RS Vfgh 2019/11/28 E3555/2019

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.11.2019
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz eines iranischen Staatsangehörigen; keine Ermittlungstätigkeit betreffend die Echtheit eines Todesurteils

Rechtssatz

Der Beschwerdeführer übermittelte das gegen ihn in zweiter Instanz verhängte Urteil (Todesstrafe sowie 100 Peitschenhiebe) in persischer Sprache zunächst elektronisch an das Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) und wurde daraufhin aufgefordert, innerhalb von 4 Wochen "ein notariell beglaubigtes Exemplar mit Übersetzung" vorzulegen. Innerhalb dieser Frist brachte der Beschwerdeführer eine von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher erstellte Übersetzung persönlich beim BVwG ein. Aus dieser Übersetzung geht hervor, dass es sich bei dem Urteil um eine Kopie mit einem Urschriftbeglaubigungsstempel durch das Berufungsgericht handelt. Aus den vorgelegten Akten ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer daraufhin aufgefordert wurde, andere Urkunden vorzulegen. Er wurde auch nicht darauf hingewiesen, dass das BVwG die Urkundenvorlage als nicht ausreichend erachte (obwohl die mündliche Beschwerdeverhandlung erst ein Jahr nach dieser Urkundenvorlage durchgeführt worden ist).

Selbiges gilt für das zweite beweiswürdigende Argument des BVwG, wonach aus dem vorgelegten Berufungsurteil zwar hervorgehe, dass der Beschwerdeführer mit dem erstinstanzlichen Urteil zur Todesstrafe sowie 100 Peitschenhieben verurteilt worden sei, jedoch mangels Vorlage des erstinstanzlichen Urteils weder überprüft werden könne, ob ein solches tatsächlich existiere, noch ob dieses mit dem vorgelegten Berufungsurteil tatsächlich übereinstimme. Das BVwG hat den Beschwerdeführer weder anlässlich der ersten noch der zweiten Urkundenvorlage dazu aufgefordert, das erstinstanzliche Urteil vorzulegen. Erst in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und somit ein Jahr später wurde kurz nachgefragt, weshalb das erstinstanzliche Urteil nicht vorgelegt wurde. Zur Vorlage des Urteils wurde der Beschwerdeführer aber auch hier nicht aufgefordert.

Der Umstand, dass die Echtheit von offiziellen Dokumenten aus dem Iran laut den Länderfeststellungen seitens der österreichischen Botschaft nicht überprüft werden kann, befreit das BVwG nicht von jeglicher Ermittlungstätigkeit in dieser Hinsicht. Gemäß §18 Abs1 erster Satz AsylG 2005 hat auch das BVwG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Das BVwG hat es unterlassen, durchaus zumutbare Ermittlungen über die Echtheit des Berufungsurteils durchzuführen. Insbesondere hat das BVwG den Beschwerdeführer nicht dazu aufgefordert, das erstinstanzliche Urteil vorzulegen, obwohl es die Beweiswürdigung insbesondere auf den Umstand stützt, dass mangels Vorlage des erstinstanzlichen Urteils weder überprüft werden konnte, ob ein solches tatsächlich existiere, noch ob dieses mit dem vorgelegten Berufungsurteil tatsächlich übereinstimme.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E3555.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten