TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/13 G307 2206359-1

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Entscheidungsdatum

13.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §33

Spruch

G307 2206359-1/5E

G307 2206359-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA.: Albanien, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2018, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A) Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den

vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe :

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Mit dem oben angeführten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen den BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Albanien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

2. Dieser Bescheid enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, in der darauf hingewiesen wurde, dass dagegen eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden könne, die innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids schriftlich "bei uns" einzubringen sei. Gleichzeitig wurde der BF mittels Verfahrensanordnung vom 25.08.2018 darüber informiert, dass ihm die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG als Rechtsberater zur Seite gestellt werde.

3. Der Bescheid und die Verfahrensanordnung wurden dem BF durch eigenhändige Übernahme am 25.08.2018 persönlich zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des 22.09.2018.

4. Am 24.09.2018 brachte der BF beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Beschwerde gegen diesen Bescheid ein, welche dort am 25.09.2018 einlangte. Das erkennende Gericht leitete die Beschwerde am selben Tag an die zuständige Behörde weiter, wo sie am 26.09.2018 einlangte und daher an diesem Tag als rechtmäßig eingebracht anzusehen ist.

5. Mit Schreiben vom 08.10.2019 stellte der BF beim BVwG einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher mit einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid sowie einer Stellungnahme verbunden wurde und beim BVwG am selben Tag einlangte.

II. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahren und der Gerichtsakten des BVwG, sodass sich eine eingehende Beweiswürdigung erübrigt.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71 und 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).

Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein Verschulden an der Versäumung hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB) unterläuft (VwGH 01.06.2017, Ra 2017/06/0040), wobei auch unvertretene Parteien bei der Wahrnehmung von Fristen eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft (VwGH 25.09.2018, Ra 2016/05/0018). Ein minderer Grad des Versehens liegt nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.11.1996, 95/17/0112; 23.05.2001, 99/06/0039; 01.06.2006, 2005/07/0044).

Jegliches Geschehen (also auch sogenannte psychologische Vorgänge wie Vergessen, Verschreiben, sich irren usw.) kann als "Ereignis" iSd § 33 VwGVG gewertet werden (vgl zu § 71 Abs 1 AVG VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020). Auch ein Rechtsirrtum oder die Unkenntnis von Rechtsvorschriften kann einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen (VwGH 11.05.2017, Ra 2017/04/0045). Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei (oder ihren Vertreter) an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (VwGH 16.09.1999, 99/20/364; 30.04.2001, 2001/03/0183; 25.05.2007, 2006/12/0219). Eine der Wiedereinsetzung entgegenstehende auffallende Sorglosigkeit nahm der VwGH beispielsweise an, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum hätte vermieden werden können durch die aufmerksame Lektüre des Bescheids (VwGH 31.07.2007, 2006/05/0089), und zwar nicht nur des Spruchs, sondern insbesondere auch der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 26.02.2003, 2002/17/0279; 09.06.2004, 2004/16/0096).

Der BF bringt in seinem Wiedereinsetzungsantrag vor, der zuständige Rechtsberater sei vom BF am 28.08.2018 beauftragt worden, gegen den obzitierten Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Nachdem dieser in die Rechtsberatungsstelle zurückgekommen sei, habe er das Ende der Beschwerdefrist mit 24.09.2018 ordnungsgemäß in den dafür vorgesehenen Fristenkalender eingetragen, die Beschwerde am 24.09.2018 irrtümlicher Weise per Fax an das BVwG übermittelt und die Frist aus dem Fristenkalender gestrichen.

Beim Rechtsberater handle es sich um einen äußerst gewissenhaften Vertreter mit langjähriger Erfahrung, welcher im Regelfall Schubhaftbeschwerden verfasse, die direkt beim BVwG einzubringen seien. Die irrtümliche Einbringung beim BVwG habe einen Fehler dargestellt, der auf den überdurchschnittlich hohen Arbeitsanfall des besagten Rechtsberaters zurückzuführen gewesen sei.

Hiezu ist zu erwähnen, dass der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits in seinem Erkenntnis vom 15.09.1994, Zahl 93/09/0452 hervorgehoben hat, die Behauptung beruflicher Überlastung stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Nun wurde im Wiedereinsetzungsantrag selbst vorgebracht, dass es sich bei dem für den BF zuständigen Rechtsberater um eine sehr gewissenhafte Person handle. Gerade dann kann von ihm ein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab erwartet werden und ist die Übermittlung der Beschwerde an die zuständige Behörde wohl als eines der wichtigsten, wenn nicht als das wesentlichste Moment im Rahmen der Rechtsmitteleinbringung zu werten.

Zudem wird von der Judikatur an die Sorgfaltspflichten bei "beruflichen" rechtskundigen Parteienvertretern ein strengerer Maßstab angelegt als bei anderen, (rechtsunkundigen) Personen (VwGH 19.09.1991, 91/06/0067; 01.06.2006, 2005/07/0044; 23.06.2008, 2008/05/0529, vgl. auch Hengstschläger Rz 606, Kunnert 193, Thienel 323). Der hier eingeschrittene Rechtsvertreter fungierte zwar als Rechtsberater iSd § 52 Abs. 1 BFA-VG, dieser ist jedoch rechtskundig und kann sich demnach nicht auf die "herabgesetzte" Sorgfaltspflicht einer rechtsunkundigen Person berufen.

Schließlich muss ich der BF das Verschulden seines Vertreters auch zurechnen lassen (VwSlG 7671 A/1969, VwGH, 24.01.1996, 95/21/1238;

31.07.2007, 2006/05/089; Helbling 474; Hengstschläger, Rz 606, Mannlicher/Quell § 71 Anm 5; Thienel 323, Walter ÖJZ 1961, 23;

Walter/Mayer Rz 618).

Es liegt im Übrigen kein minderer Grad des Versehens vor, weil der RV des BF bei gehöriger, ihm zumutbarer Sorgfalt seinen Irrtum bei Wahl der Faxnummer - spätestens nach erfolgter "Nachkontrolle" - erkennen hätte müssen und dieser so abwendbar gewesen wäre. Sodann wäre er angehalten gewesen, die Beschwerde an die richtige Stelle, nämlich das BFA, zu übermitteln.

Der BF hat somit keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, weil das Einbringen der Beschwerde bei der falschen Stelle bei gehöriger Aufmerksamkeit und der ihm zumutbaren Sorgfalt verhindert hätte werden können. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist sind daher nicht erfüllt, sodass der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet abzuweisen ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß §§ 12, 20 VwGVG sind Beschwerden bei der belangten Behörde einzubringen. Die Einbringung der Beschwerde beim BVwG war daher nicht fristwahrend. Die vom BVwG an das BFA weitergeleitete Beschwerde langte erst nach dem Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist dort ein, sodass sie als verspätet zurückzuweisen ist.

Die Stellungnahme des BF zum Verspätungsvorhalt führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal selbst die sofortige Einbringung des Rechtsmittels beim Bundesamt, somit der richtigen Stelle, verspätetet gewesen wäre. Da der letzte Tag der Frist der 22.09.2018 war, erwiese sich die Einbringung beim Bundesamt am 24.09.2018 ebenso als verspätet. Somit hätte sich an der Zurückweisung der Beschwerde wegen ihrer Verspätung auch dahingehend nichts geändert. Die erst am 26.09.2018 beim BFA eingebrachte Beschwerde ist daher gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG iVm §§ 28 Abs 1, 31 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil C): Unzulässigkeit der Revision:

Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens in einem Verfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint hat, ist keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 03.09.2018, Ra 2018/01/0370).

Die Revision ist vor diesem Hintergrund nicht zuzulassen, zumal keine Rechtsfrage von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG Bedeutung zu lösen ist.

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Beschwerdefrist, Fristablauf, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2206359.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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