TE Vwgh Erkenntnis 2019/12/17 Ra 2019/06/0058

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol
L82000 Bauordnung
L82007 Bauordnung Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §59 Abs1
BauO Tir 2018 §2 Abs1
BauO Tir 2018 §46 Abs7 lita
BauRallg
ROG Tir 2016 §61
ROG Tir 2016 §61 Abs1
ROG Tir 2016 §61 Abs3
ROG Tir 2016 §61 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak, Hofrat Mag. Haunold sowie Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 20. Februar 2019, Zl. LVwG- 2018/38/2645-6, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (weitere Partei: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: E-Privatstiftung, vertreten durch Dr. Walter Heel, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 28. Mai 2018 wurde der mitbeteiligten Partei eine Bewilligung nach § 14 Abs. 1 lit. a des Tiroler Stadt- und Ortsbildschutzgesetzes 2003 (SOG 2003) zur Errichtung eines Fahrradunterstandes auf einem näher genannten Grundstück der KG I erteilt. Die Bewilligung erfolgte entsprechend den von der mitbeteiligten Partei eingereichten Plänen sowie nachfolgender (auszugsweiser) Beschreibung:

"Der geplante Fahrradunterstand weist die Abmessung von 2,11 m x 3,51 m (7,41 m2) auf und soll auf einer neu zu errichtenden Stahlbetonplatte mit einer Stärke von 20 cm aufgestellt werden.

(...) Die tragende Grundstruktur (Säulen und Dachkonstruktion) besteht aus feuerverzinkten Stahl-L-Profilen 80/80/8 mm, wobei die Säulen über entsprechende Fußpunkte, bestehend aus feuerverzinktem Flachstahl an der Stahlbetonplatte befestigt werden.

Diese Fußplatten werden an den Stahlsäulen angeschweißt. Die Gesamtkonstruktion beinhaltet jeweils eine Säule in den Eckpunkten und aufgrund der geplanten Länge eine zusätzliche Säule in der Mitte der nordseitigen Außenwand.

(...)"

Begründend führte das LVwG, soweit vorliegend relevant, aus, der in Rede stehende Fahrradunterstand sei als bauliche Anlage im Sinne des § 28 Abs. 3 lit. g Tiroler Bauordnung 2018 - TBO 2018 zu qualifizieren; die in dieser Bestimmung genannten baulichen Anlagen seien lediglich demonstrativ aufgezählt; der gegenständliche Fahrradunterstand lasse sich in diese Aufzählung zweifellos einreihen. Nachdem dieser aus dem genannten Grund nach der TBO 2018 nicht bewilligungspflichtig sei, komme die Verfahrenskonzentration des § 18 Abs. 1 SOG 2003 nicht zum Tragen und sei der Fahrradunterstand nach § 14 Abs. 1 lit. a leg. cit. bewilligungspflichtig.

Dieses Erkenntnis ist in Rechtskraft erwachsen. 2 Mit Bescheid des Stadtmagistrates des Landeshauptstadt Innsbruck vom 12. November 2018 wurde der mitbeteiligten Partei als Eigentümerin des Grundstückes, auf welchem der genannte Fahrradunterstand errichtet worden war, gemäß § 46 Abs. 7 lit. a TBO 2018 "die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, nämlich die Beseitigung des (näher beschriebenen) Fahrradunterstandes, sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch Hinterfüllung verbliebener Löcher" binnen einer näher bezeichneten Frist aufgetragen.

Begründend führte der Stadtmagistrat hierzu - soweit für den Revisionsfall von Relevanz - zusammengefasst aus, das verfahrensgegenständliche Grundstück sei vom Bebauungsplan SA-B1 erfasst, welcher am 2. März 1999 in Kraft getreten sei und eine oberirdische Bebauungsdichte von maximal 0,25 vorschreibe. Gemäß § 61 Abs. 4 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 sei die Bebauungsdichte das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der bebauten Fläche mit Ausnahme jener Flächen, die für die der Gartengestaltung dienenden baulichen Anlagen vorgesehen seien, und der Fläche des Bauplatzes mit Ausnahme jener Teile, die Verkehrsflächen im Sinne des § 2 Abs. 20 Tiroler Bauordnung 2011 seien. Bei der Berechnung blieben untergeordnete Bauteile sowie Zufahrten und Zugänge im Ausmaß von höchstens 15 v.H. des Bauplatzes außer Betracht. Unterirdische Gebäude oder Teile von Gebäuden seien nur einzurechnen, wenn dies durch eine zusätzliche Festlegung bestimmt werde.

Den Einreichunterlagen zu einer im Jahr 2012 erteilten Baubewilligung für einen Umbau und eine Sanierung der auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück befindlichen Villa samt Garage und einem näher bezeichneten Bewilligungsbescheid zur Errichtung einer Müllstation sei insgesamt zu entnehmen, dass sich durch den auf dem Grundstück genehmigten Bestand (Villa, Garage und Müllstation) im Verhältnis zur Grundstücksgröße bereits eine Bebauungsdichte von 0,248 ergebe. Die höchstzulässige Bebauungsdichte werde mit dem in Rede stehenden Fahrradunterstand, der eine Größe von 7,41 m2 aufweise, um fast 5 m2 überschritten. Bei dem Fahrradunterstand handle es sich, wie auch dem Erkenntnis des LVwG vom 28. Mai 2018 betreffend dessen Bewilligung nach dem SOG 2003 zu entnehmen sei, um eine baurechtlich weder anzeigenoch bewilligungspflichtige bauliche Anlage. Da jedoch durch die dargestellte Überschreitung der Bebauungsdichte ein Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan vorliege, seien die Voraussetzungen für einen Auftrag gemäß § 46 Abs. 7 lit. a TBO 2018 erfüllt. Dem stehe auch die vorliegende Bewilligung nach dem SOG 2003 nicht entgegen. Da die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gegenständlich "rechtlich" auf keine andere Weise möglich sei, da die höchstzulässige Bebauungsdichte bereits durch den Bestand ausgeschöpft sei, sei gemäß § 46 Abs. 7 letzter Satz TBO 2018 die Beseitigung aufzutragen. Nach erfolgter Beseitigung des Fahrradunterstandes inklusive der Stahlbeton-Fundamentplatte sei das allenfalls verbleibende Loch wieder entsprechend dem angrenzenden Niveau aufzufüllen, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Der Vollständigkeit halber sei auch darauf hinzuweisen, dass für den Fahrradunterstand "in der vorliegenden Form" auch nach den Bestimmungen des SOG 2003 nach wie vor kein Konsens gegeben sei, da sich dieser lagemäßig nicht am bewilligten Standort befinde.

3 Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der mitbeteiligten Partei wies das LVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung "mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass nur der Fahrradunterstand bis zum 30.04.2019 zu entfernen" sei (Spruchpunkt 1.). Weiters sprach das LVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

Zur Begründung stellte das LVwG nach Darstellung des Verfahrensganges zusammengefasst fest, der verfahrensgegenständliche Fahrradunterstand weise eine Abmessung von 2,11 m x 3,51 m auf, womit eine überbaute Fläche von 7,41 m2 vorliege. Der Fahrradunterstand sei weder anzeige- noch bewilligungspflichtig nach der Tiroler Bauordnung. Mit Erkenntnis des LVwG vom 28. Mai 2018 sei dafür eine Bewilligung nach dem SOG 2003 erteilt worden. Der seit 2. März 1999 geltende Bebauungsplan "SA-B1" schreibe für das in Rede stehende Grundstück eine oberirdische Bebauungsdichte von maximal 0,25 vor; diese werde durch die Errichtung des Fahrradunterstandes um 0,0038 überschritten. Rechtlich führte das LVwG aus, es handle sich gegenständlich um eine bauliche Anlage im Sinne des § 28 Abs. 3 lit. g TBO 2018, weshalb keine baubehördliche Bewilligungspflicht vorliege und auch die Verfahrenskonzentrationsbestimmung des § 18 Abs. 1 SOG 2003 nicht zum Tragen komme. Zu Recht sei daher nur die Bewilligung nach dem SOG 2003 erteilt worden. Die baupolizeiliche Bestimmung des § 46 Abs. 7 TBO 2018 räume der Behörde jedoch dezidiert die Möglichkeit ein, einen Entfernungsauftrag für jene Bauvorhaben zu erteilen, die nach § 28 Abs. 3 TBO 2018 zwar keiner Bewilligungspflicht unterlägen, aber dennoch als bauliche Anlage einem Bebauungsplan widersprächen. Dies liege gegenständlich vor. Zur Frage der tatsächlichen oberirdischen Bebauungsdichte auf der gegenständlichen Grundparzelle habe das LVwG ein hochbautechnisches Gutachten eingeholt, welches im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert worden sei. Aus diesem ergebe sich, dass die Bebauungsdichte bei 0,2538 liege, weshalb die belangte Behörde zu Recht eine Überschreitung der durch den geltenden Bebauungsplan festgelegten oberirdischen Bebauungsdichte von 0,25 durch den Fahrradunterstand festgestellt und daraus resultierend die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes vorgeschrieben habe. Letztlich führte das LVwG aus, "lediglich die Entfernung des Betonsockels" sei "im baupolizeilichen Verfahren überschießend, da dieser allein keine Erhöhung der Baumasse" bewirke "und somit auch belassen werden" könne, sodass der Spruch diesbezüglich einzuschränken gewesen sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck (Amtsrevisionswerber) mit dem Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, in der Sache selbst zu entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei zur Gänze als unbegründet abgewiesen werde, in eventu, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes seinem gesamten Umfang nach aufzuheben. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Revisionsbeantwortung. Die mitbeteiligte Partei sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision erweist sich angesichts des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung, es stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, ob für die gegenständliche Beurteilung der Bebauungsdichte nur solche baulichen Anlagen relevant seien, durch die auch Baumasse gebildet werde, oder ob dabei auch solche baulichen Anlagen zu berücksichtigen seien, die zwar keine Baumasse bilden, aber trotzdem eine bebaute Fläche darstellen, als zulässig. Sie ist im Ergebnis auch berechtigt. 6 § 61 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, LGBl. Nr. 101/2016 in der Fassung LGBl. Nr. 144/2018 (TROG 2016), lautet (auszugsweise, Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"§ 61

Baudichten

(1) Die Baudichten können als Baumassendichte, Bebauungsdichte, Nutzflächendichte oder in kombinierter Form festgelegt werden. Die Bebauungsdichte kann weiters für oberirdische und unterirdische bauliche Anlagen gesondert festgelegt werden. (...)

(2) Die Baumassendichte ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der Baumasse und der Fläche des Bauplatzes mit Ausnahme jener Teile, die Verkehrsflächen im Sinn des § 2 Abs. 21 der Tiroler Bauordnung 2018 sind.

(3) Baumasse ist der durch ein Gebäude umbaute Raum oberhalb der Erdoberfläche, der durch die Außenhaut des Gebäudes oder, soweit eine Umschließung nicht besteht, durch die gedachte Fläche in der Flucht der anschließenden Außenhaut begrenzt wird. (...)

(4) Die Bebauungsdichte ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der bebauten Fläche mit Ausnahme jener Flächen, die für die der Gartengestaltung dienenden baulichen Anlagen vorgesehen sind, und der Fläche des Bauplatzes mit Ausnahme jener Teile, die Verkehrsflächen im Sinn des § 2 Abs. 21 der Tiroler Bauordnung 2018 sind. Bei der Berechnung bleiben untergeordnete Bauteile sowie Zufahrten und Zugänge im Ausmaß von höchstens 15 v.H. der Fläche des Bauplatzes außer Betracht. Unterirdische Gebäude oder Teile von Gebäuden sind nur einzurechnen, wenn dies durch eine zusätzliche Festlegung bestimmt wird.

(...)"

§ 2 Abs. 1, 17 und 21, § 28 Abs. 3 lit. g sowie § 46 Abs. 7 der Tiroler Bauordnung 2018, LGBl. Nr. 28/2018, lauten (auszugsweise, Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

(...)

(17) Untergeordnete Bauteile sind:

a) Dachkapfer, Fänge, Windfänge, offene Balkone, Markisen und dergleichen, Schutzdächer und an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen; dies jedoch nur, wenn sie im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Fläche und zur Länge der betroffenen Fassaden bzw. Dächer untergeordnet sind;

b) Freitreppen, Vordächer, Sonnenschutzlamellen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile, wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, weiters Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen, sofern sie in die Außenhaut von baulichen Anlagen integriert sind oder einen Parallelabstand von höchstens 30 cm zur Dach- bzw. Wandhaut aufweisen, sowie Liftüberfahrten; dies jedoch nur, wenn sie im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Fläche der betreffenden Fassaden bzw. Dächer untergeordnet sind

(...)

(21) Verkehrsflächen sind die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straßen, die in einem Zusammenlegungsverfahren als gemeinsame Anlagen errichteten Wege, die Güterwege und die Forststraßen, die den güter- und seilwegerechtlichen bzw. den forstrechtlichen Vorschriften unterliegen, sowie jene Grundflächen, die von den in einem Bebauungsplan festgelegten Straßenfluchtlinien umfasst sind.

(...)"

"§ 28

Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige Bauvorhaben,

Ausnahmen

(...)

(3) Weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürfen:

(...)

g) die Errichtung und Änderung von Geräteschuppen, Holzschuppen und dergleichen bis zu einer Grundfläche von 10 m2 und einer Höhe von 2,80 m, sofern sie vom betreffenden Bauplatz oder einer Verkehrsfläche aus an zumindest drei Seiten von außen zugänglich sind;

(...)"

"§ 46

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(...)

(7) Die Behörde hat dem Eigentümer der baulichen Anlage die zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erforderlichen Maßnahmen aufzutragen, wenn

a) ein Bauvorhaben nach § 28 Abs. 3 dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan, Bebauungsregeln nach § 55 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, örtlichen Bauvorschriften, einer Bausperrenverordnung nach § 74 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 oder dem § 13 Abs. 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 widerspricht (...)

Ist die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes auf andere Weise rechtlich oder technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen."

7 Die Amtsrevision wendet sich in den Revisionsgründen erkennbar (ausschließlich) dagegen, dass der Stahlbetonsockel des Fahrradunterstandes, welcher im Bescheid 12. November 2018 vom baupolizeilichen Auftrag miterfasst war, im angefochtenen Erkenntnis durch das LVwG vom Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach § 46 Abs. 7 TBO 2018 ausgenommen wurde. Zum einen bringt der Amtsrevisionswerber in diesem Zusammenhang vor, bei der Beurteilung der Bebauungsdichte nach § 61 Abs. 4 TROG 2016 könne nicht ausschlaggebend sein, ob eine bauliche Anlage raumbildend sei und somit Baumasse bilde; einziges Kriterium müsse sein, ob es sich um eine bebaute Fläche handle und bejahendenfalls, ob ein Ausnahmetatbestand im Sinne des § 61 Abs. 4 TROG 2016 vorliege. Bei der verfahrensgegenständlichen Stahlbetonplatte handle es sich um eine (oberirdische) bauliche Anlage, die somit eine bebaute Fläche darstelle; ein Ausnahmetatbestand im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung liege nicht vor. Der Intention des Gesetzgebers folgend sei festzuhalten, dass die Festlegung einer Bebauungsdichte gerade den Zweck verfolge, aus übergeordneten raumordnungsfachlichen Gründen gewisse Frei- und Grünflächen zu erhalten. Folgte man der Auslegung des LVwG und zählte ausschließlich baumassebildende bauliche Anlagen zur Bebauungsdichte, könnten neben einem Gebäude, welches die Höchstbebauungsdichte bereits erreiche, in beliebigem Ausmaß bauliche Anlagen wie etwa Stellplätze, Terrassen oder Swimmingpools errichtet werden, was das raumordnungsfachliche Ziel der Bewahrung von Grünflächen innerhalb bebauter Gebiete zum Schutz des Orts- und Straßenbildes sowie zum Schutz eines qualitativ hochwertigen Lebensraumes "vollständig verhindere". Darüber hinaus bildeten zum anderen sämtliche Bauteile in ihrer Gesamtheit den gegenständlichen Fahrradunterstand. Da das LVwG so wie der Amtsrevisionswerber in seinem erstinstanzlichen Bescheid zu dem Schluss gekommen sei, dass der Fahrradunterstand zu entfernen sei, gehöre dazu auch die Fundamentplatte, welche einen untrennbaren Teil des Gebäudes darstelle.

Dieses Vorbringen führt die Revision im Ergebnis zum Erfolg:

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem einheitlichen Bauwerk grundsätzlich der gesamte Bau Gegenstand eines baupolizeilichen Auftrages. Ein Abbruchauftrag darf sich nur dann auf Teile eines Bauvorhabens beziehen, wenn die konsenswidrigen oder konsenslosen Teile eines Bauvorhabens von diesem trennbar sind (vgl. z.B. VwGH 16.3.2012, 2010/05/0182, 8.4.2014, 2012/05/0057, 29.4.2015, 2013/05/0025, 29.9.2015, 2013/05/0114, oder auch 15.12.2009, 2007/05/0057, jeweils mwN).

9 Im Revisionsfall kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Trennbarkeit hier gegeben ist:

10 Die genannte Rechtsprechung, wonach sich ein Abbruchauftrag (nur) dann auf Teile eines Bauvorhabens beziehen darf, wenn die konsenswidrigen oder konsenslosen Teile eines Bauvorhabens von diesem trennbar sind, ist nämlich (nur) in dem Sinne zu verstehen, dass im Falle einer Trennbarkeit nur jene Bauteile vom Abbruchauftrag erfasst sein sollen, durch deren Entfernung die Konsenswidrigkeit bzw. Konsenslosigkeit beseitigt werden kann. Ist eine Trennbarkeit zwar gegeben, sodass eine einheitliche bauliche Anlage im Sinne der Rechtsprechung nicht vorliegt, jedoch jeder Bauteil für sich genommen als konsenslos, konsenswidrig bzw. bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften widersprechend anzusehen, hat der baupolizeiliche Auftrag naturgemäß jeden Bauteil, d.h. wiederum die gesamte bauliche Anlage zu erfassen. 11 Fallbezogen bedeutet dies, dass auch im Falle einer angenommenen Trennbarkeit von Fundament und Unterstand zu prüfen ist, ob durch das Stahlbetonfundament für sich genommen eine unzulässige Überschreitung der durch den geltenden Bebauungsplan vorgegebenen maximalen Bebauungsdichte vorliegt, ob also das Fundament für sich allein betrachtet in die Berechnung der Bebauungsdichte einzufließen hat.

12 Nach § 61 Abs. 4 TROG 2016 ist die Bebauungsdichte das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der bebauten Fläche und der Fläche des Bauplatzes, jeweils mit Ausnahme der in der genannten Bestimmung genannten, für den Revisionsfall nicht relevanten, Flächen. Nach § 61 Abs. 1 TROG 2016 kann die Bebauungsdichte für oberirdische und unterirdische bauliche Anlagen gesondert festgelegt werden. Aus der Zusammenschau der beiden genannten Bestimmungen des § 61 TROG 2016 ergibt sich, dass die "bebaute Fläche" im Sinne des § 61 Abs. 4 TROG 2016 nach der Gesetzessystematik nur als "mit baulichen Anlagen bebaute Fläche" verstanden werden kann. Zum Begriff der "baulichen Anlage" enthält das TROG 2016 zwar keine eigenständige Begriffsbestimmung; gemäß § 2 Abs. 1 TBO 2018 sind jedoch bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind (zur Anwendbarkeit der Begriffsbestimmungen der TBO auf das TROG vgl. VwGH 21.3.2013, 2013/06/0035).

13 Dass zur Herstellung von (Stahl-) Betonfundamentplatten wie der in Rede stehenden (schon wegen des Erfordernisses der werkgerechten Fundierung zur Gewährleistung einer Kipp- und Windsicherheit einer darauf montierten Anlage) bautechnische Kenntnisse erforderlich sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. VwGH 18.3.2013, 2012/05/0044, vgl. weiters sinngemäß auch VwGH 17.12.2009, 2008/06/0097). 14 Daraus folgt für den Revisionsfall, dass das verfahrensgegenständliche Stahlbetonfundament auch für sich allein betrachtet in die Bebauungsdichteberechnung des Baugrundstückes einzuberechnen ist. Keinesfalls ausschlaggebend zur Berechnung der Bebauungsdichte nach § 61 Abs. 4 TROG 2016 ist hingegen bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes, - entgegen der vom LVwG im angefochtenen Erkenntnis ohne nähere Begründung zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht - ob auch ein umbauter Raum oberhalb der Erdoberfläche (Baumasse, § 61 Abs. 3 leg. cit.) besteht. Indem das LVwG dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 17. Dezember 2019

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2Planung Widmung BauRallg3Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019060058.L00

Im RIS seit

13.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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