TE Vwgh Beschluss 2019/12/13 Ra 2019/20/0548

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Veröffentlicht am 13.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des O A in F, vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 21/IV, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Juni 2019, Zl. G308 2178729-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger sunnitischer Glaubensrichtung, stellte am 10. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte der Revisionswerber im Wesentlichen aus, im Herkunftsstaat von Mitgliedern einer schiitischen Miliz verfolgt zu werden. Er habe aufgrund seines sunnitisch konnotierten Namens in ständiger Angst gelebt.

2 Mit Bescheid vom 7. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - ohne Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 24. September 2019, E 2491/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab, trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab und wies den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Eingangs wird zur geltend gemachten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, die gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG als Prozessvoraussetzungen für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben sind, gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen ist (vgl. VwGH 16.5.2017, Ra 2016/01/0322, mwN).

9 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das BVwG habe entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen.

10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; 30.7.2019, Ra 2019/20/0164, mwN). 11 Mit der pauschalen Behauptung, das BFA habe seine Beweiswürdigung nicht in gesetzmäßiger Weise offen gelegt, wird nicht dargetan, dass die Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen wären. Dass der Revisionswerber in der Beschwerde der Beweiswürdigung des BFA in Bezug auf sein Fluchtvorbringen substantiiert entgegengetreten wäre, wird in der Revision nicht einmal behauptet. Sofern auf die in der Beschwerde angeführten Berichte zur instabilen Lage im Irak und den wiederaufflammenden Bürgerkrieg verwiesen wird, übersieht der Revisionswerber, dass es sich bei diesen Berichten um die auszugsweise Wiedergabe der Länderfeststellungen des BFA handelt, sodass hierdurch kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt im Sinn der angeführten Judikatur dargelegt wurde.

12 Ebenso wenig vermag das Vorbringen zur Ermittlungspflicht eine Verletzung der Verhandlungspflicht darzutun, zumal in der Beschwerde weder die Ergänzungsbedürftigkeit des vom BFA festgestellten Sachverhaltes im Hinblick auf den Einfluss von Milizen auf die irakische Justiz und Politik noch die ungenügende Erstbefragung bzw. Einvernahme durch einen nach Ansicht des Revisionswerbers ungeeigneten Sachbearbeiter des BFA vorgebracht wurde. Selbiges gilt für das Vorbringen zu den fehlenden familiären Anknüpfungspunkten des Revisionswerbers im Herkunftsstaat. Darüber hinaus gab der Revisionswerber noch in seiner Stellungnahme vom 15. Mai 2019 an, alle zwei bis drei Wochen Kontakt zu seiner Familie im Herkunftsstaat zu haben. Insofern durfte das BVwG davon ausgehen, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Hinblick auf die familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat geklärt ist. 13 Soweit sich die Revision pauschal gegen die Beweiswürdigung des BVwG zu den Fluchtgründen des Revisionswerbers wendet, legt sie nicht dar, dass diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 9.10.2019, Ra 2019/20/0473, mwN). Entgegen dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung berücksichtigte das BVwG bei seiner Beweiswürdigung, dass die Erstbefragung nicht primär der Erhebung des Fluchtgrundes dient und legte hinreichend konkret dar, aus welchen Gründen es das Vorbringen des Revisionswerbers als unglaubwürdig einstufte.

14 Insoweit der Revisionswerber die beweiswürdigenden Überlegungen zum Fluchtvorbringen im Zusammenhang mit fehlenden Ermittlungen zur Bedrohungssituation von Sunniten im Irak angreift und darüber hinausgehend die fehlende Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Revisionswerbers und den UNHCR-Guidelines zum Irak rügt, macht er Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 2.9.2019, Ra 2019/20/0405, mwN). Diesen Anforderungen wird das allgemein gehaltene Zulässigkeitsvorbringen nicht gerecht, zumal sich diesem keine Relevanzdarstellung im Sinn der zitierten Rechtsprechung entnehmen lässt.

15 Wenn die Revision Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Flucht der übrigen Familienangehörigen des Revisionswerbers im Jahr 2017 und ihren Fluchtgründen vorbringt, steht der Berücksichtigung dieses Vorbringens im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das aus § 41 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot entgegen, weil sich ein entsprechendes Vorbringen erstmals in der Revision findet.

16 Im Übrigen wird mit der bloßen Anführung von Umständen, die vom BVwG bei seiner Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK bereits berücksichtigt wurden und dem darüber hinausgehenden allgemein gehaltenen Vorbingen in der Zulässigkeitsbegründung auch nicht aufgezeigt, dass die im vorliegenden Einzelfall vorgenommene Abwägung des BVwG unvertretbar erfolgt wäre oder die Gewichtung dieser Umstände durch das BVwG nicht mit den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien im Einklang stünde (vgl. VwGH 11.6.2019, Ra 2019/20/0250, mwN).

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Auf die zur Gänze fehlenden Revisionspunkte war bei diesem Ergebnis nicht weiter einzugehen (vgl. VwGH 20.11.2018, Ra 2018/12/0045, mwN).

Wien, am 13. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200548.L00

Im RIS seit

14.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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