TE OGH 2019/12/17 10Ob65/19k

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes M*****, geboren ***** 2003, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Kindes, in Unterhaltssachen vertreten durch das Land Vorarlberg als Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Bezirkshauptmannschaft Bregenz, Jugendwohlfahrt, 6901 Bregenz, Bahnhofstraße 41), gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 25. Juli 2019, GZ 1 R 138/19f-30, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bezau vom 12. April 2019, GZ 2 Pu 44/09g-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die vom Kind beantragte Erhöhung des Geldunterhaltsbeitrags des Vaters ab dem 1. 1. 2019.

Das 16-jährige Kind befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter und hat kein eigenes Einkommen. Der Vater war bisher aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 20. 12. 2013 ab 1. 8. 2013 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 321 EUR an das Kind verpflichtet.

Der geldunterhaltspflichtige Vater bezieht ein monatliches Nettodurchschnittseinkommen von 2.027,11 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen. Er hat keine weiteren Sorgepflichten zu erfüllen.

Das Kind beantragte, den Vater ab 1. 8. 2018 bis 31. 12. 2018 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von 437 EUR und ab 1. 1. 2019 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von 481 EUR zu verpflichten. Der Vater habe unter Berücksichtigung anteiliger Sonderzahlungen und einer Versehrtenrente von August 2018 bis Dezember 2018 ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2.063 EUR erzielt, und ab 1. 1. 2019 unter Berücksichtigung des Familienbonus Plus ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2.188 EUR.

Der Vater beteiligte sich weder am erstinstanzlichen Verfahren noch am Rechtsmittelverfahren.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, zusätzlich zu der ihm bisher auferlegten Unterhaltsverpflichtung von monatlich 321 EUR für die Zeit vom 1. 8. 2018 bis 31. 12. 2018 einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag von 99 EUR, gesamt daher monatlich 420 EUR, und ab 1. 1. 2019 einen weiteren monatlichen Betrag von 124 EUR, gesamt daher monatlich 445 EUR zu leisten; das Mehrbegehren von monatlich 17 EUR für den Zeitraum 1. 8. 2018 bis 31. 12. 2018 und von monatlich 36 EUR ab 1. 1. 2019 wies es ab. Der Vater habe einen Geldunterhaltsbeitrag von 22 % seines Nettoeinkommens zu leisten. Ausgehend vom monatlichen Nettoeinkommen von 2.027,11 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen errechne sich ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 445 EUR für das Kind. Die dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen seien bei der Unterhaltsbemessung auch ohne Antrag zu berücksichtigen. Dies ergebe für den Zeitraum ab 1. 1. 2019 einen Unterhaltsanspruch von 474,70 EUR (berechnet vom Erstgericht nach der Formel: Unterhalt = 445 - [445 x 35 x 0,004] + 29 + 63). Da der Familienbonus Plus seit 1. 1. 2019 bereits bei der Berechnungsformel der steuerlichen Entlastung berücksichtigt worden sei, sei er der Bemessungsgrundlage nicht noch einmal hinzuzurechnen.

Das Rekursgericht gab dem vom Kind gegen diesen Beschluss im Umfang der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens für den Zeitraum 1. 8. 2018 bis 31. 12. 2018 Folge und verpflichtete den Vater zur Zahlung eines weiteren Unterhaltsbeitrags für diesen Zeitraum von monatlich 107 EUR, gesamt daher zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrags von monatlich 428 EUR. In diesem Umfang erwuchs die Entscheidung des Rekursgerichts mangels Anfechtung in Rechtskraft.

Im Umfang der Abweisung eines Unterhaltsmehrbegehrens von 36 EUR monatlich ab 1. 1. 2019 gab es dem Rekurs des Kindes hingegen nicht Folge. Es sei von einem höheren monatlichen Nettoeinkommen des Vaters, nämlich 2.061 EUR, auszugehen. Der Familienbonus Plus erhöhe das tatsächliche Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage sei daher ab dem 1. 1. 2019 mit 2.186 EUR monatlich anzunehmen. Ausgehend davon errechne sich der Unterhaltsanspruch des Kindes in Höhe von 22 % mit monatlich 480 EUR seit 1. 1. 2019. Der Familienbonus Plus dürfe allerdings nicht durch zweimalige Berücksichtigung auch bei der Berechnung der steuerlichen Entlastung zu einer Bevorzugung des Kindes führen. Setze man den neu ermittelten Prozentunterhaltswert von 480 EUR und die vom Erstgericht unstrittig angenommenen Werte in die Formel [Unterhalt = Prozentunterhalt – (Prozentunterhalt x Berechnung Steuersatz x 0,004) + Unterhaltsabsetzbetrag] ein, errechne sich der steuerlich entlastete Unterhalt mit 442 EUR monatlich [480 - (480 x 35 x 0,004) + 29]. Wenn das Erstgericht den Unterhaltsbeitrag des Vaters ab 1. 1. 2019 mit monatlich 445 EUR festgesetzt habe, könne sich das Kind dadurch nicht als beschwert erachten.

Den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu allen steuerlichen Auswirkungen des Familienbonus Plus fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Vater nicht beantwortete Revisionsrekurs des Kindes, mit dem das Kind die Erhöhung des Unterhalts um weitere 36 EUR monatlich ab 1. 1. 2019 anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Das Kind macht im Revisionsrekurs geltend, dass auch der Familienbonus Plus ab 1. 1. 2019 – ebenso wie bis zu diesem Zeitpunkt der Kinderfreibetrag – bei der Berechnung der Steuerersparnis zusätzlich zum Unterhaltsabsetzbetrag in die vom Rekursgericht verwendete Formel für die Berechnung des Unterhalts einzusetzen sei. Da die hier nach zivilrechtlichen Kriterien ermittelte Unterhaltspflicht deutlich unter 600 EUR liege und das Einkommen des unterhaltspflichtigen Vaters nur dem Grenzsteuersatz von 35 % unterliege, bleibe für die Kürzung des Unterhalts aus steuerlichen Gründen kein Raum mehr, sondern habe es bei dem nach zivilrechtlichen Kriterien zu bemessenden Unterhalt zu bleiben.

Dem kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu.

1.1 Der Oberste Gerichtshof hat sich in der erst nach der Beschlussfassung des Rekursgerichts ergangenen Entscheidung 4 Ob 150/19s ausführlich mit der Frage der Behandlung des Familienbonus Plus im Unterhaltsrecht auseinandergesetzt. Mit dieser Entscheidung erfolgte aus Anlass der neuen gesetzlichen Regelung zum Familienbonus Plus mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl I 2018/62, eine Neuausrichtung der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung.

1.2 Nach der Entscheidung 4 Ob 150/19s handelt es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die in dieser Entscheidung ausführlich dargestellten steuergesetzlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.

1.3 Diesen ausführlichen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an. Da das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bedarf es auch im vorliegenden Fall keiner Auseinandersetzung mit der auch in 4 Ob 150/19s offen gelassenen Frage, wie sich der Familienbonus Plus auf den Unterhaltsanspruch älterer Kinder auswirkt.

2.1 Das Erstgericht ist im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Familienbonus Plus die Unterhaltsbemessungsgrundlage für den hier zu beurteilenden Zeitraum ab 1. 1. 2019 nicht erhöht. Es hat dem Kind ausgehend davon und unter Berücksichtigung eines monatlichen Nettoeinkommens des Vaters von 2.027,11 EUR einen Unterhaltsbeitrag unter Anwendung der als Orientierungshilfe dienenden Prozentsatzmethode (vgl RS0057284) zuerkannt.

2.2 Unterhalt ist nicht mathematisch zu berechnen, sondern vielmehr im Einzelfall nach den von Billigkeitsüberlegungen getragenen Grundsätzen der Rechtsprechung auszumitteln (4 Ob 150/19s mwH; RS0057284 [T14]). Das Rekursgericht ist bei seinen rechtlichen Ausführungen zwar von einem – vom Kind im Rekurs auch mit 2.063 EUR nahezu betragsgleich behaupteten – geringfügig höheren monatlichen Nettoeinkommen des Vaters ausgegangen als das Erstgericht. Es hat aber die vom Erstgericht getroffene Entscheidung für den Zeitraum ab 1. 1. 2019 im Ergebnis bestätigt. Eine unter Berücksichtigung des vom Rekursgericht angenommenen geringfügig höheren Einkommens des Vaters nach Billigkeitsüberlegungen unrichtige Festsetzung des Unterhalts durch die Vorinstanzen macht das Kind auch im Revisionsrekurs nicht geltend, sondern verlangt selbst die Festsetzung des Unterhalts nach zivilrechtlichen Grundsätzen.

Dem Revisionsrekurs war daher im Ergebnis nicht Folge zu geben.

Textnummer

E127258

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00065.19K.1217.000

Im RIS seit

06.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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