TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/15 97/13/0169

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Veröffentlicht am 15.07.1998
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
21/03 GesmbH-Recht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

ABGB §1151;
ABGB §1165;
ABGB §1166;
EStG 1972 §47 Abs3;
EStG 1988 §47 Abs2;
FamLAG 1967 §43 Abs2;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
GmbHG §35;
GmbHG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der W GmbH in W, vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Michael Brand, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Juli 1997, Zl. GA 8-2186/93, GA 8-1891/95, betreffend Haftung für Lohnsteuer für 1987 sowie Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichfonds für Familienbeihilfen, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschlag für Jänner 1983 bis Dezember 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bei einer im Jahr 1989 durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde vom Prüfer festgestellt, daß die Geschäftsführerin Ingrid S. an der beschwerdeführenden GmbH nicht beteiligt sei. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß die Bezüge der Geschäftsführerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien. Da die Geschäftsführerin für 1987 noch nicht zur Einkommensteuer veranlagt gewesen sei, ermittelte er die auf deren Bezüge entfallende Lohnsteuer für 1987 mit S 124.548,--. Mit Bescheid vom 3. April 1989 zog das Finanzamt die Beschwerdeführerin für diesen 1987 betreffenden Lohnsteuerbetrag zur Haftung heran und schrieb ihr für die Jahre 1983 bis 1987 aus Anlaß der Bezüge der Geschäftsführerin Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe, Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen und Säumniszuschläge vor.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, die Bezüge der Geschäftsführerin seien auf Grund von Honorarnoten ausbezahlt worden. Ein Dienstverhältnis der Geschäftsführerin liege nicht vor, weil sie auf Grund anderer Tätigkeiten ihre Geschäftsführertätigkeit nicht regelmäßig ausübe, sondern ihre Leistungen unregelmäßig nach eigener Einteilung und jeweiliger Notwendigkeit erbringe.

Auf einen entsprechenden Vorhalt wurde in einer Eingabe vom 10. Mai 1989 ausgeführt, mit der Geschäftsführerin sei kein Dienstvertrag abgeschlossen worden. Es würden ihr keine Reisekosten ersetzt. Die Geschäftsführerin habe keinen festen Arbeitsplatz. Eine Dienstzeit bestehe nicht. Das Entgelt für die Geschäftsführertätigkeit werde 12 mal jährlich durch Banküberweisung ausbezahlt. Es gebe keine Urlaubsregelung. Bei Beendigung der Geschäftsführertätigkeit bestünden keine Ansprüche der Geschäftsführerin.

Nach einer weiteren Lohnsteuerprüfung über die Jahre 1988 bis 1992 wurden der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 22. April 1994 Dienstgeberbeiträge, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschlag für die Bezüge der Geschäftsführerin hinsichtlich dieser Jahre vorgeschrieben. Wie dem Prüfungsbericht zu entnehmen ist, wurde die Beschwerdeführerin zur Haftung für Lohnsteuer der Geschäftsführerin nicht herangezogen, da diese für die Jahre 1988 bis 1992 bereits zur Einkommensteuer veranlagt gewesen sei.

Auch gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben.

Nach einer entsprechenden Aufforderung wurden die jeweils für ein Jahr abgeschlossenen, im wesentlichen gleichlautenden schriftlichen Werkverträge zwischen der Beschwerdeführerin und der Geschäftsführerin vorgelegt. Der für 1988 abgeschlossene Vertrag hatte folgenden Wortlaut:

"W E R K V E R T R A G

Die Gesellschafter der WELPONER Ges.m.b.H. schließen mit

Frau Ingrid S., Wien

den nachfolgenden Werkvertrag: per 1. Jänner 1988

1.

Frau S. übernimmt es, bis 31. Dezember 1988 die Geschäftsführungsagenden der Gesellschaft im Rahmen des Unternehmensgegenstandes nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit bestmöglich zu besorgen.

2.

Frau S. ist dabei an keinerlei Weisungen hinsichtlich der einzelnen zu ergreifenden Maßnahmen gebunden.

3.

Frau S. ist an keine feste Arbeitszeit gebunden; sie entscheidet frei darüber, wann ihre Anwesenheit notwendig oder zweckmäßig ist.

4.

Demzufolge steht Frau S. auch kein eigener Urlaubsanspruch zu; vielmehr steht es ihr frei, sich in den Zeiträumen zu erholen, in denen ihre Anwesenheit nach eigener Einschätzung nicht erforderlich ist.

5.

Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe kann sich Frau S. eines geeigneten Vertreters bedienen, allerdings dürfen daraus dem Unternehmern keine Kosten erwachsen.

6.

Als Honorar erhält Frau S. einen Betrag von

S 360.000,--

der in monatlichen Teilbeträgen von S 30.000,-- jeweils am Monatsletzten fällig ist.

7.

Frau S. wird bis zum 31.10. bekanntgeben, ob sie für das Folgejahr für einen neuen Werkvertrag zur Verfügung steht.

Die Gesellschafter werden bis zum 30.11. entscheiden, ob sie einen neuen Vertrag gegebenenfalls schließen wollen.

8.

Ausdrücklich wird festgehalten, daß dieser Vertrag frei von Rechtsgebühren und das Honorar nicht der Lohnsteuer oder der Sozialversicherung unterliegt; es finden daher auch sämtliche Vorschriften über den Dienstnehmerschutz, insbesondere für den Krankheitsfall, keine Anwendung. Der vorliegende Vertrag ist ein Werkvertrag im Sinne des § 1151 (), 2. Halbsatz.

Die Auftragnehmerin hat für die Versteuerung des Honorars (Entgelts) im Rahmen der Einkommensteuererklärung selbst zu sorgen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Geschäftsführerin habe Arbeitsleistungen erbringen müssen, die zur Geschäftsführung des Unternehmens erforderlich gewesen seien. Diese Tätigkeit könne nicht als im Rahmen eines Werkvertrages erbracht angesehen werden, weil nicht die Erbringung eines bestimmten Erfolges, der ein Werk darstelle, Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung gewesen sei. Die belangte Behörde bejahte eine Weisungsgebundenheit der Geschäftsführerin, da sie grundsätzlich in allen Geschäftsführungsfragen an Einzelweisungen der Generalversammlung der GmbH gebunden sei. Die Gesellschafter der GmbH könnten jede Geschäftsart, aber auch bestimmte Einzelgeschäfte an ihre Genehmigung binden. Dieses kraft Gesetzes bestehende Weisungsrecht der Generalversammlung schließe die Möglichkeit einer vertraglichen Einordnung des Geschäftsführers in persönlicher Abhängigkeit von ihr nicht aus. Ein Unternehmerwagnis liege nicht vor, weil die Geschäftsführerin ein monatliches Honorar von S 30.000,-- erhalten habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 47 Abs. 3 EStG 1972 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Eine im wesentlichen gleichartige Bestimmung enthält § 47 Abs. 2 EStG 1988. Nach § 43 Abs. 2 FLAG finden auf den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe die Bestimmungen über den Steuerabzug vom Arbeitslohn sinngemäß Anwendung.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob zwischen der beschwerdeführenden GmbH und der von ihr bestellten Geschäftsführerin ein Dienstverhältnis besteht oder nicht. Nach herrschender Auffassung ist davon auszugehen, daß die - von der auf Gesellschafterbeschluß oder Gesellschaftsvertrag beruhenden Bestellung zu unterscheidende - Anstellung des Geschäftsführers einer GmbH auf Grund eines Dienstvertrages, aber auch auf Grund eines sog. "freien Dienstvertrages", eines Werkvertrages oder eines bloßen Auftrages erfolgen kann (vgl. insbesondere Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht I2, Rz 2/81; OGH-Entscheidung vom 9. November 1976, 4 Ob 69/76,

EvBl 112/1976 mit weiteren Hinweisen). In steuerrechtlicher Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls davon ausgegangen, daß der Anstellung des Geschäftsführers einer GmbH nicht allein ein Dienstvertrag, sondern auch ein Werkvertrag zugrunde liegen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 1990, 90/14/0188, vom 25. März 1992, 90/13/0068, vom 30. November 1993, Zl. 89/14/0300, vom 21. März 1995, 90/14/0233).

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid im wesentlichen die Auffassung, der Geschäftsführer einer GmbH erbringe mit seiner Leistung keinen bestimmten Erfolg, also kein Werk; vielmehr obliege ihm die Erbringung einer Arbeitsleistung. Weiters sei der Geschäftsführer im Hinblick auf das Weisungsrecht der Generalversammlung in den Unternehmensbereich eingebunden. Damit stellt sich die belangte Behörde aber in Wahrheit gegen die oben bezeichnete Rechtsprechung, weil bei Zutreffen dieser Auffassung der Behörde in jedem Fall einer Bestellung des Geschäftsführers vom gleichzeitigen Vorliegen eines Dienstverhältnisses auszugehen wäre. Die belangte Behörde übersieht dabei auch, daß unter dem Begriff eines Werks im Sinne des § 1165 nicht allein die Herstellung einer körperlichen Sache, sondern vielmehr auch ideelle, unkörperliche, also geistige Werke verstanden werden (vgl. Krejci in Rummel2, Rz 9 zu §§ 1165, 1166 ABGB). Unter einem solchen Werk kann somit auch - wovon der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur ausgeht - die Besorgung der Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft als solche gemeint sein. Daß der Geschäftsführer grundsätzlich seine Arbeitskraft und nicht einen Arbeitserfolg schuldet, trifft somit nicht zu.

Die Bindung des Geschäftsführers an den Gesellschaftsvertrag und die Gesellschafterbeschlüsse wiederum stellt bloß eine sachliche Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers her, die sich lediglich auf den Erfolg der Arbeitsleistung der Geschäftsführung bezieht. Eine solche sachliche Weisungsgebundenheit, die von einer sich in persönlicher Abhängigkeit äußernden, durch weitgehende Unterordnung gekennzeichnete Weisungsgebundenheit zu unterscheiden ist, begründet aber für sich allein kein Dienstverhältnis.

Die belangte Behörde vertritt schließlich die Auffassung, daß im Beschwerdefall die Geschäftsführerin kein Unternehmerwagnis getroffen habe, da ihr Honorar monatlich S 30.000,-- betragen habe. Dabei kann aus dem Umstand allein, daß das jeweils für ein Jahr vereinbarte Honorar in monatlichen Teilbeträgen zufloß, ein Unternehmerrisiko nicht jedenfalls ausgeschlossen werden. Die Urlaubs-, Krankheits- und Vertretungsregelung im jeweiligen Jahresvertrag sowie die Umstände, daß die Reisekosten von der Geschäftsführerin getragen werden müssen und daß Jahr für Jahr das Anstellungsverhältnis neu begründet wurde, deuten vielmehr auch auf das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses auf Seiten der Geschäftsführerin hin.

Diese und die weiteren Bestimmungen der jeweiligen Verträge, insbesondere die vereinbarte freie Entscheidung über die Zeit, innerhalb der die Tätigkeit erbracht wird, lassen bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Vertragsverhältnisses erkennen, daß im Beschwerdefall ein Dienstverhältnis der Geschäftsführerin nicht vorgelegen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 43 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz von Stempelgebühren im Sinne des § 14 TP 5 und TP 6 GebG war hinsichtlich der eingebrachten Beschwerdeausfertigungen und der angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides mit S 420,-- zu berücksichtigen. Die Gebührenbestimmung des § 24 Abs. 3 VwGG ist demgegenüber erst mit 1. September 1997 in Kraft getreten (vgl. § 73 VwGG). Sie fand damit auf die am 28. August 1997 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde keine Anwendung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997130169.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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