TE Bvwg Beschluss 2019/11/22 W139 2225291-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2019
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Entscheidungsdatum

22.11.2019

Norm

BVergG 2006 §169
BVergG 2006 §174
BVergG 2006 §180 Abs1 Z1
BVergG 2006 §197 Abs3
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §2 Z6
BVergG 2006 §6
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W139 2225291-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER über den Antrag der XXXX , vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Gauermanngasse 2, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Ausschreibung von Rahmenvereinbarungen in zwei Losen über MEDOS - Managed e-Document an Output Service; GZ Provia ID 9281/2017" der Auftraggeberin ÖBB-Business Competence Center GmbH, Erdberger Lände 40-48, 1030 Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, 1010 Wien, Bartensteingasse 2, 1010 Wien:

A)

Den Anträgen, "das Bundesverwaltungsgericht wolle nach Verständigung der Antragsgegnerin über diesen Antrag mittels einstweiliger Verfügung der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren

(1) die Fortführung des Vergabeverfahrens ohne Zulassung der Antragstellerin; (2) die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung; in eventu: (3) die Erteilung des Zuschlages für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen", wird insofern stattgegeben, als der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, das Vergabeverfahren ohne Berücksichtigung der Antragstellerin fortzuführen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:

1. Am 11.11.2019 stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, verbunden mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der "Ausscheidensentscheidung vom 31.10.2019", einem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie einem Antrag auf Gebührenersatz.

Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Auftraggeberin habe im Juli 2017 im Amtsblatt der EU zur Zahl 2017/S 137-281781 eine Bekanntmachung betreffend den beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung für "MEDOS - Managed e-Document and Output Service" veröffentlicht. Die gegenständlichen Leistungen seien in einem Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung in 2 Losen ausgeschrieben worden.

In der Aufforderung zur Angebotslegung vom 13.06.2018 sei in Punkt

14.2. Folgendes festgelegt worden:

14.2 Der Auftraggeber behält sich vor, im Verlauf des Verfahrens eine oder mehrere vorangekündigte short-listing Runden (Verringerung der Anzahl der Angebote an Hand der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien) durchzuführen. Es ist insbesondere geplant, nach der Erstangebotsrunde eine shortlisting-Runde durchzuführen; diese erfolgt ausschließlich anhand des Zuschlagskriteriums Technik, Perfomance, Qualität (Anlage 9). Shortgelistet werden in dieser Runde jene Bieter, die zumindest 67 % der Bewertungspunkte des bestgereihten Bieters erreichen.

Die Antragstellerin habe hinsichtlich des Loses 1 jeweils fristgerecht einen Teilnahmeantrag sowie ein Erstangebot abgegeben. Am 31.10.2019 habe die Antragstellerin über die Vergabeplattform die Entscheidung der Antragsgegnerin, ihr Angebot auszuscheiden, erhalten. Begründend habe die Antragsgegnerin ausgeführt, dass das Angebot der Antragstellerin die geforderten 67% des bestgereihten Bieters nicht erreicht habe. Aus den von der Antragsgegnerin übermittelten Unterlagen, den Bewertungsbögen, dem Prüfungsprotokoll ihres Angebotes sowie die (anonymisierte) Bewertung des bestgereihten Bieters, würden sich Unstimmigkeiten in der Angebotsbewertung ergeben, die dazu führen würden, dass das Angebot der Antragstellerin unrechtmäßig zu niedrig bewertet worden sei. Das Angebot habe offenbar beim Subkriterium "Energie-Effizienz" 416 Punkte erhalten, das Angebot des bestgereihten Bieters jedoch nur 286 Punkte. Die Auftraggeberin sei hingegen offenbar davon ausgegangen, dass dem Angebot des bestgereihten Bieters die höchstmögliche Punktezahl zukommen sollte. Vielmehr hätte aber das Angebot der Antragstellerin die Maximalpunkteanzahl von 8000 Punkten erhalten müssen. Das Angebot des bestgereihten Bieters hingegen hätte nur rund 5500 Punkte erhalten dürfen. Bei richtiger Bewertung hätte das Angebot der Antragstellerin daher den Schwellenwert von 67% der Punkte des Angebots des bestgereihten Bieters bei weitem überstiegen. Bei der angefochtenen Entscheidung vom 31.10.2019 handle es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 16 lit a sublit dd BVergG 2006.

Die Antragstellerin habe durch Abgabe ihres Angebotes und Einbringung des gegenständlichen Nachprüfungsantrages ihr Interesse am Vertragsabschluss kundgetan. Durch das Ausscheiden ihres Angebotes sei bereits ein Schaden entstanden, der im frustrierten Aufwand für die Teilnahme am Vergabeverfahren, insbesondere für die Ausarbeitung des Angebotes, und in notwendigen Rechtsberatungskosten bestehe. Weiters entginge der Antragstellerin der zu lukrierende Gewinn und Deckungsbeitrag. Darüber hinaus hätte die Antragstellerin als seit Jahren etabliertes Unternehmen, welches in ganz Europa vergleichbare Aufträge erbringt, ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse am Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung. Die erforderlichen Pauschalgebühren für den Nachprüfungs- und den Provisorialantrag wurden nach Aufforderung zur Verbesserung in entsprechender Höhe entrichtet.

Die Antragstellerin erklärte das Vorbringen zu den Nachprüfungsanträgen auch zum Vorbringen im Provisorialverfahren. Da dem Nachprüfungsantrag keine aufschiebende Wirkung zukomme, könnte die Auftraggeberin das Vergabeverfahren ohne Zulassung der Antragstellerin fortführen. Schon dadurch erwachse der Antragstellerin ein Nachteil. Selbst wenn die Antragstellerin nach rascher Durchführung des Nachprüfungsverfahrens wieder zum Vergabeverfahren zugelassen werde, erwachse ihr dadurch ein unwiederbringlicher Nachteil, dass sie sich mit den Ausschreibungsdetails weniger eingehend wie die Mitbewerber befassen könne. Werde das Nachprüfungsverfahren erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens beendet, könne es zu einer Zuschlagsentscheidung an einen Mitbewerber ohne Mitteilung an die Antragstellerin und in der Folge zu einer Zuschlagserteilung kommen, woraus sich für die Antragstellerin eine unmittelbar drohende Schädigung ihrer Interessen ergebe. Daher würden die Verwaltungsgerichte regelmäßig auch bei Anfechtungen von Ausscheidensentscheidungen einstweilige Verfügungen, mit denen dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlages untersagt werde. Einer vorläufigen Untersagung der Fortführung des Vergabeverfahrens, der Zuschlagsentscheidung und der Zuschlagserteilung stehe weder ein besonderes öffentliches Interesse entgegen, noch überwiegen Interessen des öffentlichen Auftraggebers oder der beteiligten Bieter gegenüber jenen der Antragstellerin. Im gegenständlichen Vergabeverfahren würden im Vergleich zu den Bieterinteressen offensichtlich keine schützenswerten Interessen an der Erhaltung höherwertigerer Rechtsgüter, wie Leib und Leben, Gesundheit und Eigentum bestehen.

2. Am 15.11.2019 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zur beantragten Erlassung der einstweiligen Verfügung führte sie aus, dass die Antragstellerin eine im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin sei, weshalb ihr die noch zu treffende Zuschlagsentscheidung mitzuteilen sei, solange ihr Angebot (noch) nicht rechtswirksam ausgeschieden sei. Der Antragstellerin drohe sohin kein unmittelbarer Schaden. Darüber hinaus stelle die von der Antragstellerin beantragte Maßnahme - die Untersagung der Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens ohne Zulassung der Antragstellerin - nach ständiger Rechtsprechung auch nicht das nötige und gelindeste Mittel dar, weil die Auftraggeberin dadurch insgesamt gehindert wäre, das gesamte Vergabeverfahren fortzusetzen. Die Handlungsfreiheit der Auftraggeberin wäre jedenfalls über Gebühr beschränkt, da jede Disposition im vorliegenden Vergabeverfahren, etwa auch eine Rücknahme der angefochtenen Ausscheidensentscheidung, unmöglich wäre. Es sei zwar richtig, dass ein gewissenhafter Auftraggeber laut ständiger Rechtsprechung die durch die Einleitung eines Vergabekontrollverfahrens eintretenden zeitlichen Verzögerungen schon bei der Ablaufplanung einzukalkulieren und zu berücksichtigen habe. Der Rechtsprechung lasse sich nicht entnehmen, dass ein gewissenhafter Auftraggeber bei der Planung des Vergabeverfahrens berücksichtigen müsse, dass jede Entscheidung der Auftraggeberin angefochten werde. Es bestehe durch die bereits jetzt aufgrund eines vorangehenden Nachprüfungsverfahrens eingetretene Verzögerung ein besonderes Interesse an einem zeitnahen Abschluss des Vergabeverfahrens. Es wäre bei einer weiteren Verzögerung im selben Ausmaß schlicht unmöglich, noch rechtzeitig bis zum Anfang des Jahres 2020 den Bestbieter zu ermitteln. Demzufolge liege ein zwingendes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens vor. Der Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung sei auch aus diesem Grund abzuweisen. Sollte das erkennende Gericht der Auffassung sein, dass dem Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung stattzugeben sei, was ausdrücklich bestritten werde, werde informativ festgehalten, dass beabsichtigt sei, um weitere Verzögerungen zu vermeiden, vorerst auch die Antragstellerin zur Abgabe eines kommerziellen Erstangebotes einzuladen, da sie noch als Beteiligte im Vergabeverfahren gelte, solange die Ausscheidensentscheidung nicht bestätigt worden sei. Die Einladung der Antragstellerin werde aber voraussichtlich mit dem Vorbehalt erfolgen, dass das Angebot der Antragstellerin ohne weitere Verständigung ex tunc nicht (weiter) berücksichtigt werde, sofern die Ausscheidensentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen sowie der Bezug nehmenden Beilagen und Unterlagen des Vergabeverfahrens wird vorerst im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Auftraggeberin ist die ÖBB-Business Competence Center GmbH (ÖBB BCC-GmbH). Diese steht zu 100% im Eigentum der Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaftist (ÖBB-Holding AG) und ist ua für sämtliche Einkaufsagenden des ÖBB-Konzerns zentral zuständig. Im Juli 2017 schrieb sie die verfahrensgegenständliche Leistung "MEDOS - Managed e-Document and Output Service Aktenzeichen:

BCC-512-ProVia IC 9281" in einem Verhandlungsverfahren nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer für eine achtjährige Laufzeit im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip in zwei Losen aus (CPV-Code: 30232100).

Die Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages sowie die Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 13.06.2018 blieben unangefochten. Die Antragstellerin beteiligte sich an diesem Vergabeverfahren mit der Legung eines Erstangebotes zu Los 1.

Die Aufforderung zur Angebotsabgabe lautet auszugsweise:

"14.2 Der Auftraggeber behält sich vor, im Verlauf des Verfahrens eine oder mehrere vorangekündigte short-listing Runden (Verringerung der Anzahl der Angebote an Hand der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien) durchzuführen. Es ist insbesondere geplant, nach der Erstangebotsrunde eine shortlisting-Runde durchzuführen; diese erfolgt ausschließlich anhand des Zuschlagskriteriums Technik, Performance, Qualität (Anlage 9). Shortgelistet werden in dieser Runde jene Bieter, die zumindest 67 % der Bewertungspunkte des bestgereihten Bieters erreichen.

14.3 Entscheidet sich der Auftraggeber für weitere short-listing Runden, wird er den Bietern die Gelegenheit geben, ihr Angebot nachzubessern und erst aufgrund der nachgebesserten Angebote das short-listing durchführen. Der Auftraggeber wird abweichend davon jedenfalls dann wieder mit allen Bietern das Verhandlungsverfahren fortführen, wenn es in Verhandlungen mit dem bzw. den bevorzugten Bieter(n) (gegenüber der Letztfassung der Ausschreibungsunterlagen, die den Angeboten aller Bieter zu Grunde gelegen sind) zu wesentlichen Änderungen des Verhandlungsgegenstandes kommt, oder wenn Verhandlungen mit dem bzw. den bevorzugten Bieter(n) zu keinem Ergebnis führen"

Am 31.10.2018 wurde der Antragstellerin über die elektronische Beschaffungsplattform www.provia.at mitgeteilt, dass ihr Angebot vom 03.08.2018 in Los 1 nicht weiter berücksichtigt werden könne. Gemäß den einschlägigen Vorschriften des Bundesvergabegesetzes (§ 302 Abs1 Z 5 BVergG 2018) sei das Angebot als den Ausschreibungsbestimmungen widersprechend auszuscheiden, da das Angebot nicht die notwendigen Bewertungspunkte erhalten habe, um die 67% Hürde gemäß der Festlegung unter Punkt 14.2 zu schaffen.

Mit Schriftsatz vom 15.11.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidensentscheidung ein. Die Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren in entsprechender Höhe.

Es wurde weder eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen bzw ein Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

2.1.Anzuwendendes Recht

Am 21.08.2018 ist das Bundesvergabegesetz 2018, BGBl I, Nr 65/2018, in Kraft getreten. Dessen § 376 lautet auszugsweise:

§ 376. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ausnahme der Einträge im Inhaltsverzeichnis zu den §§ 62, 66, 232, 237, 367 und 368 und der §§ 54 Abs. 2, 62 samt Überschrift, 66 samt Überschrift, 223 Abs. 2, 232 samt Überschrift, 237 samt Überschrift, 367 samt Überschrift, 368 samt Überschrift und des 2. Abschnittes von Anhang VIII samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Zugleich tritt das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, außer Kraft.

(2) ...

(3) ...

(4) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2018 neu gefassten Bestimmungen gilt Folgendes: Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Vergabeverfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Abs. 1 und 2 bereits beendet sind, richtet sich die Durchführung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage.

(5) ...

In den Erläuternden Bemerkungen (EBRV 69 BlgNR XXVI. GP) wird hierzu ausgeführt: Wenn ein Vergabeverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits eingeleitet war, ist es nach den materiellrechtlichen Vorschriften des BVergG 2006 zu Ende zu führen; wenn im Zusammenhang mit einem solchen Vergabeverfahren nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ein Rechtsschutzverfahren anhängig gemacht wird, dann sind für das Rechtsschutzverfahren die Regelungen des 4. Teiles dieses Bundesgesetzes anzuwenden. (Prüfungsmaßstab für die Beurteilung, ob eine Rechtswidrigkeit vorliegt oder nicht, bleiben allerdings die Bestimmungen des BVergG 2006.) Ist ein Rechtsschutzverfahren hingegen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits anhängig, ist dieses Rechtsschutzverfahren gemäß Abs 4 nach den Bestimmungen des BVergG 2006 fortzuführen.

Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde im Juli 2017, somit vor In-Kraft-Treten des BVergG 2018 eingeleitet. Das Nachprüfungsverfahren wurde nach In-Kraft-Treten des BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gemacht. Daraus folgt, dass materiellrechtlich die Bestimmungen des BVergG 2006 und formellrechtlich die Bestimmungen des BVergG 2018 zur Anwendung kommen.

2.2. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG 2006 ist die ÖBB-Business Competence Center GmbH. Sie ist Sektorenauftraggeberin gemäß § 165 iVm § 169 BVergG 2006. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 iVm § 174 BVergG 2006. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 180 Abs 1 Z 1 BVergG 2006, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2006. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.

Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Von einem in § 350 Abs 1 BVergG 2018 genannten offensichtlichen Fehlen der Antragsvoraussetzungen gemäß § 342 Abs 1 leg.cit. ist vorerst nicht auszugehen.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Anträge auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig sind, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe bezahlt (§ 318 Abs 1 Z 1 und 4 BVergG 2018 iVm §§ 1 und 2 Abs 2 BVwG-PauschGebV Vergabe). Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen die der Antragstellerin am 31.10.2019 bekanntgegebene Entscheidung, ihr Angebot nicht weiter zu berücksichtigen bzw auszuscheiden. Dabei handelt es sich jedenfalls um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 16 lit a sublit dd BVergG 2006.

2.3. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der am 31.10.2019 bekannt gegebenen Entscheidung, Ihr Angebot nicht weiter zu berücksichtigen bzw als den Ausschreibungsbestimmungen widersprechend auszuscheiden. Diese Behauptung erscheint im Hinblick auf das oben wiedergegebene Vorbringen zumindest nicht denkunmöglich. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren nicht abzusprechen. Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.

Da der Antragstellerin - wie nachfolgend gezeigt wird - bei Fortführung des Vergabeverfahrens ohne deren weitere Berücksichtigung die Vereitelung des Abschlusses der gegenständlichen Rahmenvereinbarung und sohin auch eines allfälligen Abrufs der darauf basierenden Einzelaufträge mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ins Leere laufen lässt und der die grundsätzliche Möglichkeit eines Rahmenvereinbarungsabschlusses mit der Antragstellerin im Rahmen eines vergaberechtskonformen Verfahrens wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 69 BlgNr XXVI. GP, 203). Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ua auf finanzielle Einbußen, nämlich den entgehenden Gewinn und Deckungsbeitrag, den frustrierten Aufwand der Angebotslegung sowie auf ihr rechtliches und wirtschaftliches Interesse am Abschluss der Rahmenvereinbarung als etabliertes Unternehmen verweist. Am Vorliegen dieses drohenden Schadens besteht dem Grunde nach kein Zweifel. Die entsprechende Behauptung ist plausibel. Ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten (siehe VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; VwGH 24.02.2006, 2004/04/0127). Beim Verlust eines Referenzprojektes handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden (Vermögens)Nachteil (VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVA 21.02.2007, N/0012-BVA/07/2007-13; BVA 09.06.2010, N/0008-BVA/02/2010-7 uva).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Vorrangs des primären - durch Nichtigerklärung rechtswidriger Auftraggeberentscheidungen zu gewährleistenden - Rechtsschutzes (EuGH 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua; 18.06.2002, Rs C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft mbH) sowie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs Bedacht zu nehmen, wonach in der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ein öffentliches Interesse liegt (VfGH 25.10.2002, B1369/01; siehe insb. bereits BVA 25.01.2002, N-128/01-45 uvm).

Die Auftraggeberin hat sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung ausgesprochen. Der Antragstellerin drohe kein unmittelbarer Schaden, sie könne die ihr als im Vergabeverfahren verbliebener Bieterin mitzuteilende Zuschlagsentscheidung anfechten. Die beantragte Untersagung der Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens ohne Zulassung der Antragstellerin stelle nach ständiger Rechtsprechung nicht das nötige und gelindeste Mittel dar, weil die Auftraggeberin dadurch insgesamt gehindert wäre, das gesamte Vergabeverfahren fortzusetzen. Des weiteren bestehe durch die bereits aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens eingetretene Verzögerung ein besonderes Interesse an einem zeitnahen Abschluss des Vergabeverfahrens mit Anfang des Jahres 2020.

Soweit die Auftraggeberin auf die nunmehrige Dringlichkeit der gegenständlichen Beschaffung und auf bereits aufgrund eines vorangehenden Nachprüfungsverfahrens eingetretene Verzögerungen verweist, ist darauf hinzuweisen, dass Verzögerungen im Ablauf des Vergabeverfahrens nicht allein in der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gelegen sein können. Entsprechend Punkt 3.5 der Teilnahmeunterlagen war der Beginn der Laufzeit der Rahmenvereinbarung nämlich ursprünglich bereits mit 01.01.2018 vorgesehen. Die Aufforderung zur Angebotsabgabe erfolgte allerdings erst im Juni 2018. Abgesehen davon war der Auftraggeberin während des vorangehenden Nachprüfungsverfahrens mittels Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Fortsetzung des Vergabeverfahrens nicht zur Gänze untersagt, sondern lediglich die verbliebenen Bieter zur Abgabe von Angeboten aufzufordern und Verhandlungen mit diesen zu führen. Die Auftraggeberin war damit vor Abschluss des vorangehenden Nachprüfungsverfahrens aber nicht gehindert, etwa die Bewertung der Teststellungen zu beenden und Aufklärungsgespräche zu führen. Insofern ist daher festzuhalten, dass im Verlauf eines Vergabeverfahrens auf Auftraggeberseite eingetretene zeitliche Verzögerungen als solche die Nichterlassung einer einstweiligen Verfügung nicht rechtfertigen können. Weiters können Verzögerungen aufgrund vorangehender Nachprüfungsverfahren einem - wie gegenständlich - bislang unbeteiligten Antragsteller nicht zur Last gelegt werden (Kahl in Gast (Hrsg.), BVergG-Leitsatzkommentar, E 42, 61 zu § 351). Im Übrigen besteht nach ständiger Rechtsprechung, wie dies die Auftraggeberin auch zu Recht festhält, die Verpflichtung, die durch die Einleitung von Vergabekontrollverfahren allenfalls eintretenden zeitlichen Verzögerungen schon bei der Ablaufplanung einzukalkulieren und zu berücksichtigen (ua BVwG 16.11.2018, W139 2209121-1/9E; BVwG 30.05.2014, W139 2008219-1/10E; bereits BVA 09.01.2004, 10N-3/04-4; BVA 14.06.2010, N/0047-BVA/09/2010-14 uva). Dies gilt umso mehr bei Auftragsvergaben mit hohen Auftragswerten, da die Wahrscheinlichkeit möglicher Nachprüfungsverfahren mit der Komplexität bzw der Größenordnung des Auftrages, insbesondere des Auftragswertes, zunimmt (siehe VfGH 01.08.2002, B1194/02; weiters ua BVwG 09.10.2014, W139 2012408-1/3E uva; R. Madl in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 2222). In der vorliegenden Konstellation ist es daher nicht hinreichend, die Möglichkeit der Einleitung lediglich eines Nachprüfungsverfahrens einzuplanen.

Abgesehen davon, beschränkt sich die Auftraggeberin in ihrem Vorbringen auf einen Verweis auf die Dringlichkeit der gegenständlichen Beschaffung und die Notwendigkeit des Umstiegs auf ein neues Systemkonzept mit Anfang des Jahres 2020, ohne die drohende Beeinträchtigung ihrer Interessen durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung substantiiert zu begründen und dies zu belegen. Das Vorbringen kann damit nicht Grundlage einer Interessenabwägung sein (ua BVwG 01.03.2019, W131 2214957-1/3E; BVwG 13.12.2018, W131 2210854-1/2E; 16.11.2018, W139 2209121-1/9E; Kahl in Gast (Hrsg.), BVergG-Leitsatzkommentar, E 1, 37 zu § 351). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass, selbst unter Berücksichtigung des vorgesehenen fixen Erstabrufs, die Auftraggeberin eine Roll-Out-Phase von rund 8 Monaten vorgesehen hat (siehe Punkt 3.1. der Anlage 3 - Leistungsgegenstand "MEDOS" Los 1), weswegen es mit Anfang des Jahres 2020 ohnehin noch nicht zu einem vollständigen Systemumstieg kommen könnte.

Dem Bundesverwaltungsgericht sind im Übrigen keine möglicherweise geschädigten Interessen sonstiger Bieter sowie sonstige besondere öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen würden, bekannt.

Soweit die Auftraggeberin ausführt, dass der Antragstellerin als verbliebener Bieterin ohnehin die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen wäre, welche angefochten werden könne, und sohin ein unmittelbarer Schaden nicht drohe, ist eingangs klarstellend festzuhalten, dass sich das gegenständliche Vergabeverfahren noch im Stadium vor Abschluss der betreffenden Rahmenvereinbarung befindet und sohin die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, jene Entscheidung darstellt, die auch der Antragstellerin als "nicht berücksichtigter" Bieterin gemäß § 197 Abs 3 BVergG 2006 mitzuteilen ist und welche in der Folge einer Anfechtung zugänglich ist (siehe BVwG 10.01.2014, W139 2000171-1/10E). Insofern ist es grundsätzlich zutreffend, dass der im Verlust des Auftrages liegende Schaden nicht unmittelbar droht, wenn gegen die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, mit einem weiteren Nachprüfungsantrag vorgegangen werden kann, um deren Bestandskraft zu verhindern und um die Chance auf den Rahmenvereinbarungsabschluss zu wahren.

Allerdings trifft diese Beurteilung auf eine Sachverhaltskonstellation wie die vorliegende nicht zu. Die Antragstellerin läuft Gefahr, auch im Falle, dass sie mit ihrem Nachprüfungsbegehren im gegenständlichen Hauptverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Gänze durchdringen sollte, trotz der bestehenden Möglichkeit der Anfechtung und Nichtigerklärung der Entscheidung über den Rahmenvereinbarungsabschluss nicht in die Lage versetzt zu werden, sich potentiell erfolgreich an diesem Vergabeverfahren beteiligen zu können. Mit dieser Anfechtungsmöglichkeit kann daher nicht verhindert werden, dass der Zweck des Nachprüfungsverfahrens durch zwischenzeitige Handlungen der Auftraggeberin unterlaufen wird.

Wenn die Auftraggeberin ausführt, der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit jenem im Verfahren W139 2208701-1 vergleichbar, so kann dies nicht nachvollzogen werden. Nach Auskunft der Auftraggeberin befindet sich das Verfahren im Stadium vor der nächsten Angebotsrunde. Auch wenn die Nicht-Erfüllung von Muss-Kriterien nicht verfahrensgegenständlich ist, so behält sich die Auftraggeberin entsprechend den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen vor, mehrere short-listing Runden durchzuführen, nach ihrer freien Entscheidung technische, kommerzielle oder rechtliche Bedingungen und Anforderungen an den Ausschreibungsgegenstand entfallen zu lassen, zu ändern, bestehen zu lassen oder auch neue Bedingungen und Anforderungen einzuführen (Punkt 14. der Aufforderung zur Angebotsabgabe - Ablauf des Verhandlungsverfahrens; siehe auch Punkt 3.7 der Teilnahmeunterlagen). Nach dem voraussichtlichen Ablauf des Vergabeverfahrens käme es nach dem gegenständlich erfolgten Short-listing zur Aufforderung zur kommerziellen Angebotsabgabe und zur Einladung zur ersten mündlichen Verhandlungsrunde. Weitere Angebotsrunden sind möglich. Es kann auch in dieser Phase des Verhandlungsverfahrens daher nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Fortsetzung des Verfahrens zu weiteren Veränderungen der Ausschreibungsbedingungen und der Anforderungen an den Leistungsgegenstand kommt und damit unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden, die einen späteren Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin verunmöglichen.

Zentrales Gewicht für den Ablauf eines Verhandlungsverfahrens kommt dem Gebot der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter in allen Phasen eines Verhandlungsverfahrens zu. Würde die Auftraggeberin sohin ohne Berücksichtigung der Antragstellerin das Vergabeverfahren im Sinne ihrer Festlegungen zum Ablauf des Verfahrens fortführen, sohin zur Legung kommerzieller Angebote auffordern, Verhandlungen führen, allenfalls im Rahmen mehrerer Verhandlungsrunden, und Gelegenheit zur Verbesserung der Angebote geben, wäre jener im Rahmen der Verhandlungen gewonnene Informationsvorsprung und zeitliche Vorteil der sonstigen verbliebenen Bieter im Nachhinein durch Wiederholung der Verhandlungen unter Einbeziehung der Antragstellerin schwerlich aufzuholen und auszugleichen. Die neuerliche Durchführung von Verhandlungen wäre demnach mit dem vergaberechtlichen Grundsatz der Bietergleichbehandlung nicht vereinbar. Ein Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren käme folglich nicht mehr in Betracht.

Damit ist dieser Sachverhalt nicht mit jenen Konstellationen vergleichbar, in denen aufgrund der Möglichkeit zur Anfechtung der mitzuteilenden Entscheidung über den Abschluss der Rahmenvereinbarung bzw der Zuschlagsentscheidung der im Verlust des Auftrages liegende Schaden tatsächlich nicht unmittelbar droht, weil zwischenzeitig die Schaffung unumkehrbarer Tatsachen nicht erfolgt und eine Nichtigerklärung tatsächlich eine weitere Verfahrensteilnahme eröffnet. Dies ist etwa bei Vorliegen einer Ausscheidensentscheidung unmittelbar vor Erlassung einer Zuschlagsentscheidung in einem offenen Verfahren sowie auch in einem Verhandlungsverfahren, sofern es sich um das letztgültige Angebot handelt, in der Regel anzunehmen (siehe auch BVwG 03.07.2015, W138 2109261-1/2E; siehe ua auch BVA 17.06.2009, N/0059-BVA/02/2009-EV5).

Abgesehen davon wäre mit der Anfechtung der Entscheidung über den Rahmenvereinbarungsabschluss der denkmögliche Anspruch auf den Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin auch insofern nicht wirksam gesichert, als eine Rückkehr in die Verhandlungsphase angesichts der Geheimhaltungsverpflichtung der Auftraggeberin nicht mehr denkbar erscheint.

Unter Zugrundelegung obiger Überlegungen ist somit mangels substantiiert vorgebrachter und mangels sonst erkennbarer gegenteiliger Interessen ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 nicht anzunehmen, sondern vielmehr das Interesse der Antragstellerin an der Prüfung der angefochtenen Entscheidung der Auftraggeberin als überwiegend anzusehen, weswegen die im Spruch ersichtliche Sicherungsmaßnahme als gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme iSd § 351 Abs 3 BVergG 2018 auszusprechen war, als damit die Schaffung von unumkehrbaren Tatsachen zum Nachteil der Wettbewerbsposition der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren vermieden wird.

Festzuhalten ist, dass die verfügte Maßnahme die Auftraggeberin entgegen ihren Ausführungen in ihrer Handlungsfreiheit gerade nicht ungebührlich einschränkt. Die Fortführung des Vergabeverfahrens, sohin etwa auch die Rücknahme der gegenständlich angefochtenen Entscheidung, bleibt jedenfalls möglich. Dass die weitere Berücksichtigung der Antragstellerin bei Fortsetzung des Verfahrens im vorliegenden Fall die gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme darstellt, wird auch durch die nunmehrigen Festlegungen zum Ablauf von Verhandlungsverfahren im BVergG 2018 bestätigt. Gemäß § 281 Abs 5 BVergG 2018 für den Sektorenbereich (bzw § 114 Abs 5 BVergG 2018 für den klassischen Bereich) hat der Auftraggeber alle verbliebenen Bieter über etwaige Änderungen der Ausschreibungsunterlagen zu informieren und den Bietern im Anschluss an solche Änderungen ausreichend Zeit zu gewähren, ihre Angebote gegebenenfalls zu ändern. Die Erläuterungen zum Bundesvergabegesetz 2018 weisen darauf hin, dass ",verbliebene' Bieter [...] die Bieter [sind], die nicht ausgeschlossen wurden, deren Angebote nicht ausgeschieden wurden bzw. deren Angebote zwar ausgeschieden wurden, jedoch die Ausscheidensentscheidung noch nicht rechtskräftig geworden ist (Art. 2a Abs. 2 zweiter UAbs. der RMRL spricht von einem ‚endgültig[en]' Ausschluss). Dies ist der Fall, wenn das Ausscheiden des Angebotes von der zuständigen Vergabekontrollbehörde für rechtmäßig erkannt wurde oder wenn es keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann." Und weiters wird festgehalten, dass "nicht ‚verblieben' [...] weiters jene Bieter [sind], die im Verhandlungsverfahren nicht weiter berücksichtigt worden sind, denen dies gemäß § 114 Abs. 6 mitgeteilt wurde und die diese gesondert anfechtbare Entscheidung (vgl. § 2 Z 15 lit. a sublit. dd und ee) nicht (oder nicht erfolgreich) angefochten haben." (RV 69 BlgNR XXVI. GP, 156). Sohin ist ein aufgrund eines Short-listings nicht weiter berücksichtigter Bieter vorerst als im Vergabeverfahren verbliebener Bieter weiterhin, wie dies auch die Auftraggeberin ohnehin zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen beabsichtigt, bei allfälligen weiteren Verfahrensschritten einzubeziehen.

Zur Dauer der Provisorialmaßnahme ist auszuführen, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 als hinreichend befristet zu bewerten ist (ua BVwG 10. 01. 2014, W187 2000170-1/11; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVwG 23.10.2014, W114 2013254-1/6E; BVA 10.02.2011, N/0011-BVA/10/2011-9, BVA 10.05.2011, N/0035-BVA/08/2011-12 mwN; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054). Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.

§ 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, nämlich der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138;

30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 24.02.2006, 2004/04/0127; 01.03.2007, 2005/04/0239;

27.06.2007, 2005/04/0254; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 22.06.2011, 2009/04/0128;

29.09.2011, 2011/04/0153; 10.12.2007, AW 2007/04/0054) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsteller, Ausscheiden eines Angebotes,
Ausscheidensentscheidung, Ausscheidensgründe,
Bietergleichbehandlung, Dauer der Maßnahme, einstweilige Verfügung,
Entscheidungsfrist, Fortsetzung des Vergabeverfahrens, Frist,
Geheimhaltung, gelindeste Maßnahme, gelindestes Mittel,
Gleichbehandlung, Grundsatz der Gleichbehandlung,
Interessenabwägung, Nachprüfungsantrag, Nachprüfungsverfahren,
öffentliche Interessen, öffentlicher Auftraggeber,
Provisorialverfahren, Rahmenvereinbarung, Schaden, Teilnahmeantrag,
Untersagung, Vergabeverfahren, Wettbewerb

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W139.2225291.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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