TE Vwgh Beschluss 2020/1/9 Ra 2019/08/0180

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Veröffentlicht am 09.01.2020
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Index

23/01 Insolvenzordnung
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §68 Abs1
BAO §80
IO §150 Abs2
IO §152b
IO §156

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dr. F K in G, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in 8010 Graz, Neutorgasse 47, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2019, Zl. G305 2178066-1/23E, betreffend Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Steiermärkische Gebietskrankenkasse; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit Bescheid vom 19. Juli 2017 sprach die belangte Behörde aus, dass der Revisionswerber als Geschäftsführer der S. GmbH (der Primärschuldnerin) gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 58 Abs. 5 ASVG und § 83 ASVG für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge auf näher bezeichneten Beitragskonten der S. GmbH den Betrag von EUR 180.528,10 zuzüglich Verzugszinsen im gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 3,38 % p.a. ab 19. Juli 2017 aus dem Betrag von EUR 138.136,04 (hafte) und verpflichtet sei, diese Schuld binnen 15 Tagen nach Zustellung des Bescheides zu bezahlen. 5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass auf näher genannten Beitragskonten insgesamt EUR 138.336,04 unberichtigt aushaften würden.

6 Die am 29. Februar 1988 gegründete S. GmbH habe ein privates "Geburtshaus" geführt, in dem zu 91 % Belegärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe Entbindungen durchgeführt hätten. Bis zum Ende des Jahres 2011 sei der Betriebserfolg überwiegend positiv gewesen. Im Zuge der Kündigung des ärztlichen Leiters und des Ausscheidens der Gesellschafter aus den medizinischen Berufen sei ab dem Jahr 2013 die Belagsfrequenz gesunken. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (über die Pflichtversicherung der Dienstnehmer der S. GmbH, VwGH 17.10.2012, 2009/08/0194) habe die S. GmbH einen Forderungsnachlass bei den Zinsen und eine Ratenzahlung bei rückständigen Beitragsforderungen erzielt. Die K. & K. GmbH habe für eine Forderung von EUR 100.000,-

- die Bürgschaft für Beitragszahlungen übernommen. Die Verbindlichkeiten bei der belangten Behörde, eine Kreditkündigung durch die Hausbank und die nicht ausreichende Belagsfrequenz hätten die S. GmbH veranlasst, am 10. Juni 2015 beim Landesgericht für ZRS Graz ein Sanierungsverfahren ohne Selbstverwaltung zu beantragen. Mit Beschluss vom 10. Juni 2015 habe das Landesgericht für ZRS Graz das Sanierungsverfahren eröffnet. Die belangte Behörde habe zuletzt Forderungen in Höhe von EUR 929.228,30 angemeldet. Dieser Betrag sei von der Insolvenzverwalterin der S. GmbH anerkannt worden. Mit Beschluss vom 24. September 2015 habe das Insolvenzgericht den am 24. August 2015 angenommenen Sanierungsplan bestätigt. Demnach hätten Insolvenzgläubiger mit Forderungen bis einschließlich EUR 50.000,-- eine Barquote von 100 % und Insolvenzgläubiger mit höheren Forderungen eine Barquote von 40 % erhalten. Damit stehe fest, dass die - EUR 50.000,-- überschreitenden - (restlichen) Insolvenzforderungen der belangten Behörde uneinbringlich seien.

7 Der Revisionswerber sei seit 29. März 1988 - mit Unterbrechung vom 27. November 2009 bis 18. August 2010 - handelsrechtlicher Geschäftsführer der S. GmbH gewesen. Seit 14. Juli 2010 vertrete er gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen. Am 22. Februar 2018 sei der Revisionswerber als Geschäftsführer im Firmenbuch gelöscht worden.

8 Aus der ersten GPLA (Prüfzeitraum Jänner 2000 bis Dezember 2004) würden nach Abzug der geleisteten Ratenzahlungen der S. GmbH und sämtlicher von der Sozialversicherungsanstalt (der gewerblichen Wirtschaft) vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleisteter Zahlungen sowie nach Abzug der Quote aus dem Sanierungsverfahren (EUR 34.388,16) kapitalisierte Beiträge von EUR 51.906,72 aushaften. Die Aufgliederung ergebe sich aus der Beilage ./4, die einen integrierenden Bestandteil des erstinstanzlichen Haftungsbescheides bilde. Anlässlich einer den Prüfzeitraum ab Jänner 2010 bis 31. Juli 2015 umfassenden Konkursabschlussprüfung seien Konkursforderungen in Höhe von EUR 425.975,61 und Masseforderungen in Höhe von EUR 64.943,06, sohin ein Nachverrechnungsbetrag von EUR 490.918,67 (zuzüglich EUR 2.510,45) ausgewiesen worden. Die belangte Behörde habe infolge Verjährung lediglich die noch nicht verjährten Belastungen der Monate Juli 2012 bis Mai 2015 als haftungsrelevant angesetzt. Der im erstinstanzlichen Haftungsbescheid vom 19. Juli 2017 ausgewiesene Haftungsbetrag von EUR 180.528,10 sei von der belangten Behörde mit Schreiben vom 21. März 2018 verzugszinsenbereinigt auf EUR 138.136,04 reduziert worden. 9 Das Sanierungsverfahren sei am 13. Oktober 2015 gemäß § 152b IO beendet worden. Die Quote in Höhe von 40 % und die Vergütung durch den Insolvenzausgleichsfonds seien bei der Berechnung des Rückstands berücksichtigt worden. An den Revisionswerber sei die Aufforderung ergangen, bis zum 16. Dezember 2016 schriftlich darzulegen, weshalb ihn kein Verschulden treffe. Es sei ein "umfassender, rechnerisch überprüfbarer Entlastungsnachweis zu erbringen". Zur Darstellung der Verbindlichkeiten und der geleisteten Zahlungen sei ihm ein Formular zur Verfügung gestellt worden. Der Revisionswerber habe den geforderten Nachweis über die Gleichbehandlung aller Gläubiger vor Eröffnung des insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahrens nicht erbracht. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 habe er zusammengefasst mitgeteilt, dass die Beitragsschuld infolge Eintritt der Einhebungsverjährung erloschen sei. Ihn treffe kein Verschulden, weil der Verwaltungsgerichtshof erst mit Erkenntnis vom 17. Oktober 2012, 2009/08/0188, eine rechtliche Klarstellung getroffen habe (dahin, dass die Mitarbeiter der S. GmbH als Dienstnehmer nach ASVG pflichtversichert seien, woraus die gegenständlichen Beitragsforderungen resultierten). Es würde keine Ungleichbehandlung von Gläubigern vorliegen. Die belangte Behörde habe dem Sanierungsplan zugestimmt. Sie habe damit auf weitergehende Forderungen verzichtet.

10 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Verjährungsbestimmung des § 68 Abs. 1 ASVG gelte auch für Beitragsmithaftende. Verjährungsunterbrechungen würden - auch wenn sie nur gegen den Zahlungspflichtigen gesetzt würden - in gleicher Weise gegen den Beitragsmithaftenden wirken. Das Tatbestandsmoment der Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung beim Primärschuldner zeige, dass die Verjährungsfrist für den haftungspflichtigen Vertreter (zumindest) nicht früher ablaufen könne als mit dem Entstehen der Haftung, d.h. insoweit als feststehe, dass Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung beim Primärschuldner eingetreten sei.

11 Das Insolvenzgericht habe mit Beschluss vom 25. September 2015 den am 24. August 2015 angenommenen Sanierungsplan bestätigt. Erst damit sei die Uneinbringlichkeit der von der belangten Behörde angemeldeten Beitragsforderungen (in dem die Barquote von 40 % übersteigenden Betrag) festgestanden. Erst damit sei (am 25. September 2015) die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG in Gang gesetzt worden. Die Einleitung des Haftungsprüfungsverfahrens (das Schreiben an den Revisionswerber vom 22. November 2016) sei daher noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt.

12 Soweit der Revisionswerber die Auffassung vertrete, dass die belangte Behörde durch ihre Zustimmung zum Sanierungsplan der Primärschuldnerin "unzweifelhaft auf die über die Quote hinausgehenden Forderungen ausdrücklich verzichtet" habe, sei ihm zu entgegnen, dass die Verschuldenshaftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG hinsichtlich der uneinbringlichen Forderungen des Sozialversicherungsträgers greife.

13 Eine Pflichtverletzung iSd § 67 Abs. 10 ASVG könne in der Ungleichbehandlung von Sozialversicherungsbeiträgen liegen, sohin darin, dass der Geschäftsführer die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandle als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bediene, jene aber unberichtigt lasse bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trage. Der Geschäftsführer wäre nur dann entschuldigt, wenn er entweder nachweise, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden seien, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Gebietskrankenkasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger. Der Revisionswerber sei zumindest vom Zeitpunkt, in dem die S. GmbH in wirtschaftliche Schieflage geraten sei, bis zur Eröffnung des insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahrens Geschäftsführer der S. GmbH gewesen. Er sei von Beruf Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Er sei für die Liquidierung der Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin allein verantwortlich gewesen. Er habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der Primärschuldnerin im Beobachtungszeitraum anteilige Mittel zur Beitragsentrichtung zur Verfügung gestanden seien. Er habe veranlasst, dass Rechnungen "im Rahmen der Liquidität" der Primärschuldnerin gezahlt worden seien, d.h., dass die als vordringlich erachteten Rechnungen als erste liquidiert worden seien. Damit stehe fest, dass Zahlungen, die mit der Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes im Zusammenhang gestanden seien, zur Gänze geleistet worden seien, während die Beitragsforderungen der belangten Behörde nicht (zur Gänze) beglichen worden seien. Schon daraus lasse sich ein Verschulden des Revisionswerbers an der von ihm zugegebenen Ungleichbehandlung aller Gläubiger ersehen. Er sei einem rechnerischen Entlastungsbeweis nicht nachgekommen und habe angegeben, dass er sich "nicht mit Formularen beschäftige". Eine Rechtfertigung dieser Art mute bei Personen, die in Steuer- und Wirtschaftsberatungsberufen tätig seien, seltsam an. Mangels rechnerischen Nachweises sei es dem Revisionswerber nicht gelungen, den Haftungsbetrag von EUR 180.528,10, der von der belangten Behörde detailliert und nachvollziehbar aufgegliedert worden sei, in Zweifel zu ziehen, weshalb von der Beiziehung des beantragten Buchsachverständigen habe abgesehen werden können. 14 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die Beitragsforderung gegenüber dem Primärschuldner im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung noch nicht verjährt sein dürfe, und dass erst der Erlassung des Haftungsbescheides verjährungsunterbrechende Wirkung zukomme. Die Forderung gegenüber dem Revisionswerber sei erstmals mit Haftungsbescheid vom 19. Juli 2017 geltend gemacht worden. Rückgerechnet von diesem Zeitpunkt - zwei Jahre sohin bis zum 19. Juli 2015 - seien sämtliche Forderungen bereits verjährt gewesen. Die Forderungen der belangten Behörde (gegenüber der S. GmbH) aus dem Jahr 2001 bis einschließlich Juli 2014 seien verjährt gewesen. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, "ob die (Fristen-)Unterbrechungswirkungen des § 9 Abs. 1 IO und die Fristen-Hemmungswirkungen des § 9 Abs. 2 IO entgegen den zivilrechtlichen Vorgaben auch außerhalb des Insolvenzverfahrens auf Beitragshaftende anwendbar sind". Diese Bestimmungen würden ausschließlich Wirkungen für die Schuldnerin haben und keineswegs Drittwirkungen gegenüber dem Beitragsmithaftenden entfalten. 15 Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass das Bestehen der Pflichtversicherungen erst auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 2012, Zl. 2009/08/0194, festgestellt worden ist. Während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof und im Zeitraum danach (für den Zahlungserleichterungen bewilligt worden waren) war die Verjährung gehemmt (§ 68 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 zweiter Satz ASVG). Sodann wurde die Verjährung durch die Anmeldung der Beitragsforderungen in dem am 10. Juni 2015 eröffneten Insolvenzverfahren gemäß § 68 Abs. 2 ASVG iVm § 9 Abs. 1 IO unterbrochen. Die Insolvenzverwalterin hat (unverjährte) Beitragsforderungen iHv EUR 929.228,30 anerkannt. Gemäß § 68 Abs. 1 ASVG wirken Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung gegen den Zahlungspflichtigen in gleicher Weise gegen den Beitragsmithaftenden. Daher war bis dahin auch die Forderung iSd § 67 Abs. 10 ASVG gegen den Revisionswerber nicht verjährt. Die Feststellungsverjährung konnte ihm gegenüber erst mit dem Feststehen der objektiven Uneinbringlichkeit der noch nicht verjährten Forderung gegenüber der Primärschuldnerin, d.h. im vorliegenden Fall mit der rechtskräftigen Beendigung des Sanierungsverfahrens gemäß § 152b IO am 13. Oktober 2015 beginnen (VwGH 9.9.2019, Ra 2019/08/0126, mwN). Innerhalb der Verjährungsfrist wurde der Revisionswerber aufgefordert, bis zum 16. Dezember 2016 schriftlich darzulegen, weshalb ihn kein Verschulden treffe. Damit wurde die Verjährung ihm gegenüber gemäß § 68 Abs. 1 ASVG nochmals unterbrochen. Der erstinstanzliche Bescheid vom 19. Juli 2017 erging daher rechtzeitig. 16 Des weiteren macht der Revisionswerber geltend, es fehle an Rechtsprechung zur Frage, ob ein Sanierungsplan, dem die belangte Behörde ihre Zustimmung erteilt habe, einen Verzicht auf die Geltendmachung weiterer Forderungen darstelle. Ein strukturierter Sanierungsplan sei einem Vergleich mit Bereinigungswirkung gleichzuhalten. Es sei fraglich, ob der von der belangten Behörde "vereinbarte Forderungsausfall" als Schaden qualifiziert werden könne. Das Wesen eines "strukturierten Sanierungsplanes" sei, dass die Gläubiger über den Forderungsausfall disponieren könnten. Es sei nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde im Rahmen des strukturierten Sanierungsplanes einer Schlechterbehandlung im Bewusstsein zustimme, dass sie keinen Forderungsausfall erleiden werde, weil im Hintergrund ein Beitragshaftender stehe, dem man die Differenzquote überbinde. Der strukturierte Sanierungsplan könne nicht auf Kosten des nicht bei diesem beteiligten Revisionswerbers Bindungswirkungen entfalten. Ein "Schaden", den die belangte Behörde selbst herbeiführen könnte, indem sie einem Forderungsausfall in Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gläubigern zustimme, könne nicht dem Beitragshaftenden vorgeworfen bzw. auf diesen überwälzt werden. Es fehle an der Kausalität. 17 Auch damit zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. So wie eine rechtskräftige Bestätigung eines Ausgleichs (Zwangsausgleichs) des Primärschuldners der Geltendmachung der Haftung nach den §§ 80ff BAO auch für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegen steht (VwGH 13.4.2005, 2001/13/0283, 0284, mwN), kommt auch den im § 67 Abs. 10 ASVG genannten haftenden Personen die Bereinigungswirkung eines Zwangsausgleiches oder eines Sanierungsplanes nicht zugute (VwGH 22.12.1998, 94/08/0249; 4.8.2004, 2002/08/0145; 15.11.2017, Ro 2017/08/0001; zu § 25a Abs. 7 BUAG VwGH 26.1.2005, 2002/08/0213). Ob ein zurückgesetzter Gläubiger einem Ausgleich bzw. der Ungleichbehandlung in einem Sanierungsplan iSd § 150 Abs. 2 IO zugestimmt hat oder nicht, ist für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG ebenso ohne Bedeutung wie der Vorwurf einer nicht an eigene Interessen an der Hereinbringung von Beiträgen orientierten Bevorzugung anderer Gläubiger der S. GmbH durch die belangte Behörde auf Kosten des Revisionswerbers.

18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080180.L00

Im RIS seit

05.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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