TE Vwgh Beschluss 2020/1/27 Ra 2019/04/0074

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §52
AVG §53
AVG §53 Abs1
AVG §58
AVG §60
AVG §7
AVG §7 Abs1
AVG §7 Abs1 Z4
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art20 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §48 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/04/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, in der Revisionssache 1. des DDipl.-Ing. D M und

2. der MMag. D S, beide in W, beide vertreten durch Niernberger Kleewein Rechtsanwälte, 8010 Graz, Elisabethstraße 50c, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. Dezember 2018, Zlen. 1. VGW-122/V/043/12952/2016-75 und 2. VGW- 122/V/043/12953/2016, betreffend gewerberechtliches Betriebsanlagenverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: B GmbH in W, vertreten durch die PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH & Co KG, 1010 Wien, Julius-Raab-Platz 4), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben zu ungeteilter Hand der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit (dem im zweiten Rechtsgang erlassenen) Bescheid vom 29. August 2016 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die gewerberechtliche Genehmigung für eine näher beschriebene Gastgewerbebetriebsanlage nach Maßgabe der aufgezählten Unterlagen sowie unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.

Die (u.a.) von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Einwendungen wurden abgewiesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Dezember 2018 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht gab die (wesentlichen) Inhalte der eingeholten Amtssachverständigengutachten, der von den revisionswerbenden Parteien vorgelegten Privatsachverständigengutac hten sowie der Ausführungen der Parteien und der Sachverständigen in den durchgeführten mündlichen Verhandlungen wieder. Gestützt auf den von ihm insoweit als unbestritten angesehenen Akteninhalt stellte das Verwaltungsgericht die wesentlichen Eckdaten der beantragten Betriebsanlage dar. Festgehalten wurde (u.a.), dass die Betriebsanlage mit einer (näher spezifizierten) Brandmeldeanlage überwacht werde und im Bereich der (im Erdgeschoß befindlichen) Garderobe eine Sprinkleranlage installiert sei. Die zur Beurteilung einer möglichen Belästigung der Nachbarn herangezogenen Werte würden auf dem eingereichten Projekt basieren. Diese Werte seien von den beigezogenen Amtssachverständigen in ihren - vom Verwaltungsgericht als schlüssig und nachvollziehbar erachteten - Gutachten verifiziert worden.

In seinen rechtlichen Erwägungen führt das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - zur behaupteten Lärmbelästigung zunächst aus, dass das Verhalten von Gästen außerhalb der räumlichen Grenzen bzw. - wie hier behauptet -

vor der Betriebsanlage weder von der Projektabsicht noch von der Betriebsanlagengenehmigung umfasst sei und daher nicht mehr als der Betriebsanlage zuzurechnendes Geschehen gewertet werden könne. Ausgehend davon könne mit dem Beschwerdevorbringen betreffend Lärmbelästigung durch Gäste in den Mauernischen bzw. am Gehsteig keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufgezeigt werden. Auch das Beschwerdevorbringen betreffend die divergierenden Werte im Gutachten des Amtssachverständigen einerseits und demjenigen des (von den revisionswerbenden Parteien beauftragten) Privatsachverständigen andererseits beziehe sich auf Lärmbelästigungen durch Personenansammlungen vor der Betriebsanlage.

Weiters hielt das Verwaltungsgericht diesbezüglich fest, dass der Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt habe, dass (diesbezüglich) keine Diskrepanz bestehe, weil sich das Gutachten des Privatsachverständigen auf "1-Stundenwerte (...) im Wohnraum (der revisionswerbenden Parteien) bei geöffneten und geschlossenen Wohnungsfenstern" beziehe, im Gutachten des Amtssachverständigen hingegen "die Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmissionen für die Beurteilungszeiträume Tag, Abend und Nacht ausgewiesen" seien, bezogen auf den Raum "vor den Wohnungsfenstern" im Freien. Bei einer Messung innerhalb eines Raumes bei geöffneten Fenstern sei zur Bildung von Schallpegelwerten im Freien ein Wert von 5 dB hinzuzurechnen, womit sich die Werte in den beiden Gutachten decken würden. Ausgehend davon erachtete das Verwaltungsgericht den vermeintlichen Widerspruch als aufgelöst (Seite 166 des angefochtenen Erkenntnisses).

Anschließend erfolgten Ausführungen zur behaupteten Lärmbelästigung im Zusammenhang mit dem Schließen bzw. dem Geschlossen-Halten der Eingangstür und den Liefer- und Abholvorgängen sowie zur behaupteten Geruchsbelästigung.

Im Hinblick auf die behauptete Gefährdung der Gesundheit, des Lebens und des Eigentums durch bauliche Brandschutzmängel hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass nur vorhersehbare Gefährdungen dieser Interessen zu vermeiden seien. Gestützt auf das dazu erstattete Gutachten des Amtssachverständigen verneinte das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer derartigen Gefährdung, weil ein zu niedriger "Außenwandstreifen" keine Gefährdung von Personen in benachbarten Gebäuden darstelle und nach den Ausführungen des Amtssachverständigen durch Kompensationsmaßnahmen eine wirksame Einschränkung der vertikalen Brandübertragung bewirkt und somit dem Stand der Technik entsprochen werde. Daran vermöge der im Privatsachverständigengutachten, das von den revisionswerbenden Parteien vorgelegt worden sei, enthaltene Verweis auf andere brandschutztechnische Maßnahmen mit gleichwertigem Schutzniveau nichts zu ändern.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung bzw. (die mitbeteiligte Partei) die Zurückweisung der Revision beantragen.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Die revisionswerbenden Parteien machen zunächst geltend, das Verwaltungsgericht sei den gesetzlichen Anforderungen an die Begründungspflicht von Entscheidungen schon dem Grunde nach nicht nachgekommen. Die Inklusion von zusammenkopierten Aktenbestandteilen genüge diesen Anforderungen nicht. Das Erkenntnis sei daher "nicht lesbar, geschweige denn überprüfbar". Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und eine schlüssige Beweiswürdigung vorzunehmen. Die - lediglich floskelhaften - beweiswürdigenden Erwägungen würden sich auf zwei kurze Absätze beschränken. 7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 VwGVG den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Weiter hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen - wie die Äußerungen von Sachverständigen - nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. zu alldem VwGH 5.11.2019, Ra 2019/06/0107, mwN).

8 Das angefochtene Erkenntnis beschränkt sich allerdings nicht auf eine bloße Zitierung von Beweisergebnissen, sondern enthält auch Feststellungen und beweiswürdigende Überlegungen. Zwar weist das angefochtene Erkenntnis - wie den revisionswerbenden Parteien einzuräumen ist - insofern Schwächen in der Gliederung auf, als sich diese Ausführungen teilweise (hinsichtlich der beweiswürdigenden Überlegungen sogar überwiegend) disloziert in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses finden. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits wiederholt festgehalten, dass nur ein relevanter Begründungsmangel die Zulässigkeit der Revision nach sich zieht (vgl. etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2018/11/0020, mwN). Eine derartige Relevanz vermag die Revision nicht aufzuzeigen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Ungeachtet der dargestellten Schwächen ist nämlich hinreichend klar zu erkennen, von welchen entscheidungswesentlichen

Tatsachen das Verwaltungsgericht auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. etwa VwGH 20.11.2019, Ra 2018/08/0227, mwN).

9 Soweit die revisionswerbenden Parteien die (behauptetermaßen) fehlende Lesbarkeit von Teilen der in das angefochtene Erkenntnis hineinkopierten Aktenbestandteile rügen, ist dem entgegenzuhalten, dass dies - so man die Lesbarkeit überhaupt verneinen sollte (die im Akt befindliche Ausfertigung weist diesbezüglich keine Mängel auf) - die Wiedergabe der Beschwerden der revisionswerbenden Parteien betrifft. Deren Kenntnis kann bei den revisionswerbenden Parteien aber vorausgesetzt werden.

10 Die revisionswerbenden Parteien rügen weiter, das angefochtene Erkenntnis enthalte keine Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Beweisergebnissen, insbesondere mit den Widersprüchen zwischen den vorliegenden Gutachten. Die revisionswerbenden Parteien seien den eingeholten Amtssachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Damit habe sich das Verwaltungsgericht nicht in einer überprüfbaren Weise auseinandergesetzt. Zur Lärmbelästigung habe sich das Verwaltungsgericht lediglich mit dem Privatgutachten vom September 2013 befasst, nicht hingegen mit den Ergänzungsgutachten vom Jänner bzw. Juni 2014. Dies wäre aber wesentlich gewesen, weil darin nachgewiesen worden sei, dass der Messwert in der Nacht 45 dB betrage und bei geringfügiger Überschreitung Schlafstörungen nicht ausgeschlossen seien. 11 Im Beschwerdeverfahren wurden drei schalltechnische Gutachten eines Privatsachverständigen vorgelegt. Der Darstellung im angefochtenen Erkenntnis lässt sich entnehmen, dass die dritte Messung (vom Juni 2014) im Freien straßenseitig 0,5 m vor dem geöffneten Schlafzimmerfenster der revisionswerbenden Parteien erfolgt ist. Ausgehend davon ist - wie den revisionswerbenden Parteien zuzugestehen ist - nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht die behauptete Diskrepanz zwischen den Gutachten des Amtssachverständigen und des Privatsachverständigen deshalb als nicht bestehend annahm, weil die Messung in einem Fall (beim Amtssachverständigengutachten) im Freien und im anderen Fall (beim Privatgutachten) im Wohnraum erfolgt sei.

12 Auch hinsichtlich dieses Begründungsmangels wird aber letztlich keine Relevanz aufgezeigt: Das Verwaltungsgericht hat nämlich zunächst festgehalten, dass das Verhalten von Gästen außerhalb bzw. vor der Gastgewerbebetriebsanlage vom Projekt und damit der Betriebsanlagengenehmigung nicht erfasst sei (vgl. zum Verhalten von Gästen außerhalb einer Betriebsanlage allgemein § 74 Abs. 3 GewO 1994 sowie VwGH 21.7.2017, Ra 2017/04/0062, 0063, mwN). Weiters ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich das Beschwerdevorbringen betreffend die divergierenden Messwerte auf eine (behauptete) Lärmbelästigung durch Personenansammlungen vor der Betriebsanlage beziehe. Dieser Annahme tritt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht entgegen. Ausgehend davon ist die Frage, ob sich die als Grundlage für die weitere Beurteilung herangezogenen Messwerte auf unterschiedliche Messpunkte beziehen und ob diesbezüglich eine Diskrepanz besteht, nicht entscheidungserheblich.

13 Die revisionswerbenden Parteien bringen vor, der von ihnen beauftragte Brandschutzsachverständige habe einen elementaren Brandschutzmangel nachgewiesen und ausgeführt, dass durch die bestehenden baulichen Defizite einer Brandausbreitung nicht geeignet entgegengewirkt werde. Damit wird allerdings eine Unvertretbarkeit der (auf das diesbezüglich eingeholte Amtssachverständigengutachten gestützten) Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, wonach durch die erfolgten Kompensationsmaßnahmen (im Hinblick auf den zu gering dimensionierten Außenwandstreifen) die Gefahr einer vertikalen Brandübertragung wirksam eingeschränkt werde, nicht aufgezeigt. 14 Des Weiteren führen die revisionswerbenden Parteien ein Abweichen der angefochtenen Entscheidung von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Prüfung einer möglichen Befangenheit von Amtssachverständigen ins Treffen. Ein Verwaltungsgericht müsse prüfen, ob die sachverständige Person unabhängig und unbefangen sei, wobei auch kein Anschein der Voreingenommenheit bestehen dürfe. Das Verwaltungsgericht habe ausschließlich Amtssachverständige beigezogen, die teilweise bereits für die belangte Behörde tätig gewesen seien. Zudem sei Dr. K, der den Bescheid im ersten Rechtsgang (2013) erlassen und sich "als Befürworter der Diskothek erwiesen" habe, seit Juni 2017 "Projektleiter für Angelegenheiten der Amtssachverständigen" und damit Ansprechstelle für grundsätzliche organisatorische Fragestellungen, wodurch der Anschein einer potentiellen Einflussnahme erweckt werde. Dennoch habe das Verwaltungsgericht eine Prüfung der Unbefangenheit bzw. Unabhängigkeit nicht vorgenommen.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, E 707/2014 - bereits ausgesprochen, dass die Heranziehung von Amtssachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz grundsätzlich zulässig ist (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040, 22.6.2016, Ra 2016/03/0027, jeweils mwN). 16 Das Verwaltungsgericht ist auf dem Boden des § 17 VwGVG iVm §§ 52 und 53 AVG verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) seinen Verfahren beizuziehen, wobei ein Verwaltungsgericht stets prüfen muss, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, u.a. also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Im Interesse der Sicherstellung der Unabhängigkeit bzw. der Unbefangenheit von sachverständigen Personen ist es erforderlich, dass das Verwaltungsgericht die Frage ihrer Unbefangenheit bzw. Unabhängigkeit einschließlich eines allfälligen diesbezüglichen Vorbringens von Verfahrensparteien sorgfältig prüft und die Heranziehung jedenfalls in Form eines (verfahrensleitenden) Beschlusses anordnet. Gegebenenfalls ist zu begründen, wenn von den Parteien vorgebrachte Bedenken hinsichtlich der vollen Unbefangenheit nicht zutreffen. Sachverständige sind bei der Erstattung ihrer Gutachten nicht an Weisungen im Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG gebunden, vielmehr beruht deren Begutachtung allein auf ihrer fachlichen Qualifikation. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt festgehalten, dass Amtssachverständige für die Richtigkeit des Gutachtens alleine verantwortlich sind und eine Ausübung dieser Funktion unter strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht steht, gegen die in Hinblick auf Art. 20 B-VG das Weisungsrecht nicht durchzudringen vermag (vgl. zu all dem erneut VwGH Ra 2016/04/0040, mwN).

17 Dass die revisionswerbenden Parteien im Beschwerdeverfahren Bedenken gegen die Unabhängigkeit der Amtssachverständigen erhoben hätten, auf die in der Begründung des angefochtenen Erkenntnis einzugehen gewesen wäre, wird in der Revision nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich.

18 Aber auch mit den in der Revision dazu erstatteten Ausführungen vermögen die revisionswerbenden Parteien eine Befangenheit der vom Verwaltungsgericht bestellten Amtssachverständigen nicht darzulegen. So wird mit dem bloßen Hinweis auf die Tätigkeit einzelner Amtssachverständiger bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht aufgezeigt, dass bei diesen eine Hemmung ihrer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive in Bezug auf die konkreten und von ihnen zu beurteilenden Fachfragen gegeben gewesen wäre. Ein entsprechend substantiiertes Vorbringen dahingehend, aus welchen Überlegungen der Umstand, dass der für die Bescheiderlassung im ersten Rechtsgang zuständige Organwalter nunmehr (auch) als "Ansprechstelle" für das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Auswahl der Amtssachverständigen fungiere, eine Befangenheit der hier tätig gewordenen Amtssachverständigen nach sich ziehen soll, enthält die Revision nicht (vgl. dazu, dass der Befangenheitsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 AVG nur vorliegt, wenn der Amtssachverständige den bekämpften Bescheid approbiert hätte VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0023 bis 0025). Im Hinblick auf die bereits dargestellte Weisungsfreiheit der Sachverständigen wird durch die Ausübung der (nicht näher konkretisierten) Funktion als "Ansprechstelle" auch nicht der Anschein einer Befangenheit erweckt.

19 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz war abzuweisen, weil der Inhalt des als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatzes außer allgemeinen Ausführungen sowie einem Verweis auf die Begründungen des Bescheides der belangten Behörde und des angefochtenen Erkenntnisses kein sonstiges auf die Revision Bezug habendes Vorbringen enthält (vgl. VwGH 30.4.2019, Ro 2017/06/0001; 28.12.2018, Ra 2018/11/0030; jeweils mwN).

Wien, am 27. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040074.L00

Im RIS seit

22.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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