TE OGH 2019/12/17 10Ob68/19a

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj S*****, geboren ***** 2005, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 1 und 4 bis 9, 1060 Wien, Amerlingstraße 11) wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Juni 2019, GZ 42 R 108/19x-41, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. Februar 2019, GZ 9 Pu 271/13y-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die 14-jährige S***** lebt bei ihrer Mutter und wird von ihr betreut.

Der geldunterhaltspflichtige Vater (der keine weiteren Sorgepflichten hat) war zuletzt aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 4. 4. 2018 (ON 12) zu einer monatlichen Geldunterhaltsleistung von 530 EUR verpflichtet.

Nachdem sein monatliches Durchschnitts-einkommen auf 1.816 EUR gesunken war, begehrte der Vater die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags auf 340 EUR ab 1. 1. 2019 (ON 28).

Die durch den Kinder- und Jugendhilfeträger vertretene Tochter stimmte einer Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags auf 380 EUR monatlich ab 1. 1. 2019 zu (ON 35). Dem (verminderten) Einkommen des Vaters sei im Hinblick auf die Einführung des Familienbonus Plus mit 1. 1. 2019 aber noch die Hälfte des Familienbonus Plus (in Höhe von 62,50 EUR) und des Unterhaltsabsetzbetrags in Höhe von 29,20 EUR hinzuzuzählen, sodass sich ein Gesamteinkommen von monatlich 1.891,70 EUR ergebe. Von diesem Einkommen sei der Unterhaltsanspruch des Kindes in Höhe von 20 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu errechnen.

Das Erstgericht setzte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. 1. 2019 auf monatlich 363 EUR herab und wies das Mehrbegehren auf Herabsetzung um weitere 23 EUR pro Monat ab (ON 36).

Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, dass die vom Obersten Gerichtshof zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen entwickelte Anrechnungsformel im Hinblick auf die Einführung des Familienbonus Plus wie folgt anzupassen sei: Unterhalt = Unterhalt x Kürzungsfaktor + Unterhaltsabsetzbetrag + Familienbonus Plus. Ausgehend von der Unterhaltsbemessungsgrundlage von 1.816 EUR errechne sich ein monatlicher Unterhaltsbeitrag im Ausmaß von 20 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage mit einem Betrag von 363 EUR. Setze man den Kürzungsfaktor von 0,86, den Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 EUR und den halben Familienbonus Plus von 62,50 EUR in diese Formel ein (Unterhalt = 363 x 0.86 + 29,20 + 62,50) ergebe sich keine Unterhaltskürzung, sodass es bei dem nach der Prozentmethode ermittelten Unterhaltsbeitrag von 363 EUR monatlich bleibe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes nicht Folge. Der Familienbonus Plus sei nicht als einkommenserhöhend in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, weil dem Unterhaltspflichtigen somit von der Einbeziehung von der vom Gesetzgeber gewollten Steuerentlastung lediglich ein ganz geringer Teil zugute käme. Ob der Unterhaltsschuldner den Familienbonus Plus laufend oder erst rückwirkend geltend mache, sei daher unerheblich. Auch die Frage, inwieweit es dem Geldunterhaltsschuldner möglich sei, den Familienbonus Plus zu erlangen, bzw ob er allenfalls auf den Familienbonus Plus anzuspannen sei, stelle sich nicht. Da dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil durch die Möglichkeit, ab 1. 1. 2019 zumindest den halben Familienbonus Plus geltend zu machen, eine ausreichende steuerliche Entlastung seiner Geldunterhaltspflicht zugute komme, sei es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erforderlich, zusätzlich noch eine steuerliche Entlastung durch Anrechnung der Transferleistungen („Familienbeihilfeanrechnung“) vorzunehmen. Dies führe dazu, dass wieder der ungekürzte „Prozentsatz“ als Unterhalt festzusetzen sei. Da das Erstgericht keine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage um den halben Familienbonus Plus vorgenommen habe und unter Heranziehung der von der früheren Rechtsprechung entwickelten Formel zu dem Ergebnis gelangt sei, dass im vorliegenden Fall keine Kürzung des „Prozentunterhalts“ vorzunehmen sei, stehe der auf diese Weise errechnete Unterhaltsbeitrag in voller Höhe zu.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass zur Frage der Unterhaltsbemessung im Zusammenhang mit dem Familienbonus Plus noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens im Umfang von 23 EUR monatlich richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, ihm ab 1. 1. 2019 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 380 EUR zuzusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt, weil die Rekursentscheidung mit den jüngst in der Entscheidung 4 Ob 150/19s entwickelten Grundsätzen in Einklang steht.

Im Revisionsrekurs wird zusammengefasst vorgebracht, dass nicht nur der halbe Unterhaltsabsetzbetrag, sondern auch der halbe Familienbonus Plus in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei. Diese Beträge minderten als Absetzbeträge die Steuerlast direkt und erhöhten das Nettoeinkommen.

Dazu ist auszuführen:

1. Mit 1. 1. 2019 hat der Gesetzgeber in § 33 Abs 3a EStG einen neuen Steuerabsetzbetrag eingeführt. Der sogenannte „Familienbonus Plus“ ersetzt den Kinderfreibetrag nach § 106a EStG aF sowie die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Ausdrückliches Ziel war die finanzielle Entlastung von berufstätigen Eltern (ErläutRV 190 BlgNR 26. GP 1). Der Familienbonus Plus beträgt, sofern er voll ausschöpfbar ist, bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, für jeden Kalendermonat 125 EUR (§ 33 Abs 3a Z 1 lit a EStG), ab diesem Zeitpunkt für jeden Kalendermonat 41,68 EUR (§ 33 Abs 3a Z 1 lit b EStG).

2. Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 11. 12. 2019, 4 Ob 150/19s wurde im Hinblick auf die Einführung des Familienbonus Plus und die dadurch bewirkte steuerliche Entlastung die unterhaltsrechtliche Rechtsprechung neu ausgerichtet. Die Kernaussagen dieser Entscheidung lassen sich dahin zusammenfassen, dass durch die Einführung des Familienbonus Plus die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltsschuldners in pauschaler Weise erreicht wird; sie erfolgt durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist weder in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen noch ist der nach der „Prozentmethode“ errechnete Unterhalt zum Zweck der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu kürzen.

3. Der Senat schließt sich den in der Entscheidung 4 Ob 150/19s getroffenen Aussagen unter Hinweis auf die dort überzeugend dargestellten Gründe an.

Den Revisionsrekursausführungen ist unter Verweis auf die Entscheidung 4 Ob 150/19s noch entgegenzuhalten, dass nach der Zielrichtung des Steuergesetzgebers der ausschöpfbare Teil des Familienbonus Plus in generalisierender Betrachtungsweise dazu dienen soll, das Unterhaltseinkommen nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs steuerfrei zu stellen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der entsprechende Betrag dem Unterhaltspflichtigen verbleibt. Eine Einrechnung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage scheidet daher aus. Der Grundsatz, dass es im Unterhaltsrecht auf das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen als die Summe der dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel ankomme (vgl RS0013386) und eine Steuerersparnis das Nettoeinkommen erhöhe, gelangt jedenfalls dann nicht zur Anwendung, wenn es sich bei einem Steuerabsetzbetrag um eine zweckbestimmte steuerliche Entlastung und nicht um einen allgemeinen Einkommensbestandteil handelt.

4. Aus der Entscheidung 4 Ob 150/19s ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der Familienbonus Plus – wie bereits das Rekursgericht zutreffend erkannt hat – auf die Unterhaltsleistung keine Auswirkung hat. Ob der unterhaltspflichtige Vater den (halben) Familienbonus Plus bei seinem Dienstgeber beantragt hat oder eine Antragstellung bisher unterlassen hat, bzw die Frage, ob er im Sinn des Anspannungsgrundsatzes dafür Sorge zu tragen hat, zum ehestmöglichen Zeitpunkt sein Einkommen durch Beantragung der Auszahlung des Familienbonus Plus zu erhöhen, ist für die Unterhaltsbemessung nicht maßgeblich. Da durch den Familienbonus Plus – gemeinsam mit dem Unterhaltsabsetzbetrag – die gebotene steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Vaters bewirkt wird, besteht auch kein Anlass mehr, die Unterhaltsleistung durch die Anrechnung von Transferleistungen zu kürzen. Der Familienbonus Plus und der Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.

Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.

Textnummer

E127342

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00068.19A.1217.000

Im RIS seit

13.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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