 142 als Kommandant diensteingeteilt.

Mit am 27. August 1996 mündlich verkündetem Disziplinarerkenntnis des Einheitskommandanten (der zweiten Jägerkompanie) wurde über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von S 3.000,-- verhängt. Dieser mündlich verkündete Bescheid ist in den vorgelegten Akten des Disziplinarverfahrens nicht dokumentiert.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 3. September 1996 Berufung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (Bataillonskommandant als Disziplinarvorgesetzter) vom 12. September 1996 wurde nach dem Spruch dieser Berufungsentscheidung der Berufung des Beschwerdeführers vom 3. September 1996 gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom 27. August 1996 "gemäß § 35 Abs. 2 HDG 1994 teilweise Folge gegeben und die verhängte Strafe in die Disziplinarstrafe Geldbuße öS 1.500,-- abgeändert".

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet:

"Durch den EinhKdt wurde am 27 08 96 mündlich die Disziplinarstrafe Geldbuße von öS 3000,-- verhängt, weil Sie am 26 07 96 als eingeteilter OPKdt UN 142 den OP zweimal zur Sportausübung verlassen haben und so insgesamt zwei Stunden und 50 Minuten abwesend waren. Damit haben Sie gegen einen einschlägigen KpBefehl verstoßen, der ein Verlassen des OP durch den OPKdt lediglich für zwei Stunden vorsieht. Am 03 09 96 haben Sie fristgrecht Berufung gegen dieses Disziplinarerkenntnis eingebracht, weil Sie, wie Sie beim mündlichen Parteiengehör am 12 09 96 ausführten, glauben, daß Sie nicht nur zu hoch, sondern auch zu Unrecht bestraft worden seien.

In der Sachverhaltserhebung durch die Berufungsinstanz konnten die Ihnen insgesamt zur Last gelegten 50 Minuten Überschreitens der erlauten OP-Abwesenheit nicht schlüssig nachgewiesen werden, jedoch geben Sie ein Überschreiten von maximal fünf Minuten zu.

Aufgrund dieses Geständnisses sowie unter Berücksichtigung Ihrer Funktion als stvOPKdt, Ihres Standes als Unteroffizier des österreichischen Bundesheeres, Ihres derzeitigen Einkommens sowie Ihrer bisherigen Dienstleistung war diese Entscheidung zu treffen, um nicht nur Sie, sondern auch andere hinkünftig von der Mißachtung von Befehlen abzuhalten."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß "über mich eine Disziplinarstrafe gemäß § 35 Abs. 2 HDG in Verbindung mit § 51 leg. cit. in eventu darauf, daß über mich eine geringere Geldstrafe als der Geldbuße in Höhe von S 1.500,-- verhängt wird, durch unrichtige Anwendung der §§ 2, 50 und 51 HDG 1994, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§ 23 HDG 1994, §§ 37, 39, 60 AVG)". Er beantragt den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Disziplinarverfahrens (bestehend aus den Beilagen 1 und 2 sowie den Subbeilagen 1 bis 7) vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde im wesentlichen geltend, die belangte Behörde gehe nur mehr von einer maximal 5-minütigen Überschreitung der erlaubten Abwesenheit aus. Auch hinsichtlich einer derartigen Überschreitung habe er jedoch kein "Geständnis" abgelegt. Sein Verschulden an der angenommenen, äußerst geringfügigen Überschreitung habe die belangte Behörde nicht festgestellt bzw. begründet. Dem angefochtenen Bescheid seien auch keine bzw. keine durch § 6 HDG 1994 gedeckten Strafbemessungsgründe zu entnehmen.

Mit diesen Ausführungen ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 2 Abs. 4 Heeresdisziplinargesetz 1994 (HDG 1994) ist disziplinär nur strafbar, wer schuldhaft handelt. Die §§ 5 und 6 sowie die §§ 8 bis 11 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, über Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie über Irrtum, Notstand und Zurechnungsunfähigkeit sind anzuwenden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der inhaltlich vergleichbaren Bestimmung des Heeresdisziplinargesetzes 1985 bereits wiederholt dargetan hat, verletzt der Soldat seine Pflichten nur dann schuldhaft, wenn er ihnen entweder vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt. Zur Feststellung einer Dienstpflichtverletzung gehört somit der Nachweis, der Beamte habe mit dem Wissen, pflichtwidrig zu handeln oder unter Außerachtlassung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt gegen seine ihm auferlegten Pflichten verstoßen. Dazu kommt, daß die Feststellung der Schuldform (des Grades des Verschuldens) vor allem für die Schwere der Dienstpflichtverletzung und damit letztlich für die Bemessung der Strafe (§ 6 Abs. 1 erster Satz HDG) entscheidend ist (vgl. hiezu die

hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0020, vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0070, und vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0149).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, daß die von der Disziplinarbehörde erster Instanz angenommene unerlaubte Abwesenheit des Beschwerdeführers am 26. Juli 1996 in der Dauer von insgesamt 50 Minuten nicht habe nachgewiesen werden können. Dennoch gelangte die belangte Behörde zu einer Bestätigung des - in den an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Unterlagen nicht dokumentierten und demnach inhaltlich nicht nachvollziehbaren - Schuldspruches der Unterinstanz mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe "ein Überschreiten von maximal 5 Minuten zugegeben". Abgesehen davon, daß eine derartige Aussage - die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde jedoch ausdrücklich bestritten wurde - den an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Unterlagen über das zugrundeliegende Disziplinarverfahren nicht zu entnehmen ist (vgl. dazu auch § 38 Abs. 2 VwGG, wonach der Verwaltungsgerichtshof bei Nichtvorlage der Akten durch die Behörde die Behauptungen des Beschwerdeführers zugrundelegen kann), fehlen jedenfalls Feststellungen darüber, aus welchen Gründen diese von der belangten Behörde angenommene Überschreitung dem Beschwerdeführer in subjektiver Hinsicht als Dienstpflichtverletzung vorzuwerfen wäre. Im Ergebnis hat die belangte Behörde - soweit dies dem angefochtenen Bescheid überhaupt zu entnehmen ist - in der Begründung nur zu erkennen gegeben, daß sie aus einem angenommenen Zuwiderhandeln des Beschwerdeführers gegen ihm auferlegte Pflichten auf sein disziplinär schuldhaftes Verhalten schließt. Schon damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Die Spruchgestaltung des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Disziplinarerkenntnisses steht zudem mit der Bestimmung des § 62 Abs. 3 HDG 1994 insoweit nicht in Einklang, als weder dem Spruch des angefochtenen Bescheides noch der (in den vorgelegten Unterlagen nicht dokumentierten) erstinstanzlichen Entscheidung entnommen werden kann, welche verletzten Pflichten dem Beschwerdeführer konkret angelastet wurden (vgl. § 62 Abs. 3 Z. 2 leg. cit.). Schließlich erweisen sich auch die von der belangten Behörde zur Strafbemessung im angefochtenen Bescheid dargelegten Erwägungen als rechtswidrig bzw. unvollständig, weil einerseits die Funktion des Beschwerdeführers und sein Stand als Unteroffizier bei der Strafbemessung nicht gesondert zu berücksichtigen waren (vgl. § 6 Abs. 1 HDG 1994) und andererseits die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers (vgl. § 6 Abs. 1 Z. 2 leg. cit.) nicht festgestellt wurde.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit aus den dargestellten Erwägungen als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da kein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr für die entbehrlich gewesene dritte Ausfertigung der Beschwerde zuerkannt werden konnte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090325.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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