TE Vwgh Beschluss 2020/1/21 Ra 2019/14/0604

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ABGB §1332
VwGG §46 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des XY in Z, vertreten durch Mag.rer.soc.oec. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2019, Zl. L524 2140692- 3/2E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 27. März 2018 wurde im Beschwerdeweg der Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen des Irak, auf internationalen Schutz abgewiesen. Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 11. Juni 2018 die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. Die Erhebung einer Revision ist beim Verwaltungsgerichtshof nicht verzeichnet.

2 Am 9. April 2019 langte ein Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens beim BVwG ein, welcher mit Beschluss vom 16. Mai 2019 als verspätet zurückgewiesen wurde. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Mit beim BVwG eingebrachten Schriftsatz vom 29. Mai 2019 beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens und beantragte gleichzeitig die Wiederaufnahme dieses Verfahrens. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei zwar falsch an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressiert gewesen, dieser Fehler könne dem Revisionswerber und dem einschreitenden Rechtsanwalt nicht zur Last gelegt werden. Die Kanzleileiterin des einschreitenden Rechtsanwalts sei vom Februar 2019 bis September 2019 im Krankenstand gewesen. Der einschreitende Rechtsanwalt habe personelle Maßnahmen gesetzt, um die außergewöhnliche Kanzleisituation zu bewältigen. Diese Situation sei mit einem erhöhten Arbeitsstress des einschreitenden Rechtsanwalts verbunden gewesen. Dieser erhöhte Arbeitsdruck habe zu dem vorliegenden Fehler geführt. Es liege eine unverschuldete Fristversäumnis vor, die Wiedereinsetzung sei zu bewilligen.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. Juni 2019 wies das BVwG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. In seiner Begründung verwies das BVwG darauf, dass bei fristgebundenen Angaben der richtigen Adressierung des Schriftstücks zentrale Bedeutung zukomme. Die Kontrolle eines derartigen Schriftsatzes bedürfe besonderer Sorgfalt. Berufliche Überlastung rechtfertige die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Es liege nicht ein bloß minderer Grad des Versehens vor.

5 Mit Beschluss vom 23. September 2019 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Die nunmehr eingebrachte Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle an einer klarstellenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, in welchen besonderen Fällen bei einem den Fehler selbst verursachenden Rechtsanwalt von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden könne. Dass trotz eines Fehlers eines Rechtsanwaltes bei leichter Fahrlässigkeit die Wiedereinsetzung zu bewilligen sei, sei grundsätzlich in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Wenn die Revision rügt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, in welchen besonderen Fällen auch bei einem, den Fehler selbst verursachenden Rechtsanwalt von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden könne, ist ihr zu erwidern, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens zu Recht verneint hat, keine Rechtsfrage ist, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 22.11.2019, Ra 2019/01/0351, mwN).

11 Dies ist hier aus den nachfolgenden Gründen aber nicht der Fall:

12 Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. 13 Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben. An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0375, zur gleichlautenden Regelung in § 46 VwGG, mwN).

14 Die Behauptung beruflicher Überlastung reicht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hin, um einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen (vgl. etwa VwGH 15.2.1999, 99/10/0009, mwN; VwGH 28.6.2001, 2001/11/0175, mwN; VwGH 26.2.2009, 2007/09/0003, mwN).

15 Der Adressierung einer, insbesondere fristgebundenen Eingabe kommt zentrale Bedeutung zu. Kontrolliert ein berufsmäßiger Parteienvertreter einen fristgebundenen Schriftsatz vor der Unterfertigung nicht auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit, dann fällt ihm schon deshalb auffallende Sorglosigkeit zur Last. Sollte er aber seiner Kontrollpflicht nachgekommen sein, hat er darzulegen, aus welchen besonderen Gründen ihm die unrichtige Adressierung des Schriftsatzes dennoch nicht aufgefallen ist (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2017/10/0003, mwN). 16 Im gegenständlichen Fall hat das BVwG die Beurteilung, es liege nicht ein bloß minderer Grad des Versehens vor, nicht unvertretbar vorgenommen. Der Revisionswerber brachte im Wiedereinsetzungsantrag vor, seinem Rechtsvertreter sei aufgrund des erhöhten Arbeitsdrucks - bedingt durch den Krankenstand seiner langjährigen Kanzleiangestellten - der Fehler unterlaufen, den Wiederaufnahmeantrag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anstatt beim BVwG einzubringen. Im Wiedereinsetzungsantrag (sowie auch in der Revision) wurde vom Revisionswerber weder dargelegt noch auch nur behauptet, dass sein rechtsfreundlicher Vertreter seiner Kontrollpflicht nachgekommen sei. Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte berufliche Überlastung seines rechtsfreundlichen Vertreters vermag einen Wiedereinsetzungsantrag nicht zu begründen.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140604.L00

Im RIS seit

18.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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