RS Vfgh 2019/12/12 E2128/2019

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art3
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §52, §55
BFA-VG §9 Abs3
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf subsidiären Schutz hinsichtlich eines minderjährigen Staatsangehörigen von Nigeria; Verkennung der Rechtslage durch Prüfung der Verletzung der von Art3 EMRK geschützten Rechte eingeschränkt auf Akteure oder einen bewaffneten Konflikt

Rechtssatz

Dass eine Prüfung, ob eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde unterbleiben könnte, wenn sich nach §9 Abs3 BFA-VG herausstellt, dass eine Rückkehrentscheidung (vorübergehend) unzulässig ist, geht aus §8 AsylG 2005 nicht hervor.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um ein im Jahr 2016 geborenes Kleinkind, dessen Mutter und Vater selbst im Falle ihrer gleichzeitigen Rückkehr nach Nigeria nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) bzw des für die Frage der Obsorge zuständigen Bezirksgerichtes nicht in der Lage sind, für das Kind zu sorgen. Das BVwG stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sei nicht vorgebracht worden und gehe aus dem Akteninhalt auch nicht hervor. Das Beschwerdevorbringen, dass eine alleinstehende Rückkehr des minderjährigen Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht möglich sei, gehe insofern ins Leere, als das BFA eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer ohnedies vorübergehend für unzulässig erklärt habe. Jedoch lägen dadurch keineswegs die Voraussetzungen dafür vor, dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Das BVwG stützt seine Entscheidung auf Länderberichte zur Situation in Nigeria, die keine Informationen zur Situation alleinstehender Minderjähriger enthalten.

Damit hat es das BVwG aber gerade unterlassen, die nach §8 Abs1 AsylG 2005 gebotene Prüfung, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, vorzunehmen. Dass diese Prüfung unterbleiben könnte, wenn sich nach §9 Abs3 BFA-VG herausstellt, dass eine Rückkehrentscheidung (vorübergehend) unzulässig ist, geht aus §8 AsylG 2005 nicht hervor.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führt das BVwG weiter aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz seien nicht gegeben, weil es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd Art15 der Statusrichtlinie erforderlich sei, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werde oder von einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt ausgehe. Eine solche Gefahr einer Verletzung von Art3 EMRK durch das konkrete Handeln dritter Personen habe nicht festgestellt werden können. Das BVwG hat die Rechtslage verkannt, indem es im Rahmen von §8 AsylG 2005 eine Verletzung der von Art3 EMRK geschützten Rechte nur eingeschränkt im Hinblick auf eine Verletzung, die durch Akteure oder durch einen bewaffneten Konflikt droht, prüft (vgl VfGH 04.12.2019, E1199/2019).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Kinder, Asylrecht / Vulnerabilität, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E2128.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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