TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/10 97/02/0525

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Veröffentlicht am 10.07.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
FrG 1993 §1 Abs1;
FrG 1993 §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des K in Salzburg, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 27. Mai 1997, Zl. UVS-8/318/3-1997, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. Mai 1997 wurde gemäß den §§ 51 Abs. 1 und 52 Abs. 4 Fremdengesetz (1992; kurz: FrG), BGBl. Nr. 838/1992, der an diese Behörde gerichteten Beschwerde keine Folge gegeben und die Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 8. Mai 1997 festgestellt. Ferner stellte die belangte Behörde fest, daß die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer zum Ersatz des Aufwands des Verwaltungsverfahrens verpflichtet.

In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, über den Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 7. Mai 1997 die Schubhaft verhängt worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer, welchen die Behörde zunächst als "Ali H." bezeichnete, an die belangte Behörde gegen die Anhaltung in Schubhaft eine Beschwerde gerichtet.

Auf Grund der Aktenlage sei seitens der belangten Behörde "ohne Zweifel" davon auszugehen gewesen, daß es sich beim Beschwerdeführer nicht um den "von ihm vorgegebenen Kazim H., geb. 10.2.1938", sondern um "Ali H., geb.7.3.1935", handle. "Dies abhängig (offenbar gemeint: unabhängig) von der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an einen Kazim H. bzw. dem Zustandekommen dieser Staatsbürgerschaftsverleihung." Die gesamte Rechtfertigung des Beschwerdeführers könne bloß als Schutzbehauptung gewertet werden; dies insbesondere in Zusammenschau mit den früher von ihm diesbezüglich gemachten Angaben sowie den aktenkundigen fremdenrechtlichen Eingaben (Führungszeugnis, Lebenslauf, Sichtvermerksanträgen) seines Sohnes Mesut H. Im Rahmen einer Niederschrift beim Amt der Salzburger Landesregierung am 16. Februar 1995 habe beispielsweise der Beschwerdeführer bezüglich seines Bruders gänzlich andere Angaben gemacht als im aktuellen Beschwerdeverfahren vor der belangten Behörde. Das vom Beschwerdeführer u.a. der Beschwerde beigelegte Foto seines Bruders (mit Familie) stimme offenkundig und ohne Zweifel mit dem aktenkundigen Bild im Führerschein des Kazim H. aus dem Jahre 1988 überein und es sei daraus "nicht im entferntesten" auch nur eine Ähnlichkeit mit dem Beschwerdeführer zu erkennen. Ferner ergebe sich aus den aktenkundigen Eingaben des "Sohnes des Beschwerdeführers" (Mesut H.), daß dieser seinen Vater stets "Ali" genannt habe. Neben diesen "eindeutigen Hinweisen" auf die Identität des Beschwerdeführers als "Ali H." sei vom türkischen Generalkonsulat für den Beschwerdeführer am 20. Mai 1997 ein Heimreisezertifikat als "Ali H., geb.7.3.1935", ausgestellt worden. Dies bestätige einerseits "mit Sicherheit" die Identität des Beschwerdeführers und widerlege andererseits die von ihm aufgestellte Behauptung, einen "Ali H." gäbe es nicht.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft sei daher "davon auszugehen", daß es sich beim Beschwerdeführer tatsächlich um "Ali H." handle, dem die österreichische Staatsbürgerschaft auch nie verliehen worden sei; damit gehe das ganze diesbezügliche Beschwerdevorbringen ins Leere. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen Fremden im Sinne des Fremdengesetzes, der sich seit Jahren illegal in Österreich aufhalte und deshalb mit den fremdenpolizeilichen Konsequenzen (z.B. Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, Abschiebung) zu rechnen habe. Bezüglich der Festnahme sei allein auf den diesbezüglichen Festnahmegrund nach § 85 Abs. 2 FrG zu verweisen und in Ansehung "des illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers" daraus eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen. Zur Sicherung der fremdenpolizeilichen Verfahren sei die Schubhaft "zweifellos" geboten und notwendig und daher die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 51 FrG (1992) zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Bescheid vom 29. September 1997, B 1474/97, ablehnte und sie in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, er habe sowohl zum Zeitpunkt der Festnahme als auch zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft sowie zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheides "nachweislich die österreichische Staatsbürgerschaft" innegehabt, sodaß die Bestimmungen des Fremdengesetzes auf ihn nicht anzuwenden gewesen seien und sowohl die die Schubhaft verhängende Behörde als auch die belangte Behörde "in jeder Hinsicht unzuständig" gewesen seien. Die belangte Behörde habe rechtsirrig den ihr zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalt unter die Bestimmungen des Fremdengesetzes subsumiert. Der Verweis auf die Aktenlage bezüglich der von der belangten Behörde angenommenen tatsächlichen Identität des Beschwerdeführers sei mangelhaft. Es liege eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, zumal die Behörde "keinerlei Ermittlungsverfahren" durchgeführt und die Einwendungen des Beschwerdeführers bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt habe. Die belangte Behörde sei in Kenntnis darüber gewesen, daß schon eine im Jahre 1995 erstattete Anzeige mit identen Vorwürfen nach Überprüfung der Staatsanwaltschaft Salzburg gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden sei. Die Vorgangsweise der belangten Behörde, allein aus der neuerlichen Anzeige abzuleiten, daß "mit Sicherheit" die Identität des Beschwerdeführers als "Ali H." bestätigt sei und andererseits die von ihm aufgestellten Behauptungen widerlegt seien und mit dieser "Scheinbegründung" wiederum die Anhaltung eines österreichischen Staatsbürgers rechtfertigen zu wollen, sei unzulässig, zumal keinerlei überprüfte Beweisergebnisse für die Rechtfertigung dieser schwerwiegenden Schlußfolgerungen vorgelegen seien.

Es sei - so der Beschwerdeführer weiter - in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß gegen "Kazim H.", geb. am 10.2.1938, auf Grund einer neuerlichen Anzeige ein Strafverfahren eingeleitet und er anläßlich der Hauptverhandlung am 10. September 1997 vom Landesgericht Salzburg von der gegen ihn mit Strafantrag vom 4. Juli 1997 erhobenen Beschuldigung wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB, sowie des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs. 2 StGB, rechtskräftig freigesprochen worden sei. Sämtliche gegen den Beschwerdeführer in der Anzeige vom 21. April 1995 und vom 23. April 1997 erhobenen Vorwürfe hätten sich als "haltlos und unrichtig" erwiesen und folgerichtig zu einem Freispruch bei Gericht geführt, gegen den die Staatsanwaltschaft nicht einmal ein Rechtsmittel angemeldet, geschweige denn ausgeführt habe.

Gemäß § 41 Abs. 1 FrG (1992) können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. ist Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Wie die Bundespolizeidirektion Salzburg im Schubhaftbescheid vom 7. Mai 1997 ausführte, stand der vor dieser Behörde als "H. Ali, geb. 07.03.1935, alias H. Kazim" bezeichnete Beschwerdeführer im dringenden Verdacht, sich unter dem Namen "H. Kazim, geb. 1938", die österreichische Staatsbürgerschaft erschlichen zu haben. Auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides waren die diesbezüglichen Verdachtsmomente gegen den Beschwerdeführer noch aufrecht, weil der Freispruch durch das Landesgericht Salzburg - wie der Beschwerdeführer selbst ausführt - erst am 10. September 1997 - sohin nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - erfolgte. Die Schubhaftbehörde erster Instanz ging jedoch von einer dem Beschwerdeführer verliehenen österreichischen Staatsbürgerschaft aus.

Dennoch vermag der - wenngleich auf Grund mehrerer Indizien gewichtige - Verdacht der Erschleichung der österreichischen Staatsbürgerschaft, der noch dazu durch die Ausstellung eines Heimreisezertifikates am 20. Mai 1997 durch die türkischen Behörden, lautend auf den Namen "Ali H., geb.7.3.1935", verstärkt wurde, nicht die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer zu rechtfertigen.

Die belangte Behörde vermeint zwar, daß dem Beschwerdeführer unter dem "tatsächlichen Namen Ali. H." nie die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei und daher die diesbezüglichen Ausführungen "ins Leere" gehen würden, übersieht aber, daß der Beschwerdeführer strikt in Abrede stellte, "Ali. H." zu sein, und daß unbestritten der Beschwerdeführer unter dem Namen "Kazim H., geboren am 10. Februar 1938 in Biyac, SFRJ", die österreichische Staatsbürgerschaft - wie aus der einer Schubhaftbeschwerde an die belangte Behörde beigelegten Kopie des Staatsbürgerschaftsnachweises des Staatsbürgerschaftsverbandes Salzburg vom 6. August 1990 hervorgeht - verliehen erhielt. Nur deshalb, weil die belangte Behörde auf Grund mehrerer Indizien, die mangels ergänzender Beweise (etwa auf Grund von eingehenden kriminaltechnischen Untersuchungen) nicht für die Annahme des Vorliegens einer anderen Identität dieser Person ausreichten, davon ausging, daß der Beschwerdeführer in Wahrheit "Ali H."

sei, durfte sie nicht von der Rechtsunwirksamkeit der dem Beschwerdeführer unter dem Namen "Kazim H." verliehenen österreichischen Staatsbürgerschaft ausgehen. Es liegen auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür vor, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr besessen hätte. War aber der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Festnahme österreichischer Staatsbürger - und somit kein Fremder im Sinne des § 1 Abs. 1 FrG (1992) -, so war die Anwendung der Bestimmungen der §§ 41 ff leg. cit. ihm gegenüber rechtswidrig. Da die belangte Behörde diesbezüglich die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweismittel Indizienbeweise indirekter Beweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997020525.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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