TE Lvwg Beschluss 2019/1/13 VGW-031/062/15366/2019

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Veröffentlicht am 13.01.2019
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Entscheidungsdatum

13.01.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
20/01 Allgemein bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

AVG §10 Abs1
AVG §10 Abs2
VwGVG 2014 §38
VStG §24
ABGB §284b

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde vom 20.11.2019 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 24.10.2019, Zl. …, betreffend eine Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes (BStMG) folgenden

BESCHLUSS

I. Die Beschwerde wird gemäß § 50 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

Am 10.9.2019 erging aufgrund einer Wahrnehmung des automatischen Überwachungssystems der ASFINAG eine Anzeige sowie eine Strafverfügung wegen der Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 des Bundesstraßenmautgesetzes (BStMG) am 10.5.2019 um 14:46 Uhr mit dem Fahrzeug W-8 (A) auf der A23, Mautabschnitt Altmannsdorfer Straße-KN Wien Inzersdorf, Richtungsfahrbahn Hirschstetten, km 000,377 gegen Fr. A. B..

Gegen diese Strafverfügung erhob die Tochter der Beschuldigten, Fr. C. B., im eigenen Namen Einspruch und ersuchte um Herabsetzung der verhängten Strafe.

Daraufhin richtete die belangte Behörde wiederum an Fr. A. B. ein Straferkenntnis vom 24.10.2019, mit dem über sie wegen der bereits in der Anzeige bzw. der Strafverfügung vom 10.9.2019 zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 BStMG eine Geldstrafe von 300,- Euro (gesetzliche Mindeststrafe) sowie ein Verfahrenskostenbeitrag nach § 64 VStG in Höhe von 30,- Euro verhängt wurden.

Gegen dieses Straferkenntnis richtete Fr. C. B. am 20.11.2019 abermals in eigenem Namen eine E-Mail, in der sie um Herabsetzung der verhängten Strafe bat.

Die belangte Behörde verzichtete auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde zusammen mit dem dazugehörigen erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt am 25.11.2019 zur Entscheidung vor (ha. eingelangt am 28.11.2019).

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde Fr. C. B. mit Schreiben vom 5.12.2019 gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert eine Vollmacht beizubringen, aus der hervorgeht, dass Frau A. B. sie zur Vertretung im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren sowie zur Einbringung der Beschwerde berechtigt habe. Frau C. B. wurde in diesem Schreiben überdies darauf hingewiesen, dass aus dieser Vollmacht zu erkennen sein müsse, ab wann genau das Vollmachtsverhältnis bestanden habe.

Mit Email vom 10.12.2019 teilte Fr. C. B. mit, dass sie das verfahrensgegenständliche Auto gelenkt habe und stellte die Nachreichung einer Vollmacht in Aussicht.

In weiterer Folge wurde durch Fr. C. B. per Email vom 19.12.2019 eine Bestätigung über eine Registrierung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis über eine Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger vom 12.9.2017 vorgelegt.

II. Sachverhalt

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Am 12.09.2017 wurde im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eine Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger bzgl. Fr. A. B. (geb. 1948) zugunsten ihrer Tochter, Fr. C. B. (geb. 1978), mit Wirksamkeit ab 12.09.2017 registriert (Nr. …). Die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger zugunsten von Fr. C. B. umfasst folgende Bereiche:

- Alltagsgeschäfte/Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens,

- Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs,

- Geltendmachung von sozialen Ansprüchen und

- Entscheidungen über medizinische Behandlungen, soweit nicht mit schwerwiegenden Folgen verbunden.

Mit Email vom 20.11.2019 erhob Fr. C. B. Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 24.10.2019 zur GZ: …, welches an ihre Mutter, Fr. A. B., adressiert war und berief sich in weiterer Folge auf die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger zum Nachweis eines Vollmachtsverhältnisses.

III. Beweiswürdigung

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und in die von Fr. C. B. am 19.12.2019 vorgelegte Urkunde Einsicht genommen. Ferner wurden das Beschwerdevorbringen und die im Zuge der Urkundenvorlage vom 19.12.2019 getätigten, ergänzenden Ausführungen der Fr. C. B. gewürdigt.

Die Feststellungen zur Eintragung und zum Umfang der Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger ergeben sich vollinhaltlich aus der am 19.12.2019 vorgelegten Bestätigung über eine Registrierung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis vom 12.9.2017 zur Nr. …. Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensgang ergeben sich aus der Gesamtheit des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes und dem Beschwerdevorbringen.

IV. Rechtsgrundlagen

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF., lauten auszugsweise:

„Anzuwendendes Recht

§ 38.

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018, lauten auszugsweise:

„II. Teil: Verwaltungsstrafverfahren

1.   Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, § 39 Abs. 3 bis 5, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.“

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2018, lauten auszugsweise:

„Vertreter
§ 10.

(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten. (...)“

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) idF JGS Nr. 946/1811 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 105/2019, lauten auszugsweise:

„Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen ab 1. Februar 2013
§ 1503.

(…)

(9) Für das Inkrafttreten des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes, BGBl. I Nr. 59/2017 (2. ErwSchG), gilt Folgendes:

        (…)

17.

Vertretungsbefugnisse nächster Angehöriger, die vor dem 1. Juli 2018 registriert worden sind, bleiben bestehen und enden spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2021. Auf solche Angehörigenvertretungen sind nach dem 30. Juni 2018 weiterhin die §§ 284b bis 284e in der bis zum 2. ErwSchG geltenden Fassung sowie zusätzlich § 246 Abs. 3 in der Fassung des 2. ErwSchG anzuwenden. (…)“

ABGB idF JGS Nr. 946/1811 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2006 und aufgehoben durch BGBl. I Nr. 59/2017, lauten auszugsweise:

„Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger

§ 284b. (1) Vermag eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nicht selbst zu besorgen und hat sie dafür keinen Sachwalter und auch sonst keinen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter, so kann sie bei diesen Rechtsgeschäften, soweit sie ihren Lebensverhältnissen entsprechen, von einem nächsten Angehörigen vertreten werden. Gleiches gilt für Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs sowie die Geltendmachung von Ansprüchen, die aus Anlass von Alter, Krankheit, Behinderung oder Armut zustehen, insbesondere von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen, Ansprüchen auf Pflegegeld und Sozialhilfe sowie Gebührenbefreiungen und anderen Begünstigungen.

(2) Der nächste Angehörige ist befugt, über laufende Einkünfte der vertretenen Person und pflegebezogene Leistungen an diese insoweit zu verfügen, als dies zur Besorgung der Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens und zur Deckung des Pflegebedarfs erforderlich ist.

(3) Die Vertretungsbefugnis des nächsten Angehörigen umfasst auch die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung, sofern diese nicht gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist und der vertretenen Person die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt.“

V. Rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Fall erhob Fr. C. B. Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 24.10.2019 zur GZ: ..., mit dem über ihre Mutter, Fr. A. B., eine Verwaltungsstrafe wegen § 20 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 BStMG verhängt wurde. Dabei berief sie sich auf eine zu ihren Gunsten im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragene Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger mit Wirksamkeit ab 12.9.2017.

Zu prüfen ist daher die Frage, ob es sich bei der gegenständlichen Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger um eine wirksame Vertretung iSd § 10 AVG, welcher gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbar ist, handelt. Gemäß § 10 Abs. 2 AVG ist der Inhalt und der Umfang einer Vertretungsbefugnis im Zweifel nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Bei der Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger handelt es sich um eine Vertretungsform, welche mit dem am 1.7.2007 in Kraft getretenen Sachwalterrechts-Änderungsgesetz (SWRÄG) 2006 in den § 284b ff ABGB eingefügt wurde (siehe dazu Kellner/Barth, Ausgewählte Rechtsfragen zur Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger nach dem SWRÄG 2006, JBl 2007, 690). Mittlerweile wurde die Bestimmung des § 284b ABGB durch das 2. ErwSchG (BGBl. I Nr. 59/2017) mit Wirksamkeit ab 1.7.2018 aufgehoben und durch die Rechtsform der „Gesetzlichen Erwachsenenvertretung“ (nunmehr §§ 268 ff ABGB) ersetzt (siehe dazu Kolmasch, 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, Lexis Briefings, Stand 28.12.2019).

Mit dem 2. ErwSchG (BGBl. I Nr. 59/2017) wurde für bestehende Vertretungsbefugnisse nächster Angehöriger in § 1503 Abs. 9 Z 17 ABGB eine Übergangsbestimmung eingefügt. Demnach bleiben Vertretungsbefugnisse nächster Angehöriger, die vor dem 1.7.2018 registriert worden sind, bestehen und enden spätestens mit Ablauf des 30.6.2021. Auf solche Angehörigenvertretungen sind nach dem 30.6.2018 weiterhin die §§ 284b bis 284e ABGB in der bis zum 2. ErwSchG geltenden Fassung sowie zusätzlich § 246 Abs. 3 ABGB in der Fassung des 2. ErwSchG anzuwenden. Dies gilt nach den Gesetzesmaterialien insbesondere auch für den Wirkungsbereich der Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger (siehe ErläutRV 1461 BlgNR 25.GP 60). Der Wirkungsbereich der gegenständlichen Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger vom 12.9.2017 ist somit nach dem mittlerweile aufgehobenen § 284b ABGB zu beurteilen.

Der Umfang einer Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger nach § 284b ABGB ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzwortlaut. Sie umfasst vier Bereiche (siehe auch Kellner/Barth, Ausgewählte Rechtsfragen zur Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger nach dem SWRÄG 2006, JBl 2007, 690 f):

1. Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, soweit sie den Lebensverhältnissen der vertretenen Person entsprechen,

2. die Organisation der Pflege der vertretenen Person,

3. Entscheidungen über nicht gravierende medizinische Behandlungen sowie

4. die Geltendmachung von Ansprüchen, die der vertretenen Person aus Anlass von Alter, Krankheit, Behinderung oder Armut zustehen.

Im gegenständlichen Fall galt es daher zu beurteilen, ob die verfahrensgegenständliche Vertretung vor dem Verwaltungsgericht in eine dieser vier Kategorien eingeordnet werden kann. Sowohl die Organisation der Pflege der vertretenen Person, Entscheidungen über nicht gravierende medizinische Behandlungen als auch die Geltendmachung von Ansprüchen, die der vertretenen Person aus Anlass von Alter, Krankheit, Behinderung oder Armut zustehen, scheiden bereits nach dem Wortsinn aus, weshalb auf diese Alternativen nicht weiter einzugehen ist. In Frage kommt somit lediglich die Qualifikation der Vertretung vor dem Verwaltungsgericht als Rechtsgeschäft des täglichen Lebens.

Auch diese Alternative ist jedoch nicht einschlägig. Laut den Gesetzesmaterialien orientiert sich der Begriff der Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nämlich an der Schlüsselgewalt von Ehegatten gemäß § 96 ABGB. Gemeint sind damit Rechtsgeschäfte, die der Alltag gewöhnlich mit sich bringt, wie z.B. die Anschaffung persönlicher Kleidungsstücke, die Reparatur von Haushaltsgeräten wie etwa einer Waschmaschine, der Kauf kleinerer Einrichtungsgegenstände oder die Buchung eines Urlaubs (vgl. ErläutRV 1420 BlgNR 22.GP 22-23; siehe dazu auch Stabentheiner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 284b ABGB Rz 7). Aus dieser beispielhaften Aufzählung in den Gesetzesmaterialien ergibt sich somit unzweifelhaft, dass die Vertretung in einem Verwaltungsstrafverfahren (vor einem Verwaltungsgericht) keinesfalls als Rechtsgeschäft des täglichen Lebens qualifiziert werden kann.

Hinzu kommt, dass der Wirkungsbereich der „Gesetzlichen Erwachsenenvertretung“, welche die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger seit dem 1.7.2018 mit dem 2. ErwSchG (BGBl. I Nr. 59/2017) ersetzt, nunmehr gemäß § 269 Abs. 1 Z 1 ABGB ausdrücklich die „Vertretung in Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren“ umfassen kann. Die Neuregelung wird durch den Gesetzgeber auf den Umstand zurückgeführt, dass der bis dahin geltende, eingeschränkte Wirkungsbereich des § 284b ABGB in der Praxis zu Problemen geführt hätte, weshalb die „Gesetzliche Erwachsenenvertretung“ nach § 269 ABGB im Gegensatz zur „Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger“ nicht mehr bloß auf die Geltendmachung sozialrechtlicher Ansprüche beschränkt sein soll, sondern erweitert wird (vgl. ErläutRV 1461 BlgNR 25.GP 41-42). Im Umkehrschluss kann daher davon ausgegangen werden, dass bis dahin die „Vertretung in Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren“ von der Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger nach § 284b ABGB nicht umfasst war.

Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass eine Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger nach § 284b ABGB keine taugliche Grundlage für eine Vertretung in einem verwaltungsgerichtlichen Strafverfahren nach §§ 38 VwGVG, 24 VStG iVm § 10 Abs. 1 und Abs. 2 AVG darstellt. Ein Fall des § 10 Abs. 4 AVG lag im Übrigen nicht vor. Dementsprechend ist die Beschwerde der Fr. C. B. mangels Beschwerdelegitimation zurückzuweisen.

Da die Beschwerde zurückzuweisen ist, konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal sich die Rechtsfrage bereits aus dem Gesetzestext eindeutig lösen lässt (u.a. VwGH 3.7.2015, Ra 2015/03/0041).

Schlagworte

Beschwerdelegitimation; Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger; Rechtsgeschäft des täglichen Lebens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.062.15366.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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