TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/22 W151 2221727-1

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Veröffentlicht am 22.11.2019
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Entscheidungsdatum

22.11.2019

Norm

AuslBG §12b
AuslBG §4c
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W151 2221727-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Kohl, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Anton LIEDLBAUER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsbürgerschaft Türkei, vertreten durch Dr. Michael Velik, LL.M., Rechtsanwalt, Florianigasse 1/6, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 18.04.2019, GZ. XXXX , ABB-Nr. XXXX , betreffend Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c AuslBG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Antrag vom 06.10.2016 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" beim Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (im Folgenden belangte Behörde oder AMS).

2. Mit Stellungnahme vom 10.12.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er seinen Antrag modifiziere. Er sei türkischer Staatsangehöriger, sei seit 17.08.2015, somit seit drei Jahren bei ein und demselben Dienstgeber, XXXX , durchgehend ordentlich beschäftigt und gehöre seither dem regulären Arbeitsmarkt an. Er erfülle sämtliche Voraussetzungen des beantragten Aufenthaltstitels gemäß Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 bis 3 des ARB 1/80. Weiters habe das AMS mit Bescheid vom 21.08.2018 die Beschäftigungsbewilligung nach § 4c AuslBG erteilt. Er halte seinen bisherigen Antrag mit der Modifikation aufrecht, dass er die Eventualanträge auf Ausstellung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte", in eventu Ausstellung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 gemäß Assoziationsabkommen EWG/Türkei, in eventu Ausstellung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus", in eventu Ausstellung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" beantrage.

Beigelegt wurden folgende Unterlagen:

* Arbeitgebererklärung der XXXX , aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer als Kellner im Ausmaß von 20 Wochenstunden bei einer Bruttomonatsentlohnung von 750,- angestellt werden soll,

* Einstellungszusage der XXXX vom 30.01.2019 für eine Anstellung als Kellner im Ausmaß von 40 Wochenstunden bei einer Bruttomonatsentlohnung von 3.132,00,- nach Erhalt der Beschäftigungsbewilligung.

* Studienblatt der Technischen Universität,

* Hauptverbandsauszug

3. Mit Parteiengehör vom 18.03.2019 wurde dem Dienstgeber mitgeteilt, dass dem Beschwerdeführer lediglich 25 Punkte nach Anlage C zu § 12b AuslBG vergeben werden können. Für die Qualifikation könnten keine Punkte vergeben werden, da er über keine Ausbildung in der Gastronomie verfüge und somit auch keine Punkte für die Berufserfahrung vergeben werden könnten. Es würden 1682 Personen für eine Vollzeitbeschäftigung als Kellner/in zur Verfügung stehen.

4. Mit Bescheid vom 18.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG ab und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer nicht die erforderliche Mindestpunktezahl von 55 Punkten erreiche und dem AMS 1682 Personen für eine Vollzeitbeschäftigung als Kellner/in zur Verfügung stehen würden.

5. Dagegen erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer gehe seit 17.08.2015 bis laufend ununterbrochen beim Arbeitgeber XXXX , somit seit drei Jahren und 10 Monaten einer regelmäßigen Beschäftigung nach, sei stets unfall- und krankenversichert und gehöre dem regulären Arbeitsmarkt an. Gegenständlich finde das Assoziationsabkommen Anwendung. Mit 17.08.2019 werde die Voraussetzung von vier Jahren ununterbrochene Beschäftigung bei ein und demselben Dienstgeber gemäß Art. 6 Abs 1 dritter Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ARB erfüllt sein. Der Beschwerdeführer modifiziere daher die Reihung der Anträge insofern um, als nun primär der Aufenthaltstitel gemäß Art. 6 Abs 1 Spiegelstrich Abs 1 Spiegelstrich 1 bis 3 des ARB 1/80 beantragt werde.

Weiters stellte der Beschwerdeführer Eventualanträge auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot-Karte Plus", "Rot-Weiß-Rot-Karte", "Niederlassungsbewilligung", "Aufenthaltsberechtigung plus", "Studentenaufenthalt" und einen Befreiungsschein bzw. eine Beschäftigungsbewilligung.

6. Mit Schreiben vom 25.07.2019 legte das AMS die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein am XXXX geborener Staatsangehöriger der Republik Türkei. Der Beschwerdeführer ist seit 17.08.2015 bis laufend bei der XXXX beschäftigt, somit mehr als 3 Jahre und soll weiterhin bei diesem Dienstgeber tätig sein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen des Art 6 Abs. 1 zweiter Unterabsatz ARB 1/80, weshalb die belangte Behörde eine Beschäftigungsbewilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 zweiter Unterabsatz von Amts wegen zu erteilen gehabt hätte.

2. Beweiswürdigung:

Die türkische Staatsangehörigkeit sowie das Geburtsdatum steht aufgrund der Aktenklage als unstrittig fest.

Die Feststellungen zu den Versicherungszeiten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem amtswegig erhobenen Hauptverbandsauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) lauten i.d.g.F.:

§ 4:

"Voraussetzungen

§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

1. bis 11. ... (2) ...

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf dem Arbeitgeber bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 nur erteilt werden, wenn

1. der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet oder

(Anm.: Z 2 bis 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)

5. der Ausländer gemäß § 5 befristet beschäftigt werden soll oder

6. der Ausländer über eine Aufenthaltsbewilligung als Schüler (§ 63 NAG) oder Student (§ 64 Abs. 1 und 4 NAG) verfügt oder Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Student" eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ist und im Rahmen eines Unions- oder multilateralen Programms mit Mobilitätsmaßnahmen oder einer Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen einen Teil des Studiums in einer inländischen Hochschuleinrichtung absolviert oder

7. der Ausländer Betriebsentsandter ist (§ 18) oder

(Anm.: Z 8 aufgehoben durch Art. 1 Z 8, BGBl. I Nr. 66/2017)

9. der Ausländer gemäß § 57 AsylG 2005 besonderen Schutz genießt oder

10. für den Ausländer eine Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 des Landarbeitsgesetzes 1984 vorliegt oder, sofern eine solche Bewilligung gemäß § 16a AÜG bzw. § 40a Abs. 6 des Landarbeitsgesetzes 1984 nicht erforderlich ist, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Z 1 bis 3 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 Z 1 bis 3 des Landarbeitsgesetzes 1984 sinngemäß vorliegen oder

11. der Ausländer auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen zu einer Beschäftigung zuzulassen ist oder

12. der Ausländer Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, hat oder

13. der Ausländer nicht länger als sechs Monate als Künstler (§14) beschäftigt werden soll oder

14. der Ausländer einer Personengruppe gemäß einer Verordnung nach Abs. 4 angehört.

(4) bis (7) ..."

§ 4c:

"Türkische Staatsangehörige

§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB - Nr. 1/1980 erfüllen.

(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen. Der Befreiungsschein berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und ist jeweils für fünf Jahre auszustellen. Der Befreiungsschein ist zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.

(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."

Art. 6 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei:

"Artikel 6.

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

? nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

? nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

? nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."

In der Sache folgt daraus:

Die belangte Behörde begründet die Abweisung der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung damit, dass der Beschwerdeführer lediglich 25 der Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten nach Anlage C zu § 12b AuslBG erreiche und zudem 1682 Personen für eine Vollzeitbeschäftigung als Kellner/in zur Verfügung stehen würden.

Diesen Erwägungen ist nicht zu folgen und erweist sich die Beschwerde aus folgenden Gründen als begründet:

Soweit sich die belangte Behörde bei ihrer Abweisung auf die fehlenden Voraussetzungen gemäß § 12b AuslBG stützt, so verkennt sie, dass sie diese Vorschriften im gegenständlichen Fall aufgrund der Anwendbarkeit des § 4c AuslBG iVm. Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht zur Anwendung gelangen.

Gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG ist türkischen Staatsangehörigen eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des ARB 1/80 erfüllen.

Gemäß Art 6 Abs. 1 zweiter Unterabsatz ARB 1/80 haben türkische Arbeitnehmer nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben.

Wesentliche Voraussetzung, um als türkischer Staatsangehöriger Rechte nach Art 6 ARB 1/80 geltend machen zu können, ist die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates, der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides noch bestehen muss. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der türkische Staatsangehörige nach rechtmäßiger Einreise und bei rechtmäßiger Niederlassung einer nach dem AuslBG erlaubten unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgeht (vgl. Deutsch/Nowotny/Seitz; ÖBG Verlag, 2018, Kommentar zum AuslBG, zu § 4c, Rz 8).

Die Inanspruchnahme von Rechten nach dem ARB setzt ferner voraus, dass der Anspruchsberechtigte nach den Bestimmungen des NAG einen Aufenthaltstitel erhalten hat, der den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht von vornherein ausschließt sowie, dass die Beschäftigung ordnungsgemäß, dh. nach den Bestimmungen des AuslBG ausgeübt wurde. Dies setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen am Arbeitsmarkt des Aufenthaltsstaates voraus. Dabei ist zu beachten, dass türkischen Arbeitnehmern, die von Art 6 Abs. 1 ARB verliehenen Rechte unabhängig davon zukommen, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein spezielles Verwaltungsdokument wie eine Arbeitserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (vgl. VwGH 23.02.2000, Zl 97/09/0097).

Im Ergebnis ist der Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 zweiter Unterabsatz ARB 1/80 davon abhängig, ob der Arbeitnehmer drei Jahre ununterbrochen eine ordnungsgemäße Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber ausgeübt hat.

Fallbezogen ergibt sich aus dem amtswegig erhobenen Hauptverbandsauszug, dass der Beschwerdeführer seit 17.08.2015 bis laufend bei der XXXX beschäftigt ist.

Daraus folgt, dass im Fall des Beschwerdeführers eine Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vorlag. Der Beschwerdeführer war unbestritten vom 17.08.2015 bis laufend und somit für mehr als drei Jahre rechtmäßig bei der XXXX beschäftigt. Der Zugang des Beschwerdeführers zum regulären Arbeitsmarkt in Österreich ist damit zweifellos gegeben.

Da die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 zweiter Unterabsatz ARB Nr. 1/80 im vorliegenden Fall somit erfüllt waren, hätte die belangte Behörde eine Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG von Amts wegen zu erteilen gehabt, weshalb der Beschwerde stattzugeben war.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.

Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).

Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor, da keine Tatsachenfragen aufgeworfen wurden, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Amtswegigkeit, Beschäftigungsbewilligung, Mitgliedstaat, Türkei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W151.2221727.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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