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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspäsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der G-Gesellschaft mbH in F, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 6/1, gegen die Erledigung des Bundesministers für Finanzen vom 15. Mai 1998, Zl. ZR-1830/27-III/3/97, betreffend Zollerlaß aus Billigkeitsgründen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte an die belangte Behörde einen Antrag auf Gewährung von Abgabennachsicht gestellt, worauf ihr folgendes
Schreiben der belangten Behörde zuging:
"Betr: Antrag auf Zollerlaß aus Billigkeitsgründen für
Importausgleich
Beil.: Konvolut
Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 3. Oktober 1997 mit Nachtrag vom 12. Februar 1998 wird Ihnen folgendes mitgeteilt:
Die im Ermessen der Zollbehörde stehende Gewährung eines Zollerlasses aus Billigkeitsgründen in einzelnen Fällen setzt gemäß § 183 Abs. 1 des Zollgesetzes 1988 (ZollG 1988) voraus, daß die Entrichtung der Eingangsabgaben nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig wäre.
Eine Unbilligkeit nach Lage der Sache liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes im Einhebungsbereich aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes (belastendes), unzumutbares und unverhältnismäßig wirkendes Ergebnis eintreten würde. Die Begünstigung des Anlaßfalles einer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bewirkt jedoch zum einen keine atypische Belastung in allen anderen Fällen (Erk. des VwGH vom 25.11.1992, Zl. 91/13/0170) und ist andererseits vom Gesetzgeber sogar beabsichtigt (vgl. die Regelung des Art. 139 Abs. 6 B-VG). Eine Besonderheit des Einzelfalls liegt ggst. auch nicht vor, da von der Aufhebung der Verordnungen nach dem Geflügelwirtschaftsgesetz 1988 durch den VfGH alle Nichtanlaßfälle in gleicher Weise berührt worden sind.
Das Billigkeitsverfahren darf im übrigen aber nicht dazu verwendet werden, um ein Verfahren zur Durchsetzung eines Rechtsanspruches (hier: Bekämpfung von Abgabenbescheiden) in Fällen wieder aufzufollen, in denen eine Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren versäumt worden ist. Ein derartiges Versäumnis kann nicht ohne weiteres im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens geheilt werden, sondern stellt wohl einen Umstand dar, der letztlich im Rahmen des Unternehmerrisikos vertreten werden muß.
Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners ist gegeben, wenn und soweit durch die Entrichtung des Zolls der Bestand des Unternehmens ernstlich gefährdet erscheint. Bei bereits entrichteten Abgaben ist zu prüfen, ob eine solche Unbilligkeit im Zeitpunkt des Leistungsgebotes bestanden hat. Eine solche Prüfung könnte allenfalls seitens des Hauptzollamtes Wien noch durchgeführt werden.
Eine Nichterstattung hingegen kann nicht als persönliche Unbilligkeit im Sinne des § 183 Abs. 2 ZollG 1988 betrachtet werden.
Das Zollbelegekonvolut ist angeschlossen."
Dagegen richtet sich die vorliegende Bescheidbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wobei sich die Beschwerdeführerin durch das Schreiben in ihrem Recht auf Nachsichtsgewährung verletzt erachtet.
Die Erhebung einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 bzw. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG setzt begrifflich voraus, daß überhaupt eine Erledigung mit Bescheidcharakter vorliegt. Das ist nur dann der Fall, wenn von der Behörde mit rechtserzeugender oder rechtsfeststellender Wirkung in einer der Rechtskraft fähigen Weise über Rechtsverhältnisse abgesprochen wird (vgl. dazu z.B. die zahlreiche bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 339 Abs. 1 bis 3 referierte hg. Judikatur).
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist ein Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat insbesondere den Spruch zu enthalten, worunter die Willenserklärung der Behörde, ein Rechtsverhältnis normativ zu gestalten oder festzustellen, verstanden wird (vgl. dazu z.B. Ritz, BAO-Kommentar Rz 5 zu § 93 BAO; ebenso Stoll, BAO-Kommentar I 959, je mit Nachweisen aus der hg. Judikatur).
Bloße Mitteilungen, insbesondere Rechtsbelehrungen stellen keinen normativen Spruch dar (vgl. z.B. das bei Ritz aaO referierte hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 93/15/0036 sowie Stoll aaO 924 Abs. 2 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).
Nach Inhalt des der Beschwerdeschrift angeschlossenen Schreibens der belangten Behörde handelt es sich dabei nur um eine Rechtsbelehrung, aus der in keiner Weise abzuleiten ist, daß die belangte Behörde - die im übrigen für eine Erledigung mittels Bescheid gar nicht zuständig gewesen war - damit den Willen erklärt hätte, das Ansuchen der Beschwerdeführerin in einer der Rechtskraft fähigen Art und Weise abzulehnen.
Da somit der angefochtenen Erledigung der Bescheidcharakter fehlt, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 20. August 1998
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und RechtsbelehrungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998160165.X00Im RIS seit
20.11.2000