TE OGH 2019/12/17 9ObA64/19f

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Werner Krachler in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I***** P*****, vertreten durch Mag. Hannes Huber, Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in Melk, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, 1082 Wien, Rathausstraße 4, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen 14.387,34 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Dezember 2016, GZ 10 Ra 1/16i-21, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. April 2015, GZ 18 Cga 2/15t-9, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das unter der AZ 9 ObA 33/17v unterbrochene Rechtsmittelverfahren wird fortgesetzt.

II. Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den

A n t r a g ,

in § 14 Abs 2 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34, die Wortfolge „bis zu einem höchstens zu berücksichtigenden Ausmaß von drei Jahren zur Hälfte“ und/oder

§ 14 Abs 3 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34, die Wortfolge „bis zum Ausmaß von fünf Jahren“ und den zweiten Satz,

in eventu

§ 14 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 und § 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10,

in eventu

in § 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10, die Paragraphenzahl „14“,

in eventu

§ 17 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, und/oder

§§ 49l, 49m und 49n BO 1994, LGBl Wien 1995/55 idF der Dienstrechts-Novelle 2016, LGBl Wien 2016/37, und/oder

§ 14 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34, und/oder

§ 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10

als verfassungswidrig aufzuheben,

in eventu gemäß Art 89 Abs 3 B-VG (Art 140 Abs 4 B-VG) auszusprechen, dass diese Bestimmungen verfassungswidrig waren.

III. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Text

Begründung:

Die Klägerin steht seit 2. 6. 2003 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten, das dem Gesetz über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 – VBO 1995) unterliegt. Die Klägerin begann ihre Tätigkeit bei der Beklagten als Pflegehelferin. Davor war sie von 1. 10. 1985 bis 31. 5. 2003 als Pflegehelferin bei der K***** GmbH beschäftigt gewesen. Die Beklagte rechnete der Klägerin zu Beginn des Dienstverhältnisses iSd § 14 Abs 2 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) aF den Zeitraum von 29. 1. 1987 bis 28. 1. 1990 zur Hälfte als Vordienstzeit an und stufte sie in das Schema IV K, Verwendungsgruppe K 6, Gehaltsstufe 1, mit Vorrückungsstichtag 2. 1. 2001 ein. Die Anrechnung weiterer Vordienstzeiten aus ihrer Tätigkeit bei der K***** GmbH wurde abgelehnt. Nach Absolvierung der Ausbildung zur Diplomkrankenschwester wurde die Klägerin ab 1. 4. 2010 in die Verwendungsgruppe K 4 eingestuft.

Mit Mahnklage vom 21. 1. 2015 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Entgeltdifferenzen samt Sonderzahlungen für den Zeitraum Dezember 2011 bis 30. 11. 2014 in Höhe von 14.387,34 EUR sA, die sich bei korrekter Einstufung ergäben. Zusammengefasst ist sie unter Berufung auf die Entscheidung des EuGH Rs C-514/12, Salzburger Landeskliniken, Art 45 AEUV, Art 7 Abs 1 der Verordnung Nr 492/2011 (Wanderarbeitnehmerverordnung), den Gleichheitsgrundsatz (Verbot der Inländerdiskriminierung, Art 2 StGG; Art 7 B-VG) und die „Erwerbsausübungs- und Berufsausübungsfreiheit“ der Ansicht, dass die beschränkte Anrechnung ihrer Vordienstzeiten, bei denen sie bei einem anderen Dienstgeber als der Beklagten einschlägige Berufserfahrung gesammelt habe, diskriminierend sei. Tatsächlich hätte eine Anrechnung sämtlicher Vordienstzeiten, sohin von 16 Jahren und vier Monaten vorgenommen werden müssen, woraus sich als korrekter Vorrückungsstichtag der 1. 2. 1987 ergebe.

Die Beklagte bestritt die Klagebegehren unter Hinweis auf die Unionsrechts- und Verfassungskonformität der angewandten Bestimmungen. Vordienstzeiten, die ein Arbeitnehmer in Krankenanstalten im EWR-Ausland erworben habe, würden gemäß § 14 Abs 1 Z 11 DO 1994 zu denselben Bedingungen wie in Österreich erworbene Zeiten angerechnet. Eine Unterscheidung zwischen der Anrechnung von Vordienstzeiten aus Dienstverhältnissen bei einer (inländischen) Gebietskörperschaft und einem anderen Dienstgeber sei zulässig.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 15. 4. 2015 das Klagebegehren ab. Die vorgenommene Anrechnung entspreche § 14 Abs 1 und 2 der DO 1994. Im Hinblick auf Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der VO EU Nr 492/2011 liege kein Migrationstatbestand vor. Im Hinblick auf die Entscheidung des VfGH vom 1. 6. 2010, B-1427/08 ua, sei auch keine Verfassungswidrigkeit des § 14 DO 1994 gegeben. Bei Wegfall der Bestimmung bestünde keine gesetzliche Grundlage für die begehrte Anrechnung. Die mit der Wiener Dienstrechtsnovelle 2015, LGBl Wien 2015/28, auf Landesebene nach dem Vorbild des Bundes in Wien vorgenommene Neugestaltung der Vordienstzeitenanrechnung und des Besoldungssystems sei am (richtig:) 1. 8. 2015 in Kraft getreten. Nach der Übergangsbestimmung (§ 62j Abs 1 VBO 1995) seien die §§ 14 und 115f der DO 1994 in der vor dem Inkrafttreten der 38. Novelle zur Dienstordnung geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens sei das Verfahren jedoch schon geschlossen gewesen.

Ein gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG gestellter Antrag der Klägerin, die Verfassungswidrigkeit des § 14 DO 1994 aF auszusprechen, wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 13. 10. 2016, GZ 640-641/2015-11 (ON 19), zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Die hier relevanten Bestimmungen seien mit der Wiener Dienstrechtsnovelle 2015, LGBl Wien 2015/28, am 1. 8. 2015 in Kraft getreten. Ein rückwirkendes In-Kraft-Treten sei nicht angeordnet. Jene Bestimmungen, die sich auf den Vorrückungsstichtag beziehen, jeweils in der vor In-Kraft-Treten der Novelle geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen, seien in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden (§ 62j VBO 1995, § 115o Abs 1 DO 1994, jeweils idF LGBl Wien 2015/28). Dass § 14 DO 1994 aF „nicht mehr anzuwenden“ sei, ändere jedoch nichts daran, dass die genannten Bestimmungen bis 31. 7. 2015 in Geltung gestanden seien, sodass für die Frage, ob bereits vor Inkrafttreten der Wiener Dienstrechtsnovelle 2015 eine auf die Klägerin anzuwendende unionsrechtskonforme Regelung bestanden habe, nur auf die bis zum Inkrafttreten der Novelle geltende Rechtslage abgestellt werden könne. Da die neuerliche Besoldungsreform für die Vergangenheit keine Regelung treffe, könnten diskriminierte Personen noch Differenzansprüche geltend machen. § 14 Abs 2 DO 1994 sei jedoch hinsichtlich des weiteren, nicht zu einer österreichischen oder einer EU-mitgliedstaatlichen Gebietskörperschaft bestehenden Dienstverhältnisses weder unionsrechts- noch verfassungswidrig. Die Revision sei zur Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 62j VBO 1995 zulässig.

Mit ihrer gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig.

I. Das vorliegende Verfahren wurde mit Beschluss vom 20. 4. 2017 zum damaligen AZ 9 ObA 33/17v, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof in einem anderen Verfahren am 19. 12. 2016 zu AZ 9 ObA 141/15y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV unterbrochen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 8. Mai 2019, C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund, über diesen Antrag entschieden. Das vorliegende Revisionsverfahren war daher von Amts wegen fortzusetzen.

II.1. In dieser Rechtssache Österreichischer Gewerkschaftsbund erkannte der EuGH unter anderem wie folgt:

[…]

3. Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach für die Bestimmung des Besoldungsdienstalters eines Vertragsbediensteten die Vordienstzeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zu einer Einrichtung der Europäischen Union, zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, oder zu ähnlichen Stellen zurückgelegt wurden, zur Gänze angerechnet werden, während alle anderen Vordienstzeiten nur im Ausmaß von bis zu zehn Jahren angerechnet werden und nur sofern sie einschlägig sind.

2. Gesetzliche Grundlagen:

2.1. Bereits seit der Urfassung LGBl Wien 1995/50, und damit auch in den im klagsgegenständlichen Zeitraum (Dezember 2011 bis November 2014) anwendbaren Fassungen LGBl Wien 2011/10 und 2014/13 bestimmt § 17 Abs 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 – VBO 1995), dass – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – die Besoldungsordnung 1994 für Vertragsbedienstete sinngemäß mit bestimmten Maßgaben gilt, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Ebenfalls seit der Urfassung LGBl Wien 1995/50 gelten gemäß § 18 VBO 1995 für die Anrechnung von Zeiten für die Vorrückung von Vertragsbediensteten ua die §§ 14 und 15 der Dienstordnung 1994, LGBl Wien 1994/56 (mit bestimmten Maßgaben).

2.2. § 14 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 – DO 1994), LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 (§ 14 Abs 2 und 3 DO 1994 seit LGBl Wien 2001/22), lautet auszugsweise wie folgt:

„Anrechnung von Zeiten für die Vorrückung und Zeitvorrückung

(1) Folgende, dem Tag der Anstellung vorangegangene Zeiten sind dem Beamten für die Vorrückung und Zeitvorrückung zur Gänze anzurechnen:

1. die Zeit, die entweder in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder zu einem inländischen Gemeindeverband oder im Lehrberuf an einer inländischen öffentlichen Schule oder an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Privatschule zurückgelegt wurde;

[…]

11. die Zeit eines Dienstverhältnisses oder Lehrverhältnisses, eines Dienstes, eines Praktikums oder einer abgeschlossenen Ausbildung, die den in Z 1 bis 10 genannten Dienstverhältnissen oder Lehrverhältnissen, Diensten, Praktika oder Ausbildungen entsprechen und von einem Staatsangehörigen eines in § 3 Abs 1 Z 2 genannten Landes in einem anderen solchen Land absolviert worden sind; die Obergrenzen der Z 5 bis 8 sind zu beachten.

(2) Die dem Tag der Anstellung vorangegangenen Zeiten, die nicht nach Abs 1 anzurechnen sind, sind

dem Beamten für die Vorrückung bis zu einem höchstens zu berücksichtigenden Ausmaß von drei Jahren zur Hälfte anzurechnen.

(3) Zeiten gemäß Abs 2, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, können im öffentlichen Interesse bis zum Ausmaß von fünf Jahren insoweit zur Gänze für die Vorrückung angerechnet werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist. Eine über das Ausmaß von fünf Jahren hinausgehende Anrechnung ist mit Zustimmung der gemeinderätlichen Personalkommission möglich.“

2.3. Durch die Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, die in ihren hier wesentlichen Teilen am 1. 8. 2015 in Kraft trat (Art X Z 3), wurde eine gänzliche Neuregelung der Vordienstzeitenanrechnung vorgenommen. Die Regelung folgt dem Beispiel des Bundes (BGBl I 2015/32, [Bundes-]Besoldungsreform 2015). Das Kernstück der Neuregelung besteht darin, dass gemäß den §§ 49l bis 49n BO 1994 nach dem Vorbild der §§ 169c und 169d GehG die Bediensteten aller Verwendungsgruppen, in denen bislang der Vorrückungsstichtag für die Einstufung und Vorrückung maßgeblich war, von Gesetzes wegen alleine auf Grundlage ihrer bisherigen Gehälter durch eine pauschale Festsetzung ihres Besoldungsdienstalters in das neue Besoldungssystem übergeleitet werden (EB Beilage 20/2015, LG – 02036-2015/0001, Seiten 2, 10). Ein rückwirkendes In-Kraft-Treten ist nicht angeordnet. Gleichzeitig ist vorgesehen, dass jene Bestimmungen, die sich auf den Vorrückungsstichtag beziehen, jeweils in der vor In-Kraft-Treten der Novelle geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden sind. Dies gilt (unter anderem) für § 14 DO (§ 62j Abs 1 VBO, § 115o Abs 1 DO, jeweils idF LGBl Wien 28/2015) und für § 11 BO (§ 49n Abs 4 BO idF LGBl Wien 28/2015); § 115l DO wurde aufgehoben.

§ 62j Abs 1 VBO 1995 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„Übergangsbestimmungen zur 46. Novelle zur Vertragsbedienstetenordnung 1995

(1) §§ 18 und 56 Abs 3 in der vor dem Inkraftftreten der 46. Novelle zur Vertragsbedienstetenordnung 1995 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen sowie §§ 14 und 115f der Dienstordnung 1994 in der vor dem Inkrafttreten der 38. Novelle zur Dienstordnung 1994 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. […]“

§ 14 DO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„§ 14. ('Besoldungsdienstalter')

(1) […]

(2) Folgende, dem Tag der Anstellung vorangegangene Zeiten (Vordienstzeiten) sind auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen:

1. die Zeit, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft […] zurückgelegt wurde;

[…]

(3) Über die in Abs 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. […]“

§ 115o Abs 1 DO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„§ 14 ist in der vor dem Inkrafttreten der 38. Novelle zur Dienstordnung 1994 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. Die durch die 38. Novelle zur Dienstordnung 1994 entfallenen §§ 115f und 115l sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.“

§ 49n Abs 4 BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„(4) §§ 11 und 18 sind in der vor dem Inkrafttreten der 49. Novelle zur Besoldungsordnung 1994 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. Der durch die 49. Novelle zur Besoldungsordnung 1994 entfallene § 49g ist in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.“

2.4. Wie bereits erwähnt, wurden im Rahmen der Dienstrechts-Novelle 2015 bestehende Ansprüche insofern einer eigenen Regelung zugeführt, als für die Bemessung von solchen („alten“) Bezügen im Rahmen bestehender Dienstverhältnisse eine generelle Überleitung vom damals geltenden System des Vorrückungsstichtags zu jenem des neuen Besoldungsdienstalters zu erfolgen hat, sodass für sämtliche Bedienstete ein einheitliches System geschaffen wurde, in dem eine Vergleichbarkeit ungeachtet des Anstellungszeitpunkts besteht. Diese Vergleichbarkeit wurde durch § 49l Abs 6a und 6b BO 1994 idF Dienstrechts-Novelle 2016, LGBl Wien 2016/37 iVm § 17 VBO 1995 – gemäß Art VII Z 2 rückwirkend mit 1. 8. 2019 – auch für Zeiten vor dem 1. 8. 2015 hergestellt.

§ 49l BO 1994 Abs 6a und 6b idF LGBl Wien 2016/37 lauten:

„(6a) Das nach den Abs 3 bis 6 und 12 festgesetzte Besoldungsdienstalter ist auch der Bemessung der Bezüge für Zeiten vor dem 1. August 2015 zugrunde zu legen. Eine Neubemessung der gebührenden Bezüge und Nebengebühren hat für Zeiten vor dem 1. August 2015 ausschließlich auf Antrag des Beamten zu erfolgen. Alle vor dem Inkrafttreten der Dienstrechts-Novelle 2015 (1. August 2015) geltenden Bestimmungen über die Beträge für Bezüge und Vergütungen und die weiteren dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen sind dabei in der jeweils geltenden Fassung unverändert anzuwenden, soweit ihre Anwendung nicht durch diese Novelle ausgeschlossen wurde. § 11 Abs 1 bis 3 ist daher ausschließlich in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2015 anzuwenden, für die Einstufung und Vorrückung ist somit auch für Zeiten vor dem 1. August 2015 ausschließlich das nach den Abs 3 bis 6 und 12 festgesetzte Besoldungsdienstalter maßgebend.

(6b) Bei der Neubemessung von Bezügen und Nebengebühren für Zeiten vor dem 1. August 2015 ist das nach den Abs 3 bis 6 und 12 festgesetzte Besoldungsdienstalter jeweils entsprechend um die Dauer der vor dem 1. August 2015 liegenden für die Vorrückung wirksam gewordenen Zeiten zu vermindern. Zusätzlich ist zur Wahrung der bereits empfangenen Bezüge und Nebengebühren von einem nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verbesserten Besoldungsdienstalter auszugehen:

1. um acht Jahre verbessert: in den Verwendungsgruppen A, ...;

2. um vier Jahre verbessert: in den Verwendungsgruppen K 1, ...;

3. um zwei Jahre verbessert: in allen anderen Verwendungsgruppen.

Diese Verbesserung des Besoldungsdienstalters ist ausschließlich für die besoldungsrechtliche Stellung vor dem 1. August 2015 maßgebend und hat keine Auswirkungen auf die bereits erfolgte Überleitung und die ab dem 1. August 2015 gebührenden Bezüge.“

3. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen:

3.1. Gesetze wirken nach § 5 ABGB im Allgemeinen auf abgeschlossene Sachverhalte oder auf vergangene Zeitabschnitte bei Dauerrechtsverhältnissen nicht zurück (8 ObA 70/15z Pkt 2.1; 9 ObA 8/16s). Sofern es sich aber um Dauertatbestände handelt, ist der in den Zeitraum der Herrschaft der neuen Rechtsnorm herüberreichende Abschnitt des Dauertatbestands nach den Vorschriften des neuen Gesetzes zu beurteilen, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen (RS0008747; RS0008715 [T7, T19]). Vor allem bei einem Dauerrechtsverhältnis, das vor dem Beginn seines zeitlichen Geltungsbereichs begonnen hat und während seines zeitlichen Geltungsbereichs andauert, ist das neue Gesetz hinsichtlich jener Zeitabschnitte anzuwenden, die auf den Zeitraum nach dem Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs entfallen (9 ObA 8/16s). Die Rückwirkung eines Gesetzes bezieht sich nur auf jene Tatbestände, für die die Rückwirkung ausdrücklich ausgesprochen wird (RS0008694), sodass Rechtsänderungen auf abschließend verwirklichte Sachverhalte nicht zurückwirken, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich Gegenteiliges anordnet (RS0008694 [T8]) oder der besondere Charakter einer zwingenden Norm nicht deren rückwirkende Anordnung verlangt (RS0008694 [T4]).

Die hier strittigen Monatsbezüge der Klägerin gründen auf solchen abschließend verwirklichten Sachverhalten, weil die jeweilige Leistung der Klägerin, für die der jeweilige Monatsbezug gebührt, bereits erbracht wurde. Nach den dargestellten Grundsätzen ist daher die im klagsgegenständlichen Zeitraum jeweils anwendbare Rechtslage für die Bemessung des einzelnen Monatsbezugs heranzuziehen.

3.2. Die nach November 2014 ergangenen Gesetzesnovellen ändern daran nichts:

3.2.1. Sowohl die Dienstrechts-Novelle 2015 als auch die Dienstrechts-Novelle 2016 legen als Datum für das Inkrafttreten ausdrücklich den 1. 8. 2015 fest und sprechen keine (hinsichtlich der Dienstrechts-Novelle 2016: über dieses Datum hinausgehende) Rückwirkung aus.

3.2.2. Die Anordnung des § 62j Abs 1 VBO 1995 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, dass die §§ 18 VBO 1995 und 14 DO 1994 in ihrer vorher geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen „in laufenden und künftigen Verfahren“ nicht mehr anzuwenden sind, trat ebenfalls erst am 1. 8. 2015 (und nicht rückwirkend) in Kraft. Die Dienstrechts-Novelle 2015 hatte überdies das erklärte Ziel eine mit dem Unionsrecht konforme Rechtslage zu schaffen (Erläuterungen zur Dienstrechts-Novelle 2015 Beilage Nr 20/2015, LG – 02036-2015/0001, 1 f), sodass sie einer Durchsetzung bestehender Ansprüche gerade nicht entgegen steht. Die Unanwendbarkeit des „Altrechts“ in laufenden und künftigen Verfahren muss daher nicht zwingend für Verfahren gelten, in denen es – wie im gegenständlichen Verfahren – um vor dem 1. 8. 2019 entstandene Ansprüche in einem bestehenden Dienstverhältnis und nicht um die Festsetzung eines Besoldungsdienstalters für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten der neuen Rechtslage geht.

3.2.3. Solche Ansprüche wurden im Rahmen der Dienstrechts-Novelle 2015 auch einer eigenen Regelung zugeführt. Für die Bemessung von solchen („alten“) Bezügen im Rahmen bestehender Dienstverhältnisse hat vielmehr eine generelle Überleitung vom damals geltenden System des Vorrückungsstichtags zu jenem des neuen Besoldungsdienstalters zu erfolgen, sodass für sämtliche Bedienstete ein einheitliches System geschaffen wurde, in dem eine Vergleichbarkeit ungeachtet des Anstellungszeitpunkts besteht. Diese Vergleichbarkeit wird durch § 49l Abs 6a BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2016 iVm § 17 VBO 1995 auch für Zeiten vor dem 1. 8. 2015 hergestellt. Die Einstufung der nach diesen Bestimmungen überzuleitenden Klägerin hat auch danach auf Basis des Gehalts zu erfolgen, das bei der Bemessung ihres Monatsbezugs für den Juli 2015 „zugrunde gelegt wurde“ (§ 49l Abs 2 S 3 BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015). Eine Auslegung dahingehend, dass damit eine Überprüfung von vor den Dienstrechts-Novellen 2015 und 2016 ausgezahlten Beträgen schlichtweg ausgeschlossen ist, würde der offensichtlichen Zielsetzung der Dienstrechts-Novellen widersprechen und ist auch aus Gründen einer verfassungskonformen (und unionsrechtskonformen) Rechtsauslegung zu vermeiden. Einem auf die Einhaltung der Grundrechte bedachten Gesetzgeber kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, in Ansprüche allenfalls auch zum Nachteil der Anspruchsinhaber einzugreifen und sogar eine dahingehende Überprüfung durch den Anspruchsinhaber zu verhindern. In verfassungskonformer Interpretation des § 49l Abs 2 Satz 3 BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015 sind Bedienstete daher nicht gehindert, eine Überprüfung des der Überleitung zugrunde zu legenden „bisherigen Gehalts“ herbeizuführen. Das sich daraus ergebende Gehalt ist dann jenes, das bei der Bemessung des maßgeblichen Monatsbezugs für Juli 2015 „zugrunde gelegt wurde“, sodass der bei einer allfälligen korrigierenden Neubemessung des Gehalts im Altsystem rechtens zugrunde zu legende letzte Vorrückungstermin auch der Bestimmung des Besoldungsdienstalters zugrunde zu legen ist (vgl VwGH 9. 9. 2016 Ro 2015/12/0025 [Rz 108 ff] zur vergleichbaren Rechtslage der Bundesbeamten; vgl EuGH 8. 5. 2019, C-396/17, Leitner, Rn 51 ff).

3.3. Im vorliegenden Verfahren geht es ausschließlich um die Überprüfung von Monatsbezügen, die nach „Altrecht“ zu bemessen waren. Ihre Gebührlichkeit ist daher auf Basis des § 14 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 iVm § 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10 zu prüfen, sodass diese Bestimmungen im vorliegenden Verfahren anzuwenden und daher für die Entscheidung präjudiziell sind.

4. Zum Anfechtungsumfang:

4.1. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden (VfGH 27. 6. 2007, G 24/06 Pkt 3.1.; VfGH 24. 9. 2018, G 196/2018 Pkt 4.). Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (VfGH 13. 6. 2005, G 172/04 Pkt II.1. mwN; VfGH 24. 9. 2018, G 196/2018 Pkt 4). Dabei sind die Grenzen der Aufhebung so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Normteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfGH 1. 10. 2019, G 330/2018 Pkt IV 1.7. mwN). Daraus folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf (VfGH 13. 10. 2016, G 640-641/2015 Pkt IV. 1.3.).

4.2. Richten sich – wie hier – die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gegen die Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm, prüft der Verfassungsgerichtshof, ob den Bedenken durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist (VfGH 13. 10. 2016, G 640/2015 Pkt IV. 1.3.2.). Um dem Verfassungsgerichtshof diese Prüfung zu ermöglichen, ist daher nicht nur die verwiesene, sondern auch die verweisende Norm mitanzufechten (VfGH 13. 10. 2016, G 640/2015 Pkt IV. 1.3.3. mwN). Da sich die Anwendung der genannten Bestimmungen für bestehende Dienstverhältnisse letztlich aufgrund der oben dargestellten Verweisungskette ergibt, werden (im Rahmen der Eventualanträge) alle bezugnehmenden Verweisungsnormen mitangefochten (vgl VfGH 13. 10. 2016, G 640-641/2015 Pkt IV. 1.3.4.), um dem Verfassungsgerichtshof diese Prüfung zu ermöglichen.

5. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:

5.1. Gemäß § 62 Abs 1 VfGG hat der Antrag die gegen die Verfassungsmäßigkeit sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art – präzise ausgebreitet werden, dh dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die jeweils bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (VfGH 12. 6. 2019 G 34/2019 Pkt II. 2.1. mwN).

5.2. Unionsrechtliche Vorfrage

5.2.1. Nach der – oben dargestellten – Rechtsprechung des EuGH ist eine Regelung, wonach bei österreichischen Gebietskörperschaften zurückgelegte Vordienstzeiten zur Gänze angerechnet werden, aber eine Anrechnung von bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten einschlägigen Vordienstzeiten ausgeschlossen ist, geeignet, Wanderarbeitnehmer, die bei anderen Arbeitnehmern eine einschlägige Berufserfahrung erworben haben oder gerade erwerben, davon abzuhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (EuGH 5. 12. 2013 Rs C-514/12, Salzburger Landeskliniken, Rz 28, 35; 8. 5. 2019 C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Rz 82, 92).

5.2.2. Nach den im gegenständlichen Fall anzuwendenden Bestimmungen sind bei einer Gebietskörperschaft zurückgelegte Vordienstzeiten zur Gänze anrechenbar (§ 14 Abs 1 Z 1 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34). Bei anderen Arbeitgebern zurückgelegte Vordienstzeiten werden hingegen nur bis zu einem höchstens zu berücksichtigenden Ausmaß von drei Jahren zur Hälfte angerechnet (§ 14 Abs 2 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34); selbst bei Einschlägigkeit kann in diesem Fall eine Anrechnung zur Gänze nur bis zum Ausmaß von fünf Jahren und auch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung der Zustimmung der gemeinderätlichen Personalkommission erfolgen (§ 14 Abs 3 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34). Diese Beschränkungen gelten auch dann, wenn die Arbeitnehmer – wie hier – gleichartige oder identische (und nicht bloß „schlicht nützliche“) Vordienstzeiten aufzuweisen haben. Sie können Wanderarbeitnehmer daher davon abhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Da dafür auch keine sachliche Rechtfertigung vorliegt, verstoßen sie gegen Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl EuGH 10. 10. 2019 C-703/17, Adelheid Krah/Universität Wien).

5.2.3. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts sind diese Beschränkungen daher nicht anzuwenden, sodass Wanderarbeitnehmern im Ergebnis gleichartige oder identische Vordienstzeiten jedenfalls zur Gänze anzurechnen sind, unabhängig davon, bei welchen Arbeitgebern diese Vordienstzeiten zurückgelegt wurden.

5.3. Anwendungsbereich des Unionsrechts:

Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts setzt jedoch voraus, dass sich der betroffene Arbeitnehmer auf das Unionsrecht berufen kann. Mangels grenzüberschreitendem Sachverhalts ist der Anwendungsbereich des Unionsrechts dann nicht eröffnet, wenn es um die Anrechnung von in Österreich zurückgelegten Vordienstzeiten inländischer Arbeitnehmer geht (8 ObA 34/17h Pkt 4.2.; 8 ObA 8/17k Pkt 4.; VwGH 27. 5. 2019 Ra 2017/12/0047 Pkt 17). Solche Arbeitnehmer – wie die Klägerin – können sich auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts daher nicht berufen.

5.4. Inländerdiskriminierung:

5.4.1. Der Umstand, dass sich ein Inländer nicht unmittelbar auf Art 45 AEUV berufen kann, schließt allerdings nicht aus, dass der allfällige Verstoß einer nationalen Regelung gegen das Primärrecht in diesem Fall als Vorfrage für die nach nationalem (Verfassungs-)Recht zu beurteilende Frage zu prüfen ist, ob ein Inländer durch die weitere Anwendung der nationalen Regelung faktisch schlechter behandelt werden darf als ein EU-Ausländer, der sich auf die Nichtanwendbarkeit berufen kann (4 Ob 145/14y Pkt 4.1. ff; vgl 4 Ob 200/14m Pkt 4.4.).

5.4.2. Im vorliegenden Fall führt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts dazu, dass in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug (Wander-)Arbeitnehmern sämtliche einschlägige Vordienstzeiten zur Gänze und ohne quantitative oder formale Einschränkung angerechnet werden, inländischen Arbeitnehmern werden demgegenüber die genannten Einschränkungen aufgebürdet. Aus diesem Grund scheint § 14 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34 Sachverhalte ohne Unionsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug zu diskriminieren.

5.4.3. Für eine verfassungskonforme Interpretation kann auch § 14 Abs 1 Z 11 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34 nicht ins Treffen geführt werden. Die Beklagte wendete diese Bestimmung selbst nicht an und sie erlaubt nach ihrem Wortlaut lediglich die Anrechnung der Zeiten eines Dienstverhältnisses, die den bei Gebietskörperschaften verbrachten Vordienstzeiten entsprechen. Damit könnte eine Anrechnung von bei entsprechenden Arbeitgebern (etwa ausländischen Gebietskörperschaften) zurückgelegten Vordienstzeiten im Ausland in Betracht kommen, nicht aber jene bei privaten Arbeitgebern im Inland.

5.4.4. Nach österreichischem Verfassungsrecht kann der Gesetzgeber zwar zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, einerseits und sonstigen Zeiten andererseits unterscheiden (VfGH 18. 6. 2010 B 1427/08 Pkt 3.2., VfSlg 19.110). Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn bestimmten Arbeitnehmern aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts solche sonstigen Zeiten unterschiedslos anzurechnen sind. Eine solche Inländerdiskriminierung wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs am Gleichheitssatz gemessen und bedarf daher einer sachlichen Rechtfertigung, und zwar selbst dann, wenn – wie hier – erst der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die Differenzierung zwischen Binnen- und Unionssachverhalten erkennen lässt (VfGH 1. 3. 2004 G 110/03 Pkt II.2.1. ff, VfSlg 17.150).

5.4.5. Im österreichischen Recht widerspricht es im Regelfall dem Gleichheitsgrundsatz, österreichische Staatsbürger gegenüber Ausländern ohne sachliche Rechtfertigung zu benachteiligen (VfGH 7. 10. 1997 V 76/97 und V 92/97, Pkt II. 3.c)bb) VfSlg 14.963). Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte gegenüber Sachverhalten mit Unionsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen (VfGH 1. 3. 2004 G 110/03 Pkt II.2.1., VfSlg 17.150). Darüber hinaus werden auch österreichische Staatsbürger untereinander ungleich behandelt, nämlich Wanderarbeitnehmer mit österreichischer Staatsbürgerschaft (die etwa im Ausland Vordienstzeiten erworben haben, die sie nach Unionsrecht angerechnet erhalten) im Vergleich zu sonstigen österreichischen Arbeitnehmern, bei denen kein Auslandsbezug vorliegt.

5.5. Sachliche Rechtfertigung:

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht zu erkennen. Dies gilt sowohl für die quantitative Begrenzung der Anrechnung als auch für das normierte Zustimmungserfordernis (zu Genehmigungserfordernissen vgl VfGH 1. 3. 2004 G 110/03, VfSlg 17.150).

5.6. Aus den dargelegten Gründen hegt der Senat Bedenken gegen die Anwendung der antragsgegenständlichen Bestimmungen wegen Verstoßes gegen Art 7 B-VG und Art 2 StGG, sodass er gemäß Art 89 iVm Art 140 B-VG einen Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat (vgl RS0053977).

6. Anträge:

6.1. Die (engen) Hauptanträge beziehen sich auf die Verfassungswidrigkeit bestimmter Wortfolgen in § 14 Abs 2 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 und/oder des § 14 Abs 3 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34. Die weit gefassten Eventualanträge beziehen sich zunächst auf die Anregung des VfGH in seinem Beschluss vom 13. 10. 2016, GZ 640-641/2015. Da die Verfassungswidrigkeit unabhängig vom Verweis in § 18 VBO 1995 hinsichtlich aller Bedienstetengruppen gleichermaßen besteht und – wegen der Nichtanwendung der dort normierten Einschränkungen im Anwendungsbereich des Unionsrechts – ihre Wurzel letztlich in § 14 DO 1994 hat, kann sie durch die beantragte Aufhebung in der verwiesenen Norm nach Ansicht des Senats zweckmäßig beseitigt werden. Im Fall der Aufhebung der Verweisungsnorm entfiele demgegenüber eine für die Klägerin erforderliche Regelung zur Eruierung des bisherigen Gehalts zur Gänze, was die vom Gesetzgeber beabsichtigte Überleitung sämtlicher Bediensteter verunmöglichen würde. Um dem Verfassungsgerichtshof die oben (Punkt 5.) dargestellte Prüfung zu ermöglichen, werden die entsprechenden Verweisungsnormen angefochten, sodass es dem Verfassungsgerichtshof überlassen wird, welche Variante er – allenfalls auch in Form einer Teilabweisung – wählt.

6.2. Da die angefochtenen Bestimmungen jedenfalls in Anbetracht der Überleitung der Bediensteten (für Bezüge bis und ab dem 1. 8. 2015 gleichermaßen) weiterhin bestehen und daher insofern nicht außer Kraft getreten sind, zielt der Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmungen ab. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof eine andere Auffassung vertritt, wird ein Eventualantrag (auf einen Ausspruch gemäß Art 140 Abs 4 B-VG [Art 89 Abs 3 B-VG]) gestellt.

6.3. Da mit einer allfälligen Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen durch den VfGH, wenn nichts anderes ausgesprochen wird, alte Fassungen wieder in Kraft treten, könnte eine Verfassungswidrigkeit unter Umständen nur dann wirksam beseitigt werden, wenn vorherige Fassungen der angefochtenen Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Da diese Beurteilung dem VfGH obliegt, wurde darauf in den an ihn gerichteten Antrag nicht näher Bezug genommen.

Mit dem vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag wird sohin die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof herangetragen.

Textnummer

E127349

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00064.19F.1217.000

Im RIS seit

14.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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