TE Vfgh Erkenntnis 2019/12/12 E2746/2019

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art2
EMRK Art3
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §52, §55
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend einen Staatsangehörigen der Demokratischen Republik Kongo; Verkennung der Rechtslage durch Prüfung der Verletzung der von Art3 EMRK geschützten Rechte eingeschränkt auf Akteure oder einen bewaffneten Konflikt

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist durch die Spruchpunkte A) II. und A) III. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte am 2. Juni 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit angefochtenem Erkenntnis vom 4. Juni 2019 diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt A) I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt A) II.) als unbegründet ab, erteilte die "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht und erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt A) III.). Weiters stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass eine Abschiebung in die Russische Föderation nicht zulässig ist (Spruchpunkt A) IV.) und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig (Spruchpunkt B)).

Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht – auf das für die Behandlung der Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof Wesentliche zusammengefasst – aus, dass sich "im Lichte der vorgelegten medizinischen Unterlagen" ergeben habe, dass die Beschwerdeführerin an einer psychischen Erkrankung leide, auf Grund derer sie nicht mehr in der Lage sei, ihre Interessen ohne Gefahr eines Nachteils wahrzunehmen, und sie deswegen als vulnerable Person einzuschätzen sei. Da die Beschwerdeführerin zudem seit 20 Jahren nicht mehr in der Russischen Föderation gelebt habe und es ihr an sozialer und familiärer Unterstützung fehle, müsse davon ausgegangen werden, dass eine Rückführung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation einen Verstoß gegen Art3 EMRK darstellen würde, weshalb eine Abschiebung unzulässig sei. Da sich aber die Gefährdung weder auf Grund einer Bürgerkriegssituation noch auf Grund staatlich zurechenbarer Akteure ergebe, sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen.

2.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Erkenntnisses im angefochtenen Umfang beantragt wird.

II.      Erwägungen

1.       Die Beschwerde ist zulässig.

2.       Die angefochtene Entscheidung entspricht hinsichtlich des Spruchpunktes A) II. und damit zusammenhängend hinsichtlich des Spruchpunktes A) III. der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2019, E1199/2019, aufgehobenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, der im Wesentlichen eine gleichartige Begründung zugrunde lag. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf Rz 18 bis 20 der Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses hinzuweisen; daraus ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass das angefochtene Erkenntnis auf Grund der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten trotz Feststellung einer drohenden Verletzung von Art3 EMRK mit Willkür behaftet ist.

3.       Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten das Vorliegen einer entsprechenden Verfolgungsgefahr zu Recht verneint hat, nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A) I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

III.    Ergebnis

1.       Die Beschwerdeführerin ist somit durch die Spruchpunkte A) II. und A) III. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

2.       Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3.       Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

4.       Im Hinblick darauf, dass die im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2019, E1199/2019, bereits geklärt wurden, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs3 Z4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

6.       Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E2746.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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