TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/8 94/08/0028

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Veröffentlicht am 08.09.1998
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §14 Abs1;
AlVG 1977 §15 Abs1 Z2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr.Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.Hackl, über die Beschwerde des N in M, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Pollheimerstraße 12, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 7. Dezember 1993, Zl. IVa-AlV-7022-0-B/4059 241149/Wels, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, beantragte am 10. August 1993 beim Arbeitsamt Wels erstmals die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Dabei wies er arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten in Österreich in der Zeit vom 18. April 1972 bis 31. Jänner 1973 (289 Tage), vom 20. Februar bis 9. April 1973 (49 Tage), vom 4. Juni bis 12. Juli 1973 (39 Tage) und vom 18. Juli bis 18. September 1973 (63 Tage) sowie einen Krankengeldbezug vom

10. bis 23. April 1973 (14 Tage) nach. Weiters gab er an, daß von 1973 bis 1993 Beschäftigungsverhältnisse im ehemaligen Jugoslawien bestanden hätten, worüber er allerdings keine Nachweise erbringen könne.

Mit Bescheid vom 23. September 1993 gab das Arbeitsamt dem Antrag mangels Erfüllung der Anwartschaft unter Berufung auf § 7 Z. 2 iVm § 14 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der gesetzlichen Rahmenfrist keine Dienstverhältnisse nachweisen können.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er habe 1973 Österreich verlassen und sei in seine Heimat zurückgekehrt. Von 1974 bis 1979 sei er bei einer Firma in Zagreb, von 1979 bis 1992 bei einer Firma in Bugojno/Bosnien beschäftigt gewesen. Die Arbeitsnachweise hinsichtlich des Dienstverhältnisses in Zagreb werde er beibringen, hinsichtlich des Dienstverhältnisses in Bugojno sei dies allerdings aufgrund des Krieges nicht möglich. Wegen des Krieges sei er auch nach Österreich geflüchtet.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer daraufhin unter Wiedergabe der §§ 14 und 15 AlVG aufgefordert, bis spätestens 15. November 1993 nachweislich bekanntzugeben, ob in seinem Fall noch weitere rahmenfristerstreckende Tatbestände vorlägen, ansonsten würde nach der bisherigen Aktenlage entschieden werden.

Der Beschwerdeführer gab mit Schreiben vom 12. November 1993 bekannt, er könne keine weiteren Beweise oder Unterlagen beibringen, da die Stadt Bugojno vollkommen zerstört worden sei und daher keine Unterlagen mehr vorhanden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend wurde nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, die gesetzliche Rahmenfrist dauere im vorliegenden Fall vom 10. August 1991 bis 9. August 1993. Die Erfüllung der Anwartschaft setze voraus, daß der Beschwerdeführer in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig in Österreich beschäftigt gewesen sei. Verlängere man jedoch die Rahmenfrist um die vom Beschwerdeführer behaupteten Beschäftigungszeiten im Ausland (Nachweise über die Beschäftigungszeiten habe er allerdings nicht vorgelegt), so dauere die erweiterte Rahmenfrist vom 9.August 1972 bis 9. August 1993. Innerhalb dieser Zeit lägen laut dem vorliegenden Versicherungsnachweis der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse arbeitslosenversicherungspflichtige Dienstverhältnisse im Ausmaß von insgesamt 341 Tagen vor; somit 48 Wochen und 5 Tage. Auch aufgrund der verlängerten Rahmenfrist erfülle der Beschwerdeführer die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld nicht. Nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit könnten auch die vom Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner 1974 bis 31. Dezember 1992 in Kroatien und Bosnien zurückgelegten (eventuell) berücksichtigungswürdigen Beschäftigungszeiten nicht zur Begründung der Anwartschaft herangezogen werden, da der Beschwerdeführer in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches nicht insgesamt mindestens 13 Wochen in Österreich arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung ist bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Nach § 15 Abs. 1 Z. 2 lit. a AlVG verlängern sich die Rahmenfristen nach § 14 Abs. 1 bis 3 um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland beschäftigt gewesen ist.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt die Beschwerde - erstmals - vor, der Beschwerdeführer sei in Bosnien nicht bis 31. Dezember 1992, sondern bis 30. April 1993 beschäftigt gewesen. Innerhalb der verlängerten Rahmenfrist lägen somit 64 Wochen und 6 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung im Inland.

Bei diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer allerdings, daß im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung des angefochtenen Bescheides gemäß § 41 Abs. 1 VwGG ausschließlich aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu erfolgen hat. Der Verwaltungsgerichtshof kann Tatsachen, die erst im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren neu vorgebracht werden, auch dann nicht berücksichtigen, wenn der Beschwerdeführer für diese Tatsachen Beweise anzubieten vermag (vgl. dazu etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 552 ff wiedergegebene Rechtsprechung).

Als wesentlichen Verfahrensmangel macht die Beschwerde den Umstand geltend, daß die belangte Behörde über den Endzeitpunkt der Auslandsbeschäftigung des Beschwerdeführers falsche Feststellungen getroffen habe. Dazu sei es lediglich deshalb gekommen, weil die Behörde den Beschwerdeführer in keiner Weise über Voraussetzung und Tragweite der §§ 14 und 15 AlVG aufgeklärt habe. Er sei insbesondere im Unklaren gelassen worden, daß es für die Berechnung der Anwartschaft bzw. der Rahmenfristen auf jeden einzelnen Tag seiner Beschäftigung im Ausland ankomme. Er sei auch nicht angeleitet worden, sonstige Beweismittel, etwa Zeugen, für seine Beschäftigung namhaft zu machen, was ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre. Insbesondere sei ihm keine Gelegenheit geboten worden, zu seinen Beschäftigungszeiten im Ausland Stellung zu nehmen. Während der Beschwerdeführer in seinem ursprünglichen Antrag angegeben habe, von 1973 bis 1993 in Jugoslawien beschäftigt gewesen zu sein, habe er in seiner Berufung angegeben, daß dies in der Zeit von 1974 bis 1992 der Fall gewesen sei. Die belangte Behörde habe nichts unternommen, um diesen offenkundigen Widerspruch bzw. seine vagen Schätzungen aufzuklären. Da der Beschwerdeführer erst ab August 1993 in Österreich gemeldet gewesen sei, sei es unwahrscheinlich, daß er sieben oder acht Monate lang in Bosnien arbeitslos gewesen sein sollte, nachdem er dort durchgehend 20 Jahre lang beschäftigt gewesen sei. Dieser Umstand hätte von amtswegen aufgeklärt werden müssen.

Mit diesem Vorbringen wirft der Beschwerdeführer der Behörde zunächst eine Verletzung ihrer Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG vor. Eine Verletzung dieser Pflicht kann aber vorliegendenfalls schon deshalb nicht vorliegen, weil die belangte Behörde (ohnehin) das völlig beweislos gebliebene Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, bis 1992 in Bosnien beschäftigt gewesen zu sein, zu seinen Gunsten im Sinne von "bis 31.12.1992" interpretiert hat.

Auch das weitere Vorbringen ist nicht geeignet, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Behauptungen in der Berufung mit Schreiben vom 20. Oktober 1993 den Inhalt der §§ 14 und 15 AlVG zur Kenntnis gebracht und ihn ersucht, mit Nachweisen bis spätestens 15. November 1993 bekanntzugeben, ob in seinem Fall noch weitere rahmenfristerstreckende Tatbestände vorlägen, ansonsten nach der bisherigen Aktenlage entschieden werden müsse. Der Beschwerdeführer hat darauf am 12. November 1993 schriftlich mitgeteilt, keine weiteren Beweise oder Unterlagen beibringen zu können, weil die Stadt Bugonjo vollkommen zerstört worden sei.

Der belangten Behörde kann somit nicht mit Erfolg eine Verletzung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht vorgeworfen werden, wenn sie von dem gegenüber dem Vorbringen im ursprünglichen Antrag abweichenden Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers ausging, das von ihm in seiner Äußerung vom 12. November 1993 in keiner Weise korrigiert wurde. Im Hinblick auf das Schreiben der belangten Behörde vom 20. Oktober 1993 entbehrt auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe keine Gelegenheit gehabt, zu seinen Beschäftigungszeiten im Ausland Stellung zu nehmen, jeder Grundlage.

Die Beschwerde macht schließlich geltend, daß trotz der offenkundigen Sprachprobleme des Beschwerdeführers bei seinen Kontakten mit dem Arbeitsamt kein tauglicher Dolmetscher beigezogen worden sei. Die Behörde habe sich auch nicht darum gekümmert, ob er ihr Schreiben vom 20. Oktober 1993 überhaupt verstehe; auch hier hätte allenfalls ein Dolmetscher beigezogen werden müssen.

Darauf ist zu erwidern, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch § 39a AVG nur der mündliche Verkehr zwischen der Behörde und den Parteien geregelt wird. Ein Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde wird damit nicht begründet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 87/04/0223). Zum anderen erscheint es nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde - wie in der Gegenschrift ausgeführt - aufgrund der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung davon ausgegangen ist, daß dieser der deutschen Sprache mächtig sei bzw. über eine entsprechende Hilfestellung verfügt.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994080028.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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