TE Vwgh Erkenntnis 1998/8/27 97/13/0184

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Veröffentlicht am 27.08.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
33 Bewertungsrecht;

Norm

BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
BewG 1955 §62 Abs1 Z3 idF 1986/327;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom 24. Juni 1997, Zl. GA 11-93/2455/06, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens, Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent zum 1. Jänner 1988, 1. Jänner 1989 und 1. Jänner 1990 (mitbeteiligte Partei: Fernwärme Wien GmbH - früher:

Heizbetriebe Wien GmbH -, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Bei der Mitbeteiligten handelt es sich um ein in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführtes kommunales Versorgungsunternehmen. Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Anlagen des Fernwärmenetzes (einschließlich der Kraft-Wärme-Kopplungen und Abwärmeanlagen), die Anlagen zur Umstellung von Öl- auf Gasbetrieb und die zum Betrieb dieser Anlagen notwendigen Nebenanlagen Umweltschutzanlagen gemäß § 62 Abs. 1 Z. 3 Bewertungsgesetz darstellen und daher bewertungsrechtlich nicht als Betriebsvermögen anzusetzen sind. In der Berufungsergänzung vom 25. Jänner 1993 werden die Anlagen unter Hinweis auf die einzelnen Kontokreise wie folgt bezeichnet:

"Konto-Nr.       Inhalt

0200 - 1001      Grundstückseinrichtungen und Gebäudeteile

                  (Betriebsvorrichtungen) der Pumpstationen

                  zum Betrieb des Fernwärmenetzes

2001 - 2801      (ohne 2400, 2500 und 2611

                   eigentliche Pumpstationen zum Betrieb des

                  Fernwärmenetzes und

                  Anlagen zur Umstellung von Öl- auf Gasbetrieb

3000 - 4701      Baulichkeiten für Leitungen

                  (Betriebsvorrichtungen), Fernwärmeleitungen

                  (Verteil- und Abzweigleitungen), zugehörige

                  Umformerstationen u.ä.

5001 u. 5002     Wärmezähler als Zubehör zum Leitungsnetz

                  (Zähler für Großanlagen und Hauszentralen

                  sind nicht enthalten)

8000 u. 8001     mit dem Netzausbau und den Gaszuleitungen

                  verbundene Rechte (Baukostenzuschüsse u.ä.)

8011             Recht zum Bezug von Abwärme aus dem KW

                  Simmering - Block 1/2 (Baukostenzuschuß)".

In der erwähnten Berufungsergänzung ist dazu weiters festgehalten, daß die Anlagen zur Fernwärmeproduktion in Kraft-Wärme-Kopplung, das Fernwärmenetz sowie die Anlagen zur Umstellung von Öl- auf Gasbetrieb einschließlich der zugehörigen Nebenanlagen wirtschaftlich und energietechnisch gesehen eine Einheit darstellten; es sei daher nicht möglich, einzelnen Teilen dieser Anlagen der Fernwärmeaufbringung und -verteilung gesondert spezifische umweltverbessernde Eigenschaft zuzuordnen. Sie seien vielmehr in ihrer Gesamtheit als Umweltschutzanlagen zu beurteilen.

Unter zusätzlicher Geltendmachung verschiedener von der Mitbeteiligten errichteter Schornsteine für Fernheizkraftwerke als - ebenfalls im Beschwerdeverfahren strittige - Umweltschutzanlagen bezifferte die Mitbeteiligte in der Berufungsergänzung die Umweltschutzanlagen zum 1. Jänner 1988 mit insgesamt rund 3,6, zum 1. Jänner 1989 mit rund 4,4 und zum 1. Jänner 1990 mit rund 4,9 Mrd. Schilling.

In einer - insoweit auch unwidersprochen gebliebenen - Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung führte dieser aus, die Mitbeteiligte beantrage nunmehr im Berufungswege die gesamte Betriebsanlage, "d.s. im wesentlichen das gesamte Leitungsnetz und Zubehör, Kraftwärmekupplungen, Abwärmeanlagen und Rechte an solchen Wirtschaftsgütern als Umweltschutzanlage als nicht zum Betriebsvermögen gehörend aus den Besitzposten auszuscheiden". Nicht auszuscheiden wären lediglich Kesselhäuser und Spitzenkessel der Betriebsanlage, sowie die der Verwaltung dienenden Anlagen und Wirtschaftsgüter (im Rahmen der Betriebsprüfung seien lediglich die primär dem Umweltschutz und nicht dem Betriebszweck dienenden Anlagegüter, wie z.B. Rauchgasreinigungsanlagen, Filteranlagen, Abwasserreinigungsanlagen usw., als nicht zum Betriebsvermögen gehörend behandelt worden).

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung in der Frage der Umweltschutzanlagen Folge. Sie führte dazu in der Begründung aus, im allgemeinen würden unter dem Begriff Umweltschutz alle Maßnahmen zusammengefaßt, die der Vermeidung sowie der Verminderung der Umweltbelastungen und Umweltgefahren und der Wiederherstellung der Umwelt dienten. Als Umweltbelastungen seien insbesondere Schäden und Belästigungen durch Abwässer, Abgase, Strahlen, Staub, Hitze und Geruch zu verstehen. Es werde seitens der belangten Behörde nicht bestritten, daß, wie in der von der Mitbeteiligten vorgelegten Studie "Bewertung des Fernwärmenetzes der Heizbetriebe Wien aus versorgungspolitischer und ökologischer Sicht" dargelegt werde, die Fernwärme einen Beitrag zur rationellen Energienutzung und zur Senkung von Energieimporten leiste, sowie als ökologisch günstig einzustufen sei. "Nicht ohne Grund" habe auch der österreichische Staat im Rahmen des Fernwärmeförderungsgesetzes die Fernwärmeversorgung in den Jahren 1986 bis 1988 gefördert.

Zunächst sei festzuhalten, daß das dominierende Unternehmensziel der Mitbeteiligten (sowie deren Untergesellschaften) in der Versorgung von Wohnungen und Arbeitsstätten mit Wärme für die Beheizung und Warmwasseraufbereitung liege (Lieferung von Energie). Ohne Zweifel werde aber durch den Einsatz der Fernwärme, des Energieträgers Erdgas, der Kraft-Wärme-Kopplungs-Technik und den Einsatz der beantragten, großzügig dimensionierten Schornsteinanlagen der Fernheizkraftwerke eine Verminderung der Schadstoffbelastungen erreicht, weil die beantragten Anlagen nicht in der vorliegenden Form hätten gebaut werden müssen bzw. vergleichsweise wesentlich umweltfreundlichere Technologien zum Einsatz gekommen seien. Insbesondere verschiedene graphische Darstellungen in der Studie zeigten auf, daß das Heizen mit Fernwärme eine deutlich geringere Umweltbelastung in bezug auf die Schadstoffemissionen im Vergleich zu nahezu allen anderen Heizsystemen bedeute. Auch unterschreite nach diesen Darstellungen die Mitbeteiligte in der Praxis die Schätzwerte deutlich. Es sei eindeutig, daß erst die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung und der damit erforderliche geringe Brennstoffmehrverbrauch (hohe Effizienz) die geringe Luftbelastung durch die Fernwärmeherstellung mit sich bringe. Dazu seien wiederum die Versorgungsleitungen des Fernwärmenetzes Vorbedingung. Weiters hätten durch den Ausbau des Fernwärmenetzes errichtete oder übernommene Heizzentralen stillgelegt "d.h. quasi substituiert" werden können ("erster Schritt: Errichtung oder Übernahme der Anlagen, zweiter Schritt: Substitution"), wodurch eine beträchtliche Reduktion von Schadstoffemissionen durch den eigenen Betrieb erreicht worden sei.

Laut Lehre und Rechtsprechung sei bei Wirtschaftsgütern, die nicht ausschließlich dazu dienten, Umweltschädigungen hintanzuhalten, sondern auch für andere betriebliche Zwecke Verwendung fänden, eine Teilung, soweit technisch möglich, vorzunehmen. Falls dies nicht möglich sei, sei der Hauptzweck maßgeblich. Die belangte Behörde sei zur Ansicht gelangt, daß der Hauptzweck der "obigen", von der Mitbeteiligten geltend gemachten Anlagen im überwiegenden Maße von einer umweltpolitischen Zielsetzung geprägt sei und somit in erster Linie dem Umweltschutz diene. Das Unternehmensziel der Mitbeteiligten sei zwar die Versorgung von Wohnungen bzw. Arbeitsstätten mit Wärme, aber die umweltpolitischen Ziele der Stadt führten dazu, daß die Mitbeteiligte, soweit dies technisch möglich sei, emissionsmindernde Wärmeerzeugung (wie z.B. Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung, Nutzung von Wärme aus der Müllverbrennung unter Einsatz von Rauchgaswaschanlagen, Umstellung auf den sauberen Energieträger Erdgas) sowie emissionsverhindernde Wärmeverteilung (durch Substitution von Einzelanlagen) durchzuführen habe. Die Bereitstellung eines Fernwärmenetzes sei daher unerläßlich. Insbesondere sei festzuhalten, daß es für die Mitbeteiligte billiger (und ökologisch ungünstiger) wäre, auf Basis von (Einzel-)Heizzentralen die Wärmeversorgung durchzuführen, "als mittels Heizkraftwerken mit der Notwendigkeit von weitläufigen Verteil- und Abzweigleitungen". Die von der Mitbeteiligten beantragten Anlagen seien daher nach Auffassung der belangten Behörde als Umweltschutzanlagen im Sinn des § 62 Abs. 1 Z. 3 Bewertungsgesetz anzuerkennen (allerdings seien auch die darauf entfallenden Schulden auszuscheiden). Der Anteil der Umweltschutzanlagen an den "Vermögenssteuerwerten" betrage zum 1. Jänner 1988 74,19 %, zum 1. Jänner 1989 78,82 % und zum 1. Jänner 1990 74,84 %.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die erhobene Präsidentenbeschwerde und die dazu erstattete Gegenschrift der Mitbeteiligten erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 Z. 3 Bewertungsgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 327/1986 gehören Wirtschaftsgüter und Rechte an Wirtschaftsgütern, soweit sie dazu dienen, Umweltbelastungen zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern, die durch den eigenen Betrieb verursacht werden oder diesen beeinträchtigen und deren Anschaffung oder Herstellung gesetzlich vorgeschrieben oder im öffentlichen Interesse erforderlich war, nicht zum Betriebsvermögen.

Wenn Wirtschaftsgüter nicht ausschließlich dazu dienen, Umweltbelastungen zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern, ist primär - soweit es technisch vertretbar ist - eine Teilung vorzunehmen; wenn dies nicht möglich ist, ist der Hauptzweck maßgebend (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1994, 92/15/0226, mit weiterem Nachweis).

Schon die in § 62 Abs. 1 Z. 3 Bewertungsgesetz verwendeten Worte deuten in ihrem Zusammenhang (arg.: Wirtschaftsgüter ..., soweit sie dazu dienen, Umweltbelastungen zu verhindern, ..., die durch den eigenen Betrieb verursacht werden ...") darauf hin, daß mit den dort angesprochenen Wirtschaftsgütern nur solche gemeint sind, die Umweltbelastungen durch oder für (weiter) bestehende Betriebsanlagen verhindern, beseitigen oder verringern. Auch die Mitbeteiligte geht davon aus, daß es sich bei den Anlagen des Fernwärmenetzes, den Anlagen zur Umstellung von Öl- auf Gasbetrieb und den zum Betrieb dieser Anlagen notwendigen Nebenanlagen um eine technisch nicht trennbare Einheit handelt. Da es sich bei diesem "einheitlichen" Wirtschaftsgut um die wesentlichen Betriebsanlagen selbst handelte, die der Mitbeteiligten ermöglichten, ihr - laut angefochtenem Bescheid - dominierendes Unternehmensziel der Versorgung von Wohnungen und Arbeitsstätten mit Wärme für die Beheizung und Warmwasseraufbereitung zu erreichen, ist darin auch der Hauptzweck dieser Anlagen zu sehen. Ob diese Betriebsvorrichtungen die Erreichung des Betriebszweckes in ökologisch vertretbarerer Form gestatten als andere oder bisher in Verwendung gestandene Betriebsanlagen, ist insoweit nicht von Bedeutung (vgl. in diesem Sinn auch das bereits oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1994, 92/15/0226, betreffend die ausschließlich der Beförderung von elektrischer Energie - wenn auch in umweltschonender Weise - dienenden Erdkabelleitungen).

Die belangte Behörde hat daher in der Frage der Zuordnung des Fernwärmenetzes, der Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, der Anlagen zur Umstellung auf Gasbetrieb und der zum Betrieb notwendigen Nebenanlagen zur Begünstigungsbestimmung des § 62 Abs. 1 Z. 3 Bewertungsgesetz die Rechtslage verkannt. Es kann daher dahingestellt bleiben, inwieweit der in der Beschwerde angesprochene Umstand, es seien auch unternehmensexterne Anlagen durch den Ausbau des Fernwärmenetzes ersetzt worden, der Anwendung des § 62 Abs. 1 Z. 3 Bewertungsgesetz (der die Umweltbelastung durch oder für den eigenen Betrieb als Voraussetzung normiert) entgegenstünde.

Zu den - gesondert beantragten - Schornsteinen ist zu sagen, daß sich hier die Begründung im angefochtenen Bescheid betreffend Zuordnung zu § 62 Abs. 1 Z. 3 Bewertungsgesetz lediglich auf deren "großzügige Dimensionierung" (und dem damit Erreichen einer Verringerung der Schadstoffbelastungen) beschränkt. Ob und inwieweit die "größere Dimensionierung" den Umweltaspekt der Schornsteine derart in den Vordergrund rückte, um ihn gegenüber der technischen Notwendigkeit als Hauptzweck im oben aufgezeigten Sinne erscheinen zu lassen, wird damit aber nicht nachvollziehbar dargestellt. Weiters übersieht die belangte Behörde offensichtlich, daß die Schornsteine mit den zugehörigen Kesselanlagen wegen des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhanges (vgl. Doralt, EStG3, § 4 Tz. 38) als (einheitliches) Wirtschaftsgut anzusehen sein werden (auch in der Beantwortung der Stellungnahme des Betriebsprüfers durch die Mitbeteiligte mit dem Schriftsatz vom 6. Oktober 1993 ist u.a. davon die Rede, daß die Schornsteine ein Bestandteil der Dampfkesselanlagen seien), sodaß diese bei fehlender technisch vertretbarer Teilbarkeit zusammen mit den Kesselanlagen auf den Hauptzweck zu untersuchen wären. Zu Recht erhebt die Beschwerde in bezug auf die Schornsteine zudem eine Verfahrensrüge dahingehend, daß es die belangte Behörde bei der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes zu prüfen unterlassen habe, ob hinsichtlich der "höher gebauten" Schornsteinanlagen tatsächlich Emissionsminderungen eingetreten seien. Derartige Emissionsminderungen sind entgegen den Behauptungen in der Gegenschrift der Mitbeteiligten insgesamt keineswegs evident, spricht doch auch die Gegenschrift davon, die Errichtung der gegenständlichen Schornsteinanlagen hätte keinen anderen Grund gehabt, als eine sonst unerträgliche Umweltbelastung (Anm.: nur) "im Nahbereich" hintanzuhalten.

Wenn schließlich die Gegenschrift der Mitbeteiligten zur Verteidigung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides § 93 Abs. 3 lit. a BAO ins Spiel bringt, ist darauf aufmerksam zu machen, daß die dort vorgesehene Möglichkeit des Entfalls der Begründung eines Bescheides bei einem vollinhaltlichen Entsprechen eines Anbringens für eine Berufungsentscheidung nicht gilt. Diese hat vielmehr nach § 288 Abs. 1 lit. d BAO jedenfalls eine (ihre Entscheidung tragende) Begründung zu enthalten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der in der Gegenschrift der Mitbeteiligten beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 27. August 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997130184.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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