TE Vwgh Beschluss 2020/1/23 Ra 2019/15/0069

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §167 Abs2
BAO §22
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGG §63

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 18. März 2019, Zl. RV/5100955/2015, betreffend Investitionszuwachsprämie 2004 (mitbeteiligte Partei:

L GmbH & Co KG in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH in 4020 Linz, Kudlichstraße 41), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei ist eine im Dezember 2003 neu gegründete IT-Leasinggesellschaft. Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis vom 30. April 2015, 2012/15/0162, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof das damals mit Amtsbeschwerde des Finanzamts angefochtene Erkenntnis des unabhängigen Finanzsenats betreffend Investitionszuwachsprämie 2004 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat. 2 Begründend hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass das Finanzamt eine Reihe von Indizien zusammengetragen hat, die für eine wirtschaftlich ungewöhnliche und unangemessene Umleitung von Zahlungsströmen mit dem Ziel der Geltendmachung einer höheren Investitionszuwachsprämie sprechen würden.

3 Die belangte Behörde habe sich mit den von der Abgabenbehörde vorgebrachten Indizien und den gegenläufigen Behauptungen der Mitbeteiligten nicht in ausreichendem Maße beschäftigt. Auch war es für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, auf welche Feststellungen sie ihre Schlussfolgerung stützte, dass durch die neue Struktur tatsächlich zusätzliche Kostenreduktionen oder eine intensivere Servicierung ermöglicht worden wären, die über gewöhnliche Effizienzsteigerungsmaßnahmen hinausgehen. Wenn die belangte Behörde die bisherigen Ermittlungsergebnisse zu den Voraussetzungen für Missbrauch iSd § 22 BAO für unzureichend befunden habe, wäre es an ihr gelegen gewesen, durch ergänzende Ermittlungen die Ungewöhnlichkeit und Unangemessenheit der gewählten Gestaltung entweder weiter zu erhärten oder die Beurteilung der Abgabenbehörde fallbezogen und schlüssig zu entkräften.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das (an die Stelle des unabhängigen Finanzsenats getretene) Bundesfinanzgericht (BFG) der (nunmehr als Beschwerde zu behandelnden) Berufung der mitbeteiligten Partei gegen die seitens des Finanzamts vorgeschriebene Nachzahlung der zunächst gewährten Investitionszuwachsprämie 2004 erneut Folge und hob den Bescheid (Festsetzung der Investitionszuwachsprämie mit null EUR) ersatzlos auf. Begründend führte das BFG aus, nach einem dazu ergangenen Vorhalt habe die mitbeteiligte Partei im Wesentlichen vorgebracht, dass sie eine gesonderte Investitions-, Finanzierungs- und Leasinggesellschaft sei, wie sie in der Wirtschaft generell und in den involvierten Bankkonzernen üblich sei, wobei sie zum Zweck einer daneben neu errichteten IT Service GmbH gegründet worden sei. Die Gründung der beiden Gesellschaften seien Reorganisationsmaßnahmen bestehender überregionaler Kooperationen gewesen: Zuvor habe es große Unterschiede bei speziell für den Bankenbereich verwendeter Hard- und Software in den zunächst in die Kooperation eingebundenen Bundesländern gegeben, was die verwendeten Systeme, die Weiterentwicklung im eigenen Haus und durch zentrale einheitliche Fremdvergabe, die Lieferanten, das Vertragswesen und den Investitionsrhythmus betroffen habe. 5 Durch die im Wege der neuen IT Service GmbH institutionalisierte Kooperation sei es in allen Bereichen zu einer Vereinheitlichung von Effekten und Synergien bei Qualitätsverbesserung insgesamt bzw. aus Sicht der einzelnen Bundesländer vor allem durch den Einsatz der bestqualifizierten Mitarbeiter und der besseren Lösungen der einzelnen Häuser gekommen. Zudem sei eine Kostenersparnis durch höhere Qualität der Investitionsentscheidungen (generelle Einführung einer Zwei-Hersteller-Strategie), durch Vermeidung von Personalkosten für die Ausführung von identen Leistungen an drei Standorten wie etwa durch eine nur einmalige Ausschreibung neu benötigter EDV-Investitionen, eine nur einmalige Prüfung statt drei bei Implementierung neu benötigter EDV-Investitionen, einen je Implementierung nur einmaligen Roll-Out-Vorgang mit den Vorteilen von darauf spezialisierten Mitarbeitern und Vermeidung der Mehrfachbearbeitung desselben Fehlers erzielt worden. Schließlich sei eine Verminderung der Einkaufspreise insbesondere durch höhere Bestellmengen und einheitliche Instandhaltungsstandards durch gemeinsame Erfahrung über Instandhaltungsrhythmen eingetreten. Unter Anführung diverser Beispiele sei u.a. ausgeführt worden, dass auf diese Weise bei einem Serveraustausch ein Preisvorteil von 200.000 EUR erzielt worden sei und der Preisvorteil bei einem PC-Austausch weit darüber gelegen sei. Die Folge der Vereinheitlichung der EDV-Infrastruktur auf den Betrieb an zwei Standorten habe die Personalkosten für Betrieb und Betreuung verringert, was eine Einsparung von 7 Personenjahren pro Betrieb bedeutet habe (ca. 60.000 EUR pro Personenjahr, dh ca. 420.000 EUR jährlich). Der Wechsel von fremdvergebener Wartung auf Eigenwartung habe eine Kostenersparnis von ca. 1 Personenjahr und die Umsetzung der Servervirtualisierung eine jährliche Kostenersparnis von 1.560.000 EUR bewirkt.

6 Für den speziellen Geschäftszweck der mitbeteiligten Partei als Investitions- und Leasinggesellschaft sei kein Personal nötig, wie es auch bei vielen anderen Leasinggesellschaften im Bankenwesen der Fall sei. Bei der IT Service GmbH seien jedoch Mitarbeiter aus dem Konzernbereich für Investitionsentscheidung und -umsetzung, Betreuung der laufend eingesetzten Hard- und Software und des Roll-Out tätig. Sie seien arbeitsrechtlich aus den bisherigen Abteilungen der einzelnen Standorte übernommen worden. Ohne Kooperation wäre von zusätzlich 7 Mitarbeitern auszugehen gewesen. Die an sich erfolgte Erhöhung des Mitarbeiterstandes sei auf zusätzlich erbrachte Leistungen der IT Service GmbH und eine erhöhte Anzahl der zu betreuenden Bankprodukte zurückzuführen. Ohne Kooperation wäre ein wesentlich höherer Mitarbeiterzuwachs entstanden.

7 Nach Kenntnisnahme der Vorhaltsbeantwortung habe das Finanzamt im Wesentlichen ausgeführt, dass in dieser Beantwortung die wirtschaftlichen Vorteile bzw. außersteuerlichen Gründe der Unternehmensneugründungen erstmals nach Jahren genauer definiert und in Zahlen ausgeführt seien. Dem könne nichts entgegnet werden, weil das Finanzamt keine Vergleichswerte der Unternehmen habe, die die von der Kooperation betroffenen Tätigkeiten in den Vorjahren erbracht hätten. Aussagen dazu könnten insbesondere deshalb nicht gemacht werden, weil die mitbeteiligte Partei auch mit innerbetrieblichen Ablaufoptimierungen argumentiere. Vergleichswerte aus den Jahren vor 2004 hätten nicht gewonnen werden können.

8 Dem sei - so das BFG - zu entgegnen, dass es sich im Revisionsfall um eine neu gegründete Gesellschaft handle, weshalb ein Vergleichswert mit einem vor 2004 noch nicht existenten Betrieb nicht vorliegen könne. Es sei angesichts der Ausführungen der mitbeteiligten Partei offenkundig, dass die vor 2004 bestehenden Betriebsabläufe durch die erfolgten Neugründungen neu determiniert worden seien und dabei unter Beachtung marktwirtschaftlicher Tendenzen auch die Absicht der Kostenersparnis im Vordergrund gestanden habe. Nach dem Ergebnis des Verfahrens liege demnach kein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vor. 9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die (außerordentliche) Revision des Finanzamts. Zu deren Zulässigkeit bringt das Finanzamt vor, vom BFG werde nicht näher begründet, worin die offenkundige Änderung der Betriebsabläufe zu sehen sei und die marktwirtschaftlichen Tendenzen bestünden. Die Schlussfolgerung, dass bei der Unternehmensneugründung die Absicht der Kostenersparnis im Vordergrund gestanden habe, sei nicht nachvollziehbar.

10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen greift die Amtsrevision die vom BFG getroffene Beweiswürdigung an, wonach im Revisionsfall bei der Unternehmensneugründung die Absicht der Kostenersparnis im Vordergrund gestanden habe.

15 Die in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des BFG ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof jedoch nur insofern zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. VwGH 3.9.2019, Ra 2018/15/0035, mwN).

16 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende grobe Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung wird in der Revision allerdings nicht aufgezeigt. Im Revisionsfall hat das BFG die vom Finanzamt zusammengetragenen Indizien der mitbeteiligten Partei vorgehalten und diese zur Stellungnahme aufgefordert. Aus den in der Stellungnahme aufgezählten und - wie die Amtsrevision einräumt - nunmehr auch in Zahlen ausgeführten Einsparungen hat das BFG sodann eine für den Ausschluss einer Missbrauchsabsicht ausreichende im Vordergrund stehende Kostenersparnis abgeleitet, womit es die festgestellten Neuausrichtungen und Einsparungen anders als das Finanzamt würdigt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ergibt sich daraus nicht.

17 Soweit das Finanzamt eine Verletzung von § 63 VwGG geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Fall nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch das BFG ein solcher Verstoß nicht vorliegt.

18 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150069.L00

Im RIS seit

03.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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