TE Lvwg Erkenntnis 2019/11/21 VGW-031/068/7991/2018

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Index

90/02 Kraftfahrgesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

KFG §103 Abs2
VStG §45 Abs1 Z1
ZustG §17
ZustG §22 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK !

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 25.04.2018, Zl. ..., wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz (KFG 1967), nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 9.1.2019 und 18.1.2019

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG eingestellt.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

I. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1.   Gang des Verfahrens

Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:

„Sie wurden mit Schreiben der Landespolizeidirektion Wien vom 20.11.2017 als Zulassungsbesitzer aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen OW-... am 17.09.2017 um 20:46 Uhr in Wien, E. Gürtel in Höhe 68, Richtung F. Platz gelenkt hat. Sie haben diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt. Sie haben auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: §103 Abs. 2KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von €200,00, falls diese uneinbringlich ist Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tage(n) 16 Stunde(n) 0 Minute(n) Gemäß §134 Abs. 1 KFG

[…]

Begründung

Das Straferkenntnis stützt sich auf den Akteninhalt. Sie haben die Tat nicht bestritten, und lediglich eine verspätete Lenkerauskunft erteilt.

Die Lenkererhebung vom 20.11.2017 wurde durch die Post versucht am 24.11.2017 zuzustellen. Da Sie persönlich nicht anwesend waren, wurde der RSb-Brief durch Hinterlegung zugestellt. Beginn der Abholfrist war der 27.11.2017. Sie haben die Lenkerauskunft nicht behoben, und haben deshalb die Lenkerauskunft nicht erteilt.

Die Strafverfügung ist deshalb zu Recht ergangen.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens­ und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Milderungs- (keine) bzw. Erschwernisgründe (eine einschlägige Vormerkung) wurden berücksichtigt.

Die der Bestrafung zugrunde liegende Handlung schädigte das als sehr bedeutend einzustufende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht als geringfügig zu bewerten war. Das Ausmaß des Verschuldens kann im vorliegenden Fall in Anbetracht der offensichtlichen Außerachtlassung der im gegenständlichen Fall objektiv gebotenen und dem Beschuldigten zuzumutenden Sorgfalt nicht als geringfügig bezeichnet werden.

Angesichts der bisherigen Darlegungen war sohin die Geldstrafe auf die im Spruch ersichtliche Höhe zu bemessen. Gemäß § 16 Abs. 2 letzter Satz VStG ist die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen. Gemäß diesen sich aus § 19 VStG ergebenden Regeln sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Die Strafhöhe erscheint unter Zugrundelegung der im konkreten Fall zu berücksichtigen gewesenen Spezial­ und Generalprävention als geboten. Aus den angeführten Gründen erscheint unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen monatlichen Einkommens das verfügte Strafausmaß durchaus als angemessen und nicht als überhöht.“

Eine Ausfertigung dieses Straferkenntnisses wurde vom Beschwerdeführer am 28.5.2018 persönlich übernommen (LPD-AS 22).

Mit E-Mail vom 4.6.2018 erhob der Beschwerdeführer folgende Beschwerde (LPD-AS 23):

„Anbei die polizeiliche Anzeige das[s] zu diesen Zeitpunkt das Kennzeichen schon als abhängig [gemeint wohl: abgängig] gemeldet wurde!

Ich bitte Sie die Strafe einzustellen und mir eine Zuschrift zukommen zu lassen!“

Das Verwaltungsgericht Wien stellte fest, dass im Akt der belangten Behörde der Rückschein für die Zustellung der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft fehlte und forderte die belangte Behörde mit ON 8 auf einen Nachweis für die Hinterlegung der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft beim Zustellpostamt vorzulegen.

Dennoch wurde von der belangten Behörde kein Rückschein für die Zustellung der Lenkererhebung übermittelt, sondern mit ON 12 mitgeteilt, dass der Rückschein in der Ablage unauffindbar sei und mit der Beschwerdevorlage angeschlossen gewesen sein müsse. Weiters wurde ein Screenshot von Aktenvorgängen 2018 vorgelegt (VGW – AS 95).

Am 9.1.2019 und am 18.1.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der die belangte Behörde nicht teilnahm, sondern bereits im Vorfeld auf die Teilnahme verzichtete (ON 13 und ON 19), obwohl von ihrer Seite sachdienliche Hinweise zur Dokumentation des Zustellvorganges in ihrem Akt und allfällig in Verstoß geratene Schriftstücke kommen hätte müssen.

Bei seiner Einvernahme bestritt der Beschwerdeführer eine Hinterlegungsanzeige für die Aufforderung zur Lenkerauskunft erhalten zu haben:

„Ich habe die Lenkeranfragen wenn ich sie bekommen habe immer ausgefüllt und habe offenbar jene derentwegen ich bestraft worden bin nicht erhalten bzw. Ende November 2017 keine Hinterlegungsanzeige erhalten. Ich war damals sicher nicht ortsabwesend oder auf Urlaub, weil ich schon seit Jahren nicht auf Urlaub gegangen bin.

Ich lege vor, meine Entlassungsbestätigung aus welcher hervorgeht, wann ich zuletzt unschuldig in Untersuchungshaft war bzw. Ersatzstrafen abgebüßt habe. Beilage ./A

Ich weise darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsübertretung der Kleinbus an Herrn C. D. vermietet war.

Wenn ich darauf hingewiesen werde, dass diese Diebstahlsanzeige am 18.09.2017 erfolgte und somit erst einen Tag nach der Geschwindigkeitsübertretung, so gebe ich an, dass auch gemäß meinen Angaben gegenüber der Polizei in der Anzeige die Übergabe bereits am 29.08.2017 erfolgte. Es handelte sich um 2 Fahrzeuge. Vereinbart war, dass er 5 Fahrzeuge von mir mietet und wir einen schriftlichen Vertrag machen werden. Allerdings verschwand er mit den ersten 2 von mir gelieferten Fahrzeugen nachdem ich diese am 29.08.2017 vor seiner Firma abgestellt und ihm die Schlüsseln übergeben hatte, auf ca. 5-6 Monate, danach war ich mit zahlreichen Schäden und Verkehrsstrafen konfrontiert und die Verfahren gegen ihn wurden jedoch alle eingestellt. Mir blieb nur der finanzielle Schaden, zumal er auch die vereinbarte Miete nie bezahlt hatte.

Ich habe jedenfalls Herrn C. D. als Lenker der Polizei nochmals zur Kenntnis gebracht in meinem Einspruch gegen die Strafverfügung. Das war das erste Mal als mir in dieser Angelegenheit von der LPD ein Schriftstück zugestellt wurde und ich habe sofort reagiert. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass ich bereits am 18.09.2017 der Polizei gegenüber angegeben hatte, dass Herr C. D. sich meines Fahrzeuges bemächtigt hatte. So gesehen war die LPD zum Zeitpunkt ihres Auskunftsersuchens nachweislich von mir bereits informiert worden, dass das Fahrzeug von Herrn C. D. entwendet wurde.“

In der auf den 18.1.2018 erstreckten mündlichen Verhandlung erfolgte die Verkündung des gegenständlichen Erkenntnisses samt Darstellung der wesentlichen Begründungsinhalte.

Mit Schriftsatz vom 4.2.2019 stellte die belangte Behörde einen Ausfertigungsantrag.

2.   Festgestellter Sachverhalt

Der oben dargelegte Gang des Verfahrens wird mit Ausnahme des Parteienvorbringens und hinsichtlich der Beschreibung des reinen Ablaufs der Ereignisse als Teil des Sachverhaltes festgestellt.

Weiters wird festgestellt, dass am 17.9.2017, gg. 20:46 Uhr, mit einem vollautomatischen Geschwindigkeitsmessgerät ein Lieferwagen mit dem behördlichen Kennzeichen OW-... im Ortsgebiet, nämlich am E. Gürtel auf Höhe ONr. 68 in Fahrtrichtung F. Platz, mit einer Geschwindigkeit von 69 km/h gemessen und fotografiert wurde (LPD-AS 1).

Die LPD Wien (im Folgenden: belangte Behörde) sendete an die Adresse des Zulassungsbesitzers B. A. (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) mit Schreiben vom 29.9.2017 eine Anonymverfügung mit dem Vorhalt, dass der Lenker des Fahrzeugs zu oben genannter Tatzeitpunkt an jener Örtlichkeit die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 14 km/h überschritten habe (LPD-AS 2-3).

Nachdem keine Reaktion des Beschwerdeführers erfolgte, forderte die belangte Behörde mit Schreiben vom 20.11.2017 den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen OW-... auf, binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens Auskunft darüber zu erteilen, wer zu oben genannter Tatzeit an oben genannter Örtlichkeit das Fahrzeug gelenkt hat (LPD-AS 4-6).

In einer internen Dokumentation findet sich der Vermerk „Zugestellt am 23.11.2017 – 18:05:11“, weiters der Vermerk „Beginn der Abholfrist (Hinterlegung) 27.11.2017“ und mit Datum vom 13.12.2017 der Vermerk „nicht behoben“ (LPD-AS 7).

Außer diesem - bereits in sich widersprüchlichen - Ausdruck findet sich zu diesem Zustellvorgang jedoch kein Rückschein oder retourniertes behördliches Schreiben im Akt der belangten Behörde.

Auch auf hg. Aufforderung an die belangte Behörde einen Nachweis für die Hinterlegung der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft beim Zustellpostamt (VGW-ON 8) vorzulegen, wurde kein Rückschein für die Zustellung der Lenkererhebung übermittelt, sondern mitgeteilt, dass der Rückschein in der Ablage unauffindbar sei und mit der Beschwerdevorlage angeschlossen gewesen sein müsse (VGW-ON 12). Die belangte Behörde nutzte auch nicht die mündliche Verhandlung, um zur Aufklärung dieser Lücken beizutragen, während der Beschwerdeführer den Erhalt einer Verständigung der Hinterlegung der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft bestritt.

Es kann mangels Beweise nicht festgestellt werden, dass eine Verständigung von der Hinterlegung der Aufforderung zur Erteilung einer Lenkerauskunft an der Abgabestelle des Beschwerdeführers in die hierfür bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt worden war.

Weiters wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits am 29.8.2017 (und somit vor dem die Lenkerauskunft auslösendem Ereignis am 17.9.2017) das angefragte KFZ Herrn C. D. zusammen mit einem weiteren Fahrzeug zur Miete überlassen hatte. Da dieser nicht zahlte, zeigte er ihn am 18.9.2017 bei der LPD Wien wegen Betrugs an und teilte zeugenschaftlich einvernommen der LPD mit, dass er dieses Fahrzeug bereits am 29.8.2017 Herrn C. D. überlassen hatte (VGW – AS 101 ff).

Herrn C. D. gestand gegenüber der belangten Behörde am 25.9.2017 ein, dass - mit Ausnahme der Höhe der Monatsmiete - die Aussage des Beschwerdeführers richtig gewesen war (VGW – AS 99).

Weiters wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde sofort offenlegte, dass zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsübertretung das Fahrzeug von Herrn C. D. gelenkt wurde (LPD – AS 14).

3.   Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet im Wesentlichen auf den in den Akten einliegenden unbedenklichen und unbestrittenen Urkunden, den Abfrageergebnissen von öffentlichen Registern und behördlichen Datenbanken, deren Fundstellen sowohl im Akt der belangten Behörde als auch im Gerichtsakt bei den entsprechenden Feststellungen bereits in Klammer beigesetzt sind.

Soweit nicht angeführt, wurden diese auf den Akteninhalt gründende Feststellungen von keiner Partei im Laufe des Beschwerdeverfahrens bestritten.

Wie bereits festgestellt, fand sich im Akt der belangten Behörde kein Nachweis, dass die Voraussetzungen für eine Hinterlegung vorlagen, eine ordnungsgemäße Hinterlegung stattgefunden hat und der Beschwerdeführer von der Hinterlegung verständigt worden war, weil kein Rückschein auffindbar war und auf Aufforderung durch das Gericht weder Behörde (ON 12) noch die Post (ON 16) einen Rückschein oder das unbehobene Schriftstück mit Kuvert vorzulegen imstande waren. Die im Akt der belangten Behörde einliegende Dokumentation bietet diesen Nachweis nicht, da hier nicht klar beurkundet ist, wann ein Zustellversuch an welcher Adresse stattgefunden hat, ob und von wem eine Verständigung wo eingelegt wurde und ab wann das Schriftstück zur Abholung bereit lag, denn einerseits fehlt ein Teil dieser Informationen und andererseits liegt sogar ein Widerspruch vor. So wurde das Schriftstück mit 23.11.2017 als zugestellt vermerkt. Zur Abholung sei es jedoch erst ab 27.11.2017 bereitgehalten worden, weshalb zumindest einer der beiden Vermerke unrichtig sein muss und diese interne Dokumentation keinen Beweiswert hat.

Aus dem übermittelten Screenshot und weiteren Unterlagen (VGW-ON 12) ergab sich kein Beweis des Vorliegens der für die Zulässigkeit einer Zurücklassung einer Hinterlegungsbenachrichtigung hinsichtlich der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft erforderlichen Voraussetzungen.

Die mangelhafte Beweislage ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der obangeführte Screenshot nur Eintragungen aus dem Jahr 2018 enthält und eine allfällige Zustellung der gegenständlichen Lenkeranfrage im Nov./Dez. 2017 stattgefunden hätte. Es kann somit weder festgestellt werden, dass eine Hinterlegungsanzeige ordnungsgemäß am 20.11.2017 bei der Abgabestelle zurückgelassen wurde, noch dass die gegenständliche Lenkeranfrage jemals hinterlegt und zur Abholung bereitgehalten worden ist.

Der Beschwerdeführer bestritt bei seiner Einvernahme von der Hinterlegung verständigt worden zu sein glaubhaft und dies erscheint plausibel, denn er hatte bereits am 18. September 2017 bei der belangten Behörde im Zuge einer Anzeigenerstattung zeugenschaftlich angegeben jenes Fahrzeug am 29.8.2017 Herrn C. D. überlassen zu haben (VGW – AS 101 ff). Auch teilte er in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde sofort mit, dass zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsübertretung das Fahrzeug Herrn C. D. überlassen hatte, was dieser auch bereits gegenüber der belangten Behörde am 25.9.2017 zugestanden hatte: „[…] Zur Sache: Mir wurde die Aussage des B. A. zur Kenntnis gebracht und ich möchte angeben, dass diese Aussage richtig ist. Allerdings stimmt die Angabe bezüglich der Monatsmiete für die Fahrzeuge nicht. […]“ (VGW – AS 99). Die Aussage, welche C. als richtig zugestand, war der Umstand, dass der Beschwerdeführer jenes Fahrzeug, hinsichtlich dessen die Lenkerauskunft begehrt wurde, bereits am 29.8.2017 (und somit vor dem die Lenkerauskunft auslösendem Ereignis am 17.9.2017) überlassen hatte. Der Beschwerdeführer hätte somit keinen Grund gehabt die Lenkerauskunft im November 2017 zu verweigern oder das Schriftstück nicht zu beheben, da es ohnehin jemanden gab, der bereits im September 2017 gegenüber der LPD zugestanden hatte, das Fahrzeug zur Miete überlassen gehabt zu haben. Dass er die Auskunft nicht erteilt hätte, um C. vor einer Strafverfolgung zu schützen, ist auch auszuschließen, denn immerhin hatte er ihn zuvor im Sept 2017 wegen Betrugs bei der LPD Wien angezeigt.

4.   Rechtliche Beurteilung

Zentrales Beweisstück für die ordnungsgemäße Zustellung eines behördlichen Schriftstückes ist eine Übernahmebestätigung bzw. der Rückschein, welcher vom Zustellorgan auszufüllen und zu unterfertigen ist. Ein solches Beweisstück fehlt im Akt der belangten Behörde hinsichtlich der Aufforderung an den Beschwerdeführer den Lenker binnen 14 Tagen ab Zustellung des Schreibens bekanntzugeben und wurde auch nach Aufforderung durch das Verwaltungsgericht nicht nachgebracht, sondern darauf verwiesen, dass sich der Rückschein im Akt befinden müsse. Im Akt der belangten Behörde befinden sich jedoch lediglich Rückscheine betreffend der Zustellung der Strafverfügung und des Straferkenntnisses, welche aufgrund zeitlicher Nähe diesen zuzuordnen sind und zu einer allfälligen Aufklärung des Sachverhaltes erschien in der mündlichen Verhandlung trotz zweier Termine kein Behördenvertreter.

Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang des Weiteren, dass die belangte Behörde bei ihren Schriftstücken keine Ordnungsnummern bzw. Subzahlen verwendet, sodass eine Zuordnung der Rückscheine zu bestimmten behördlichen Schriftstücken lediglich durch datumsmäßige Nähe erfolgen kann. Weiters ist zu monieren, dass auch hinsichtlich der Strafverfügung und des Straferkenntnisses zahlreiche Zustücke fehlen. So fehlen die retournierten Schriftstücke genauso wie die Rückscheine in jenen Fällen, in welchen aufgrund eines Zustellhindernisses eine Zustellung nicht bewirkt werden konnte (bspw. LPD – AS 11 und 12). Es fehlt somit nicht nur der entscheidende Rückschein hinsichtlich der Aufforderung zur Lenkerauskunft, was auf eine Systembedingtheit schließen lässt.

Die im Akt einliegenden Intranetausdrucke namens „Zustellung Übersicht + Nr.“ kommen von der Beweiskraft nicht den Rückscheinen/Zustellnachweisen gleich, welche vom Verwaltungsgerichtshof als Urkundenbeweis für eine Verständigung des Adressaten über die Hinterlegung angesehen werden, da sich auf diesen Ausdrucken weder eine Beurkundung des Einlegens einer Verständigung in eine Abgabeeinrichtung der Abgabestelle des Adressaten noch überhaupt eine Unterfertigung des Zustellorganes findet und können in ihrer derzeitigen Form den klassischen Rückschein/Zustellnachweis hinsichtlich seiner diesbezüglichen Beweiskraft daher auch nicht ersetzen. Zudem ist der Ausdruck auf LPD - AS 7 in sich selbst widersprüchlich („zugestellt am 23.11.2017“ und „Beginn der Abholfrist 27.11.2017“), sodass er aufgrund erwiesener Unrichtigkeit ohnehin als Beweis untauglich ist.

Angesichts dieser Aktenführung kann im Zusammenhalt mit den sonstigen Ermittlungsergebnissen nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass eine Zustellung am 27.11.2017 erfolgt ist, wie dies die belangte Behörde ihrem Straferkenntnis zugrunde gelegt hat.

Da der Beschwerdeführer bei seiner hiergerichtlichen Einvernahme den Erhalt einer Hinterlegungsanzeige bzw. die Hinterlassung einer den die Lenkeranfrage betreffenden Zustellvorgang betreffenden Hinterlegungsnachricht an der Abgabestelle glaubhaft bestritten hat, ist auch die lapidare fernmündliche Auskunft der Post AG (ON 16) kein hinreichender Beweis dafür, dass es eine solche gegeben hat und diese ordnungsgemäß ausgefüllt an der Abgabestelle des Beschwerdeführers zurückgelassen wurde.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in seiner hiergerichtlichen Einvernahme glaubhaft angeben konnte, dass das Kfz, hinsichtlich dessen die Geschwindigkeitsübertretung festgestellt und die Lenkererhebung durchgeführt wurde, zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsübertretung samt einem anderen Fahrzeug bereits an Herrn C. D. vermietet und übergeben war. Dieser hatte ihn diesbezüglich jedoch in weiterer Folge hintergangen, weshalb er bereits am 18.9.2017 eine Anzeige wegen Betrugs gegen diesen Verdächtigen bei der LPD Wien zu GZ ... erstattet hatte (VGW - AS 15-18), weil dieser nach Übergabe zweier Kraftfahrzeuge mit diesen verschwunden war, ohne den vereinbarten Vertrag zu unterschreiben oder eine Zahlung zu leisten. Somit hatte der Beschwerdeführer bereits vor Versendung der Lenkererhebung gegenüber der belangten Behörde angegeben, dass ihm dieses angefragte Fahrzeug, zuvor betrügerisch herausgelockt worden war, mögen es auch unterschiedliche Dienststellen der LPD Wien sein, welche mit dieser Causa befasst waren.

In Anbetracht dieser Sachlage fehlt auch jeglicher nachvollziehbare Grund, warum der Beschwerdeführer nicht bereit oder willens gewesen sein sollte, die gegenständliche Lenkeranfrage zu beantworten, bzw. das gegenständliche Schreiben nicht zu beheben.

Aufgrund des das Verwaltungsstrafverfahrens bestimmenden Grundsatzes „in dubio pro reo“ war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft; Zustellung, Hinterlegung; Nachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.068.7991.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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