TE Vwgh Beschluss 2020/2/12 Ra 2020/02/0005

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Veröffentlicht am 12.02.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §5 Abs1
VStG §9 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des S in R, vertreten durch Dr. Stefan Nenning und Mag. Jörg Tockner, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 18. Oktober 2019, Zl. LVwG-302382/20/KI/Rd, betreffend Übertretung des ASchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Steyr), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Dem Revisionswerber wird vorgeworfen, er habe es als zur Vertretung nach außen befugtes Organ einer GmbH zu verantworten, dass ein Arbeitnehmer eine mehrteilige Anlegeleiter benutzt habe, obwohl beidseitig die Sicherung gegen Wegrutschen an der Standverbreiterung (Querfuß) gefehlt habe. Die Leiter sei weggerutscht und der Arbeitnehmer aus fünf Meter Höhe abgestürzt. 5 Der Revisionswerber wendet sich in der vorliegenden außerordentlichen Revision nicht gegen den festgestellten Sachverhalt, sondern gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach im gegenständlichen Fall kein wirksames Kontrollsystem vorgelegen sei.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegen betriebliche Kontrollsysteme, die sich in der Regel nicht gleichen, einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Eine grundsätzliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. etwa VwGH 25.3.2019, Ra 2019/02/0043, mwN).

7 Für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems ist es erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Ein wirksames Kontrollsystem liegt dann vor, wenn dadurch die Überwachung der Einhaltung von Rechtsnormen, wie sie der Übertretung des Revisionswerbers zu Grunde gelegt wurden, jederzeit sichergestellt werden kann (VwGH 27.11.2019, Ra 2019/02/0164, mwN).

8 Unter Zugrundelegung dieser hg. Rechtsprechung gelingt es der vorliegenden Revision nicht, aufzuzeigen, welche konkreten Maßnahmen im Unternehmen im Einzelnen vorgesehen wurden, um gerade eine solche Übertretung des Arbeitnehmerschutzes, wie sie im Revisionsfall vorgekommen ist, zu verhindern. Schulungen und Betriebsanweisungen vermögen nach der hg. Rechtsprechung gegebenenfalls ein Kontrollsystem zu unterstützen, nicht aber zu ersetzen. Ebenso reichen Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen (VwGH 4.7.2018, Ra 2017/02/0240, mwN).

9 Das Verwaltungsgericht hat im gegenständlichen Fall ausreichende Feststellungen zum eingerichteten Kontrollsystem getroffen, welche vom Revisionswerber nicht bestritten werden. Dass die daraus abgeleitete Beurteilung des Verwaltungsgerichts zur Wirksamkeit des konkreten Kontrollsystems grob fehlerhaft erfolgt und daher vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt.

Die Revision erachtet der Revisionswerber auch für zulässig, weil es "an einer generellen Rechtsprechung" zur Frage fehle, "in wie weit das aufgezeigte Kontrollsystem in einem Unternehmen ausreicht, um die verantwortlichen, handelsrechtlichen Geschäftsführer von ihrem Verschulden zu befreien". Bei dieser vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung als wesentlich erachteten Rechtsfrage handelt es sich jedoch um eine hypothetische Frage, deren Beantwortung im konkreten Fall nicht entscheidend ist. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes oder der Verwaltungsbehörde, Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem in einem Unternehmen bzw. Betrieb konkret zu gestalten ist, sondern zu überprüfen, ob auf dem Boden der Darlegungen der betroffenen Partei überhaupt ein Kontrollsystem im genannten Sinn gegeben ist bzw. ob das aufgezeigte Kontrollsystem hinreichend beachtet wurde, um mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 25.3.2019, Ra 2019/02/0043, mwH).

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020005.L00

Im RIS seit

10.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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